Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.54/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_54/2008/ble

Urteil vom 16. April 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Küng.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Beurkundungskommission Nidwalden,
Rathausplatz 1, Postfach, 6371 Stans.

Gegenstand
Disziplinarverfahren,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden vom
26. März 2007.

Sachverhalt:

A.
X.________ ist im Kanton Nidwalden als Rechtsanwalt und Urkundsperson tätig.
Wegen wiederholter und schwerwiegender Verletzung kantonaler und
bundesrechtlicher Beurkundungsvorschriften (bei 107 Urkunden) wurde er von der
Beurkundungskommission Nidwalden erstmals am 12. August 2003 mit der
höchstmöglichen Disziplinarbusse von Fr. 1'000.-- belegt.
Wegen weiterer gleichartiger, im Jahre 2004 begangener Widerhandlungen
auferlegte die Beurkundungskommission Nidwalden X.________ am 9. Juni 2005
erneut eine Disziplinarbusse im zulässigen Höchstbetrag von Fr. 1'000.--.
Zugleich wurde er aufgefordert, alle von ihm erstellten öffentlichen Urkunden
auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und fehlerhafte, anfechtbare, ungültige oder
nichtige Urkunden auf eigene Kosten zu korrigieren bzw. die Beurkundungen
allenfalls zu wiederholen. Die Beurkundungskommission behielt sich vor, nach
dem 1. Januar 2006 sämtliche von X.________ je erstellten Urkunden einer
externen Kontrolle unterziehen zu lassen.
Auch anlässlich der jährlichen Kontrolle des Jahres 2005 beanstandete die
Beurkundungskommission anfangs 2006 diverse von X.________ erstellte Urkunden;
da sie zudem feststellte, dass die am 9. Juni 2005 verfügten Anordnungen nicht
befolgt worden waren, eröffnete sie ein weiteres Disziplinarverfahren. Mit
Entscheid vom 14. Juni 2006 entzog sie X.________ den Befähigungsausweis als
Urkundsperson des Kantons Nidwalden auf unbestimmte Zeit; zudem wurde die
Publikation des Entzugs im Amtsblatt des Kantons Nidwalden angeordnet. Eine von
X.________ dagegen gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Nidwalden am 26. März 2007 ab.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________
dem Bundesgericht im Hauptantrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Nidwalden vom 26. März 2007 sowie den Entscheid der
Beurkundungskommission teilweise (Ziff. 1, 2, 4 und 5) aufzuheben.
Die Beurkundungskommission des Kantons Nidwalden beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

C.
Mit Verfügung vom 21. Februar 2008 hat der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch um Sistierung
des Verfahrens abgewiesen; dem Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde insofern
teilweise entsprochen, als der Entzug des Befähigungsausweises während der
Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens nicht publiziert werden durfte.

Erwägungen:

1.
1.1 Der angefochtene Entzug des kantonalen Befähigungsausweises erfolgte
gestützt auf kantonales Recht (§ 57 Abs. 1 Ziff. 3 der Vollziehungsverordnung
des Landrates vom 9. November 1974 zum Gesetz über die öffentliche Beurkundung
[Beurkundungsverordnung]). Mit Blick auf den öffentlich-rechtlichen Charakter
der kantonalen Aufsicht über die Urkundspersonen, deren Verfahren sich nach der
Verwaltungsrechtspflegegesetzgebung richtet (§ 4 Abs. 2
Beurkundungsverordnung), handelt es sich um einen Entscheid in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinne von Art. 82 lit. a BGG.

1.2 Soweit der Beschwerdeführer auch die Aufhebung des erstinstanzlichen
Entscheides der Beurkundungskommission beantragt, ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG).

2.
2.1 Gemäss § 57 Abs. 1 Ziff. 3 der kantonalen Beurkundungsverordnung kann
Urkundspersonen bei sehr schweren Verfehlungen, nach wiederholter Ausfällung
von Ordnungsbussen sowie bei fruchtloser Pfändung oder Konkurs der
Befähigungsausweis auf befristete oder unbefristete Zeitdauer entzogen werden.

