Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.672/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_672/2008

Urteil vom 9. April 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Locher,

gegen

Departement des Innern des Kantons Solothurn (Amt für öffentliche Sicherheit
[Ausländerfragen]), Ambassadorenhof, 4509 Solothurn.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
18. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
Der aus Algerien stammende X.________ (geb. 1975) reiste im Jahre 2003 mit
einem Touristenvisum in die Schweiz. Auf sein nach Ablauf der Ausreisefrist
gestelltes Asylgesuch trat das Bundesamt für Flüchtlinge am 13. September 2004
nicht ein. Die Schweizerische Asylrekurskommission wies eine gegen diese
Verfügung gerichtete Beschwerde am 30. September 2004 ab. Am 3. Oktober 2005
heiratete X.________ die Schweizer Bürgerin Y.________ (geb. 1959), welche zum
Islam konvertierte und sich fortan Z.________ Y.________ nannte. Ihr
Familiennachzugsgesuch für den Ehemann lehnte das Departement des Innern (Amt
für öffentliche Sicherheit [Ausländerfragen]) des Kantons Solothurn am 15.
Februar 2006 ab. Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht
des Kantons Solothurn mit Urteil vom 7. Februar 2007 schliesslich gut, nachdem
es zuvor in der Frage des prozessualen Armenrechts zu einem Rechtsstreit bis
vor das Bundesgericht gekommen war (Urteil 2P.126/2006 vom 14. August 2006). Am
27. Februar 2007 erhielt X.________ eine Aufenthaltsbewilligung.

B.
Mit Verfügung vom 11. Oktober 2007 verlängerte die Migrationsbehörde des
Kantons Solothurn die Aufenthaltsbewilligung bis zum 31. März 2008.
Gleichzeitig verpflichtete sie X.________, bei der nächsten anstehenden
Verlängerung Deutschkenntnisse nachzuweisen. Ebenso habe er dannzumal den
Nachweis zu erbringen, dass er nicht mehr auf die Beanspruchung von
Fürsorgeleistungen angewiesen sei. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in
Rechtskraft.

C.
Nachdem das Departement X.________ das rechtliche Gehör gewährt hatte, stellte
es mit Verfügung vom 3. April 2008 fest, dessen Anspruch auf eine
Aufenthaltsbewilligung sei erloschen. Es verlängerte die Bewilligung nicht mehr
und wies den Betroffenen aus der Schweiz weg. Zur Begründung führte das
Departement im Wesentlichen aus, X.________ sei erheblich und dauerhaft auf
Fürsorgeleistungen angewiesen. Ein Ende zeichne sich nicht ab: Er sei weder
beruflich noch sozial in der Schweiz integriert und habe sich auch nicht
ansatzweise darum bemüht.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn mit Urteil vom 18. Juli 2008 ab.

D.
Mit Eingabe vom 15. September 2008 führt X.________-Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit den Anträgen, das
Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. Juli 2008 aufzuheben und das Departement
anzuweisen, ihm - dem Beschwerdeführer - die Aufenthaltsbewilligung um
mindestens ein Jahr zu verlängern; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Gleichzeitig wird um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung ersucht.
Das Departement und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Migration
beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

E.
Mit Verfügung vom 25. September 2008 hat der damalige Abteilungspräsident der
Beschwerde - antragsgemäss - aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG schliesst die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide über
ausländerrechtliche Bewilligungen aus, auf deren Erteilung weder nach dem
Bundes- noch dem Völkerrecht ein Rechtsanspruch besteht.

