Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.589/2008
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_589/2008

Urteil vom 27. Februar 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Zünd,
Gerichtsschreiberin Dubs.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet
und Markus Jakob,

gegen

Amt für Migration Basel-Landschaft,
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft.

Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 28. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Die türkische Staatsangehörige X.________ (geb. 1971) stellte am 14. Februar
1997 in Deutschland einen Asylantrag, der am 2. November 1997 abgelehnt wurde.
Am 29. Januar 2001 stellte sie in der Schweiz ein Asylgesuch, das mit Verfügung
des Bundesamtes für Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration) vom 21. März
2001 abgewiesen wurde. Dagegen erhob X.________ am 27. April 2001 Beschwerde.
Am 5. Juli 2001 gebar sie ihre Tochter Z.________ und heiratete am 28.
September 2001 den in der Schweiz niedergelassenen Landsmann Y.________. Darauf
zog X.________ am 5. Februar 2002 ihre Beschwerde gegen die abweisende
Asylverfügung zurück und erhielt am 9. Juli 2002 eine Aufenthaltsbewilligung
zum Verbleib bei ihrem Ehemann.
Am 28. August 2006 teilte eine Person dem Amt für Migration Basel-Landschaft
telefonisch mit, das Ehepaar X.________ - Y.________ führe eine Scheinehe.
X.________ wohne nicht mit Y.________ zusammen, sondern mit ihrem Verlobten
E.________, mit dem sie ein gemeinsames Kind habe. E.________ sei zwecks
Verbleib in der Schweiz ebenfalls eine Scheinehe mit der Schwester von
X.________ eingegangen. In der Folge wiederholte die Auskunftsperson diese
Behauptungen in einem anonymen Schreiben. Das Amt für Migration nahm darauf
Abklärungen vor. Auf Anfrage hin teilte Y.________ mit, dass er seit Juli 2005
nicht mehr mit seiner Ehefrau zusammen wohne. Am 3. Februar 2007 meldete er
sich dann wieder an der Wohnadresse seiner Ehefrau in R.________ an. Im Rahmen
der Gewährung des rechtlichen Gehörs wurden die Ehegatten X.________ -
Y.________ am 2. März 2007 getrennt über ihre gemeinsame Beziehung und ihr
Eheleben befragt. Dabei ergaben sich Ungereimtheiten und Widersprüche zwischen
den Aussagen der Ehegatten. Dass E.________ der leibliche Vater der Tochter
Z.________ ist, wurde nicht bestritten.

B.
Am 4. April 2007 verfügte das Amt für Migration die Nichtverlängerung der
Aufenthaltsbewilligung von X.________ und der Tochter Z.________ und ordnete
deren Wegzug bis spätestens zum 31. Mai 2007 an.
Die dagegen beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft erhobene Beschwerde
wies dieser mit Beschluss vom 13. November 2007 ab mit der Begründung, bei der
Ehe X.________ - Y.________ handle es sich um eine Scheinehe und selbst wenn
die Ehe nicht bloss zum Schein eingegangen worden wäre, erwiese sich die
Berufung darauf vorliegend als rechtsmissbräuchlich, da die Ehe seit dem Auszug
von Y.________ aus der ehelichen Wohnung im Juli 2005 mit dem alleinigen Ziel
aufrecht erhalten werde, X.________ eine Anwesenheitsbewilligung im Kanton
Basel-Landschaft zu ermöglichen.
X.________ beschwerte sich gegen den Regierungsratsbeschluss erfolglos beim
Kantonsgericht Basel-Landschaft.

