Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.729/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_729/2008

Urteil vom 3. März 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Zünd,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Winiger.

Parteien
X.________ Versicherungs-Gesellschaft,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Rufener,

gegen

Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh.,
Rathaus, 9043 Trogen.

Gegenstand
Gebühren für Akteneinsicht,

Beschwerde gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell
Ausserrhoden vom 1. September 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 26. August 2007 kam es im Sportzentrum Herisau/AR im Bereich der Sauna zu
einem Brand, der einen Schaden von mehreren Millionen Franken verursachte.
Aufgrund der unklaren Brandursache gab das Verhöramt des Kantons Appenzell
Ausserrhoden im Rahmen der Strafuntersuchung beim forensisch-wissenschaftlichen
Dienst der Kantonspolizei St. Gallen eine Expertise zur Abklärung der
Brandursache in Auftrag. Das Verhöramt stellte das Strafverfahren mit Verfügung
vom 16. Mai 2008 ein.

B.
Die X.________-Versicherungsgesellschaft, Regionalsitz A.________, ersuchte als
Sachversicherer der Gemeinde Herisau bzw. des Sportzentrums Herisau mit
Schreiben vom 31. August 2007 und 26. Februar 2008 das Verhöramt um Zustellung
der Polizeirapporte und allenfalls weiterer Akten im Zusammenhang mit dem
Saunabrand. Mit Schreiben vom 4. März 2008 stellte das Verhöramt den
Polizeirapport gegen eine Gebühr von Fr. 80.-- zur Einsichtnahme zu. Am 7. März
2008 ersuchte die X.________-Versicherungsgesellschaft zusätzlich um Zustellung
des Berichtes des Branderkennungsdienstes. Am 23. Mai 2008 stellte das
Verhöramt den Bericht in Kopie zu und erhob dafür eine "Gebühr für die
Einsichtnahme" in der Höhe von Fr. 4'400.--. Die Versicherungsgesellschaft
akzeptierte diese Gebührenbelastung nicht und verlangte eine anfechtbare
Verfügung. Am 17. Juni 2008 verfügte das Verhöramt des Kantons Appenzell
Ausserrhoden, dass die X.________-Versicherungsgesellschaft für die
Akteneinsicht eine Gebühr von Fr. 4'400.-- zu bezahlen habe. Das Verhöramt
stützte sich dabei auf die kantonale Gebührenordnung, welche bei besonders
aufwendigen Verfahren eine Erhöhung der Gebühr für die Zustellung von Akten an
nicht am Verfahren beteiligte Personen vorsieht.

C.
Gegen diese Gebührenverfügung rekurrierte die
X.________-Versicherungsgesellschaft am 30. Juni 2008 bei der
Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Mit Entscheid vom 1.
September 2008 wies die Staatsanwaltschaft den Rekurs ab.

D.
Mit Eingabe vom 2. Oktober 2008 erhebt die X.________-Versicherungsgesellschaft
beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw.
subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Sie beantragt, den Entscheid der
Staatsanwaltschaft aufzuheben und eine Akteneinsichtsgebühr von maximal Fr.
400.-- festzusetzen. Gerügt wird die Verletzung des Legalitätsprinzips, des
Willkürverbots sowie des Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips.

E.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden schliesst in ihrer
Vernehmlassung vom 5. November 2008 auf Abweisung der Beschwerde. Das Verhöramt
des Kantons Appenzell Ausserrhoden hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

