Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.67/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_67/2008

Urteil vom 29. April 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
handelnd durch A.Y.________, dieser vertreten durch Rechtsanwalt Hans Ludwig
Müller,

gegen

Eidgenössische Bankenkommission, Schwanengasse 12, 3011 Bern.

Gegenstand
Unerlaubter Effektenhandel/Konkurseröffnung bzw. Liquidation/Werbeverbote
(Nichteintreten),

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II, vom
30. November 2007.

Sachverhalt:

A.
Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) stellte am 30. August 2007 fest, dass
die X.________ AG sowie die an ihr berechtigten A. und B.Y.________ gegen das
Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Börsenhandel
(Börsengesetz [BEHG; SR 954.1]) verstossen hätten. Sie eröffnete über die
X.________ AG den bankenrechtlichen Konkurs und verbot den Eheleuten A. und
B.Y.________, eine bewilligungspflichtige Effektenhändlertätigkeit auszuüben
oder hierfür zu werben.

B.
A.Y.________ gelangte hiergegen am 3. Oktober 2007 für die X.________ AG an das
Bundesverwaltungsgericht. Er beantragte, die Eingabe mit jener seiner Gattin
"zu verbinden", deren Beschwerde "ergänzend zum eigenen Sachvortrag" erfolge.
Der Instruktionsrichter forderte die X.________ AG am 10. Oktober 2007 auf, bis
zum 12. November 2007 einen Kostenvorschuss von Fr. 4'000.-- zu leisten. Da
dieser nicht fristgerecht bezahlt wurde, trat das Bundesverwaltungsgericht am
30. November 2007 auf ihre Beschwerde nicht ein.

C.
Die X.________ AG beantragt mit Eingabe vom 22. Januar 2008 vor Bundesgericht,
den Nichteintretensentscheid aufzuheben und das Bundesverwaltungsgericht
anzuhalten, auf ihre Eingabe einzutreten sowie die "Kautionsfrist" neu
anzusetzen. Sie macht geltend, die Zahlungsaufforderung nie rechtsgültig
erhalten zu haben; sie bzw. ihr Organ A.Y.________ hätten ohne eigenes
Verschulden ihre Rechte nicht wahren können, woraus ihnen kein Nachteil
erwachsen dürfe.
Das Bundesverwaltungsgericht erklärt in seiner Vernehmlassung vom 12. März 2008
die erhobenen Vorwürfe als "in jeder Hinsicht ungerechtfertigt", verzichtet
indessen darauf, konkrete Anträge zu stellen. Die Eidgenössische
Bankenkommission beantragt mit Eingabe vom 3. April 2008, die Beschwerde
abzuweisen.

Erwägungen:

1.
Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts im Zusammenhang mit der
Liquidation von bewilligungslos tätigen Finanzintermediären ist die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 i.V.m. Art. 83 und
Art. 86 BGG). Die Organe der betroffenen Gesellschaft sind trotz Entzugs bzw.
Dahinfallens ihrer Vertretungsbefugnis berechtigt, in deren Namen an das
Bundesgericht zu gelangen (vgl. Art. 89 BGG; BGE 131 II 306 E. 1.2.1 mit
Hinweisen). Auf die grundsätzlich formgerecht eingereichte Eingabe (Art. 42
BGG) ist einzutreten. Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, braucht
nicht geprüft zu werden, wann A.Y.________ als Organ der Beschwerdeführerin vom
Nichteintretensentscheid Kenntnis erhalten und ab welchem Zeitpunkt die
Beschwerdefrist an das Bundesgericht zu laufen begonnen hat (vgl. Art. 100 Abs.
1 BGG). Verfahrensgegenstand bildet einzig die Frage, ob die Vorinstanz in
Verletzung von Bundesrecht auf die Eingabe der Beschwerdeführerin nicht
eingetreten ist; auf Ausführungen, die sich nicht hierauf beziehen - wie etwa
die nachträglich verweigerte Akteneinsicht an eine bevollmächtigte Drittperson
-, ist nicht weiter einzugehen.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, über die Kostenvorschussverfügung vom
10. Oktober 2007 nicht ordnungsgemäss informiert worden zu sein. Die Eheleute
Y.________ hätten am 9. Oktober 2007 ihren Wohnsitz von Luzern nach Mainz
verlegt. Das Bundesverwaltungsgericht bzw. die EBK und der von ihr eingesetzte
Liquidator hätten hierum gewusst bzw. wissen müssen. A.Y.________ habe am 2.
November 2007 der Vorinstanz seine Adressänderung bekannt gegeben, dennoch sei
er über die laufende Frist nicht informiert worden. Nachdem er davon erfahren
habe, sei er für die Beschwerdeführerin noch am 12. November 2007 mit dem
Hinweis an das Bundesverwaltungsgericht gelangt, dass er bereits im Rahmen
seiner Beschwerde darum ersucht habe, das Verfahren mit jenem seiner Gattin, in
dem der Kostenvorschuss geleistet worden sei, zu verbinden; die Fälligkeit zur
Zahlung der Gerichtskosten sei bis zum Entscheid über die Vereinigung der
Verfahren auszusetzen, allenfalls sei zu erklären, "dass die Gerichtskosten
bereits bezahlt" seien. Im Übrigen habe sich eine von A.Y.________ beauftragte
Person "ca. am 9. November 2007" beim Bundesverwaltungsgericht über den Stand
des Verfahrens erkundigt, wobei dieser mitgeteilt worden sei, dass hinsichtlich
der Kaution nichts "anbrenne".

