Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.548/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_548/2008

Urteil vom 28. April 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Merz.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Kreis,

gegen

Ausländeramt des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32,
9001 St. Gallen.

Gegenstand
Ausweisung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom
17. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Der aus dem Kosovo stammende X.________ (geb. 1973) reiste 1990 in die Schweiz
und stellte ein Asylgesuch. Im September 1991 heiratete er eine Schweizer
Bürgerin, worauf er im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung
und im Jahre 1998 eine Niederlassungsbewilligung erhielt. Das Asylgesuch wurde
infolge Rückzugs abgeschrieben. Die kinderlos gebliebene Ehe ist
zwischenzeitlich geschieden. Am 15. Februar 2008 heirateten X.________ und die
mazedonische Staatsangehörige Y.________ (geb. 1979). Aus dieser Beziehung
stammt der bereits im August 2005 geborene Sohn Z.________.

Namentlich unter Berufung auf eine Verurteilung vom 10. Dezember 2004 zu
dreieinhalb Jahren Zuchthaus durch das Obergericht des Kantons Zürich wies das
Ausländeramt des Kantons St. Gallen X.________ am 6. Juni 2007 für die Dauer
von fünf Jahren aus der Schweiz aus. Die von ihm dagegen beim kantonalen
Sicherheits- und Justizdepartement sowie anschliessend beim Verwaltungsgericht
des Kantons St. Gallen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos.

B.
X.________ beantragt dem Bundesgericht mit Eingabe vom 21. Juli 2008, das
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. Juni 2008
teilweise aufzuheben und die Dauer der Ausweisung auf zwei Jahre oder
eventualiter auf eine Dauer nach richterlichem Ermessen herabzusetzen.
Subeventualiter sei die Sache zur Neuprüfung im Sinne der Erwägungen an die
Vorinstanzen zurückzuweisen. Das kantonale Justiz- und Sicherheitsdepartement
sowie das Verwaltungsgericht und das Bundesamt für Migration stellen den
Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Das kantonale Ausländeramt hat sich nicht
vernehmen lassen.

C.
Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat
dem im Strafvollzug befindlichen Beschwerdeführer mit Verfügung vom 8.
September 2008 die Möglichkeit eingeräumt, den Kostenvorschuss in Raten bis zum
5. Januar 2009 einzuzahlen.

Erwägungen:

1.
Da sich vorliegend die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als
zulässig erweist, ist auf die vom Beschwerdeführer "ergänzend" erhobene
subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten (vgl. Art. 113 BGG; Urteil
2C_701/2008 vom 26. Februar 2009 E. 3).

2.
Der Beschwerdeführer hat dem Bundesgericht mit Eingaben vom 24. Oktober 2008,
28. Januar und 14. März 2009 Unterlagen zu Tatsachen in Aussicht gestellt bzw.
vorgelegt, die erst nach dem Ergehen des angefochtenen Urteils aufgetreten
sind. Mit Blick auf die Grundsätze zum Novenrecht sind diese Tatsachen und
Beweismittel jedoch aus dem Recht zu weisen. Es ist namentlich auf den
Sachverhalt im Zeitpunkt des Entscheids des Verwaltungsgerichts abzustellen
(vgl. Art. 99 und 105 BGG; BGE 134 IV 97 E. 5.1.3 S. 103; 133 IV 342 E. 2 S.
343 f.; 133 III 393 E. 3 S. 395). Das gilt im Grundsatz auch für die mit der
Beschwerde eingereichten Dokumente vom 20. und 27. Juni 2008.

