Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.660/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_660/2008

Urteil vom 25. September 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Feller.

Parteien
1. X.________,
2. Y.________,
handelnd durch X.________,
Beschwerdeführerinnen,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Raymond Caliezi,

gegen

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich, Kaspar Escher-Haus, 8090.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 28. Juli 2008.

Erwägungen:

1.
Die brasilianische Staatsangehörige X.________, geboren 1967, hielt sich
erstmals im Jahr 2000 illegal in der Schweiz auf. Anfangs März 2002 reiste sie
erneut ein und heiratete am 30. April 2002 den Schweizer Bürger A.________.
Gestützt darauf erhielt sie eine Aufenthaltsbewilligung, die letztmals bis zum
28. Februar 2006 verlängert wurde. Im Sommer 2004 zog X.________ ihre Tochter
Y.________, geboren am 14. September 1990, nach, die ihrerseits eine
Aufenthaltsbewilligung erhielt, welche einmal, bis zum 28. Februar 2006,
verlängert wurde. Gemäss Verfügung des Eheschutzrichters vom 13. September 2005
lebte X.________ spätestens seit Mitte 2005 von ihrem Ehemann getrennt. Der
Scheidungsprozess ist seit Herbst 2007 hängig.
Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Migrationsamt) lehnte mit
Verfügung vom 14. Juni 2006 die Gesuche von X.________ und ihrer Tochter um
weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligungen ab. Den gegen diese Verfügung
erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 28. Mai 2008 ab.
Am 28. Juli 2008 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die gegen den
regierungsrätlichen Beschluss erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 15. September 2008
beantragen X.________ und Y.________ dem Bundesgericht, die Entscheide des
Verwaltungsgerichts und des Regierungsrats aufzuheben und die
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich anzuweisen, ihnen die
Aufenthaltsbewilligung zu verlängern.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.

2.
2.1 Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts
unzulässig betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das
Völkerrecht einen Anspruch einräumt.
2.1.1 Wie es sich mit dem Bestehen eines auf Bundesrecht gestützten
Bewilligungsanspruchs verhält, beurteilt sich hier nach dem Bundesgesetz vom
26. Mai 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG), welches
gemäss Art. 126 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die
Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20 bzw. AS 2007 5437) auf den
vorliegenden Fall noch zur Anwendung kommt.
2.1.2 Gemäss Art. 7 Abs. 1 Satz 1 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines
Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung. Hat die Ehe des Ausländers mit einem Schweizer Bürger
mehr als fünf Jahre gedauert und hielt er sich in dieser Zeit ununterbrochen in
der Schweiz auf, so besteht gemäss Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG Anspruch auf
Erteilung der Niederlassungsbewilligung. Für die Annahme eines solchen
Anspruchs auf Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung genügt schon der
formelle Bestand der Ehe (BGE 128 II 145 E. 1.1.4 S. 149; 122 II 145 E. 3a und
3b S. 146 ff.; 121 II 97 E. 4c S. 104 f.); ob Gründe für die Nichtverlängerung
der Aufenthalts- bzw. für die Verweigerung der Niederlassungsbewilligung
vorliegen, ist nicht als Eintretensfrage zu prüfen, sondern bildet Gegenstand
der materiellen Prüfung (BGE 128 II 145 E. 1.1.2 - 1.1.5 S. 148 f.).