2.2 Der Beschwerdeführer wurde von der Beurkundungskommission am 12. August
2003 bzw. 9. Juni 2005 für schwerwiegende und wiederholte Verfehlungen (§ 57
Abs. 1 Ziff. 2 Beurkundungsverordnung) in seiner Tätigkeit als Urkundsperson in
den Jahren 2002 und 2004 jeweils mit der maximalen Ordnungsbusse von Fr.
1'000.-- belegt. Vorgeworfen wurde ihm die Verletzung nicht nur von kantonalen
und bundesrechtlichen Ordnungs-, sondern auch von Gültigkeitsvorschriften,
wodurch etliche Urkunden ungültig oder nichtig waren (2004: 20 beanstandete
Urkunden; 2002: 107 Urkunden). Im Entscheid vom 9. Juni 2005 betreffend das
Jahr 2004 wurde der Beschwerdeführer zusätzlich gestützt auf § 57 Abs. 2 der
Beurkundungsverordnung die Weisung erteilt, "alle von ihm erstellten
öffentlichen Urkunden auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und fehlerhafte,
anfechtbare, ungültige oder nichtige Urkunden auf eigene Kosten zu korrigieren
bzw. die Beurkundung allenfalls zu wiederholen". Die Beurkundungskommission
behielt sich vor, nach dem 1. Januar 2006 sämtliche vom Beschwerdeführer je
erstellten Urkunden einer externen Kontrolle unterziehen zu lassen. Zudem wurde
der Beschwerdeführer "ausdrücklich und ultimativ" darauf hingewiesen, dass
weitere beurkundungsrechtlich relevante Verfehlungen nicht geduldet würden und
den Entzug des Befähigungsausweises nach sich ziehen könnten. Die beiden
Entscheide sind unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

2.3 Anlässlich der jährlichen Kontrolle der Tätigkeit des Beschwerdeführers im
März 2006 wurden bei bloss stichprobenweiser Überprüfung der im Jahr 2005
erstellten Urkunden wiederum neun Mängel festgestellt. Da der Beschwerdeführer
zudem trotz ausdrücklicher Aufforderung seitens der Beurkundungskommission vom
16. Januar 2006 auch die gemäss Entscheid vom 9. Juni 2005 zu korrigierenden
Urkunden nicht einreichte, wurde am 23. März 2006 ein weiteres
Disziplinarverfahren eröffnet, welches zum angefochtenen Entscheid führte.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die Beurkundungskommission habe ihm -
entgegen der Annahme der Vorinstanz - keine Frist für die Überprüfung und
Anpassung allfälliger fehlerhafter Urkunden gesetzt.

3.2 Die Vorinstanz hat insoweit erkannt, der Beschwerdeführer habe aufgrund der
unmissverständlichen Anordnung der Beurkundungskommission in ihrem Entscheid
vom 9. Juni 2005 davon ausgehen dürfen und müssen, die Korrekturen bzw.
Neubeurkundungen sämtlicher bisher von ihm erstellten öffentlichen Urkunden
seien bis spätestens 31. Dezember 2005 vorzunehmen; er habe nicht ernsthaft
davon ausgehen können, dass ihm für die Überprüfung bzw. allfällige
Neubeurkundung noch eine weitere Frist angesetzt würde.

3.3 Der Beschwerdeführer beanstandet zwar diese Auslegung des Urteils vom 9.
Juni 2005, legt aber nicht dar, inwiefern dadurch kantonales Recht oder
Bundesrecht (Art. 95 und 97 Abs. 1 BGG) verletzt worden wäre. Die Folgerungen
der Vorinstanz erweisen sich angesichts des insofern schlüssigen Wortlautes des
Entscheides vom 9. Juni 2005 jedenfalls nicht als offensichtlich unrichtig oder
willkürlich. Die gegenteilige Annahme des Beschwerdeführers, es sei ihm keine
Frist für die Behebung der Mängel gesetzt worden, erscheint als unbegründet.