3.
Sämtliche Beteiligten gehen richtig davon aus, dass vorliegend materiell noch
das bis zum 31. Dezember 2007 geltende Ausländerrecht gilt (vgl. Art. 126 Abs.
1 AuG; SR 142.20; Urteil 2C_745/2008 vom 24. Februar 2009 E. 1.2). Die
Vorinstanzen haben die Ausweisung auf Art. 10 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes
vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1
121, in der Fassung vom 8. Oktober 1948, AS 1949 I 221) gestützt. Demnach kann
ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder
Vergehens (dazu Art. 10 StGB) gerichtlich bestraft wurde. Der Beschwerdeführer
bestreitet nicht das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes. Vor Bundesgericht
wendet er sich auch nicht mehr gegen die Ausweisung als solche. Er macht aber
geltend, die verfügte Dauer von fünf Jahren sei zu lang und damit
unverhältnismässig und willkürlich festgelegt.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer wurde zwischen 1990 und 2000 mehrfach wegen kleineren
Delikten strafrechtlich belangt. Deswegen hatte das Ausländeramt ihn im Oktober
1993 verwarnt. Wegen einer Verurteilung zu fünf Monaten Gefängnis unter
Gewährung des bedingten Strafvollzugs im Jahre 1994 verweigerte es ihm im
September 1996 vorläufig die Niederlassungsbewilligung. Das Obergericht des
Kantons Zürich verurteilte den Beschwerdeführer am 10. Dezember 2004 wegen
Raubes zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus. Acht Monate nach dieser Verurteilung
beging der Beschwerdeführer erneut einen Raubüberfall. Deswegen wurde er mit
Urteil des Bezirksgerichts Uster vom 1. November 2006 zu 18 Monaten Gefängnis
unbedingt bestraft. Auf Berufung des Beschwerdeführers hin bestätigte das
Obergericht des Kantons Zürich am 11. September 2007 die Verurteilung. Es hielt
fest, dass sogar eine deutlich höhere Strafe angemessen gewesen wäre; wegen des
Verschlechterungsverbots sei es aber an das Strafmass der Vorinstanz gebunden
(S. 11 des Obergerichtsurteils). Das Obergericht bemerkte, dass der
Beschwerdeführer eine erhebliche kriminelle Energie entwickelt habe. Sein
subjektives Tatverschulden wiege schwer.

4.2 Demnach besteht ein gewichtiges Interesse an der Fernhaltung des
Beschwerdeführers. Dieser macht aber vor allem eine Verletzung des Anspruchs
auf Achtung des Privat- und Familienlebens geltend. Die Interessen von ihm und
von seiner Familie an seinem Aufenthalt in der Schweiz seien nicht hinreichend
berücksichtigt worden. Auch sei die Annahme der Vorinstanz, bei ihm sei eine
Rückfallgefahr gegeben, "völlig abwegig" und nicht begründet worden.

4.3 Der Beschwerdeführer ist im Jahre 1990 als Siebzehnjähriger und seine
Ehefrau im Jahre 1991 als Zwölfjährige in die Schweiz eingereist. Es ist somit
bei beiden von einer relativ langen Anwesenheitsdauer auszugehen. Die Ehefrau
mag hier weitgehend integriert sein. Angesichts des wiederholten deliktischen
Verhaltens des Beschwerdeführers ist das bei ihm weniger der Fall. Auch hat er
seine gesamte Schul- und die prägende Jugendzeit in der Heimat verbracht, wo
auch noch Geschwister und seine Mutter leben. Da die Ehefrau über eine
Niederlassungsbewilligung verfügt, steht es ihr frei, bei Ausweisung des
Beschwerdeführers in der Schweiz zu bleiben oder ebenfalls auszureisen. Zwar
hat sie nie im Kosovo gelebt, sie hat jedoch selber erklärt, sich der
albanischen Volksgruppe zuzurechnen und albanisch als Muttersprache zu
beherrschen. Der im Jahre 2005 geborene Sohn befindet sich noch in einem
anpassungsfähigen Alter.

4.4 Den privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz bzw. an einer kürzeren
Ausweisung sind die öffentlichen Interessen an der Fernhaltung des
Beschwerdeführers, die - wie ausgeführt - erheblich sind, gegenüberzustellen
(vgl. Art. 11 Abs. 3 ANAG). Das Verwaltungsgericht legt unter Hinweis auf die
Ausführungen des kantonalen Departements und des Obergerichts des Kantons
Zürich, das dem Beschwerdeführer "keine besonders günstige Prognose" stellte,
überzeugend dar, warum beim Beschwerdeführer eine erhebliche Rückfallgefahr
anzunehmen ist. Dieser liess sich immer schwerere Straftaten zuschulden kommen.
Weder die schon gelebte Beziehung mit seiner heutigen Ehefrau noch die
bevorstehende Geburt seines Sohnes hielten ihn von den Raubdelikten ab. Nicht
einmal Untersuchungshaft sowie die Verurteilung zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus
wegen des ersten Raubes vermochten ihm als Lehre zu dienen.

