Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.628/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_628/2008

Urteil vom 15. Dezember 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Parteien
1. X.________,
2. L.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Werner Greiner,

gegen

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich, Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Kammer, vom 25. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ (geb. 1965) stammt aus der Türkei. Er reiste am 2. April 1998 in
die Schweiz ein und heiratete hier am 29. Juli 1998 die Schweizer Bürgerin
A.________ (geb. 1949). Das Ehepaar X.________ und A.________ zog in der Folge
die beiden Kinder aus einer früheren Ehe von X.________, L.________ (geb. 1990)
und M.________ (geb. 1991), nach. Im Jahr 2003 erteilte die
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich X.________ und seinen beiden Kindern
die Niederlassungsbewilligung. Am 16. Dezember 2003 schied der Einzelrichter am
Bezirksgericht Zürich die Ehe von X.________ und A.________.
A.b Am 1. April 2004 heiratete X.________ in der Türkei seine Landsfrau
B.________ (geb. 1972), die in der Schweiz am 1. April 2000 - während eines
illegalen Aufenthalts - den gemeinsamen Sohn N.________ geboren hatte. Am 8.
April 2004 ersuchte er für seine neue Ehefrau und den gemeinsamen Sohn um
Familiennachzug. Am 9. Februar 2005 widerrief die Sicherheitsdirektion des
Kantons Zürich die Niederlassungsbewilligung von X.________, L.________ und
M.________, hielt sie an, den Kanton zu verlassen, und wies das
Familiennachzugsgesuch für B.________ und N.________ ab. Der Regierungsrat und
das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich bestätigten diesen Entscheid auf
Rekurs bzw. Beschwerde hin am 31. Mai bzw. 25. Oktober 2006; die
Niederlassungsbewilligungen seien durch falsche Angaben bzw. Verschweigen
wesentlicher Tatsachen - insbesondere der eheähnlichen Beziehung von X.________
zu B.________ während der bestehenden Ehe und der Geburt des ausserehelichen
Sohns N.________ - erschlichen worden. Mit dem Widerruf der Bewilligung des
Vaters bestehe auch kein Anwesenheitsanspruch mehr für die Kinder L.________
und M.________. Dieser Entscheid ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
Bereits am 29. März 2005 war die Ehe von X.________ und B.________ in der
Türkei wieder geschieden und das Sorgerecht für N.________ dem Vater übertragen
worden.

B.
Am 24. Juli 2006 heiratete X.________ erneut seine frühere Gattin A.________,
worauf er am 15. Dezember 2006 beantragte, es seien ihm und seinen Kindern
L.________ und M.________ im Familiennachzug wiederum Aufenthaltsbewilligungen
zu erteilen. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich wies das Gesuch am 2.
März 2007 ab und forderte X.________, L.________ und M.________ auf, das
Kantonsgebiet zu verlassen. Hiergegen rekurrierten L.________ und X.________ -
dem im November 2006 die elterliche Obhut über M.________ entzogen worden war,
nachdem er gegen diese (wiederholt) gewalttätig geworden sein soll - einerseits
und M.________ andererseits an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Am 21. Mai
2007 hob die Sicherheitsdirektion ihre Verfügung bezüglich M.________ auf und
erteilte dieser eine befristete Aufenthaltsbewilligung. Am 5. März 2008 wies
der Regierungsrat des Kantons Zürich die Rekurse ab, soweit sie nicht
gegenstandslos geworden waren. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
bestätigte diesen Entscheid am 25. Juni 2008. Mit der Vorinstanz ging es davon
aus, dass die Ehe mit A.________ aus ausländerrechtlichen Motiven eingegangen
worden sei und die Berufung darauf als rechtsmissbräuchlich zu gelten habe.

C.
X.________ und L.________ beantragen mit Eingabe vom 2. September 2008 vor
Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich
"vollumfänglich aufzuheben" und das Migrationsamt anzuweisen, ihnen eine
Aufenthaltsbewilligung im Kanton Zürich zu erteilen; es bestünden keine
hinreichenden Indizien, die für einen Rechtsmissbrauch sprächen. Die
Staatskanzlei des Kantons Zürich beantragt für den Regierungsrat, die
Beschwerde abzuweisen, das Verwaltungsgericht ersucht darum, dieser nicht zu
entsprechen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Migration
schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

D.
Mit Verfügung vom 5. September 2008 erkannte der Abteilungspräsident der
Eingabe antragsgemäss aufschiebende Wirkung zu.

