Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.603/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_603/2008, 2C_604/2008 /ber

Urteil vom 11. Februar 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Küng.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration,

Gegenstand
Einreisesperre (Nichteintretensentscheid mangels Leistung des
Kostenvorschusses).

Beschwerden gegen die Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2008
und 4. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
Das Bundesamt für Migration verfügte am 24. Oktober 2007 gegen den deutschen
Staatsangehörigen X.________ eine Einreisesperre, da sein Verhalten im In- und
Ausland wiederholt zu schweren Klagen und gerichtlichen Verurteilungen Anlass
gegeben habe. Dieser erhob dagegen Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht
forderte X.________ am 21. Januar 2008 auf, ein Zustellungsdomizil in der
Schweiz zu bezeichnen. Die dafür gesetzte Frist verstrich unbenutzt. Das
Bundesverwaltungsgericht forderte X.________ mit am 14. Mai 2008 im Bundesblatt
publizierter Verfügung auf, innert 30 Tagen einen Kostenvorschuss von Fr.
600.-- einzuzahlen. Nachdem der Vorschuss innert Frist nicht geleistet worden
war, trat das Bundesverwaltungsgericht am 4. Juli 2008 auf die Beschwerde nicht
ein und veröffentlichte diesen Entscheid am 15. Juli 2008 im Bundesblatt.

B.
X.________ legte darauf mit Schreiben vom 13. August 2008 beim
Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 14. Mai
2008 ein; dieses überwies die Beschwerde zuständigkeitshalber dem Bundesgericht
(Verfahren 2C_603/2008). Ausserdem erhob X.________ mit Schreiben vom 22.
August 2008 gegen den Nichteintretensentscheid des Bundesverwaltungsgerichts
vom 4. Juli 2008 Beschwerde beim Bundesgericht (Verfahren 2C_604/ 2008).

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zu den Beschwerden geäussert, ohne einen
Antrag zu stellen.

Das Bundesamt für Migration hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Die beiden erhobenen Beschwerden betreffen das gleiche vor dem
Bundesverwaltungsgericht geführte Rechtsmittelverfahren. Es rechtfertigt sich,
sie zu vereinigen und im gleichen Urteil darüber zu befinden.

1.2 Die normalerweise fehlende Zuständigkeit des Bundesgerichts auf dem Gebiet
der Einreise (Art. 83 lit. c Ziff. 1 BGG) ergibt sich im vorliegenden Fall aus
Art. 11 Abs. 3 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen,
FZA; SR 0.142.112.681).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer erhob gegen die vom Bundesamt für Migration am 24.
Oktober 2007 verhängte Einreisesperre am 13. November 2007 und damit
rechtzeitig Beschwerde. Die an das Bundesamt für Migration gerichtete
Beschwerde wurde von diesem an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet.

2.2 Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben
vom 4. Dezember 2007 auf, innert 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens ein
schweizerisches Zustellungsdomizil zu bezeichnen. Das Schreiben wurde am 15.
Dezember 2007 von der Ehegattin des Beschwerdeführers in Lörrach
entgegengenommen. Da der Beschwerdeführer der Aufforderung nicht nachkam, wurde
er mit Zwischenverfügung vom 21. Januar 2008 erneut zur Bezeichnung eines
Zustelldomizils innert 20 Tagen nach Erhalt der Verfügung aufgefordert,
ansonsten ihn betreffende Anordnungen und Entscheide durch Publikation im
Bundesblatt eröffnet würden. Die Zwischenverfügung wurde auf dem Rechtshilfeweg
befördert und dem Beschwerdeführer am 18. März 2008 übergeben.

2.3 Am 21. Januar 2008 beantragte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für
Migration die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde
gegen die Einreisesperre; zugleich ersuchte er um unentgeltliche Rechtspflege.
Diese Eingabe wurde nicht an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet.

2.4 Mit Zwischenverfügung vom 28. April 2008, publiziert am 14. Mai 2008 im
Bundesblatt, forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer auf,
einen Kostenvorschuss von Fr. 600.-- zu leisten. Mangels Leistung eines
Kostenvorschusses trat es mit Urteil vom 4. Juli 2008, publiziert am 15. Juli
2008, auf die Beschwerde gegen die Einreisesperre nicht ein.

3.
3.1 In seinen Beschwerden vom 13. und 22. August 2008 gegen die
Kostenvorschussverfügung und den Nichteintretensentscheid weist der
Beschwerdeführer darauf hin, dass er am 21. Januar 2008 ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege gestellt habe, das unbearbeitet geblieben sei.
Dadurch sei ihm die "Rechtshilfe verwehrt" worden. Aus diesen - unbeholfenen -
Eingaben des Beschwerdeführers ist ersichtlich, dass er sich beim Bundesgericht
gegen die beiden Verfügungen beschwert ("lege ich Beschwerde ein") und
sinngemäss Rechtsverweigerung wegen Nichtbehandlung des Gesuches um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege (im Zusammenhang mit der ergangenen
Kostenvorschussverfügung und dem Nichteintretensentscheid wegen Nichtbezahlens
des Kostenvorschusses) rügt.

3.2 Gemäss Art. 8 Abs. 1 VwVG hat die (Bundes-)Behörde, die sich als
unzuständig erachtet, eine Eingabe ohne Verzug der zuständigen Behörde zu
überweisen. Nach Art. 21 Abs. 2 VwVG (i.V.m. Art. 37 VGG) gilt eine Frist
selbst dann als gewahrt, wenn eine Partei rechtzeitig an die unzuständige
Behörde gelangt.

Das Bundesamt für Migration hätte demnach das Gesuch um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege (und dasjenige um Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung), das in erkennbarem Zusammenhang mit dem zuvor von ihm
geführten Verfahren stand, wie schon die Beschwerde unverzüglich an die
zuständige Instanz weiterleiten sollen (vgl. dazu MICHEL DAUM, in: Christoph
Auer und andere, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren,
2008, N 5-7 zu Art. 8 VwVG; URS PETER CAVELTI, daselbst, N 14 ff. zu Art. 21
VwVG). Der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts, die Akten des Bundesamtes für
Migration würden elektronisch geführt, ändert nichts an der
Weiterleitungspflicht und überzeugt umso weniger, als das Bundesamt für
Migration vorher und nachher im gleichen Verfahren in der Lage war, Eingaben an
die richtige Instanz, d.h. das Bundesverwaltungsgericht, zu senden.

3.3 Ist somit davon auszugehen, dass das Gesuch um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege bei richtigem Vorgehen als dem
Bundesverwaltungsgericht zugegangen und bekannt gelten muss, erweisen sich die
angefochtenen Entscheide als rechtswidrig, auch wenn dem
Bundesverwaltungsgericht kein Vorwurf zu machen ist.

4.
Die Beschwerden sind aus diesen Gründen gutzuheissen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 2C_603/2008 und 2C_604/2008 werden vereinigt.

2.
Die Beschwerden werden gutgeheissen, und die Entscheide des
Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2008 und 4. Juli 2008 werden aufgehoben.

3.
Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zur neuen Entscheidung im Sinne
der Erwägungen zurückgewiesen.

4.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Migration und dem
Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Februar 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Küng