Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.677/2008
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_677/2008

Urteil vom 29. Mai 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Zünd,
Gerichtsschreiber Winiger.

Parteien
Steueramt des Kantons Solothurn,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________ und Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch B&P tax and legal AG.

Gegenstand
Staatssteuer und direkte Bundessteuer 2005 und 2006,

Beschwerde gegen den Entscheid des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 2.
Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ und Y.________ sind Eigentümer einer Liegenschaft in R.________/SO.
Auf dem als Bauland erworbenen Grundstück erstellten sie ein Einfamilienhaus,
das sie im Oktober 2002 bezogen.
In der Steuererklärung 2005 brachten X.________ und Y.________ für den Abbruch
und die Neuerstellung eines Autounterstandes insgesamt Fr. 13'019.60 als
Unterhaltskosten zum Abzug. In der Steuererklärung 2006 machten die
Steuerpflichtigen weitere Unterhaltskosten in der Höhe von Fr. 4'665.-- für die
Sanierung eines Vordaches geltend. Diese Abzüge wurden ihnen vom kantonalen
Steueramt Solothurn mit Veranlagungsverfügung und Einspracheentscheid
verweigert. Dagegen gelangten X.________ und Y.________ mit Rekurs und
Beschwerde an das Steuergericht des Kantons Solothurn, das ihre Rechtsmittel
mit Urteil vom 2. Juni 2008 guthiess, weil es die massgeblichen Aufwendungen
als werterhaltend und nicht als wertvermehrend beurteilte.

B.
Gegen diesen Entscheid des Steuergerichts erhebt das Steueramt des Kantons
Solothurn mit Eingabe vom 15. September 2008 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Es beantragt im
Wesentlichen die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sowie die Sistierung
des Beschwerdeverfahrens bis zum Vorliegen des bundesgerichtlichen Entscheides
im Verfahren 2C_57/2008. Gerügt wird die Verletzung von Bundesrecht.

C.
Die Beschwerdegegner und das Steuergericht stellen Antrag auf Abweisung der
Beschwerde, während sich die Eidgenössische Steuerverwaltung den Anträgen des
Beschwerdeführers anschliesst.

D.
Mit Urteil 2C_57/2008 vom 11. Dezember 2008 hat das Bundesgericht eine
Beschwerde des Steueramts des Kantons Solothurn gegen X.________ und Y.________
betreffend Unterhaltskosten der Steuerperiode 2004 gutgeheissen.

Erwägungen:
I. Prozessuales

1.
1.1 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal
letztinstanzlichen Endentscheid über die direkten Steuern des Kantons und des
Bundes. Dagegen steht gemäss Art. 82 ff. BGG in Verbindung mit Art. 146 des
Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR
642.11) bzw. Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14)
die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht
offen. Die Beschwerde ist unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100
Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von einer gemäss Art. 146 Satz 2 DBG bzw.
Art 73 Abs. 2 StHG in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG legitimierten
Behörde eingereicht worden. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus
einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder eine Beschwerde mit
einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat, soweit er nicht offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und
2 BGG).

2.
Mit dem Vorliegen des bundesgerichtlichen Urteils 2C_57/2008 vom 11. Dezember
2008 erweist sich das Gesuch um Sistierung des Beschwerdeverfahrens als
gegenstandslos.

II. Direkte Bundessteuer

3.
3.1 Bei Liegenschaften im Privatvermögen können die Unterhaltskosten, die
Versicherungsprämien und die Kosten der Verwaltung durch Dritte von den
steuerbaren Einkünften abgezogen werden (Art. 32 Abs. 2 erster Satz DBG). Nicht
abziehbar sind die übrigen Kosten und Aufwendungen, insbesondere die
Aufwendungen für die Anschaffung, Herstellung oder Wertvermehrung von
Vermögensgegenständen (Art. 34 lit. d DBG). Als Unterhaltskosten können
insbesondere die Auslagen für Reparaturen und Renovationen, die nicht
wertvermehrende Aufwendungen darstellen, abgezogen werden (Art. 1 Abs. 1 lit. a
Ziff. 1 der Verordnung der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 24. August 1992
über die abziehbaren Kosten von Liegenschaften des Privatvermögens bei der
direkten Bundessteuer [SR 642.116.2]).

