Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.635/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_635/2008

Urteil vom 19. September 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiberin Dubs.

Parteien
X.________, Gefängnis A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Manuel Rohrer,

gegen

Migrationsdienst des Kantons Bern, Eigerstrasse 73, 3011 Bern.

Gegenstand
Ausschaffungshaft,

Beschwerde gegen den Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland,
Haftrichter 6a, vom 15. August 2008.

A.

Erwägungen:

1.
1.1 X.________ (geb. 10. Mai 1981), bangladeshischer Staatsangehöriger, reiste
am 12. Dezember 2000 in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Das Bundesamt für
Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration) lehnte am 21. Dezember 2001 das
Asylgesuch ab und wies X.________ aus der Schweiz weg. Die gleichzeitig
verfügte vorläufige Aufnahme von X.________ hob es am 26. Februar 2004 wieder
auf. Die dagegen eingereichte Beschwerde wies die Asylrekurskommission (heute:
Bundesverwaltungsgericht) am 27. Mai 2004 ab. Entgegen der Aufforderung, bis
zum 28. Juli 2004 auszureisen, verblieb X.________ weiter in der Schweiz. Am 3.
Dezember 2007 wurde sein Härtefallgesuch vom Migrationsdienst des Kantons Bern
abgelehnt. Ab dem 16. Dezember 2007 galt X.________ als untergetaucht. Am 11.
März 2008 wurde er in Thun polizeilich angehalten.

1.2 Am 19. März 2008 nahm ihn der Migrationsdienst des Kantons Bern in
Ausschaffungshaft, die vom Haftgericht III Bern Mittelland bis zum 18. Juni
2008 bestätigt wurde. Am 30. Mai 2008 weigerte sich X.________, den
unbegleiteten Rückflug nach Bangladesh anzutreten. Am 17. Juni 2008 genehmigte
der Haftrichter die Verlängerung der Ausschaffungshaft bis zum 30. September
2008.

Die Ausschaffungshaft wurde am 6. August 2008 zwecks Vollzugs einer 5-tägigen
Freiheitsstrafe formlos aufgehoben. Am 11. August 2008 vereitelte X.________
den Versuch, ihn mit einem begleiteten Flug auszuschaffen. Gleichentags
versetzte der Migrationsdienst des Kantons Bern X.________ in
Durchsetzungshaft, die jedoch vom Haftgericht am 13. August 2008 nicht
genehmigt wurde. Unmittelbar im Anschluss an diese Verhandlung wurde X.________
durch den Migrationsdienst erneut in Ausschaffungshaft genommen. Nach
mündlicher Verhandlung vom 15. August 2008 bestätigte der Haftrichter 6a des
Haftgerichts III Bern-Mittelland die Ausschaffungshaft bis zum 12. November
2008.

1.3 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 8. September
2008 beantragt X.________, den Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland
X.________ vom 15. August 2008 betreffend Gutheissung der angeordneten
Ausschaffungshaft aufzuheben und ihn mit sofortiger Wirkung aus der
Ausschaffungshaft zu entlassen. Zudem ersucht er um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.

Das Bundesgericht hat die Akten des Haftgerichts III Bern-Mittelland
beigezogen, jedoch keine Vernehmlassungen eingeholt.

2.
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und kann im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden.

2.1 Der Beschwerdeführer ist rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen worden.
Er ist der Aufforderung, das Land zu verlassen, jedoch nicht nachgekommen und
galt nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
(Art. 105 Abs. 1 BGG) in den Monaten vor seiner Festnahme im März dieses Jahres
als untergetaucht. Er weigert sich vehement, in sein Heimatland zurückzukehren,
und hat bereits zwei für ihn organisierte Rückflüge im letzten Moment zum
Scheitern gebracht. Der Beschwerdeführer ist zudem in der Schweiz straffällig
geworden. Wie der Haftrichter zu Recht angenommen hat, besteht somit
Untertauchensgefahr im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Art. 76
Abs. 1 lit. b Ziff. 3 und 4 AuG; BGE 130 II 56 E. 3.1 S. 58 mit Hinweisen).
Anhaltspunkte dafür, dass der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers
rechtlich oder tatsächlich nicht möglich wäre (Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG; BGE
130 II 56 E. 4.1.2 und 4.1.3 S. 60 f. mit Hinweisen) oder sich die Behörden
nicht mit dem nötigen Nachdruck hierum bemühen würden (Art. 76 Abs. 4 AuG),
liegen nicht vor. Die Ausschaffungshaft des Beschwerdeführers ist deshalb zu
Recht genehmigt worden.

