Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.577/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_577/2008

Urteil vom 24. März 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Zünd,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Moser.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern,

Gegenstand
Ausländerrecht,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 16. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________, geb. 21. Juli 1952, deutsche Staatsangehörige, reiste am 21. Mai
2007 in die Schweiz ein, meldete sich am 29. Mai 2007 bei der
Einwohnerkontrolle Y.________ an und ersuchte beim Amt für Migration des
Kantons Luzern um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Sie führte aus, dass
ihre Tochter mit einem Schweizer Bürger verheiratet sei und sie gerne in der
Nähe ihres Enkelkindes sein möchte. Sie verfüge über eine
Erwerbsunfähigkeitsrente.

B.
Das Amt für Migration des Kantons Luzern wies das Gesuch mit Verfügung vom 13.
August 2007 ab. Eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs
falle ausser Betracht, weil sie vorgängig im Ausland nicht von ihrer Tochter
unterstützt worden sei, und eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen der
Wohnsitznahme als Rentnerin könne mangels genügenden Renteneinkommens nicht
gewährt werden.
Eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, mit Urteil vom 16. Juli
2008 ab.

C.
X.________ reichte am 11. August 2008 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht ein. Sie beantragt sinngemäss, es sei ihr
die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
Das Amt für Migration und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie das
Bundesamt für Migration beantragen Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts ausgeschlossen gegen die
Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht
noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt.
Die Beschwerdeführerin, welche deutsche Staatsangehörige ist, kann sich nach
Massgabe von Art. 6 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit
(Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681) und Art. 24 des Anhangs I zum
Freizügigkeitsabkommen auf das Aufenthaltsrecht für Personen berufen, welche
keine Erwerbstätigkeit ausüben wollen. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ist somit zulässig.
Fragen liesse sich ferner, ob die Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsrecht als
Familienangehörige einer Person, die Staatsangehörige einer Vertragspartei ist
und ein Aufenthaltsrecht hat (Art. 7 lit. d FZA in Verbindung mit Art. 3 Anhang
I FZA), geltend machen könnte. Es fehlt indessen im angefochtenen Entscheid
bereits an tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, ob die Tochter der
Beschwerdeführerin eine Erwerbstätigkeit ausübt und ob - gegebenenfalls - diese
Erwerbstätigkeit eine unselbständige oder eine selbständige ist. Ob ein
Aufenthaltsrecht besteht, ist daher nach der ersten Variante zu prüfen.

2.
Das Freizügigkeitsabkommen gewährt neben einem Recht auf Aufenthalt zu einer
unselbständigen Erwerbstätigkeit und einem Recht auf Niederlassung als
Selbständiger (Art. 1 lit. a FZA) auch ein Recht auf Aufenthalt für Personen,
die im Aufenthaltsstaat keine Erwerbstätigkeit ausüben (Art. 1 lit. c FZA).
Dieses Aufenthaltsrecht für Personen, die keine Erwerbstätigkeit ausüben, wird
nach Art. 6 FZA gemäss den Bestimmungen des Anhangs I über Nichterwerbstätige
gewährt. Art. 24 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA bestimmen diesbezüglich:
(1) Eine Person, die die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei besitzt und
keine Erwerbstätigkeit im Aufenthaltsstaat ausübt und dort kein
Aufenthaltsrecht auf Grund anderer Bestimmungen dieses Abkommens hat, erhält
eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von mindestens fünf
Jahren, sofern sie den zuständigen nationalen Behörden den Nachweis dafür
erbringt, dass sie für sich selbst und ihre Familienangehörigen über
a) ausreichende finanzielle Mittel verfügt, so dass sie während ihres
Aufenthalts keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen;
b) einen Krankenversicherungsschutz verfügt, der sämtliche Risiken abdeckt.
Die Vertragsparteien können, wenn sie dies für erforderlich erachten, nach
Ablauf der beiden ersten Jahre des Aufenthalts eine Erneuerung der
Aufenthaltserlaubnis verlangen.
(2) Die finanziellen Mittel gelten als ausreichend, wenn sie den Betrag
übersteigen, unterhalb dessen die eigenen Staatsangehörigen auf Grund ihrer
persönlichen Situation und gegebenenfalls derjenigen ihrer Familienangehörigen
Anspruch auf Fürsorgeleistungen haben. Ist diese Bedingung nicht anwendbar, so
gelten die finanziellen Mittel des Antragstellers als ausreichend, wenn sie die
von der Sozialversicherung des Aufnahmestaates gezahlte Mindestrente
übersteigen.
Die vom Bundesrat erlassene Verordnung vom 22. Mai 2002 über die schrittweise
Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und deren Mitgliedstaaten
sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation
(Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs, VEP; SR 142.203)
bestimmt in Art. 16 zu den bei Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit nach Art. 24
Anhang I FZA erforderlichen finanziellen Mitteln:
1 Die finanziellen Mittel von EG- und EFTA-Angehörigen sowie ihren
Familienangehörigen sind ausreichend, wenn sie die Fürsorgeleistungen
übersteigen, die einem schweizerischen Antragsteller oder einer schweizerischen
Antragstellerin und allenfalls seinen oder ihren Familienangehörigen aufgrund
der persönlichen Situation nach Massgabe der Richtlinien für die Ausgestaltung
und Bemessung der Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) gewährt werden.
2 Die finanziellen Mittel sind für rentenberechtigte EG- und EFTA-Angehörige
sowie ihre Familienangehörigen ausreichend, wenn sie den Betrag übersteigen,
der einen schweizerischen Antragsteller oder eine schweizerische
Antragstellerin und allenfalls seine oder ihre Familienangehörigen zum Bezug
von Ergänzungsleistungen nach dem Bundesgesetz vom 19. März 1965 über
Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
berechtigt.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin verfügt über eine Erwerbsunfähigkeitsrente der
Bundesrepublik Deutschland von monatlich 691 Euro (entsprechend Fr. 1'083.--).
Sie bewohnt eine 1 ½-Zimmerwohnung in Y.________, im selben Dorf, in dem auch
ihre Tochter und deren Schweizer Ehemann leben. Der Mietzins beträgt Fr. 760.--
(inkl. Nebenkosten). Die Tochter und ihr Ehemann haben der Beschwerdeführerin
zugesichert, sie mit monatlich Fr. 700.-- in bar sowie mit den erforderlichen
Lebensmitteln (wie Eier, Früchte, Gemüse und Fleisch) gratis zu versorgen.