3.2 Bei Unterhaltskosten für neu erworbene Liegenschaften ist gemäss der mit
BGE 99 Ib 362 eingeleiteten und in BGE 123 II 218 präzisierten so genannten
Dumont-Praxis zu unterscheiden: Handelt es sich um eine vom bisherigen
Eigentümer vernachlässigte Liegenschaft, so sind die Kosten, die der Erwerber
zur Instandstellung in den ersten fünf Jahren aufwenden muss, steuerlich
grundsätzlich nicht abziehbar (vgl. Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz der Verordnung
vom 24. August 1992 über den Abzug der Kosten von Liegenschaften des
Privatvermögens bei der direkten Bundessteuer [SR 642.116]). Handelt es sich
dagegen um eine nicht vernachlässigte Liegenschaft, kann der neue Eigentümer
die Kosten für den Unterhalt steuerlich abziehen, soweit sie für den normalen,
periodischen Unterhalt (und nicht zum Nachholen unterbliebenen Unterhalts)
aufgewendet werden. Davon zu unterscheiden ist der Fall, wo der neue Vermieter
oder Verpächter die Liegenschaft renoviert, um den Miet- oder Pachtertrag zu
steigern, oder wo eine (auch selbstgenutzte) Liegenschaft ganz oder teilweise
umgebaut oder einer neuen Nutzung zugeführt wird. Hier dienen die Ausgaben
nicht dazu, die Liegenschaft in ihrem bisherigen vertrags- oder
nutzungsmässigen Zustand zu erhalten, sondern zielen darauf ab, die
Einkommensquelle zu verbessern. Mit der Dumont-Praxis soll bewirkt werden, dass
der Steuerpflichtige, der eine im Unterhalt vernachlässigte Liegenschaft kauft,
um sie zu renovieren, steuerlich nicht besser gestellt ist als derjenige
Steuerpflichtige, der ein bereits renoviertes Grundstück erwirbt (vgl. zum
Ganzen BGE 123 II 218 E. 1c S. 223 mit Hinweisen).

3.3 Auf den vorliegend zu beurteilenden Fall ist die Dumont-Praxis nicht
anwendbar. Die Beschwerdegegner kauften nicht eine allenfalls mangelhaft
unterhaltene oder mit einem verdeckten Mangel behaftete Liegenschaft. Vielmehr
erwarben sie Bauland und erstellten darauf ein Haus. Die Frage, ob der
Autounterstand und das Vordach ursprünglich intakt und gebrauchsfähig waren,
muss sich somit auf den Zeitpunkt ihrer Erstellung und nicht auf denjenigen des
Grundstückskaufs beziehen (vgl. Urteil 2C_57/2008 vom 11. Dezember 2008 E.
2.3).
Das verkennt die Vorinstanz, wenn sie (in E. 3b und c ihres Urteils, unter
Bezug auf das in ASA 47 S. 206 publizierte Bundesgerichtsurteil) die Auffassung
vertritt, wesentlich sei, ob die massgeblichen Aufwendungen getätigt worden
seien, um den ursprünglich erworbenen Vermögenswert zu erhalten oder
wiederherzustellen. Von der gleichen unzutreffenden Sichtweise gehen auch die
Beschwerdegegner aus und meinen, die streitigen Kosten hätten einzig dazu
gedient, den ursprünglichen Wert der Liegenschaft zu erhalten; demgemäss
behaupten sie weiter, die Abzugsfähigkeit der im Jahr 2005 und 2006
aufgewendeten Kosten wäre nur dann zu verneinen gewesen, wenn die genannten
Aufwendungen bereits in einem reduzierten Kaufpreis ihren Niederschlag gefunden
hätten. Wenn es hier aber nicht um eine Beurteilung der Liegenschaft im
Zeitpunkt ihres Erwerbs oder um die Veränderung einer beim Kauf schon
bestehenden Bausubstanz geht, dann ist ebenfalls unbedeutend, wie lange nach
dem Grundstückskauf die Sanierungsmassnahmen stattfanden (vgl. zu dieser Frage
insb. FELIX RICHNER/WALTER FREI/STEFAN KAUFMANN/HANS ULRICH MEUTER, Kommentar
zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2. Aufl. 2006, Rz. 49 zu § 30 StG)
oder ob seit dem Erwerbszeitpunkt eine Wertminderung eintrat.