F.
Mit Verfügung vom 3. November 2008 erteilte der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein Rekursentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons
Appenzell Ausserrhoden, mit dem die Zulässigkeit einer vom Verhöramt erhobenen
Gebühr für die Akteneinsicht durch Dritte bejaht wird. Streitigkeiten dieser
Art fallen nicht unter den Ausnahmekatalog gemäss Art. 83 BGG betreffend die
Unzulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten,
weshalb dieses Rechtsmittel vorliegend gegeben ist. Als unmittelbare Vorinstanz
des Bundesgerichts müsste der Kanton Appenzell Ausserrhoden hingegen ein oberes
Gericht einsetzen (Art. 86 Abs. 2 BGG): Die Staatsanwaltschaft kann aufgrund
ihrer Organisation und hierarchischen Stellung nicht als "oberes Gericht" im
Sinne von Art. 86 Abs. 2 BGG gelten. Die Kantone haben indessen für die
Anpassung ihrer Gesetzgebung an das BGG - welches am 1. Januar 2007 in Kraft
getreten ist - eine Übergangsfrist von zwei Jahren zur Verfügung (Art. 130 Abs.
3 BGG), die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Rekursentscheides wie auch der
Einreichung des Rechtsmittels noch nicht abgelaufen war. Der Entscheid der
Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden stellt daher einen
letztinstanzlichen kantonalen Entscheid dar, der mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht angefochten werden
kann (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG; vgl. auch Urteil
2C_495/2007 vom 27. März 2008, E. 1.1).
Als Abgabepflichtige ist die Beschwerdeführerin, welche am vorinstanzlichen
Verfahren teilgenommen hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt
und besitzt ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung,
womit sie zur Beschwerde legitimiert ist (Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist daher weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt
hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und
interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft solche Rügen nur, wenn sie in
der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden sind (Art. 106 Abs. 2
BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).

1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts
kann nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt
werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG).
Eine entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert vorzubringen ist
(Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254
f.), setzt zudem voraus, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Umstritten ist vorab, ob die seitens des kantonalen Verhöramts von der
Beschwerdeführerin erhobene Gebühr in der Höhe von Fr. 4'400.-- für die
Einsicht in den Bericht des forensisch-wissenschaftlichen Dienstes der
Kantonspolizei St. Gallen, welcher im Rahmen eines Strafverfahrens im Auftrag
des Verhöramtes erstellt worden ist, über eine hinreichende gesetzliche
Grundlage verfügt.

2.2 Das Verhöramt stützte seine Gebührenrechnung auf Art. 33 der Verordnung des
Kantonsrats des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 15. Juni 1981 über die
Rechtskosten und Entschädigungen in der Zivil- und Strafrechtspflege
(Gebührenordnung; bGS 233.3), welcher wie folgt lautet:
"1 Für die Zustellung von Akten an nicht am Verfahren beteiligte Personen
beträgt die Gebühr Fr. 10.-- bis Fr. 200.--.
2 Die Gebühr kann angemessen erhöht werden, wenn es sich um ein besonders
aufwendiges Verfahren handelt und dem interessierten Dritten entsprechende
eigene Auslagen grösseren Umfanges erspart bleiben."
Nach Ansicht des Verhöramtes findet sich die gesetzliche Grundlage für die
Gebührenordnung in Art. 2 des Gesetzes vom 30. April 1978 über den Strafprozess
(Strafprozessordnung, StPO/AR; bGS 321.1) in Verbindung mit Art. 77 Abs. 2 der
Zivilprozessordnung vom 27. April 1980 (ZPO/AR; bGS 231.1). Art. 2 der
Strafprozessordnung hält dabei lediglich fest, dass die Bestimmungen des
Gesetzes über den Zivilprozess gelten, soweit die Strafprozessordnung keine
anderen Regelungen trifft. Art. 77 Abs. 2 der Zivilprozessordnung lautet wie
folgt: "Der Kantonsrat erlässt einen Gebührentarif."
Gemäss Darstellung im angefochtenen Entscheid hat die Staatsanwaltschaft in
einer internen Weisung die zitierte Bestimmung in der Gebührenordnung
dahingehend präzisiert, dass der Anteil der Kostenbeteiligung bei "normalen"
Fällen mit Kosten bis Fr. 5'000.-- im Sinne eines Richtwertes bei 50 % der
"angefallenen Kosten" liegen soll, während bei höheren Auslagen der
Sachbearbeiter oder die Sachbearbeiterin "nach Ermessen" entscheiden solle. Die
Beschwerdeführerin macht dagegen eine mangelnde gesetzliche Grundlage zur
Erhebung einer Gebühr von Fr. 4'400.-- für die Akteneinsicht von Dritten
geltend.

