Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.580/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_580/2008 / aka

Urteil vom 24. November 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiber Merz.

Parteien
A. X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Yassin Abu-Ied,

gegen

Amt für Polizeiwesen und Zivilrecht Graubünden, Karlihof 4, 7002 Chur,
Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden, Hofgraben 5, 7001
Chur.

Gegenstand
Familiennachzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 3.
Kammer, vom 4. März 2008.

Erwägungen:

1.
1.1 Der algerische Staatsangehörige B. X.________ (geb. 1975) reiste im Jahre
1999 unter falschem Namen in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Am 25.
November 2002 bestätigte die Asylrekurskommission die Abweisung seines
Asylgesuchs. Trotz Ausschaffungsversuchen der Behörden blieb B. X.________ in
der Schweiz. Am 27. Oktober 2006 heirateten er und die Schweizer Bürgerin A.
X.________ (geb. 1982), welche seinen Familiennamen annahm. Den von ihr in der
Folge für ihren Ehemann beantragten Familiennachzug lehnte das Amt für
Polizeiwesen und Zivilrecht Graubünden am 29. März 2007 im Wesentlichen mit der
Begründung ab, es liege eine sog. Aufenthaltsehe vor. Die hiegegen im Kanton
erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos.

1.2 Mit Beschwerde vom 19. August 2008 beantragt A. X.________ dem
Bundesgericht, das in dieser Sache zuletzt ergangene Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 4. März 2008 aufzuheben und den
Familiennachzug für ihren Ehemann zu bewilligen.

Das Amt für Polizeiwesen und Zivilrecht Graubünden, das Departement für Justiz,
Sicherheit und Gesundheit Graubünden sowie das Bundesamt für Migration
beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht stellt den
Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde.

2.
Die Vorinstanzen gehen davon aus, dass gemäss Art. 7 Abs. 2 ANAG (BS 1 121, in
der Fassung vom 23. März 1990, AS 1991 1034 1043), der nach Art. 126 Abs. 1 AuG
(SR 142.20) trotz Inkrafttretens des neuen Ausländergesetzes am 1. Januar 2008
noch anwendbar ist, kein Bewilligungsanspruch im Sinne von Art. 7 Abs. 1 ANAG
und Art. 8 EMRK besteht. Die Beschwerdeführerin rügt demgegenüber, die
Vorinstanzen hätten zu Unrecht geschlossen, dass sie und ihr Ehemann eine sog.
Scheinehe eingegangen seien. Sie macht vor allem geltend, der Sachverhalt sei
falsch bzw. unvollständig festgestellt worden.

3.
Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG muss eine Beschwerde begründet werden, wobei in
gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil grundsätzlich den Sachverhalt zugrunde,
den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts durch die Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden,
wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne
von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 BGG). Wird Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung geltend gemacht, prüft das Bundesgericht nur klar und
detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 134 II 244 E. 2.2
S. 246). Zur Sachverhaltsrüge genügt es insbesondere nicht, einen von den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen abweichenden Sachverhalt zu
behaupten (BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).

4.
4.1 Der Ehemann der Beschwerdeführerin versuchte zunächst vergeblich, in
Deutschland einen Aufenthaltstitel zu erlangen. In der Folge gelangte er mit
falschen Personalien in die Schweiz und begehrte hier um Asyl, wobei er
ebenfalls unzutreffende Angaben zu seinen Asylgründen machte. Nach
rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens lehnte er die Mitwirkung bei
der Papierbeschaffung ab und reiste auch nicht freiwillig aus. Zwei
Ausschaffungsversuche brachte er durch renitentes Verhalten zum Scheitern.
Gegen ausländerrechtliche Anweisungen (z.B. Eingrenzungen) verstiess er
mehrfach und wurde deswegen belangt. Trotz diversen strafrechtlichen
Verurteilungen zu kurzfristigen Freiheitsstrafen liess er von der Begehung
weiterer Delikte zunächst nicht ab. Als die Behörden die Eheleute kurz vor der
Heirat zum Verdacht auf Eingehung einer Scheinehe befragten, machten sie
widersprüchliche Angaben insbesondere über den Zeitpunkt und die Umstände des
Kennenlernens sowie des Austauschs der Mobiltelefonnummern, und über den Erwerb
und das Tragen von Verlobungs- und Eheringen. Wie das kantonale Departement in
seinem Entscheid vom 25. Oktober 2007 ausführlich darstellt, erweisen sich auch
die Ausführungen des Ehemannes zur Beendigung der Beziehung mit einer
Landsfrau, mit welcher er in der Schweiz eine sog. Imam-Ehe eingegangen war,
als unglaubwürdig.