Die Beschwerdeführerin 1 ist seit April 2002 mit einem Schweizer Bürger
verheiratet und hat seither ununterbrochen in der Schweiz gelebt. Was ihre
Bewilligung betrifft, greift der Unzulässigkeitsgrund von Art. 83 lit. c Ziff.
2 BGG insofern nicht, und die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ist zulässig.
2.1.3 Die Beschwerdeführerin 2 kann sich auf keine bundesgesetzliche Norm
berufen, um einen Bewilligungsanspruch geltend zu machen. Ein solcher könnte
sich höchstens aus Art. 8 EMRK ergeben, sofern dem Antrag auf
Bewilligungsverlängerung für ihre Mutter, die Beschwerdeführerin 1, entsprochen
würde. Nun ist die Beschwerdeführerin 2 seit dem 14. September 2008 volljährig,
und eine Berufung auf Art. 8 EMRK entfällt (vgl. BGE 130 II 137 E. 2 S. 141;
129 II 11 E. 2 S. 13, 249 E. 1.2 S. 252 mit weiteren Hinweisen). Die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich mithin in Bezug auf die
Beschwerdeführerin 2 gestützt auf Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG als unzulässig.
2.2
2.2.1 Gemäss Art. 7 Abs. 2 ANAG besteht kein Bewilligungsanspruch im Sinne von
Art. 7 Abs. 1 ANAG, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer und namentlich jene über die
Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (Ausländerrechts- oder Scheinehe).
Selbst wenn ursprünglich keine Ausländerrechtsehe eingegangen worden ist, kann
sich die Berufung auf die gesetzliche Anspruchsnorm als rechtsmissbräuchlich
erweisen. Nach feststehender bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt
Rechtsmissbrauch vor, wenn der Ausländer sich auf eine Ehe beruft, die nur noch
formell besteht, weil entweder ihm selber jeglicher Wille zum Führen der
ehelichen Gemeinschaft fehlt oder weil, für ihn erkennbar, keine ernsthafte
Aussicht auf ein (weiteres) eheliches Zusammenleben bzw. auf die Führung einer
Lebensgemeinschaft mit dem schweizerischen Ehepartner mehr besteht, wobei es
auf die Ursachen der Trennung nicht ankommt. Das durch die Rechtsordnung
vorgesehe Anwesenheitsrecht kann nicht völlig unabhängig vom Bestand einer
ehelichen Beziehung beansprucht werden (vgl. BGE 130 II 113 E. 4.2 S. 117; 128
II 145 E. 2.2 S. 151; 127 II 49 E. 5 S. 56 ff. mit Hinweisen); eine bei
objektiver Betrachtung als gescheitert erscheinende Ehe fällt als Grundlage für
einen Bewilligungsanspruch nach Art. 7 ANAG ausser Betracht. Da der mit einem
Schweizer Bürger verheiratete Ausländer nach einem ordnungsgemässen und
ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren einen Anspruch auf die
Niederlassungsbewilligung erwirbt, welcher, einmal erworben, nicht mehr
untergeht (s. dazu vorne E. 2.1.2), kann der Bewilligungsanspruch nur dann
wegen Rechtsmissbrauch erlöschen, wenn die Voraussetzungen hierfür sich vor
Ablauf der massgeblichen fünf Jahre verwirklicht haben.
2.2.2 Das Verwaltungsgericht ist von diesen in der Rechtsprechung entwickelten
Kriterien ausgegangen (s. E. 3.1 erster Absatz des angefochtenen Entscheids).
Es hielt fest, der Ehemann der Beschwerdeführerin 1 habe den ehelichen Haushalt
spätestens Mitte 2005 aufgegeben, weil er eine andere Beziehung eingegangen
war, er habe Gespräche über eine Rückkehr konstant abgeblockt und die Scheidung
gewünscht, wobei er das Scheidungsverfahren denn auch - sofort nach Ablauf der
zweijährigen Trennungsfrist gemäss Art. 114 ZGB - einleitete. Diese
Feststellungen sind für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (vgl. Art.
105 Abs. 1 BGG), ist doch nicht ersichtlich, dass bzw. inwiefern sie
offensichtlich unrichtig wären oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruhten (vgl. Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Namentlich
vermögen die Beschwerdeführerinnen mit ihren Ausführungen darüber, dass das
Verwaltungsgericht ihre Vorbringen im kantonalen Verfahren nicht (zutreffend)
wahrgenommen habe, keine in diesem Sinne qualifiziert unrichtige
Sachverhaltsfeststellung darzutun. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht gerade
hervorgehoben, dass die Beschwerdeführerin 1 ihrerseits auf eine
Wiedervereinigung gehofft habe und die Ehe nicht als gescheitert habe
betrachten wollen; es hat daraus bloss nicht dieselben Schlüsse gezogen wie die
Beschwerdeführerinnen.
Bei der geschilderten Sachlage durfte das Verwaltungsgericht annehmen, es
hätten lange vor dem 30. April 2007, das heisst lange bevor die Ehe fünf Jahre
gedauert hatte, objektiv keine Aussichten auf eine Wiederaufnahmen der
ehelichen Gemeinschaft bestanden. Stand aber das Scheitern der Ehe schon vor
diesem Zeitpunkt unwiderruflich fest, entfällt nach dem vorstehend Gesagten die
Möglichkeit, sich im ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahren darauf bzw. auf
Art. 7 ANAG zu berufen, selbst wenn die Beschwerdeführerin 1 eine Fortführung
der Ehe vorgezogen bzw. gewünscht haben sollte. Wie es sich unter der
Herrschaft des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer,
insbesondere bei Anwendung von Art. 50 Abs. 1 AuG verhielte, ist entgegen der
Ansicht der Beschwerdeführerinnen unerheblich (vorne E. 2.1.1). Dass eine
Berufung auf die nicht mehr gelebte Ehe unter dem Gesichtswinkel von Art. 8
EMRK ausser Betracht fällt, bedarf keiner näheren Erläuterung (vgl. BGE 129 II
193 E. 5.3.1 S. 211; 127 II 60 E. 1d/aa S. 64). Die Beschwerde erweist sich,
soweit ein Bewilligungsanspruch der Beschwerdeführerin 1 gestützt auf ihre Ehe
mit einem Schweizer Bürger geltend gemacht wird, als offensichtlich unbegründet
(Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG).

2.3 Darüber, ob die Bewilligung der Beschwerdeführerin(nen) unter anderem Titel
hätte verlängert werden können, hatten die kantonalen Behörden mangels
diesbezüglichen Rechtsanspruchs nach freiem Ermessen zu entscheiden (Art. 4
ANAG). Hinsichtlich des behördlichen Ermessensentscheids ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG
unzulässig. Das Verwaltungsgericht ist diesbezüglich auf die kantonale
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, deren Zulässigkeit von der Zulässigkeit der
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten abhängt (§ 43 Abs. 1 lit.
h in Verbindung mit § 43 Abs. 2 des Zürcher Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom
24. Mai 1959 [VRG], s. dazu E. 2.1 des angefochtenen Entscheids), denn auch
nicht eingetreten, was in der Beschwerde nicht thematisiert wird.

2.4 Soweit auf die Beschwerde eingetreten werden kann, ist sie im vereinfachten
Verfahren gemäss Art. 109 BGG abzuweisen.

2.5 Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG)
den Beschwerdeführerinnen zu gleichen Teilen unter solidarischer Haftung
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen je zur
Hälfte unter solidarischer Haftung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Sicherheitsdirektion, dem
Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt
für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. September 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Feller