1.2 Gemäss Art. 42 Abs. 1 des auf den 1. Januar 2008 in Kraft getretenen, hier
anwendbaren Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer (AuG; SR 142.20) haben ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter
18 Jahren von Schweizerinnen und Schweizern Anspruch auf Erteilung und
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen;
nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren
haben die Ehegatten Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Art.
42 Abs. 3 AuG).
X.________ ist seit dem 3. Oktober 2005 mit einer Schweizer Bürgerin
verheiratet und wohnt mit ihr zusammen. Er hat damit einen grundsätzlichen
Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Ein
analoger Anspruch besteht zudem aufgrund von Art. 8 EMRK: Diese
Konventionsbestimmung garantiert den Schutz des (Privat- und) Familienlebens,
wenn nahe Angehörige - hier die Ehefrau - über ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügen und die familiäre Beziehung
tatsächlich gelebt wird (statt vieler BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 f.). Die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist damit zulässig und der
Beschwerdeführer ist hierzu legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts
kann nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt
werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG).
Eine entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert vorzubringen ist
(Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254
f.), setzt zudem voraus, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und
Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der
Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Die Ansprüche nach Artikel 42 des Ausländergesetzes (vgl. vorne E. 1.2)
erlöschen, wenn sie rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werden, namentlich um
Vorschriften dieses Gesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen über die
Zulassung und den Aufenthalt zu umgehen (Art. 51 Abs. 1 lit. a AuG). Die
Ansprüche erlöschen ferner dann, wenn Widerrufsgründe nach Artikel 63 vorliegen
(Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG). Es kommen damit - auch wenn der Beschwerdeführer
bloss im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung ist - die (strengeren)
Bestimmungen über den Widerruf der Niederlassungsbewilligung zur Anwendung.
Eine solche kann u.a. widerrufen werden, wenn die Ausländerin oder der
Ausländer oder eine Person, für die sie oder er zu sorgen hat, "dauerhaft und
in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist" (Art. 63 Abs. 1 lit. c
AuG).

2.2 Die neurechtliche Regelung betreffend Erlöschen des Anspruchs auf
Familiennachzug bei Vorliegen eines Widerrufsgrundes entspricht weitgehend der
altrechtlichen von Art. 7 Abs. 1 des inzwischen aufgehobenen Bundesgesetzes vom
26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1 121)
und stützt sich ausdrücklich auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des
Bundesgerichts (vgl. die bundesrätliche Botschaft vom 8. März 2002 zum
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [BBl 2002 3851 ff.,
insbesondere 3809 f.). Nach dieser Rechtsprechung durfte der Familiennachzug
schon bisher verweigert werden, wenn konkret die Gefahr einer fortgesetzten und
erheblichen Fürsorgeabhängigkeit bestand; blosse finanzielle Bedenken genügten
nicht (BGE 119 Ib 81 E. 2d S. 87; 125 II 633 E. 3c S. 641). Vielmehr war die
wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht abzuwägen (BGE 122 II
1 E. 3c S. 8). In diesem Sinne ist auch der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1
lit. c AuG ("dauerhaft und in erheblichem Masse auf Sozialhilfe angewiesen")
auszulegen.

3.
3.1 Das Verwaltungsgericht stellte in tatsächlicher Hinsicht fest, die Ehefrau
des Beschwerdeführers habe vom 1. Januar 2003 bis Ende 2005 Fr. 64'163.65 an
Sozialhilfe bezogen. Innert knapp zwei Jahren seit der Eheschliessung sei das
Ehepaar X.________ und Y.________ mit weiteren Fr. 49'978.05 von der
Sozialhilfe unterstützt worden. Zwar habe die Ehefrau inzwischen eine
Anstellung in einem Putzinstitut gefunden; ihr Beschäftigungsgrad liege aber
massiv unter den vom Beschwerdeführer behaupteten 20 Stunden pro Woche. Dieser
selber habe vom 13. August 2007 an für kurze Zeit in einem Forstunternehmen in
Brislach gearbeitet, die Stelle aber bereits nach einem Monat gekündigt, weil
es ihm dort nicht gefallen habe. Danach habe er befristet in Couvet gearbeitet,
aber ebenfalls nur sehr kurz. Eine im April 2008 ausgeübte Tätigkeit in einer
Carrosserie-Garage in Breitenbach sei mit Blick auf eine Festanstellung
erfolgt, welche sich aber zerschlagen habe; gleich wie später eine
"Jobmöglichkeit" im Raum Rothrist. Daraus zog das Verwaltungsgericht den
Schluss, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, sich beruflich in der
Schweiz zu integrieren (obwohl es die Arbeitsmarktlage zugelassen hätte).
Vorliegend bestehe konkret die Gefahr dauerhafter und erheblicher
Fürsorgeabhängigkeit, was bereits das Departement willkürfrei festgestellt
habe.