Erwägungen:

1.
Gegenstand des angefochtenen Urteils bildet der Entscheid der Zürcher Behörden,
den Beschwerdeführern keine Aufenthaltsbewilligungen zu erteilen. Die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist hiergegen zulässig,
falls das Bundesrecht oder das Völkerrecht ihnen einen Anspruch auf deren
Erteilung oder Verlängerung verschafft (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG). Dies ist
vorliegend noch in Anwendung des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) zu prüfen, da sie das
Bewilligungsgesuch vor dem 1. Januar 2008 gestellt haben (vgl. Art. 126 Abs. 1
AuG [SR 142.21]). Dabei ist der vom Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
festgestellte Sachverhalt massgeblich (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG), da dieser -
entgegen den kaum rechtsgenüglich begründeten Einwänden der Beschwerdeführer
(Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254
f.) - nicht als offensichtlich unrichtig oder in Verletzung von Art. 95 BGG
festgestellt gelten kann (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. E. 2).

2.
2.1
2.1.1 Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit sie von L.________
erhoben wird: Im Zeitpunkt der Gesuchsstellung verfügte sein Vater über keine
Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung mehr, womit auch für ihn kein
Nachzugsanspruch gestützt auf Art. 7 oder Art. 17 ANAG bestand; der
Beschwerdeführer 2 beruft sich diesbezüglich denn auch ausdrücklich nur noch
auf das in Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben. Wie bereits im
Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids ist er inzwischen jedoch volljährig,
ohne dass eine besondere Abhängigkeit von seinem Vater bestünde, der sich
inzwischen offenbar seit rund 1 ½ Jahren in Untersuchungshaft befindet. Er kann
sich für die Bewilligungserteilung deshalb nicht mehr auf das Familienleben mit
ihm berufen (vgl. BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262 f. und das Urteil 2A.558/2006 vom
22.Februar 2007, E. 2.3).
2.1.2 Aus dem Anspruch auf Schutz des Privatlebens ergibt sich ein Recht auf
Verbleib im Land nur unter besonderen Umständen. Eine lange Anwesenheit und die
damit verbundene normale Integration genügen hierfür praxisgemäss nicht;
erforderlich sind vielmehr besonders intensive private Beziehungen beruflicher
oder gesellschaftlicher Natur (BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286; 126 II 377 E. 2c
S. 384 ff.; 120 Ib 16 E. 3b S. 22). Der Beschwerdeführer 2 war rund zehn Jahre
alt, als er in die Schweiz gekommen ist; er befindet sich erst seit rund acht
Jahren im Land. Auch wenn er gewisse Schulen hier besucht hat, ist er mit den
Verhältnissen in seiner Heimat nach wie vor vertraut; er verfügt dort
zugestandenermassen auch noch über verschiedene Onkeln und Tanten. Sein
Lehrvertrag als Schuhmacher musste wegen persönlicher Probleme 2006 aufgelöst
werden; bereits zuvor war es verschiedentlich zu schulischen Problemen mit ihm
gekommen. Er behauptet zwar, hier über ein "dichtes Beziehungsnetz" zu
verfügen, wie es für Jugendliche in seinem Alter üblich sei; er verkennt
indessen, dass für den Bewilligungsanspruch eine "normale" Integration gerade
nicht genügt und ohne entsprechende Belege und Rügen das Bundesgericht an den
Sachverhalt im angefochtenen Entscheid gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG).
2.2
2.2.1 Der Beschwerdeführer 1 ist mit einer Schweizerin verheiratet und hat
damit grundsätzlich Anspruch auf die von ihm beantragte Bewilligung (Art. 7
Abs. 1 Satz 1 ANAG). Für das Eintreten ist lediglich entscheidend, ob die Ehe
formell besteht; anders als bei Art. 8 EMRK ist nicht erforderlich, dass diese
auch intakt ist und tatsächlich gelebt wird (BGE 126 II 265 E. 1b S. 266). Die
Frage, ob die Bewilligung verweigert werden muss, weil einer der in Art. 7 ANAG
vorbehaltenen Ausnahmetatbestände oder ein Verstoss gegen das
Rechtsmissbrauchsverbot vorliegt, betrifft nicht das Eintreten, sondern bildet
Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 126 II 265 E. 1b S. 266; 124 II 289
E. 2b S. 291).
2.2.2 Der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers verliert das Recht auf
Erteilung oder Verlängerung seiner Bewilligung im Sinne von Art. 7 ANAG, falls
die Ehe eingegangen wird, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung
zu umgehen ("Ausländerrechtsehe"), oder falls sich die Berufung darauf