4.2 Die Beschwerdeführerin behauptet, die Ergebnisse der Befragung der Eheleute
würden sich im Wesentlichen nicht widersprechen. Sie legt jedoch nicht
substantiiert dar, inwiefern die von den Vorinstanzen festgestellten
Widersprüche unzutreffend sein sollen. Zum einen schweigt sie sich zu den
Ringen aus. Zum anderen erklärt sie bloss, die Eheleute hätten "ähnliche
Aussagen bezüglich dem Ort des Kennenlernens und der damaligen Umstände"
gemacht. Auch wendet sie sich ohne nähere Begründung gegen die Verwertung der
Aussagen der erwähnten Landsfrau des Ehemannes. Diese Einwände genügen nicht,
um die ausführlichen und nachvollziehbaren Darstellungen und Feststellungen des
Departements, auf die sich die Vorinstanz bezieht, zu widerlegen (s. hievor E.
3).
Die Beschwerdeführerin beanstandet ausserdem, die Sachverhaltsfeststellung der
Vorinstanz würde im Widerspruch zu verschiedenen Aktenstücken stehen. Die
Vorinstanz habe beinahe alle ihre Argumente unberücksichtigt gelassen und auch
nicht stichhaltig begründet, weshalb diese hinter den für eine Scheinehe
angeführten Indizien zurücktreten müssten. Sie habe den Sachverhalt aktenwidrig
und willkürlich festgestellt und die vorgebrachten Beweise "übersehen".
Die Beschwerdeführerin stellt allerdings nicht klar und detailliert dar, was in
den bereits bei der Vorinstanz als Beweismitteln eingereichten Dokumenten
enthalten sein soll, das zu einer anderen Beurteilung hätte führen können. Das
Vorbringen der Beschwerdeführerin erschöpft sich in appellatorischer Kritik. So
genügt es zum Beispiel nicht, wenn sie lediglich behauptet, sie habe
"eindrücklich dargelegt, dass sie eine gelebte und glückliche Ehe mit ihrem
Ehemann führt". Sie hätte unter anderem aufzeigen müssen, wo und vor allem wie
sie dies bei den Vorinstanzen angeblich dargelegt hat (vgl. hievor E. 3). Das
Gleiche gilt für die andernorts nicht näher begründete Rüge, die
"Sachverhaltsfeststellung" stehe "im Widerspruch" zu bestimmten Aktenstücken
des vorinstanzlichen Dossiers. Es ist nicht am Bundesgericht, danach zu suchen,
wo und inwiefern ein Widerspruch gegeben ist, der für den Ausgang des
Verfahrens von Bedeutung sein könnte. Ebenso wenig genügt nach dem Gesagten die
unbelegte blosse Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe "alle ihr zur
Verfügung stehenden Beweismöglichkeiten ausgeschöpft und aufgezeigt, dass sie
und ihr Mann sich sehr lieben".

