Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.58/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_58/2008

Urteil vom 14. April 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Moser.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Frank Th. Petermann,

gegen

Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen, Moosbruggstrasse 11, 9001 St.
Gallen.

Gegenstand
Praxisbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom
27. November 2007.

Sachverhalt:

A.
Nachdem Dr. med. X.________, Kinderarzt FMH, geb. 1936, mit Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 11. Mai 2001 der sexuellen Handlungen mit
Kindern schuldig gesprochen und mit viereinhalb Monaten Gefängnis bestraft
worden war, beschränkte das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid
vom 11. Juni 2002 dessen Bewilligung zur Ausübung der selbständigen ärztlichen
Berufstätigkeit auf die Behandlung von weiblichen Patienten; die Behandlung von
Patienten männlichen Geschlechts ohne Altersbegrenzung und die Teilnahme am
Notfalldienst wurden ihm verboten. Am 20. November 2002 wies das Bundesgericht
eine dagegen gerichtete staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf
eintrat (Urteil 2P.218/2002). Im Herbst 2003 verkaufte X.________ seine Praxis.

Nachdem er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Sterbehilfe-Organisation
"Dignitas" einen männlichen Patienten untersucht und ihm ein Rezept über eine
tödliche Dosis eines Betäubungsmittels ausgestellt hatte, entzog die
Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich am 26. Mai 2004 X.________ - nach
vorgängiger Verwarnung in einem ähnlich gelagerten Fall - die Bewilligung zur
selbständigen ärztlichen Tätigkeit vollständig und endgültig und lehnte die von
ihm beantragte Erweiterung der Praxisbewilligung auf die Behandlung männlicher
Patienten, die in der Schweiz den begleiteten Freitod wünschten, ab. Die von
X.________ dagegen eingereichten Rechtsmittel beim Zürcher Verwaltungsgericht
(Urteil vom 30. September 2004) und beim Bundesgericht (Urteil 2P.310/2004 vom
18. Mai 2005) blieben ohne Erfolg.

B.
Am 7. September 2004 ersuchte X.________ beim Gesundheitsdepartement des
Kantons St. Gallen darum, ihm die selbständige Ausübung des Berufes als Arzt im
Kanton St. Gallen insoweit zu bewilligen, als sich diese auf "Suizid-Prophylaxe
und assistierten Suizid" beziehe, unter Ausschluss einer kassenärztlichen
Tätigkeit.

Mit Verfügung vom 14. August 2007 wies das Gesundheitsdepartement das Gesuch ab
mit der Begründung, X.________ fehle es an der Voraussetzung eines guten
Leumundes.

Mit Urteil vom 27. November 2007 wies das Verwaltungsgericht des Kantons St.
Gallen eine von X.________ dagegen eingereichte Beschwerde ab.

C.
Mit Eingabe vom 21. Januar 2008 erhebt X.________ beim Bundesgericht Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des
Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihm die selbständige Ausübung des Berufes
als Arzt im Kanton St. Gallen zu bewilligen bzw. - eventualiter - für weibliche
Patienten zu bewilligen.

Das Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen schliesst auf Abweisung der
Beschwerde, das Verwaltungsgericht auf Abweisung, soweit darauf einzutreten
sei.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss
Art. 83 BGG fällt und daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a,
Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG).

Als abgewiesener Gesuchsteller ist der Beschwerdeführer, welcher am
vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat, durch den angefochtenen Entscheid
besonders berührt und besitzt ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung
oder Änderung, womit er zur Beschwerde legitimiert ist (Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

Hingegen gilt der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht
hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und
interkantonalem Recht; insofern besteht eine qualifizierte Rügepflicht (vgl.
Art. 106 Abs. 2 BGG). Im Anwendungsbereich von Art. 106 Abs. 2 BGG ist die
Praxis zum Rügeprinzip gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b des früheren
Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG) weiterzuführen (vgl. BGE
133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; 133 IV 286 E. 1.4 S. 287).

Es kann offenbleiben, inwieweit die vorliegende Beschwerdeschrift, welche sich
über mehrere Seiten in (weitschweifiger) appellatorischer Kritik am
angefochtenen Entscheid erschöpft, diesen Anforderungen genügt, da die
Beschwerde so oder so abzuweisen ist.