Nichts Gutes erahnen lässt auch die bisherige Haltung des Beschwerdeführers.
Noch im Rekursverfahren vor dem kantonalen Departement bestritt er den bereits
rechtskräftig abgeurteilten ersten Raub. An therapeutischen oder
deliktsspezifischen Gesprächen im Strafvollzug ist er nicht interessiert. Vor
Bundesgericht versucht er immer noch, die begangenen Delikte zu verharmlosen,
indem er etwa behauptet, es habe sich nur um eine "minimale Gewaltausübung"
gehandelt, die Qualifizierung des Verschuldens als schwer sei eine blosse
"Floskel" und die Geschädigten hätten sich - wegen angeblich am ersten Tatort
betriebener Glücksspiele - selbst "ins Risiko und in die Illegalität begeben".
Letzteres trifft für den zweiten Raub jedoch sicherlich nicht zu und zeigt,
dass sich der Beschwerdeführer auch nicht scheut, unbescholtene Bürger zu
schädigen. Er ist zwar nicht wegen qualifizierten Raubes verurteilt worden. Das
Obergericht hielt aber klar und nachvollziehbar fest, dass und warum sein
"unverfrorenes und kühnes" Vorgehen in die Nähe des qualifizierten Tatbestandes
von Art. 140 Ziff. 2 Abs. 3 StGB zu rücken sei. Die Geschädigten wurden mit
Schusswaffen eingeschüchtert und bedroht sowie teilweise gefesselt.

Selbst wenn der letzte Raub drei Jahre zurückliegt und der Beschwerdeführer
seither keine Delikte mehr begangen hat, will das somit nicht heissen, dass von
ihm heute keine Gefahr mehr ausgeht. Schon zwischen den beiden Raubdelikten
lagen drei Jahre. Zudem befand er sich seit der letzten Straftat zumeist in
Haft. Entscheidend ist letztlich aber das Verhalten in Freiheit, wenn nicht die
gleich strenge und regelmässige Aufsicht stattfindet. Mithin ist sein (Wohl-)
Verhalten in den letzten drei Jahren bzw. während der Haft nicht geeignet, zu
einer für den Beschwerdeführer günstigeren Beurteilung zu führen. Die
Vorinstanzen mussten mit dem Ausweisungsentscheid dementsprechend auch nicht
das Ende des Strafvollzugs abwarten.

Nach dem Dargelegten erscheint die Ausweisung für fünf Jahre, die ab der
Haftentlassung vollzogen wird, als verhältnismässig. Der Beschwerdeführer wird
sich wegen seiner wiederholten und zunehmend schweren Delinquenz eine längere
Zeit ausserhalb der Schweiz zu bewähren haben. Sein Vergleich mit anderen vom
Kanton oder vom Bundesgericht beurteilten Fällen ist unbehelflich. Für die
Dauer der Ausweisung gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG ist nämlich das
Verhalten im Zusammenhang mit den begangenen Delikten massgebend und weniger
der Umstand, wie unterschiedlich die Betreibungssituation ausfällt. Aus den
erwähnten Vergleichsfällen ergibt sich zudem, dass die St. Galler Behörden -
entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers - die Dauer der Ausweisung sehr
wohl je nach Einzelfall bestimmen. Eine erneute fremdenpolizeiliche Verwarnung
nach dem ersten Raub war nicht notwendig. Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer
noch vor dem kantonalen Departement erklärt, die bereits 1993 erfolgte
Verwarnung sei "bloss ein Papier" gewesen. Das von ihm angerufene Übereinkommen
vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (UNO-Kinderrechtekonvention;
SR 0.107) steht der angefochtenen Massnahme auch nicht entgegen (vgl. Urteile
2A.526/2005 vom 17. Februar 2006 E. 3.3 und 2A.539/2002 vom 9. Juli 2003 E.
4.5). Lediglich ergänzend sei schliesslich bemerkt, dass die Ehefrau sowohl im
Zeitpunkt der Heirat als auch des Einlassens auf die Schwangerschaft damit
rechnen musste, dass sie ihre Beziehung mit dem Beschwerdeführer nicht
ungehindert in der Schweiz würde leben können. Sie selber war im Zusammenhang
mit dem ersten Raub bereits im April 2003 wegen versuchter Begünstigung
verurteilt worden. Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen in den
Entscheiden des Verwaltungsgerichts und des kantonalen Departements verwiesen.

5.
Da sich die Ausweisung für fünf Jahre als verhältnismässig erweist, ist die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten abzuweisen. Diesem Ausgang
entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens zu tragen, welche mit Blick auf seine Einkommens- und
Vermögenssituation reduziert festgesetzt werden (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG).
Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen. Auf
die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Ausländeramt, dem Sicherheits- und
Justizdepartement sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. April 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Merz