Unbehelflich ist schliesslich der Hinweis der Beschwerdeführerin auf erstmals
dem Bundesgericht vorgelegte Beweismittel. Soweit es sich dabei um sog. echte
Noven handelt (z.B. verschiedene Bestätigungsschreiben vom Juli 2008), welche
die Vorinstanz schon deswegen nicht beachten konnte, weil sie zum Zeitpunkt
ihres Entscheides nicht existierten, sind diese von vornherein aus dem Recht zu
weisen (vgl. BGE 134 IV 97 E. 5.1.3 S. 103; 133 IV 342 E. 2.1 S. 344). Soweit
es sich um Tatsachen oder Beweismittel handelt, die bereits beim
vorinstanzlichen Entscheid Bestand hatten, damals jedoch nicht angerufen
wurden, muss die Beschwerdeführerin mit Blick auf Art. 99 Abs. 1 BGG dartun,
warum erst der erwähnte Entscheid dazu Anlass gibt, diese vorzubringen (BGE 133
III 393 E. 3 S. 395). Das hat die Beschwerdeführerin nicht getan. Der für sie
ungünstige vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen
hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG (BGE 134 V 223 E. 2.2.1 S.
226 f.).

4.3 Demnach rügt die Beschwerdeführerin nicht in einer den erwähnten
Anforderungen genügenden Weise die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz.
Gemäss diesen hat der Ehemann der Beschwerdeführerin gezeigt, dass es ihm um
den Verbleib in der Schweiz geht und er auch nicht davor scheut, die Behörden
mit Unwahrheiten zu täuschen und gegen Gesetze oder behördliche Anweisungen zu
verstossen. Werden die erwähnten widersprüchlichen Angaben der Eheleute
hinzugenommen, ist es nicht bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanzen
geschlossen haben, die Ehe sei - zumindest aus der Sicht des Ehemannes - im
Sinne von Art. 7 Abs. 2 ANAG eingegangen worden, um die Vorschriften über
Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern sowie über die Begrenzung der Zahl
der Ausländer zu umgehen (vgl. allgemein zur Scheinehe BGE 122 II 289 E. 2a und
b S. 294 f.; 121 II 97 E. 3 S. 101 ff.). Unbehelflich ist in diesem
Zusammenhang der Einwand, der Ehemann der Beschwerdeführerin sei nicht auf eine
Eheschliessung angewiesen, er könne nach Österreich, Deutschland oder
Frankreich ausreisen, um einer Ausschaffung zu entgehen. Es ist schon nicht
ersichtlich, wie er selbständig in diese Länder legal einreisen und dort
verbleiben könnte.

4.4 Bei diesem Ergebnis kann offen gelassen werden, ob der Anspruch auf
Bewilligung auch gemäss Art. 7 Abs. 1 letzter Satz ANAG erloschen ist, weil ein
Ausweisungsgrund nach Art. 10 Abs. 1 lit. a und b ANAG (in der Fassung vom 8.
Oktober 1948, AS 1949 I 221 227) vorliegt. Hiervon gehen die Vorinstanzen
ergänzend aus, wobei sie die Ausweisungsvoraussetzungen vor allem deshalb als
erfüllt betrachten, weil zusätzlich zu einigen Delikten eine Ausländerrechtsehe
gegeben ist.

5.
Soweit sich die Beschwerdeführerin schliesslich darauf beruft, dass ihr Ehemann
in der Schweiz eine siebenjährige Tochter habe, ist darauf nicht einzutreten.
Sie selber kann insoweit keine Rechte aus dem Verhältnis zwischen ihrem Ehemann
und seiner Tochter ableiten (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG). Nicht nur handelt es
sich hierbei nicht um die Tochter der Beschwerdeführerin; Letztere hat auch
nicht das Sorgerecht über sie; die Tochter lebt bei ihrer leiblichen Mutter,
welche mit dem Ehemann der Beschwerdeführerin im Jahre 1999 eine sog. Imam-Ehe
geschlossen hatte. Im Übrigen verfügt die Tochter nicht über ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz (vgl. BGE 126 II 377 E. 2b/aa S. 382).

6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Diesem Ausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG).
Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Amt für Polizeiwesen und
Zivilrecht Graubünden, dem Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit
Graubünden, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 3. Kammer, sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. November 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Merz