3.4 Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf des Beschwerdeführers, es
bestünden keine kantonalen Musterurkunden, stösst ins Leere. Die Vorinstanz
weist zu Recht darauf hin, dass die Urkundsperson allein für die Richtigkeit
der von ihr ausgestellten Urkunden verantwortlich ist; zudem wurden dem
Beschwerdeführer die festgestellten Mängel bereits in den Disziplinarverfahren
ausdrücklich erläutert.

4.
4.1 Mit den beiden rechtskräftigen Ordnungsbussen vom 12. August 2003 und 9.
Juni 2005 wegen wiederholter und schwerwiegender Verletzung kantonaler und
bundesrechtlicher Beurkundungsvorschriften - die er nicht in Abrede stellt -
sowie der Nichtbefolgung der ihm erteilten Weisung, was die Vorinstanzen zu
Recht als sehr schwere Verfehlung bezeichnet haben, erfüllt der
Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht die Voraussetzungen von § 57 Ziff. 3
Beurkundungsverordnung für den Entzug des Befähigungsausweises. Er erachtet
einen solchen indessen als unverhältnismässig; zudem liege darin ein
Ermessensmissbrauch bzw. eine Ermessensüberschreitung. Im Ergebnis verletze der
Entscheid die bundesrechtlich garantierte Handels- und Gewerbefreiheit.

4.2 Die Bestimmung von Art und Mass der zu ergreifenden Disziplinarsanktion ist
vorab Sache der zuständigen Aufsichtsbehörde, die aber das ihr zukommende
Ermessen pflichtgemäss auszuüben und insbesondere die Gebote der
Rechtsgleichheit und der Verhältnismässigkeit einzuhalten hat.

4.3 Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit.
Diese ist nunmehr als Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) gewährleistet. Als
freiberuflich tätige Urkundsperson, dem die Beurkundungsbefugnis vom Kanton
verliehen wurde, kann er sich indessen nicht auf dieses Grundrecht berufen (BGE
131 II 639 E. 6.1 S. 645).

4.4 Der Beschwerdeführer macht zur Hautsache geltend, der verfügte Entzug
seiner Beurkundungsbefugnis sei unverhältnismässig.
Der Einzelne kann sich in Bezug auf die hier in Frage stehende Handhabung von
kantonalem Gesetzesrecht zwar direkt auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz als
Teil des Bundes(verfassungs)rechts berufen. Das Bundesgericht prüft jedoch die
Verhältnismässigkeit kantonalrechtlicher Anordnungen ausserhalb von
Grundrechtseingriffen nicht frei, sondern nur unter dem Gesichtswinkel des
Willkürverbots. Es gilt hierfür die in Art. 106 Abs. 2 BGG festgelegte Rüge-
und Begründungspflicht (Urteil 2C_444/2007 vom 4. April 2008 E. 2.2, mit
Hinweisen).

4.5 Die Vorinstanz hat festgestellt, der Beschwerdeführer habe selbst nach
Einleitung des letzten Disziplinarverfahrens im März 2006 lediglich die
Korrektur der mangelhaften Urkunden in Aussicht gestellt; weder im Laufe des
Disziplinarverfahrens noch vor ihr habe er auch nur eine verbesserte Urkunde
eingereicht bzw. die in Aussicht gestellten Unterlagen eingereicht. Für seine
damit im Widerspruch stehende Behauptung, er habe die von der
Beurkundungskommission vorgebrachten Beanstandungen behoben bzw. er sei an
deren Behebung, legt der Beschwerdeführer keine Belege vor.