3.2 Das Amt für Migration errechnete nach Massgabe der SKOS-Richtlinien einen
monatlichen Bedarf von Fr. 2'166.--, dem Einnahmen aus der
Erwerbsunfähigkeitsrente von Fr. 1'082.85 gegenüberstünden, was einem
monatlichen Fehlbetrag von Fr. 946.15 (recte: Fr. 1'083.15) entspreche. Die
Beschwerdeführerin verfüge somit nicht über hinreichend Mittel, um für ihren
Lebensunterhalt in der Schweiz eigenständig aufkommen zu können. Das
Verwaltungsgericht verweigerte die Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht
gestützt auf diese sozialhilferechtliche Berechnung. Vielmehr prüfte es nach
Massgabe von Art. 16 Abs. 2 VEP, ob ein schweizerischer Antragsteller in der
finanziellen Situation der Beschwerdeführerin Anspruch auf Ergänzungsleistungen
erheben könnte. Hierfür anrechenbaren Ausgaben von Fr. 28'100.-- jährlich
stünden Einnahmen aus der Rente von Fr. 12'996.-- gegenüber. Die Unterstützung
durch die Tochter gehöre als Verwandtenunterstützung nicht zu den anrechenbaren
Einnahmen. Somit seien die finanziellen Mittel der Beschwerdeführerin für die
Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu erwerbsloser Wohnsitznahme nicht
ausreichend.