3.
3.1 Die vorliegenden Gebühren sind den so genannten Kausalabgaben zuzurechnen.
Sie sind im Gegensatz zu Steuern das Entgelt für die Inanspruchnahme
staatlicher Leistungen. Ihre Bemessung hängt insbesondere vom Verfahrensaufwand
ab. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bedürfen derartige Abgaben -
abgesehen von Kanzleigebühren - einer Grundlage in einem formellen Gesetz.
Delegiert das Gesetz die Kompetenz zur Festlegung einer Abgabe an den
Verordnungsgeber, so muss es zumindest den Kreis der Abgabepflichtigen, den
Gegenstand und die Bemessungsgrundlagen der Abgabe selber festlegen (vgl. auch
Art. 164 Abs. 1 lit. d BV bzw. Art. 69 Abs. 1 lit. b KV/AR; SR 131.224.1).
Diese Anforderungen hat die Rechtsprechung für die Abgabenbemessung (nicht aber
die Umschreibung des Kreises der Abgabepflichtigen und des Gegenstandes der
Abgabe) bei gewissen Arten von Kausalabgaben gelockert: Sie dürfen namentlich
dort herabgesetzt werden, wo das Mass der Abgabe durch überprüfbare
verfassungsrechtliche Prinzipien (Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip)
begrenzt wird und nicht allein der Gesetzesvorbehalt diese Schutzfunktion
erfüllt. Der Umfang des Legalitätsprinzips ist demnach je nach der Art der
Abgabe zu differenzieren. Das Prinzip darf weder seines Gehalts entleert noch
in einer Weise überspannt werden, dass es mit der Rechtswirklichkeit und dem
Erfordernis der Praktikabilität in einen unlösbaren Widerspruch gerät (statt
vieler BGE 130 I 113 E. 2.2 S. 115 f. mit Hinweisen; BGE 128 II 112 E. 5a S.
117, 247 E. 3.1 und 3.2 S. 251 mit Hinweisen auf Art. 164 Abs. 1 lit. d und
Art. 127 Abs. 1 BV; Adrian Hungerbühler, Grundsätze des Kausalabgabenrechts,
in: ZBl 104/2003 S. 505 ff., S. 514 u. 516).

3.2 Auf der Ebene des Kantons gelten als formelle Gesetze die einem
fakultativen oder obligatorischen Referendum unterworfenen Erlasse. Doch können
auch allein vom Parlament, d.h. ohne Mitwirkungsmöglichkeit der
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger beschlossene Erlasse die Funktion des
formellen Gesetzes erfüllen, wenn die kantonale Verfassung selber für die
betreffende Materie die abschliessende Zuständigkeit des Parlaments vorsieht
oder aber Raum dafür lässt, dass der Gesetzgeber die betreffende Kompetenz an
das Parlament delegiert, da die Bundesverfassung keine weitergehenden
Anforderungen an das kantonale Gesetzgebungsverfahren stellt (BGE 126 I 180 E.
2a/aa S. 182 mit Hinweisen). Die in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
entwickelten Anforderungen an die Vorgaben im formellen Gesetz, auf welche sich
Abgabeerlasse nachgeordneter Behörden stützen müssen, gelten dementsprechend
nur für die Delegation von Regelungskompetenzen an Exekutivbehörden, nicht aber
dort, wo das Parlament selber - sei es von Verfassungs wegen oder aufgrund
einer Gesetzesdelegation - zur Festsetzung der Abgaben zuständig erklärt wird
(BGE 132 I 157 E. 2.2 S. 159 mit Hinweisen; Hungerbühler, a.a.O., S. 515).