2.2 Die Einwendungen der Beschwerdeführerin überzeugen nicht: A.Y.________ als
einziger Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin gab in der Eingabe vom 3.
Oktober 2007 für Zustellungen an sie seine Adresse in Luzern an. An diese ist
die Kostenvorschussverfügung verschickt worden. Nachdem sie von der Post als
unzustellbar retourniert worden war, unternahm der Instruktionsrichter am 16.
Oktober 2007 einen zweiten Zustellversuch, welcher wiederum erfolglos blieb.
Wird ein Adressat bei der versuchten Zustellung nicht angetroffen und daher
eine Abholeinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt, so gilt
die Sendung als in jenem Zeitpunkt zugestellt, in welchem sie auf der Post
abgeholt wird; geschieht dies nicht, gilt sie nach Verstreichen der Abholfrist
von sieben Tagen als eröffnet, falls der Adressat mit ihrer Zustellung rechnen
musste (vgl. BGE 130 III 396 E. 1.2.3 mit Hinweisen). Dies hat im Interesse
einer effizienten Verfahrensführung grundsätzlich auch dann zu gelten, wenn die
betroffene Person - wie hier - ohne Adressangabe wegzieht und deshalb kein
Zustelldomizil mehr besteht (BGE 123 III 492 E. 1 S. 493; 116 Ia 90 E. 2a S.
92; Laurent Merz, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger, BSK Bundesgerichtsgesetz,
Basel 2008, N. 10 und 36 zu Art. 39 BGG).

2.3 A.Y.________ gab am 3. Oktober 2007 für weitere Zustellungen seine Adresse
in Luzern an. Wollte er seinen Wohnort nur rund eine Woche später ins Ausland
verlegen, musste er die damit verbundene Adressänderung dem
Bundesverwaltungsgericht umgehend mitteilen, war es doch offensichtlich, dass
im Anschluss an seine Eingabe Instruktionsmassnahmen getroffen würden. Es lag
in seinem Verantwortungsbereich als Organ der Beschwerdeführerin, bei einem
Domizilwechsel geeignete Vorkehren zu treffen, damit ihr die Anordnungen des
Gerichts eröffnet werden konnten. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin
war es nicht Aufgabe der Vorinstanz, bei der Bankenkommission, dem von dieser
designierten Konkursverwalter oder Dritten (Anwälten der Ehefrau) nach einer
allfälligen neuen Zustelladresse zu forschen. Die Beschwerdeführerin hat das
Prozessrechtsverhältnis begründet; es war an ihr bzw. ihrem Organ, sich in
dessen Rahmen nach Treu und Glauben zu verhalten (BGE 123 III E. 1 S. 493 mit
Hinweis). Dies gilt um so mehr, als im Verfahren der anwaltlich vertretenen
Ehefrau von A.Y.________, die ihren Wohnsitz mit ihm nach Deutschland verlegt
hat, der Kostenvorschuss fristgerecht geleistet worden ist (vor dem in diesem
Verfahren relevanten 9. November 2007) und A.Y.________ somit davon Kenntnis
haben musste, dass im Parallelverfahren eine entsprechende Verfügung ergangen
und keine Vereinigung der Verfahren angeordnet worden war.

