Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.689/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_689/2008

Urteil vom 4. März 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Küng.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Jüsi,

gegen

Ausländeramt des Kantons Schaffhausen, Stadthausgasse 10, 8201 Schaffhausen,
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen,
Beckenstube 7, 8200 Schaffhausen.
.

Gegenstand
Ausweisung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom
15. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Der am 1. Januar 1983 in Kosovo geborene X.________ kam im Januar 1990 im
Rahmen des Familiennachzuges in die Schweiz, wo er inzwischen über eine
Niederlassungsbewilligung verfügt.
Am 12. Februar 2003 verurteilte ihn die Bezirksanwaltschaft Winterthur wegen
fahrlässiger Körperverletzung, pflichtwidrigem Verhalten bei Unfall und grober
Verletzung der Verkehrsregeln zu einer bedingten Gefängnisstrafe von drei
Monaten. Mit Strafbefehl vom 27. Oktober 2003 wurde er wiederum wegen grober
Verletzung der Verkehrsregeln mit 30 Tagen Gefängnis (unbedingt) bestraft.
Gestützt auf diese Verurteilungen verwarnte ihn das kantonale Ausländeramt am
16. Januar 2004 fremdenpolizeilich.
Das Untersuchungsrichteramt Schaffhausen verurteilte X.________ am 23. Juli
2004 wegen Raufhandels zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 45 Tagen. Darauf
hin verwarnte ihn das Ausländeramt am 18. August 2003 erneut; verhalte er sich
künftig nicht klaglos, werde die Ausweisung in Erwägung gezogen.
Am 26. Juni 2007 verurteilte das Untersuchungsrichteramt Schaffhausen
X.________ wegen mehrfacher Drohung, mehrfachem Missbrauchs einer
Fernmeldeanlage sowie versuchter Erpressung zu einer Geldstrafe von 120
Tagessätzen zu Fr. 90.-- und einer Busse; zugleich wurde der bedingte Vollzug
der Gefängnisstrafe von 45 Tagen widerrufen. Ein Untersuchungsverfahren wegen
Tätlichkeiten wurde eingestellt, weil der Strafantrag der Anzeigerin verspätet
gestellt worden war.
Im September 2007 heiratete X.________ in seiner Heimat eine Landsfrau, für
welche er Anfang November 2007 ein Familiennachzugsgesuch stellte.
Am 30. November 2007 wies das Ausländeramt des Kantons Schaffhausen X.________
für die Dauer von zehn Jahren aus der Schweiz aus. Seinen dagegen erhobenen
Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen am 12. Februar 2008 ab;
einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.
X.________ wurde am 31. März 2008 aus der Schweiz ausgeschafft.
Seine zuvor am 6. März 2008 gegen den Regierungsratsbeschluss erhobene
Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen am 15. August 2008 ab.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________
dem Bundesgericht im Hauptantrag, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und
dieses anzuweisen, seine Ausweisung aufzuheben, ihm die Wiedereinreise in die
Schweiz zu bewilligen, seine Niederlassungsbewilligung zu verlängern und ihm
den Aufenthalt im Kanton Schaffhausen zu erlauben.
Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen beantragt für sich und das kantonale
Ausländeramt, die Beschwerde abzuweisen.
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen schliesst sinngemäss auf Abweisung der
Beschwerde.
Das Bundesamt für Migration stellt ebenfalls den Antrag, die Beschwerde
abzuweisen.

Erwägungen:
1. Die Ausweisungsverfügung erging noch vor dem Inkrafttreten des
Ausländergesetzes (AuG; SR 142.20) am 1. Januar 2008. In analoger Anwendung von
Art. 126 Abs. 1 AuG bleibt daher in materieller Hinsicht das frühere Recht
anwendbar.

2.
2.1 Gemäss Art. 10 Abs. 1 ANAG kann ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen
werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft
wurde (lit. a) oder wenn sein Verhalten im Allgemeinen und seine Handlungen
darauf schliessen lassen, dass er nicht gewillt oder nicht fähig ist, sich in
die im Gastland geltende Ordnung einzufügen (lit. b).
Die Ausweisung soll jedoch nur ausgesprochen werden, wenn die nach Art. 11 Abs.
3 ANAG gebotene Interessenabwägung diese Massnahme als verhältnismässig
erscheinen lässt. Dabei sind namentlich die Schwere seines Verschuldens, die
Dauer der Anwesenheit sowie die dem Betroffenen und seiner Familie drohenden
Nachteile zu berücksichtigen (vgl. Art. 16 Abs. 3 ANAV [AS 1949 228]).

2.2 Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass die Ausweisungsgründe von
Art. 10 Abs. 1 lit. a und b ANAG erfüllt sind; er bestreitet einzig - unter
Berufung auf sein Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK bzw. Art. 13
BV) - die Verhältnismässigkeit seiner Ausweisung.