3.3 Die Aufenthaltsregelung für Personen, die keine Erwerbstätigkeit ausüben
(Art. 24 Anhang I FZA), ist der Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni
1990 über das Aufenthaltsrecht (ABl. L 180 S. 26) nachgebildet. Daher ist für
die Anwendung des Abkommens die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung (21. Juni
1999) massgebend (Art. 16 Abs. 2 FZA). Das Bundesgericht kann aber, ohne dazu
verpflichtet zu sein, zum Zwecke der Auslegung des Freizügigkeitsabkommens auch
seither ergangene Urteile des Gerichtshofs heranziehen (BGE 130 II 1 E. 3.6.1
S. 10 f., 113 E. 5.2 S. 119 f.).
Was die ökonomischen Aufenthaltsvoraussetzungen betrifft, genügt es nach dem
Wortlaut sowohl von Art. 24 Abs. 1 lit. a Anhang I FZA wie auch von Art. 1 Abs.
1 der Richtlinie 90/364/EWG, dass die Person, welche die Staatsangehörigkeit
einer Vertragspartei bzw. der Mitgliedstaaten besitzt, über ausreichende
finanzielle Mittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine
Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss. Irgendwelche Anforderungen in Bezug auf
die Herkunft dieser Mittel enthalten die Bestimmungen nicht. Der Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften hat daher entschieden, dass die Bedingung
ausreichender finanzieller Mittel nicht dahin ausgelegt werden könne, dass der
Betroffene selber über solche Mittel verfügen müsse (Urteil C-200/02 vom 19.
Oktober 2004 i.S. Zhu und Chen, Slg. 2004 S. I-9925, Randnrn. 30 und 33; Urteil
C-408/03 vom 23. März 2006 i.S. Kommission gegen Belgien, Slg. 2006 S. I-2647,
Randnrn. 40 und 41). Die finanziellen Mittel könnten auch von
Familienangehörigen (Urteil Kommission gegen Belgien, Randnr. 42) oder
sonstigen Dritten stammen (Urteil Kommission gegen Belgien, Randnrn. 45 ff.).
Dieser Auslegung des Gerichtshofs ist für die Anwendung von Art. 24 Anhang I
FZA beizutreten. Es wäre in der Tat unverhältnismässig, weil nicht
erforderlich, dem Kriterium der ausreichenden finanziellen Mittel, ein weiteres
nach der Herkunft dieser Mittel hinzuzufügen. Die Regelung über die
ökonomischen Aufenthaltsvoraussetzungen hat zum Zweck zu vermeiden, dass die
öffentlichen Finanzen des Aufnahmestaates über Gebühr belastet werden. Das ist
gewährleistet, ohne dass es darauf ankäme, aus welcher Quelle, einer eigenen
oder einer fremden, die Existenzmittel des Betroffenen stammen. Bei eigenen
Mitteln mag die Gefahr zwar geringer erscheinen, dass sie später wegfallen
könnten, als dies der Fall ist, wenn die Mittel von einer zur Unterstützung
nicht verpflichteten Drittperson stammen. Doch ist zu beachten, dass sowohl das
Freizügigkeitsabkommen wie auch die Richtlinie 90/364/EWG damit rechnen, dass
stets ein latentes Risiko des Wegfalls ausreichender finanzieller Mittel
besteht, weshalb das Aufenthaltsrecht ausdrücklich auch nur so lange besteht,
als die Berechtigten die entsprechenden Bedingungen einhalten (Art. 24 Abs. 8
Anhang I FZA; Art. 3 Richtlinie 90/364/EWG). Diese Regelung erlaubt dem
Aufenthaltsstaat während des gesamten Aufenthalts nachzuprüfen, ob die
Bedingungen (noch) eingehalten werden.

3.4 Nach dem Gesagten kann den kantonalen Behörden nicht beigepflichtet werden,
soweit sie verlangen, dass die Mittel, welche der Beschwerdeführerin zur
Verfügung stehen müssen, ausschliesslich eigene Mittel sein dürfen und die
Unterstützung durch Tochter und Schwiegersohn unberücksichtigt zu bleiben habe.
Ohne weiteres zulässig ist es jedoch zu prüfen, ob die Drittmittel auch
tatsächlich zur Verfügung stehen, und ob sie zusammen mit den eigenen,
ausreichend sind. Unter Berücksichtigung ihrer eigenen Rente und des
Geldbeitrags, den Tochter und Schwiegersohn der Beschwerdeführerin versprochen
haben, wird der monatliche Betrag nach den SKOS-Richtlinien von Fr. 2'166.--
nicht ganz erreicht. Hinzu kommen aber noch die Nahrungsmittel, welche der
Beschwerdeführerin zur Verfügung stehen. Beides, sowohl der versprochene
Geldbeitrag, wie auch die Naturalleistungen, erscheinen unter den Umständen des
Falles, als nicht bloss vorgeschoben, sondern glaubhaft. Der Mietvertrag für
die Wohnung der Beschwerdeführerin ist von ihrer Tochter und dem Schwiegersohn
abgeschlossen worden, so dass diese gegenüber dem Vermieter geradestehen
müssen. Der Schwiegersohn ist Landwirt, weshalb davon ausgegangen werden kann,
dass die Beschwerdeführerin, wie versprochen, die Nahrungsmittel nicht selber
beschaffen muss, sondern sie von ihm beziehen kann. Hinzu kommt schliesslich,
dass die Beschwerdeführerin bis zum Entscheid des kantonalen
Verwaltungsgerichts mehr als ein Jahr in der Schweiz gelebt hat, ohne dass sie
Sozialhilfe hätte beantragen müssen. Es kann damit davon ausgegangen werden,
dass die Beschwerdeführerin über ausreichende finanzielle Mittel zur
Befriedigung ihres Existenzbedarfs verfügt.