2.
2.1 Die Verfügung des kantonalen Gesundheitsdepartements vom 14. August 2007,
mit welcher das Gesuch des Beschwerdeführers um Bewilligung der selbständigen
Berufsausübung als Arzt im Kanton St. Gallen abgewiesen wurde, stützte sich auf
Art. 44 Abs. 1 des st. gallischen Gesundheitsgesetzes vom 28. Juni 1979 (im
Folgenden GesG/SG), wonach für die Bewilligungserteilung u.a. vorausgesetzt
wird, dass der Gesuchsteller "gut beleumdet ist" (lit. c). Am 1. September
2007, d.h. im Laufe des kantonalen Rechtsmittelverfahrens, ist das Bundesgesetz
vom 23. Juni 2006 über die universitären Medizinalberufe
(Medizinalberufegesetz, MedBG; SR 811.11) in Kraft getreten. Dieses Gesetz
regelt in Art. 36 die Bewilligungsvoraussetzungen für die selbständige
ärztliche Berufsausübung in fachlicher (Abs. 1 lit. a) wie auch in persönlicher
Hinsicht (Abs. 1 lit. b) nunmehr einheitlich und abschliessend (vgl. dazu die
Botschaft zum MedBG, in: BBl 2005 S. 226, zu Art. 36; ferner: Boris Etter,
Handkommentar zum Medizinalberufegesetz MedBG, Bern 2006, N. 1, 7 und 13 zu
Art. 36; Mario Marti/Philipp Straub, Arzt und Berufsrecht, in: Moritz W. Kuhn/
Tomas Poledna [Hrsg.], Arztrecht in der Praxis, 2. Aufl., Zürich 2007, S. 235
f.; Thomas Gächter/Dania Tremp, Arzt und seine Grundrechte, in: Kuhn/Poledna,
a.a.O., S. 32 f.). Das Gesetz enthält im hier interessierenden Zusammenhang
keine Übergangsbestimmungen. Das Verwaltungsgericht durfte die Frage, ob
vorliegend noch das bisherige kantonale oder das neue eidgenössische Recht
anwendbar sei, zulässigerweise offen lassen, da beide in Betracht fallenden
Bestimmungen dasselbe verlangen. Diese Ansicht wird auch vom Beschwerdeführer
geteilt. Mit dem im kantonalen Recht genannten Erfordernis des guten Leumundes
ist die Vertrauenswürdigkeit gemeint, welche heute gemäss Art. 36 Abs. 1 lit. b
MedBG Voraussetzung für die Zulassung zur selbständigen Berufsausübung bildet
(vgl. Botschaft zum MedBG, BBl 2005 S. 226; Etter, a.a.O., N. 13 zu Art. 36;
Marti/Straub, a.a.O., S. 238 f.).

2.2 Das St. Galler Verwaltungsgericht kam im angefochtenen Entscheid zum
Ergebnis, aufgrund der Vorkommnisse, welche dazu geführt hätten, dass der
Beschwerdeführer im Kanton Zürich vorerst mit einem teilweisen und schliesslich
mit einem vollständigen Berufsverbot belegt worden sei, habe das kantonale
Gesundheitsdepartement folgern dürfen, es mangle diesem sowohl im Verhältnis zu
den Behörden als auch in demjenigen zu Patienten an der erforderlichen
Vertrauenswürdigkeit für die Tätigkeit als selbständiger Arzt. In Anbetracht
der gesamten Umstände könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der
Beschwerdeführer an eine auf einen bestimmten Sachbereich oder Personenkreis
beschränkte Berufsausübungsbewilligung halten würde, womit eine in diesem Sinne
mildere Massnahme ausser Betracht falle. Dass das für den Kanton Zürich
geltende Berufsverbot vor rund drei Jahren und sechs Monaten angeordnet worden
sei und der Beschwerdeführer sich seither wohl verhalten habe, lasse die
Gesuchsabweisung nicht als unverhältnismässig erscheinen.

Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die kantonalen Behörden
würden den Begriff der Vertrauenswürdigkeit falsch auslegen, indem sie eine
ethisch-moralische Wertung vorgenommen hätten, ohne diese auf ihre Legitimität
und Funktionalität hin zu hinterfragen. Das Erfordernis des guten Leumunds sei
unter dem Gesichtspunkt der Zweckangemessenheit auszulegen, worunter der
Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu verstehen sei. Dieser gebiete eine
mildere Massnahme als die komplette Verweigerung der
Berufsausübungsbewilligung: Die Beschränkung der damaligen Praxisbewilligung
des Beschwerdeführers sei erfolgt "wegen strafbarer Handlungen gegen die
sexuelle Integrität jungendlicher Patienten männlichen Geschlechts". Die
vorliegend beantragte Bewilligung betreffe vor allem ältere bis betagte,
schwerstkranke Patienten, für welche aufgrund der Neigungen des
Beschwerdeführers überhaupt keine Gefahr bestehe. Auch könne der Entzug der
Bewilligung im Kanton Zürich nicht als verhältnismässig angesehen werden, da er
wegen einer Handlung erfolgt sei, welche noch vor der Verwarnung vorgenommen
worden sei. Im Übrigen sei der zuständige Zürcher Kantonsarzt der betreffenden
Sterbehilfeorganisation seit Jahren mit einer an Ablehnung grenzenden
Zurückhaltung begegnet.

2.3 Im Urteil des Bundesgerichts 2P.310/2004 vom 18. Mai 2005 (E. 4.4) wurde
dargelegt, weshalb die zürcherischen Behörden dem Beschwerdeführer aufgrund
seines bisherigen Verhaltens die erforderliche Vertrauenswürdigkeit für die
selbständige Berufsausübung absprechen durften. Es wurde festgehalten, dass die
genannte Voraussetzung nicht nur das Verhältnis zwischen Arzt und Patient,
sondern grundsätzlich auch jenes zwischen Arzt und Behörde betrifft (zit.
Urteil, E. 4.4.2; vgl. auch Urteil 2P.231/2006 vom 10. Januar 2007, E. 6.2).

Es besteht kein Anlass, für die vom Beschwerdeführer im Kanton St. Gallen
beabsichtigte selbständige ärztliche Tätigkeit niedrigere Anforderungen an die
Vertrauenswürdigkeit zu stellen. Auch und insbesondere auf dem Gebiet der
Suizidprophylaxe und des assistierten Suizids kommt dem beteiligten Arzt eine
hohe Verantwortung zu. Das zum Bewilligungsentzug im Kanton Zürich führende
Verhalten des Beschwerdeführers rechtfertigt Zweifel an seiner Fähigkeit oder
Bereitschaft, sich strikte an die geltenden medizinalrechtlichen Normen und
behördlichen Vorgaben zu halten. Der Zeitablauf seit den strafrechtlichen
Verfehlungen vermag diese Bedenken nicht zu zerstreuen, zumal sich der
Beschwerdeführer - wie ausgeführt - auch später bei der Berufsausübung nicht
korrekt verhalten hat. Eine Wiedererteilung der Praxisbewilligung fällt umso
weniger in Betracht, als sich der 1936 geborene Beschwerdeführer heute in einem
Alter befindet, in dem in der Regel ohnehin keine aktive Erwerbstätigkeit mehr
ausgeübt wird. Auch mit dem gestellten Eventualantrag, ihm die selbständige
Berufsausübung nur für weibliche Patienten zu bewilligen, vermag er nicht
durchzudringen, da sich das Hindernis der mangelnden Vertrauenswürdigkeit nicht
nur auf das Risiko von sexuellen Verfehlungen bezieht, sondern auch auf seine
fehlende Bereitschaft, sich an die behördlichen Auflagen und Bedingungen zu
halten. Die Auslegung des Begriffs der Vertrauenswürdigkeit bzw. des guten
Leumunds durch die Vorinstanz lässt sich mithin nicht beanstanden; die
Bewilligungsverweigerung erweist sich nach dem Gesagten auch nicht als
unverhältnismässig. Von einer Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots kann
vorliegend ebenso wenig gesprochen werden.

2.4 Nicht durchzudringen vermag der Beschwerdeführer ferner mit seinen
formellen Rügen: Inwieweit eine Verletzung des Rechtsverweigerungsverbots, des
rechtlichen Gehörs bzw. des Anspruchs auf ein faires Gerichtsverfahrens im
Sinne von Art. 6 EMRK vorliegen soll, ist weder in rechtsgenüglicher Form
dargetan (oben E. 1.2) noch ersichtlich.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
als unbegründet abzuweisen.

Entsprechend dem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind
nicht geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons St.
Gallen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. April 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Moser