2.3 Der heute 26-jährige Beschwerdeführer ist im Alter von sieben Jahren in die
Schweiz gekommen. Er ist damit kein Ausländer der zweiten Generation, für
welchen eine Ausweisung nur unter ganz restriktiven Voraussetzungen zulässig
wäre (vgl. dazu BGE 130 II 176 E. 4.4.2 S. 190, mit Hinweisen).

2.4 Die Vorinstanz hat im Einklang mit der einschlägigen bundesgerichtlichen
Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der massgebenden Gesichtspunkte
ausführlich und umfassend begründet, dass der Beschwerdeführer die
Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 1 lit. a und b ANAG erfüllt und seine gestützt
auf diese Bestimmung verfügte Ausweisung auch verhältnismässig ist. Es kann auf
diese zutreffenden Ausführungen verwiesen werden. Die Vorinstanz hat die in
diesem Zusammenhang erforderliche sorgfältige Interessenabwägung nach
zutreffenden Gesichtspunkten und unter haltbarer Wertung und Gewichtung
derselben vorgenommen; eine Ermessensüberschreitung ist nicht zu erkennen.
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag die von den Vorinstanzen
bejahte Verhältnismässigkeit nicht in Frage zu stellen.
Ins Gewicht fällt insbesondere, dass der Beschwerdeführer bei der ersten
Verurteilung im Jahre 2003 bereits 20-jährig war. Von sog. typischer
Kriminalität im Heranwachsendenalter kann damit im Gegensatz zu den von ihm
angeführten Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S.
Emre bzw. Maslov, die zu Beginn ihrer kriminellen Karrieren erst 17 bzw. 15
Jahre alt waren, keine Rede sein. Diesen beiden wurden zwar durchwegs mehr
schwere Delikte zur Last gelegt. Der Beschwerdeführer hat indessen in einem
Alter, in welchem ihm die volle Tragweite seines Handelns bewusst sein musste,
seine ehemalige Freundin zu erpressen versucht und ihr gegenüber von Februar
bis April 2007 sogar wiederholte Todesdrohungen geäussert. Diese waren für sie
nicht nur furchterregend, sondern mussten auch als durchaus ernstgemeint
empfunden werden. Die Handlungen zeigen in ihrer Gesamtheit ein Bild
monatelanger Terrorisierung seines Opfers. Die Vorinstanz hat diese Umstände zu
Recht als besonders gravierend beurteilt (angefochtenes Urteil E. 3b). Dies
wird vom Beschwerdeführer denn auch nicht grundsätzlich bestritten.
Entscheidend ist weiter, dass der Beschwerdeführer im Jahre 2007 eine Landsfrau
im Kosovo geheiratet hat und diese auch dort lebt. Er ist zudem regelmässig in
den Kosovo gereist. So ist er in allen Sommer- und Herbstferien, während der
Feiertage und seiner Arbeitslosigkeit dort gewesen. Im Kosovo verfügt er über
einen breiten Verwandtenkreis. Mit den Angehörigen seiner Ehefrau verständigt
er sich in albanischer Sprache. Die Vorinstanz durfte daher - auch wenn der
Beschwerdeführer nun behauptet, über keinerlei schriftliche Kenntnisse seiner
Muttersprache zu verfügen - davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer mit der
Sprache und den Gepflogenheiten in Kosovo bestens vertraut ist. In diesen
Umständen liegt auch ein grosser Unterschied zu den Fällen Emre (Schweiz) und
Maslov (Österreich): Der psychisch kranke Emrah Emre sprach als türkischer
Staatsangehöriger kaum Türkisch; in der Türkei lebte nur noch seine
Grossmutter; er reiste nur ein einziges Mal für kurze Zeit in die Türkei. Der
drogenabhängige Youri Maslov sprach als bulgarischer Staatsangehöriger nur
Deutsch und kein Bulgarisch, da seine Familie in Bulgarien zu einer türkisch
sprechenden Minderheit gezählt hatte; zudem lebten alle seine nächsten
Angehörigen in Österreich. Diese Umstände zeigen, dass die beiden Fälle mit
Blick auf die sozialen, kulturellen und verwandtschaftlichen Bindungen nicht
mit demjenigen des Beschwerdeführers verglichen werden können. Der
Beschwerdeführer kann aus diesen Urteilen nichts zu seinen Gunsten ableiten.

3.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Die gestellten Rechtsbegehren
erweisen sich - auch angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit mit den vom
Beschwerdeführer angeführten Entscheiden des Gerichtshofes für Menschenrechte,
worauf (Fall Emre) schon die Vorinstanz zu Recht hingewiesen hat - als von
vornherein aussichtslos, weshalb ihm die unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung nicht gewährt werden kann (Art. 64 BGG). Bei diesem Ausgang hat
der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung
wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Ausländeramt, dem Regierungsrat
und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. März 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Küng