4.6 Der Beschwerdeführer macht sodann eine Verletzung des Grundsatzes "ne bis
in idem" geltend. Dieser bezieht sich indessen nur auf die strafrechtliche
Verfolgung von Delikten (BGE 129 II 168 E. 6.2). Der Grundsatz gilt zwar
ebenfalls in Disziplinarverfahren bezüglich solcher Sanktionen, die nicht
überwiegend und in erster Linie als Administrativmassnahme dem Schutz des
Publikums dienen; Voraussetzung für die sich aus dem Grundsatz ergebende
Sperrwirkung ist aber in jedem Fall die Identität von Täter und Tat (Urteil
2P.110/1999 vom 8. Oktober 1999 E. 4a/aa).
Diese Voraussetzung ist hier offensichtlich nicht erfüllt. Denn das nunmehr in
Frage stehende dritte Disziplinarverfahren wurde wegen neu zu Tage getretener
Beurkundungsmängel sowie wegen Missachtung der erwähnten Weisung angehoben. Da
§ 57 Abs. 1 Ziff. 3 der Beurkundungsverordnung namentlich die wiederholte
Ausfällung von Ordnungsbussen als Grund für den Entzug des Befähigungsausweises
vorsieht, waren diese bei der Anordnung der angefochtenen Massnahme - als
Tatbestandselemente - zu berücksichtigen. Eine Verletzung des Grundsatzes "ne
bis in idem" liegt nicht vor.

4.7 Die angefochtene Massnahme ist zwar einschneidend. Angesichts der auch im
vorliegenden Verfahren zu Tage getretenen fehlenden Einsicht des
Beschwerdeführers in die Tragweite seines Verhaltens erscheint sie jedoch nicht
als klar unverhältnismässig und geradezu willkürlich. Der Beschwerdeführer
wurde zudem bereits im Entscheid vom 9. Juni 2005 mit aller Deutlichkeit darauf
hingewiesen, dass keine weiteren Verfehlungen geduldet würden, ansonsten ein
Entzug des Befähigungsausweises drohe. Diese ausdrückliche Warnung hat er
unbeachtet gelassen; er geht sogar im vorliegenden Verfahren davon aus, dass
ihm kein Entzug der Beurkundungsbefugnis angedroht worden sei. Es fällt zudem
auf, dass der Beschwerdeführer während des ganzen Verfahrens einen deutlichen
Hang erkennen liess, die fehlerhaften Beurkundungen zu bagatellisieren;
insbesondere ist er der erwähnten Weisung immer noch nicht nachgekommen. Diese
Haltung lässt ernsthaft daran zweifeln, dass er das Gewicht seiner Verfehlungen
richtig erfasst hat. Dass den Urkundsparteien bisher aus den fehlerhaften
Urkunden angeblich keine Nachteile entstanden sind, kann allenfalls als
glückliche Fügung bezeichnet werden; es mindert die in Frage stehenden
Verfehlungen nicht. Dasselbe gilt für das untaugliche Argument, die
Registerführer hätten ja die fehlerhaften Urkunden nicht zurückgewiesen.
Insgesamt müssen die gegenüber dem Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe als sehr
schwerwiegende Verletzung seiner Pflichten als Urkundsperson bezeichnet werden
(vgl. § 57 Abs. 1 Ziff. 3 Beurkundungsgesetz), die - entgegen seiner Auffassung
- nicht mehr mit einer blossen Busse oder Verwarnung geahndet werden kann,
sondern nach einer wesentlich schärferen Sanktion ruft und einen unbefristeten
Entzug des Befähigungsausweises als vertretbar erscheinen lässt.
Der Beschwerdeführer wird durch diese Massnahme zwar hart getroffen. Es wird
ihm damit aber lediglich die Betätigung im öffentlichen Beurkundungsbereich
untersagt. Er kann daher weiterhin seinem Beruf als frei praktizierender
Rechtsanwalt nachgehen. Mit Blick auf diese eingeschränkten Auswirkungen der
verhängten Massnahme und auf die gesamten Umstände des konkreten Falles
erscheint ein unbefristeter Entzug insbesondere wegen der Vielzahl von
Verstössen und der wiederholten Disziplinarverfahren, von denen sich der
Beschwerdeführer sichtlich nicht beeindrucken liess, nicht als willkürlich.

4.8 Die Ermessensausübung der Vorinstanz ist nach dem Gesagten nicht
bundesrechtswidrig.

5.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Kosten des
Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Nidwalden schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. April 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Küng