3.2 Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz verkenne, dass ihm die
Aufenthaltsbewilligung erst am 27. Februar 2007 erstmals erteilt worden sei. In
der Konsequenz ergebe dies, dass zwischen der erstmaligen Erteilung der
Aufenthaltsbewilligung und deren Nichtverlängerung gerade einmal 11 Monate
vergangen seien. Dies könne sicher nicht genügen, um eine dauerhafte und
erhebliche Sozialhilfeabhängigkeit "zu kreieren". Insbesondere dürfe ihm auch
nicht die vorbestandene Sozialhilfeabhängigkeit seiner Ehefrau angerechnet
werden. Die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung sei auf längere Sicht
abzuwägen, was ihm - dem Beschwerdeführer - auch Recht gebe, da er nun ganz
aktuell eine Zusicherung habe, in Möhlin ein Arbeitsverhältnis antreten zu
können. Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei sodann
unverhältnismässig: Strafrechtliches oder fremdenpolizeilich verpöntes
Fehlverhalten habe er sich nicht zuschulden kommen lassen, und von seiner
Ehefrau könne nicht verlangt werden, ihm ins Ausland zu folgen.

3.3 Die Einwendungen des Beschwerdeführers sind - soweit sie als unzulässige
neue Tatsachenbehauptungen nicht ohnehin unbeachtlich bleiben müssen (vgl. E.
1.3) - nicht geeignet, die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts
als offensichtlich unrichtig und die von ihm daraus gezogenen
Schlussfolgerungen als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen: Der
Beschwerdeführer hat zusammen mit seiner Ehefrau innert zwei Jahren seit dem
Eheschluss rund Fr. 50'000.-- an Sozialhilfe bezogen, was als erheblich
erscheint (BGE 119 Ib 1 E. 3 S. 6). Ebenso ist die Befürchtung berechtigt, der
Beschwerdeführer sei auch in Zukunft dauerhaft und in erheblichem Masse auf
Sozialhilfe angewiesen, nachdem er Gelegenheit hatte, einer Erwerbstätigkeit
nachzugehen, aber nicht Fuss zu fassen vermochte. Namentlich ist ihm
vorzuhalten, dass er eine Stelle in einem Forstunternehmen nach bloss einem
Monat wieder kündigte, weil sie ihm nicht gefallen hat (vgl. Aktennotiz vom 25.
September 2007). Der Schluss des Verwaltungsgerichts, der Beschwerdeführer
werde auf längere Sicht in erheblichem Masse sozialhilfeabhängig bleiben, ist
aufgrund seines in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht
bundesrechtswidrig.
Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung erscheint auch nicht
unverhältnismässig: Der Beschwerdeführer ist erst im Alter von 28 Jahren in die
Schweiz eingereist, und nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist es
ihm bis heute nicht bzw. "nur schlecht" gelungen, sich hier zu integrieren. Das
Verwaltungsgericht hat weiter festgestellt, dass die Ehefrau über gute
französische Sprachkenntnisse verfügt und - selber zum Islam konvertiert - mit
der Kultur und Religion ihres Ehemannes vertraut ist. Der daraus gezogene
Schluss, es sei ihr zuzumuten, mit ihrem Ehemann nach Algerien zu ziehen, ist
daher nicht zu beanstanden; und die verfügte Nichtverlängerung der
Aufenthaltsbewilligung hält unter diesen Umständen auch vor Art. 8 EMRK stand.

4.
Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
kann.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer auferlegt (Art. 65 und 66 BGG). Da der angefochtene Entscheid
mit der bisher veröffentlichten Praxis des Bundesgerichts zum Erlöschen des
Anspruchs auf Familiennachzug im Einklang steht und der Beschwerdeführer
aufgrund der ihm zugänglichen Materialien - insbesondere aufgrund der von ihm
selber zitierten bundesrätlichen Botschaft vom 8. März 2002 zum Ausländergesetz
- davon ausgehen musste, dass diese Praxis auch bei der Anwendung und Auslegung
von Art. 42 und Art. 51 (bzw. 63) dieses Gesetzes massgebend sein würde, konnte
er nicht ernsthaft mit einer Gutheissung der Beschwerde rechnen. Seinem Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist daher mangels
Erfolgsaussicht nicht zu entsprechen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der wirtschaftlichen
Lage des Beschwerdeführers wird bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung
getragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Departement des Innern (Amt für
öffentliche Sicherheit [Ausländerfragen]) sowie dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. April 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Klopfenstein