C.
Mit Eingabe vom 18. August 2008 erhebt X.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und Verfassungsbeschwerde beim
Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 28. Juni 2008 aufzuheben, auf die Wegweisung zu verzichten und ihr die
Aufenthaltsbewilligung zu verlängern, eventualiter die Sache zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem stellt sie das Begehren,
der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eventualiter ihr (der
Beschwerdeführerin) die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu
gewähren.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hat auf Vernehmlassung verzichtet und das
Amt für Migration Basel-Landschaft liess sich nicht vernehmen. Der
Regierungsrat Basel-Landschaft schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

D.
Mit Verfügung vom 22. August 2008 hat der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

E.
Am 16. Dezember 2008 hat Y.________ dem Bundesgericht per E-Mail mitgeteilt,
dass die Ehegatten inzwischen ein gemeinsames Scheidungsbegehren eingereicht
haben. Von dieser Mitteilung wurde dem Rechtsvertreter von X.________ Kenntnis
gegeben.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerdeführerin erhebt sowohl Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten als auch subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Das Bundesgericht
prüft seine Zuständigkeit bzw. die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von Amtes
wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; vgl. auch BGE 133 I 185 E.
2 S. 188 mit Hinweisen).

1.2 Gemäss Art. 113 BGG beurteilt das Bundesgericht Verfassungsbeschwerden
gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen, soweit keine Beschwerde nach den
Artikeln 72 - 89 BGG zulässig ist. Angefochten ist vorliegend der Entscheid
über eine ausländerrechtliche Bewilligung. Nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist
die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des
Ausländerrechts unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die
weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen.

1.3 Nach Art. 126 Abs. 1 des neuen Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über
die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20), welches am 1. Januar 2008 in
Kraft getreten ist, bleibt für Gesuche, die vor diesem Zeitpunkt gestellt
worden sind, das bisherige Recht anwendbar. Das muss umso mehr gelten für
Entscheide über die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die wie hier
noch unter der Herrschaft des bisherigen Rechts ergangen sind.

1.4 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann
nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt
werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG).
Eine entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert vorzubringen ist
(Art. 42 Abs. 2 BGG), setzt zudem voraus, dass die Behebung des Mangels sich
für den Ausgang des Verfahrens als entscheidend erweisen kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von
Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht
prüft eine solche Rüge nur insoweit, als sie in der Beschwerde präzise
vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249
E. 1.4.2 S. 254; 134 II 244 E. 2.2 S. 246). Neue Tatsachen und Beweismittel
dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz
dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
Die von der Beschwerdeführerin erst im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren
eingereichten Bestätigungen und Belege können somit nicht berücksichtigt
werden; sie wären ohnehin nicht geeignet, am Ausgang des Verfahrens etwas zu
ändern. Unbeachtlich ist auch die Mitteilung des Ehegatten der
Beschwerdeführerin betreffend das hängige Scheidungsverfahren.