3.4 Der Beschwerdeführer und die ESTV gehen davon aus, dass der Pilzbefall des
Autounterstandes auf eine mangelhafte Bauausführung oder mangelhaftes
Baumaterial zurückzuführen sei und damit ein versteckter Mangel vorlag. Die
Beschwerdegegner anerkennen in ihrer Vernehmlassung vom 17. Dezember 2008, dass
es sich vorliegend um einen versteckten Mangel handle. Den Zusammenbruch des
Vordaches führen die Beschwerdeführer und die ESTV ebenfalls auf eine
mangelhafte Bauausführung zurück.
Aus den Akten ergibt sich, dass der Autounterstand weniger als drei Jahre nach
seiner Erstellung wegen Pilzbefalls beseitigt und neu erstellt werden musste;
das Vordach wurde ein Jahr später saniert. Es erhellt ohne Weiteres, dass
sowohl der Autounterstand wie auch das Vordach von Anfang an mit einem Mangel
behaftet sein mussten. Die ursprünglich mangelhaften Bauten entsprachen somit
dem erwarteten Wert nicht. Daraus ergibt sich (in Analogie zu den
bundesgerichtlichen Erwägungen im Urteil 2C_57/2008 vom 11. Dezember 2008 E.
2.5 betreffend Garten-Sanierungsarbeiten), dass die in Frage stehenden
Sanierungen nicht der Erhaltung oder Wiederherstellung eines zuvor bestehenden
Wertes dienten, sondern einen neuen Wert geschaffen haben (vgl. dazu DIETER
EGLOFF, in: Marianne Klöti-Weber/Dave Siegrist/Dieter Weber, Kommentar zum
Aargauer Steuergesetz, 3. Auflage 2009, N. 63 zu § 39 StG; Bernhard Zwahlen,
in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Band I/2a, 2. Auflage 2008, N.
17 zur Art. 32 DBG). Auch die Vorinstanz scheint im Übrigen davon auszugehen,
dass sowohl der Autounterstand wie auch das Vordach nach der Sanierung einen
objektiven Mehrwert aufweisen. Die in Frage stehenden Sanierungsaufwendungen
können somit nicht als abzugsfähige Unterhaltskosten qualifiziert werden.

III. Staats- und Gemeindesteuern

4.
Die massgeblichen Bestimmungen im Steuerharmonisierungsgesetz (vgl. Art. 9
StHG) und im kantonalen Steuerrecht (vgl. insb. § 39 Abs. 3 und § 41 Abs. 4
lit. e des Steuergesetzes [des Kantons Solothurn] vom 1. Dezember 1985 [StG/SO;
BGS 614.11]) stimmen mit der Regelung im Recht der direkten Bundessteuer
überein. Die streitigen Aufwendungen können somit auch bei den Staats- und
Gemeindesteuern nicht vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden.

IV. Kosten und Entschädigung

5.
Sowohl hinsichtlich der Staats- und der Gemeindesteuer wie auch der direkten
Bundessteuer ist die Beschwerde demnach gutzuheissen, der angefochtene
Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid im Ergebnis zu bestätigen
(Art. 107 Abs. 2 BGG, aufgrund dessen Art. 73 Abs. 3 StHG obsolet ist, vgl. BGE
134 II 186 E. 1.5.3 S.192).
Die Gerichtskosten sind den Beschwerdegegnern aufzuerlegen (Art. 65, 66 Abs. 1
und 5 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 BGG). Über
die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens wird das Steuergericht in einem
Zusatzentscheid zu diesem Entscheid befinden müssen (Art. 67, 68 Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend die direkte
Bundessteuer wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid des Steuergerichts
des Kantons Solothurn vom 2. Juni 2008 aufgehoben und der Einspracheentscheid
der Veranlagungsbehörde Solothurn vom 7. August 2007 hinsichtlich der direkten
Bundessteuer 2005 und 2006 bestätigt.

2.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend die Staats-
und Gemeindesteuern wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid des
Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 2. Juni 2008 aufgehoben und der
Einspracheentscheid der Veranlagungsbehörde Solothurn vom 7. August 2007
hinsichtlich der Staats- und Gemeindesteuern 2005 und 2006 bestätigt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden den Beschwerdegegnern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

4.
Über die Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens hat
das Steuergericht des Kantons Solothurn neu zu entscheiden.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Steuergericht des Kantons Solothurn und
der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Mai 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Winiger