4.
4.1 Bei der in Frage stehenden Gebührenordnung handelt es sich um eine
Verordnung, welche der Kantonsrat des Kantons Appenzell Ausserrhoden am 15.
Juni 1981 gestützt auf Art. 77 Abs. 2 ZPO/AR und Art. 2 StPO/AR verabschiedet
hat und welche weder dem obligatorischen noch dem fakultativen Referendum
unterworfen war. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 KV/AR hält jedoch unter der Marginalie
"Delegationen" fest, dass die Stimmberechtigten Befugnisse an den Kantonsrat
(oder an den Regierungsrat) übertragen können, falls die Delegation auf ein
bestimmtes Gebiet beschränkt ist und das Gesetz ihren Rahmen festlegt. Damit
lässt die kantonale Verfassung grundsätzlich Raum für die Übertragung von
Rechtsetzungskompetenzen von den Stimmberechtigten an den Kantonsrat durch ein
Gesetz (vgl. E. 3.2; BGE 128 I 113 E. 3d S. 122 f.).
Näher zu prüfen ist im Folgenden demnach, ob sich der dem angefochtenen
Entscheid zu Grunde liegende Art. 33 Abs. 2 der Gebührenordnung im Rahmen der
gesetzlichen Delegationsnorm von Art. 2 StPO/AR i.V.m. Art. 77 Abs. 2 ZPO/AR
hält.

4.2 Gemäss Art. 77 Abs. 1 ZPO/AR setzen sich die sogenannten Rechtskosten aus
den Vermittlungskosten, den Gebühren und den Barauslagen des Gerichtes
zusammen. Die Art. 80 ff. ZPO/AR bestimmen weiter, wer diese Rechtskosten zu
tragen hat. Damit umschreibt das Gesetz den Gegenstand der Abgabe und Kreis der
Abgabepflichtigen grundsätzlich in genügender Weise.
Art. 81 Abs. 1 ZPO/AR hält fest, dass die Rechtskosten in der Regel der
unterliegenden Partei auferlegt werden. Zeugen und anderen Dritten können die
Kosten auferlegt werden, welche sie schuldhaft verursacht haben (Art. 81 Abs. 4
ZPO/AR). Weitere Bestimmungen über Kostenauferlegung an Dritte sind in der ZPO/
AR und auch in anderen kantonalen Gesetzen nicht ersichtlich.

4.3 Zwar enthält Art. 77 Abs. 2 ZPO/AR eine Delegationsnorm zum Erlass eines
"Gebührentarifs" durch den Kantonsrat. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis
legt ein Tarif aber bloss den Rahmen für die Gebührenhöhe und allenfalls noch
die Kriterien zur Bemessung fest (vgl. beispielsweise die Steuertarife in Art.
36 DBG). Der Kreis der Abgabepflichtigen kann jedoch durch einen
"Gebührentarif" nicht über den Wortlaut des zugrundeliegenden Gesetzes hinaus
erweitert werden, ausser es ergebe sich durch Auslegung, dass mit dem Wort
"Tarif" eine weitergehende, umfassende Delegation gemeint sei (vgl. zum
Erfordernis der Umschreibung des Kreises der Abgabepflichtigen auch BGE 131 II
271 E. 6.1 S. 278). Konkrete Hinweise für ein solches Verständnis fehlen hier
aber und sind von den kantonalen Behörden auch nicht namhaft gemacht worden.
Unbehelflich ist der Verweis der Vorinstanz auf Art. 54 der Verordnung vom 20.
Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202). Gegenstand der
Unfallversicherung sind Berufsunfälle, Nichtberufsunfälle und Berufskrankheiten
(Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über die
Unfallversicherung, [UVG; SR 832.20]). Vorliegend handelt es sich aber nicht um
eine sozialversicherungsrechtliche Angelegenheit, weshalb nicht ersichtlich
ist, inwiefern Analogieschlüsse gezogen werden könnten. Ausserdem wäre im Falle
eines solchen Analogieschlusses wohl auch Art. 32 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom
6. Oktober 2000 über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG;
SR 830.1) zu beachten, welcher eine kostenlose Amts- und Verwaltungshilfe
zwischen den Verwaltungs- und Rechtspflegebehörden einerseits und den Organen
der Sozialversicherungen andererseits vorsieht.