3.5 Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin, wenn ihr
eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird, Ergänzungsleistungen nach dem
Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) beanspruchen könnte.
Die Einnahmen, welche für die Prüfung der Anspruchsberechtigung berücksichtigt
werden, erfassen zwar namentlich Renten, Pensionen und andere wiederkehrende
Leistungen (Art. 11 Abs. 1 lit. d ELG), nicht aber Verwandtenunterstützungen
nach den Art. 328-330 ZGB (Art. 11 Abs. 3 lit. a ELG) oder öffentliche oder
private Leistungen mit ausgesprochenem Fürsorgecharakter (Art. 11 Abs. 3 lit. c
ELG). Diese Regelung hat zur Folge, dass gerade dann, wenn der
Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird, weil sie zusammen
mit den Mitteln, welche ihr von dritter Seite zur Verfügung gestellt werden,
über ausreichende Existenzmittel verfügt, sie gleichwohl Ergänzungsleistungen
beanspruchen könnte, welche ihr - übrige Anspruchsvoraussetzungen vorausgesetzt
- zugesprochen werden müssten. Das Bundesgericht hat denn auch entschieden,
dass eine italienische Staatsangehörige, welcher aufgrund der Erklärung ihrer
Tochter und ihres Schwiegersohns, sie würden für sie aufkommen, so dass dem
öffentlichen Haushalt keine Kosten entstünden, die Aufenthaltsbewilligung
erteilt wurde, dennoch Anspruch auf Ergänzungsleistungen erheben kann (BGE 133
V 265). Allerdings äusserte sich das Bundesgericht in diesem Entscheid nicht zu
den aufenthaltsrechtlichen Auswirkungen, welche die Inanspruchnahme von
Ergänzungsleistungen hat; diese Frage zu entscheiden sei Sache der für die
Bewilligungserteilung zuständigen Ausländerbehörde, nicht der Institutionen der
Sozialversicherung (BGE 133 V 265 E. 7.3.2 S. 277 f.).

3.6 Es ist anzunehmen, dass dieser Mechanismus den Bundesrat veranlasst hat, in
Art. 16 Abs. 2 VEP vorzusehen, dass die finanziellen Mittel von
rentenberechtigten EG- und EFTA-Angehörigen nur dann als ausreichend gelten,
wenn sie den Betrag übersteigen, der einen schweizerischen Antragsteller zum
Bezug von Ergänzungsleistungen berechtigt.
Das Anliegen des Bundesrates ist in der Sache berechtigt, es kann aber nicht
zur Folge haben, dass für die ökonomischen Voraussetzungen der
Aufenthaltsbewilligung nur eigene Mittel, nicht aber dem Betroffenen zur
Verfügung stehende Drittmittel Berücksichtigung finden. Eine solche
Voraussetzung kann nicht durch bundesrätliche Verordnung eingeführt werden,
weil sie mit den staatsvertraglichen Verpflichtungen aus dem
Freizügigkeitsabkommen nicht in Einklang steht. Vielmehr ist Konkordanz der
gegenläufigen Regelungen dadurch herzustellen, dass für die Prüfung der Frage
ausreichender finanzieller Mittel eigene wie auch dem Betroffenen zur Verfügung
stehende Drittmittel berücksichtigt werden müssen, dass aber dann, wenn dieser
doch Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beansprucht, nach Massgabe von Art.
24 Abs. 8 Anhang I FZA das Aufenthaltsrecht nicht mehr fortbesteht und
aufenthaltsbeendende Massnahmen eingeleitet werden können.