anderswie als rechtsmissbräuchlich erweist (Art. 7 Abs. 2 ANAG; BGE 128 II 145
E. 2 u. 3; 127 II 49 E. 5 S. 56 ff.). Wenn die Vorinstanz vorliegend aus den
zeitlichen Abläufen und dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers
geschlossen hat, dessen Bewilligungsanspruch aufgrund der erneuten Heirat
seiner Schweizer Partnerin sei verwirkt, ist dies nicht bundes(verfassungs)
rechtswidrig: Es ist rechtskräftig festgestellt, dass der Beschwerdeführer 1
seine Niederlassungsbewilligung durch falsche bzw. unvollständige Angaben
erschlichen und während der Ehe ab 1999 eine aussereheliche Beziehung zu seiner
Cousine unterhalten hat, die gleichzeitig die Schwester der Gattin des Bruders
des Beschwerdeführers ist. Auf diesen Entscheid ist hier nicht mehr
zurückzukommen. Die Vaterschaft des gemeinsamen Kindes wurde gegenüber den
türkischen und schweizerischen Behörden verheimlicht und dessen wahre
Abstammung erst kurz nach Erhalt der Niederlassungsbewilligung und der
Scheidung aufgedeckt, wobei nunmehr die neue Gattin und das gemeinsame Kind
nachgezogen werden sollten. Als dies scheiterte, wurde die Ehe geschieden. In
den Rekurs- und Beschwerdeverfahren gegen den Widerruf der
Niederlassungsbewilligung verschwieg der Beschwerdeführer sowohl die Scheidung
von seiner türkischen Gattin als auch die erneute Heirat seiner schweizerischen
Partnerin, obwohl dies gegen die Rechtsmissbräuchlichkeit des Erwerbs der
Niederlassungsbewilligung hätte sprechen können. Solche Verhaltensweisen
verdienen keinen Rechtsschutz; es wird damit das Eherecht zu
ausländerrechtlichen Zwecken missbraucht.
2.2.3 Was der Beschwerdeführer 1 hiergegen einwendet, überzeugt nicht: Soweit
er sich auf das (neue) Familienleben mit seiner Schweizer Gattin beruft (Art. 8
Ziff. 1 EMRK), erscheint zweifelhaft, ob und wieweit dieses intakt ist und
tatsächlich gepflegt wird. Der Beschwerdeführer 1 befindet sich nach den
Angaben seines Rechtsvertreters in Untersuchungshaft; seine Frau hat sich an
den verschiedenen Rekurs- und Beschwerdeverfahren nie beteiligt. Der
Beschwerdeführer 2 wohnt nicht bei der Stiefmutter, sondern beim Bruder seines
Vaters, obwohl die Gattin des Beschwerdeführers am 27. März 2007 erklärt hatte,
für ihren Mann nach der Scheidung immer noch Gefühle empfunden und "ihre
Kinder", d.h. L.________ und M.________, über "alles geliebt" zu haben. Ihre
Erklärung gibt - wie die Vorinstanz zu Recht ausführt - indessen wenig
Aufschluss über das tatsächliche eheliche und familiäre Zusammenleben nach der
(erneuten) Heirat. Es verwundert insbesondere, dass darin mit keinem Wort auf
die Fremdplatzierung von M.________ eingegangen wird, was mit Blick auf die
konkrete Situation nahe gelegen hätte. Der Beschwerdeführer 1 bzw. seine
Partnerin machen auch vor Bundesgericht keine weiteren Angaben zu ihren
konkreten familiären Verhältnissen. Unter diesen Umständen war die Vorinstanz
im Hinblick auf die Mitwirkungspflichten der Betroffenen nicht gehalten,
weitere Abklärungen vorzunehmen; es wäre vielmehr an den Ehegatten gewesen,
hinreichende Anhaltspunkte für die Wiederaufnahme des behaupteten Familien- und
Ehelebens zu liefern. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, M.________ sei
inzwischen auf ihre Anschuldigungen ihm gegenüber zurückgekommen, hielt das
Bezirksgericht Zürich am 11. Juni 2008 diesbezüglich lediglich fest, dass
weitere Abklärungen erforderlich erschienen und insbesondere "die Tante, der
Onkel und L.________ (der Bruder der Geschädigten), welche die Geschädigte im
Hinblick auf die heute stattfindende Hauptverhandlung an ihrem derzeitigen
(eigentlich unbekannten) Aufenthaltsort [...] offenbar aufgesucht haben", zu
den entsprechenden Gründen zu befragen sein werden. Von einer besonderen
Integration des Beschwerdeführers in das hiesige Umfeld kann gestützt hierauf
nicht gesprochen werden; eine solche ergibt sich auch nicht aus den restlichen
Akten.

3.
Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb abzuweisen, soweit darauf
eingetreten wird. Sie hatte keine ernsthaften Aussichten auf Erfolg, weshalb
das Gesuch der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung abzuweisen ist (vgl. Art. 64 BGG). Dementsprechend haben sie die
Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2.
Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Dezember 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Hugi Yar