Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.760/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_760/2008

Urteil vom 27. Oktober 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Parteien
Oberzolldirektion, Hauptabteilung Recht und Abgaben, 3003 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Advokat Hans Binggeli.

Gegenstand
Zoll- und Mehrwertsteuernachlass,

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom
3. September 2008.

Sachverhalt:
Am 11. November 2003 erliess die Zollverwaltung gegenüber der X.________ AG als
Solidarschuldnerin eine Nachforderungsverfügung für Einfuhrabgaben (Zoll und
Mehrwertsteuer) im Gesamtbetrag von Fr. 106'296.--, nachdem die Auftraggeberin
in Konkurs gefallen war. Dagegen führte die X.________ AG am 12. Dezember 2003
Beschwerde bei der Oberzolldirektion. Das Verfahren blieb bis zum Entscheid des
Bundesgerichts in einem ähnlichen Fall sistiert. Am 28. Oktober 2005 zog die
X.________ AG die Beschwerde zurück, und am 2. November 2005 erging der
Abschreibungsbeschluss der Oberzolldirektion.
Am 13. April 2006 stellte die X.________ AG bei der Oberzolldirektion das
Gesuch, es seien ihr wegen besonderer Härte die Einfuhrabgaben ganz oder
teilweise zu erlassen. Die Oberzolldirektion trat mit Entscheid vom 13. Oktober
2006 auf das Gesuch nicht ein mit der Begründung, dieses sei verspätet erfolgt.
Eine Beschwerde der X.________ AG hiess das Bundesverwaltungsgericht mit
Entscheid vom 3. September 2008 gut und wies die Sache zur (materiellen)
Beurteilung des Zoll- und Mehrwertsteuernachlasses an die Oberzolldirektion
zurück.

Hiergegen führt die Eidgenössische Zollverwaltung Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, Ziffer 2 des Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts sei aufzuheben und dahingehend zu ändern, dass auf
die Beschwerde nicht eingetreten werde.

Ein Schriftenwechsel ist nicht angeordnet worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Gemäss Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht u.a. Beschwerden
gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Das angefochtene
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betrifft eine Angelegenheit des
öffentlichen Rechts. Gemäss Art. 83 lit. m BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide über die
Stundung und den Erlass von Abgaben. Der Begriff der Abgabe ist umfassend zu
verstehen. Darunter fallen alle Arten von Steuern und Abgaben. Auch Umsatz- und
Einfuhrsteuern sowie Zollabgaben gehören dazu (vgl. Hansjörg Seiler, in:
Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 84 zu Art. 83 BGG; Thomas Häberli, in:
Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 216 zu Art. 83 BGG). Der
angefochtene Entscheid betrifft eine Verfügung über den Erlass von Zollabgaben
(Art. 127 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925, aZG) und der Mehrwertsteuer
(Einfuhrsteuer, Art. 84 des Mehrwertsteuergesetzes vom 2. September 1999). Er
fällt folglich unter den Ausschlussgrund von Art. 83 lit. m BGG.

1.2 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass die Beschwerde zulässig sein
müsse. Das Bundesgericht selbst habe eine teilweise grosszügigere Haltung
eingenommen. Sie verweist auf die bundesgerichtlichen Entscheide 2C_82/2007 vom
3. Juli 2007 und 2C_355/2007 vom 19. November 2007. In den beiden Fällen ging
es jedoch in der Sache um die Nichtanwendung des (privilegierten)
Kontingentszollansatzes bzw. um eine Streitigkeit über Zollpräferenzen, was mit
dem Ausschlussgrund von Art. 83 lit. m BGG - Entscheide über Stundung oder
Erlass von Abgaben - klarerweise nichts zu tun hat. Im vorliegenden Fall wurde
denn auch über die Anwendung des Ausserkontingentszollansatzes schon vor dem
Zollnachlassgesuch definitiv entschieden und eröffnete das Gesuch ein neues
Verfahren.

Die Rechtsprechung zum alten Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die
Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 99 Abs. 1 lit. g OG) hilft nicht
weiter. Danach war gegen die Verweigerung eines Zollnachlasses die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unter der Voraussetzung
zulässig, dass in der Sache nach der zugrundeliegenden zollrechtlichen Regelung
ein Rechtsanspruch auf Zollnachlass bestand (ASA 74 S. 246, 2A.566/2003; Urteil
2A.534/2005 vom 17. Februar 2006, E. 2.3). Das BGG hat demgegenüber die
altrechtlichen Ausnahmen von der Beschwerde nach Verfügungsgegenstand und
Sachgebiet (vgl. Art. 99, 100, 129 OG) zusammengefasst und bereinigt. Sofern
die Beschwerde entgegen der Ausnahme und unter der Voraussetzung, dass in der
Sache ein Rechtsanspruch besteht, zulässig ist, kommt das im Gesetz zum
Ausdruck (s. etwa lit. c, d und k zu Art. 83 BGG). Wie die Beschwerdeführerin
zu Recht bemerkt, gelten die Ausschlussgründe absolut (s. auch Heinz
Aemisegger, Der Beschwerdegang in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in:
Die Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen auf die
Praxis, 2006, S. 135). Art. 83 lit. m BGG enthält für Entscheide über die
Stundung oder den Erlass von Abgaben keine Gegenausnahme. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts über den Nachlass von Zollabgaben ist daher
unzulässig.

2.
Auf die Beschwerde ist nach Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG nicht einzutreten. Da
die Eidgenössische Zollverwaltung unterliegt, die Streitsache zu ihrem
amtlichen Wirkungskreis gehört und Vermögensinteressen des Bundes berührt, hat
sie die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 und
Abs. 4 in Verbindung mit Art. 65 BGG). Der Beschwerdegegnerin sind keine
entschädigungspflichtigen Auslagen entstanden.

Demnach erkennt der Einzelrichter:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten im Betrag von Fr. 1'000.-- werden der Eidgenössischen
Zollverwaltung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Oktober 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Wyssmann