3.7 Mit diesem Ergebnis steht nicht in Widerspruch, dass nach gefestigter
Rechtsprechung Ergänzungsleistungen im schweizerischen Ausländerrecht nicht zur
Sozialhilfe gehören und deren Bezug daher nicht Anlass für eine Ausweisung nach
Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG oder für den Widerruf einer Bewilligung nach Art. 62
lit. e und Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG sein kann (Urteil 2C_448/2007 vom 20.
Februar 2008 E. 3.4 und 3.5, mit Hinweisen). Die Aufenthaltsregelung nach Art.
24 Anhang I FZA für nicht erwerbstätige Personen ist von ausreichenden
finanziellen Mitteln abhängig, so dass die öffentlichen Finanzen des
Aufenthaltsstaates nicht belastet werden. Die Erteilung der Bewilligung steht
unter dieser Bedingung (Art. 24 Abs. 8 Anhang I FZA), so dass sie - wenn die
Bedingung nicht mehr erfüllt ist - widerrufen werden kann.
Ergänzungsleistungen als Sozialhilfe im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a Anhang
I FZA zu behandeln, steht allerdings begrifflich auch in einem
Spannungsverhältnis zur Regelung der Koordinierung der Systeme der sozialen
Sicherheit (Art. 8 FZA) nach Massgabe von Anhang II, der dabei auf die
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der
Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren
Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, Bezug
nimmt. Diese Verordnung gilt für alle Zweige der sozialen Sicherheit (Art. 4
Abs. 1 Verordnung Nr. 1408/71), ist aber nicht anzuwenden auf die Sozialhilfe
(Art. 4 Abs. 4 Verordnung Nr. 1408/71). Ergänzungsleistungen des
schweizerischen Rechts sind nach dieser Verordnung der sozialen Sicherheit
zugeordnet, gelten aber als beitragsunabhängige Sonderleistungen nach Art. 10a
der Verordnung, die in deren Anhang IIa aufgeführt sind, und für die das sonst
geltende Prinzip des Leistungsexports nicht massgebend ist, weshalb
Ergänzungsleistungen allein den im Land wohnhaften Personen auszurichten sind
(BGE 130 V 145 E. 4.2 S. 148 f.; vgl. auch BGE 130 V 253 E. 2.3 S. 255 f.).
Dieses Wohnsitzprinzip für beitragsunabhängige Sonderleistungen hat allerdings
zur Folge, dass eine geringfügige Rente wegen Invalidität oder Alter eines
anderen Mitgliedstaates dazu führt, dass in der Schweiz Ergänzungsleistungen
auszurichten sind. Denn gemäss Art. 10a Abs. 3 Verordnung Nr. 1408/71 sind
Zusatzleistungen, die vom Bezug einer Leistung der sozialen Sicherheit nach
Art. 4 Abs. 1 lit. a bis h abhängen, also namentlich von Leistungen bei
Invalidität (lit. b) und bei Alter (lit. c), auch dann zu gewähren, wenn eine
entsprechende Leistung in einem anderen Mitgliedstaat gewährt wird.
Die Regelung über die Wohnsitznahme nicht erwerbstätiger Personen soll
demgegenüber gewährleisten, dass es nicht zu einer ungebührlichen Belastung der
öffentlichen Finanzen des Aufnahmestaates kommt. Dieser Regelungszweck würde
systematisch verfehlt, wenn beitragsunabhängige Sonderleistungen, welche
wesensgemäss die öffentlichen Finanzen belasten, nicht zur Sozialhilfe im Sinne
von Art. 24 Abs. 1 lit. a Anhang I FZA und der Richtlinie 90/364/EWG gerechnet
würden (SILVIA BUCHER, Soziale Sicherheit, beitragsunabhängige Sonderleistungen
und soziale Vergünstigungen, Freiburg [Schweiz] 2000, S. 226 ff.).
Ergänzungsleistungen gehören daher zwar zur sozialen Sicherheit und sind nicht
Sozialleistungen im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1408/71,
aufenthaltsrechtlich müssen sie jedoch der Sozialhilfe gemäss Art. 24 Abs. 1
lit. a FZA und der Richtlinie 90/364/EWG gleichgesetzt werden, wobei
aufenthaltsbeendende Massnahmen - wie schon ausgeführt - lediglich eingeleitet
werden können, wenn sie tatsächlich in Anspruch genommen werden.

3.8 Da die Beschwerdeführerin zusammen mit den Mitteln, welche ihr von Tochter
und Schwiegersohn zur Verfügung gestellt werden, ihren Existenzbedarf
befriedigen kann, und sich aus den bei den Vorakten befindlichen
Bescheinigungen ergibt, dass sie über den erforderlichen
Krankenversicherungsschutz verfügt, sind die Voraussetzungen der
Aufenthaltserteilung nach Art. 24 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA erfüllt, dies
jedenfalls solange, als sie nicht dennoch Sozialhilfe oder aber
Ergänzungsleistungen beansprucht.
Der angefochtene Entscheid ist demnach aufzuheben und das Amt für Migration des
Kantons Luzern anzuweisen, der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung zu
erteilen.

4.
Entsprechend diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66
BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet, da die Beschwerdeführerin
sich nicht durch einen Anwalt vertreten liess (Art. 68 OG; vgl. BGE 133 III 439
E. 4 S. 446).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern vom 16. Juli 2008 aufgehoben und das Amt für Migration des
Kantons Luzern angewiesen, der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung zu
erteilen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben, und es wird keine Parteientschädigung
zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Amt für Migration und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, sowie
dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. März 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Moser