4.4 Daraus ergibt sich, dass der Kantonsrat in Art. 33 Abs. 2 der
Gebührenordnung den Kreis der Abgabepflichtigen nicht über die im Gesetz (Art.
2 StPO/AR i.V.m. Art. 77 ff. ZPO/AR) genannten Personen hinaus erweitern bzw.
diese Personen unter anderen als den im Gesetz genannten Voraussetzungen zur
Kostenübernahme verpflichten durfte, da es an der entsprechenden gesetzlichen
Ermächtigung mangelt.

4.5 Die vom Verhöramt in Rechnung gestellte Gebühr lässt sich den sogenannten
Verwaltungsgebühren zuordnen; diese stellen das Entgelt für eine vom
Pflichtigen veranlasste Amtshandlung der öffentlichen Verwaltung dar. Zu den
Verwaltungsgebühren gehören insbesondere die Kanzleigebühren, ein sich in
bescheidenem Rahmen haltendes Entgelt für einfache Tätigkeiten der Verwaltung,
die keinen besonderen Prüfungs- oder Kontrollaufwand erfordern (vgl.
Hungerbühler, a.a.O., S. 509). Die erhobene Gebühr für die Akteneinsicht kann
jedoch nicht als Kanzleigebühr betrachtet werden, da sie mit Fr. 4'400.-- weit
über dem erwähnten bescheidenen Rahmen liegt. Daraus folgt, dass die für
Kanzleigebühren vorgesehene Ausnahme vom Grundsatz, wonach öffentliche Abgaben
einer Grundlage in einem formellen Gesetz bedürfen (vgl. E. 3.1), für den
vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommen kann.

4.6 Dass im Einzelfall sowohl das Kostendeckungs- als auch das
Äquivalenzprinzip zu beachten sind, vermag den Mangel der gesetzlichen
Grundlage ebenfalls nicht zu beseitigen, da die Rechtsprechung (vgl. E. 3.1)
nur für die Abgabenbemessung - nicht aber für die abgabepflichtigen Tatbestände
und Personen - die Anforderungen an die Grundlage in einem formellen Gesetz
gelockert hat (BGE 123 I 248 E. 2 S. 249).

5.
Zusammengefasst ergibt sich, dass zur Erhebung der umstrittenen Gebühr für die
Akteneinsicht keine genügende Grundlage in einem formellen Gesetz besteht.
Damit erübrigt sich die Prüfung der weiteren von der Beschwerdeführerin
vorgebrachten Rügen, welche die Verletzung des Willkürverbots sowie des
Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips betreffen.

6.
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und der angefochtene Entscheid
aufzuheben. Die Angelegenheit ist zur Neufestsetzung der Gebühr an das
Verhöramt des Kantons Appenzell Ausserrhoden zurückzuweisen. Massgebend für die
Festsetzung der Gebühr wird dabei der Rahmen von Art. 33 Abs. 1 der
Gebührenordnung sein müssen, da nach dem Ausgeführten eine genügende
gesetzliche Grundlage zur Erhebung einer Gebühr für die Akteneinsicht, welche
den Betrag einer Kanzleigebühr übersteigt, fehlt.

7.
Bei diesem Verfahrensausgang und angesichts des vermögensrechtlichen Charakters
der Streitsache sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Kanton Appenzell
Ausserrhoden aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dieser hat ausserdem die
Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Im Übrigen ist die Sache zur Neuregelung der
Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und der Entscheid der Staatsanwaltschaft des
Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 1. September 2008 wird aufgehoben.

2.
Die Angelegenheit wird zur Neufestsetzung der Gebühr im Sinne der Erwägungen an
das Verhöramt des Kantons Appenzell Ausserrhoden und zur Neuregelung der
Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die
Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden zurückgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Kanton Appenzell Ausserrhoden
auferlegt.

4.
Der Kanton Appenzell Ausserrhoden hat die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Verhöramt des Kantons Appenzell Ausserrhoden schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. März 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Winiger