2.2 Der Beschwerdeführer rügt, die Haft sei nicht innerhalb der gesetzlich
vorgeschriebenen 96 Stunden richterlich überprüft worden.
2.2.1 Nach Art. 80 Abs. 2 AuG ist die Rechtmässigkeit und die Angemessenheit
der Haft spätestens nach 96 Stunden durch eine richterliche Behörde auf Grund
einer mündlichen Verhandlung zu überprüfen. Der Beschwerdeführer wurde im
Anschluss an den Strafvollzug, d.h. ab dem 11. August 2008 um 07:30 Uhr
(erneut) ausländerrechtlich festgehalten. Die Genehmigung der Ausschaffungshaft
durch den Haftrichter erfolgte am 15. August 2008 um 11:00 Uhr. Selbst wenn -
was offen bleiben kann - davon auszugehen wäre, dass die für die Haftprüfung
geltende Frist vorliegend nicht erst mit der neuerlichen, im Anschluss an die
erste Haftverhandlung vom 13. August 2008 verfügten Inhaftierung, sondern
bereits mit der fremdenpolizeilichen Festhaltung nach Entlassung aus dem
Strafvollzug (11. August 2008) zu laufen begonnen hat, wäre die
96-Stunden-Frist nur gerade um dreieinhalb Stunden überschritten. Dies
vermöchte unter den hier gegebenen Umständen noch nicht die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids und eine Beendigung der Festhaltung zu rechtfertigen.
2.2.2 Nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften bei der Haftprüfung
führt auch zur Haftentlassung. Es kommt darauf an, welche Bedeutung einerseits
den verletzten Vorschriften für die Wahrung der Rechte des Betroffenen und
andererseits dem Interesse an einer reibungslosen Durchsetzung der Ausschaffung
zukommt (vgl. BGE 125 II 369 E. 2e S. 373 f.; BGE 122 II 154 E. 3a S. 158 mit
Hinweisen; 2C_334/2008 vom 30. Mai 2008 E. 4.3).

Im vorliegenden Fall war die ursprünglich bis zum 30. September 2008 genehmigte
Ausschaffungshaft am 6. August 2008 durch den fünftägigen Strafvollzug
aufgehoben worden. Im Anschluss an den Strafvollzug sollte der Beschwerdeführer
mit einem begleiteten Flug in sein Heimatland ausgeschafft werden. Nachdem der
Beschwerdeführer auch diesen Versuch vereitelt hatte, nahm der Migrationsdienst
den Betroffenen in Durchsetzungshaft, die vom Haftrichter angesichts der
Möglichkeit der Ausschaffung mit Sonderflug nicht genehmigt wurde. Fraglich war
letztlich nur, unter welchem Titel die Haft fortzuführen war. Der
Beschwerdeführer hätte die Schweiz längst verlassen müssen. Er weigert sich
nach wie vor, in sein Heimatland auszureisen. Nur dieses ist indessen
verpflichtet, ihn zurückzunehmen. Bei einer Haftentlassung dürfte der
Beschwerdeführer mit grosser Wahrscheinlichkeit versuchen, (erneut) im In- oder
Ausland unterzutauchen, woraus für die Schweiz entsprechende
Rückübernahmepflichten erwachsen könnten (vgl. BGE 133 II 97 E. 4.2.2 S. 103).
Unter diesen Umständen vermag die (allfällige) geringfügige Überschreitung der
gesetzlichen Frist für die richterliche Haftprüfung eine Entlassung des
Beschwerdeführers nicht zu rechtfertigen (vgl. Urteil 2C_661/2007 vom 17.
Dezember 2007 E. 2.3; 2C_395/2007 vom 3. September 2007 E. 3.4.2; 2A.101/2004
vom 3. März 2004 E. 2.2.2; 2A.200/2002 vom 17. Mai 2002 E. 4). Der angefochtene
Entscheid würde daher selbst dann kein Bundesrecht verletzen, wenn davon
auszugehen wäre, dass die umstrittene Frist nicht erst nach der ersten
Haftverhandlung zu laufen begann.

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung kann nicht entsprochen werden, da die vorliegende Eingabe
und der Antrag auf Haftentlassung gestützt auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung aussichtslos waren (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Wegen der
besonderen Umstände des Falles (Bedürftigkeit, Wegweisungsvollzug) rechtfertigt
es sich, von der Erhebung von Kosten abzusehen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Mit
dem Urteil in der Sache wird das Gesuch, der Beschwerdeführer sei vorsorglich
sofort aus der Haft zu entlassen, gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt des Kantons Bern,
dem Haftgericht III Bern-Mittelland, Haftrichter 6a, sowie dem Bundesamt für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. September 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Hungerbühler Dubs