2.4 Richtig ist, dass A.Y.________ am 2. November 2007 dem
Bundesverwaltungsgericht seinen Aufenthaltsort und damit die neue
Zustelladresse der Beschwerdeführerin mitgeteilt hat; diese übersieht indessen,
dass das Schreiben bei der Vorinstanz erst am 7. November 2007 eingegangen ist
und hernach noch bearbeitet werden musste, so dass es zeitlich kaum mehr
möglich war, ihrem Organ die Instruktionsverfügung vom 10. Oktober 2007 im
Rahmen einer dritten Zustellung - im Ausland - rechtzeitig zu eröffnen. Die
Beschwerdeführerin räumt im Übrigen ein, dass ihr Organ spätestens am 9.
November 2007 von der Kostenvorschusspflicht und der laufenden Frist erfahren
hat, dennoch gelangte A.Y.________ erst am 12. November 2007, dem letzten Tag
der Zahlungsfrist, wieder an das Bundesverwaltungsgericht. Es wäre auch in
dieser Situation an ihm gewesen, sofort wirksam zu handeln und für alle Fälle
rechtzeitig um eine Fristerstreckung zu ersuchen; das Einschalten einer
unbevollmächtigten Drittperson, welche sich telefonisch an das Gericht wandte,
genügte hierzu nicht. Zwar ersuchte A.Y.________ am 12. November 2007 auch
darum, die Fälligkeit zur Zahlung der Gerichtskosten "auszusetzen", das
Schreiben war indessen verspätet, da er es erst am letzten Tag der Frist in
Deutschland der Post übergab; bei Benützung der ausländischen Post muss die
Sendung zur Fristwahrung entweder am letzten Tag der Frist beim Gericht
eingehen oder vor Fristablauf von der Schweizerischen Post in Empfang genommen
werden (vgl. Art. 21 VwVG i.V.m. Art. 37 des Bundesgesetzes über das
Bundesverwaltungsgericht vom 17. Juni 2005 [VGG; SR 173.32] bzw. Art. 48 BGG).

2.5 Schliesslich nützt der Beschwerdeführerin auch die angebliche telefonische
Erklärung des Gerichtsschreibers nichts, dass da schon nichts "anbrenne".
Dieser stellt in Abrede, eine solche Zusicherung gegeben zu haben. Er erklärt,
der telefonierenden Person erklärt zu haben, keine Auskünfte geben zu können;
beim zweiten oder dritten Gespräch habe der Anrufer gleich zu Beginn des
Gesprächs die Behauptung aufgestellt, er hätte ihm ja bereits versichert, dass
bezüglich des Kostenvorschusses nichts "anbrennen" könne, worauf er ihm
geantwortet habe, nie eine solche Zusicherung gemacht zu haben. Diese
Ausführungen sind glaubwürdig, entsprechen sie doch dem gerichtlichen Usus und
ist nicht davon auszugehen, dass ein juristischer Mitarbeiter des Gerichts
einem unbevollmächtigten Dritten telefonisch Auskünfte über ein hängiges
Verfahren gibt. Entgegen den Einwendungen der Beschwerdeführerin war der
Aufenthaltsort ihres Organs auch dem Konkursliquidator nicht bekannt; dieser
vermutete lediglich aufgrund der Existenz einer Liegenschaft in Mainz, dass
sich A.Y.________ dort aufhalten könnte. Auch ihm wurde der Domizilwechsel
nicht offiziell mitgeteilt; zwei Schreiben, welche er am 3. Dezember bzw. 17.
Dezember 2007 an die Adresse in Mainz verschickt hatte, waren ihm von der Post
mit dem Vermerk "Empfänger an der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln"
retourniert worden; es ist nicht auszuschliessen, dass A.Y.________ sich
bereits zu diesem Zeitpunkt in Schlangenbad-Georgenborn aufgehalten haben
könnte, von wo dem Konkursliquidator am 3. März 2008 ein Schreiben zuging.

2.6 Die finanzmarktrechtliche Liquidation einer Gesellschaft fällt zwar in den
Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK (BGE 132 II 382 E. 2 S. 387); dies bedeutet
indessen nicht, dass keine formellen Anforderungen an das gerichtliche
Verfahren gestellt werden dürften. Der Anspruch auf verfahrensrechtliche
Fairness schliesst nicht aus, dass von der betroffenen Gesellschaft ein
Verhalten nach Treu und Glauben verlangt wird. Die Erhebung eines
Kostenvorschusses bzw. die Zustellungsvermutung bei einer von der Partei zu
vertretenden Unzustellbarkeit bilden keine unzumutbaren Zugangshindernisse,
sondern zulässige formelle Elemente des gerichtlichen Verfahrens.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird. Die
unterliegende Beschwerdeführerin hat die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen
geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II,
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. April 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Hugi Yar