1.5 Gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 1 des hier noch massgebenden Bundesgesetzes vom
26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; in der
Fassung vom 23. März 1990) hat der ausländische Ehegatte eines niedergelassenen
Ausländers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung,
solange die Ehegatten zusammen wohnen. Die Voraussetzung des ehelichen
Zusammenlebens ist vorliegend aufgrund der für das Bundesgericht verbindlichen
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz (E. 1.4) nicht erfüllt. Gemäss
unbestrittener Feststellung im angefochtenen Urteil lebt der Ehegatte der
Beschwerdeführerin seit dem 1. Dezember 2007 nicht mehr in der ehelichen
Wohnung, nachdem er bereits in der Zeit vom 15. Oktober 2002 bis August 2003
und vom 1. Juli 2005 bis Mitte Februar 2007 nicht mit seiner Ehegattin zusammen
gewohnt hat. Die Beschwerdeführerin konnte während der Dauer der Ehe auch
keinen Anspruch auf Niederlassungsbewilligung nach Art. 17 ANAG erwerben, da
sie die Voraussetzung des Zusammenwohnens nicht während fünf Jahren
ununterbrochen erfüllte (vgl. dazu BGE 130 II 49 E. 3 S.52 ff.). Ergänzend ist
zu bemerken, dass auch das - hier noch nicht anwendbare - neue Ausländergesetz,
auf das die Beschwerdeführerin sich stützen zu können glaubt, das
Anwesenheitsrecht des ausländischen Ehegatten vom Zusammenleben der Eheleute
abhängig macht (Art. 42 und Art. 43 AuG) und die Voraussetzungen für eine
Ausnahme davon (Art. 49 AuG) vorliegend offensichtlich nicht erfüllt wären. Die
Beschwerdeführerin beruft sich zudem auf das in Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1
BV garantierte Recht auf Achtung des Familienlebens (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.1
S. 285 f. mit Hinweisen). Zwar verfügt ihr Ehemann über ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz; indessen ist für die Berufung auf das Recht
auf Achtung des Familienlebens zusätzlich erforderlich, dass die familiäre
Beziehung tatsächlich gelebt wird und intakt ist. Aus dem im angefochtenen
Urteil festgestellten Sachverhalt, an den das Bundesgericht - wie erwähnt -
gebunden ist, durfte die Vorinstanz aber zulässigerweise schliessen, dass
zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann, welcher bezeichnenderweise
am vorliegenden Verfahren nicht teilnimmt, jedenfalls heute keine gelebte und
intakte eheliche Beziehung mehr besteht. Damit kann die Beschwerdeführerin auch
aus Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV kein Anwesenheitsrecht ableiten. Die
Beschwerdeführerin hat somit weder nach Bundesrecht noch nach Völkerrecht einen
Rechtsanspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zur Anfechtung des für die
Beschwerdeführerin negativen Bewilligungsentscheids ist mithin ausgeschlossen.
1.6
1.6.1 Als bundesrechtliches Rechtsmittel fällt somit allein die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde in Betracht. Zu dieser ist nur berechtigt, wer ein
rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des
angefochtenen Entscheids hat (Art. 115 lit. b BGG). Die Beschwerdeführerin, die
keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung hat, ist durch die
Verweigerung einer solchen nicht in rechtlich geschützten Interessen betroffen,
und es fehlt ihr mithin die Legitimation, den negativen Bewilligungsentscheid
in materieller Hinsicht, namentlich wegen Verletzung des Willkürverbots, mit
Verfassungsbeschwerde anzufechten (BGE 133 I 185 E. 7 S. 200).
1.6.2 Trotz fehlender Legitimation in der Sache selber ist die
Beschwerdeführerin berechtigt, die Verletzung von Parteirechten zu rügen, deren
Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft (BGE 133 I 185 E.
6.2 S. 198 f.). Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs, die sie darin erblickt, dass die Identität und die Motive des
Verfassers der anonymen Anzeige betreffend Scheinehe nicht untersucht worden
seien. Die kantonale Behörde hält dem entgegen, sie habe sich für ihren
Entscheid nicht auf diese Anzeige gestützt, sondern diese lediglich zum Anlass
genommen, den Sachverhalt näher abzuklären. Der Nichtverlängerung der
Aufenthaltsbewilligung lägen die darauf vorgenommenen zusätzlichen Abklärungen
bzw. die daraus hervorgegangenen Erkenntnisse zugrunde.
Abgesehen davon, dass sich die Bewilligungsverweigerung nicht auf die anonyme
Anzeige stützt, konnte sich die Beschwerdeführerin jedenfalls im Verfahren vor
dem Kantonsgericht Basel-Landschaft nach erfolgter Gewährung der Akteneinsicht
dazu äussern. Was sie in diesem Zusammenhang einwendet, zielt im Ergebnis auf
eine materielle Überprüfung des Bewilligungsentscheids ab. Dazu ist sie mangels
Legitimation in der Sache nicht berechtigt (vgl. BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 313;
126 I 81 E. 7b S. 94; 118 Ia 232 E. 1c S. 236). Auf die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde ist somit nicht einzutreten.

2.
2.1 Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.

2.2 Die Beschwerdeführerin ersucht für das bundesgerichtliche Verfahren um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Dem Gesuch kann
wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren nicht entsprochen werden (Art. 64
Abs. 1 BGG). Damit wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG). Bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr wird jedoch der finanziellen Lage
der Beschwerdeführerin Rechnung getragen

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Amt für Migration
Basel-Landschaft, dem Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, dem
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht,
sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Februar 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Müller Dubs