Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.501/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_501/2008

Urteil vom 1. April 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Küng.

Parteien
AG X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Frey,

gegen

Einwohnergemeinde Thayngen, vertreten durch den Gemeinderat, 8240 Thayngen,
dieser vertreten durch Rechtsanwalt Hans-Peter Sorg,
Beschwerdegegnerin,

Kantonale Schätzungskommission für Enteignungen, c/o RA Dr. Beat Keller,
Vordergasse 18, 8200 Schaffhausen.

Gegenstand
Art. 9 BV (Verjährung von Erschliessungsbeiträgen),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom
23. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Die Gemeinde Thayngen baute im Jahr 2000 als letzte Etappe der Erschliessung
des Industriegebiets Stockwiesen unter anderem eine Meteor- und
Schmutzwasserleitung. Am 7. November 2000 verpflichtete der Gemeinderat die AG
X.________ als Eigentümerin der Parzelle A.________ (GB Thayngen) zur Bezahlung
eines Erschliessungsbeitrags von Fr. 44'783.35. Eine am 14. Dezember 2000
dagegen erhobene Einsprache wies der Gemeinderat am 18. Oktober 2005 ab. Die AG
X.________ focht den Einspracheentscheid an und machte Verjährung der
Beitragsforderung geltend. Die kantonale Schätzungskommission für Enteignungen
Schaffhausen und das Obergericht des Kantons Schaffhausen verneinten den
Eintritt der Verjährung und wiesen die ergriffenen Rechtsmittel ab.

B.
Die AG X.________ beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, die ergangenen kantonalen
Rechtsmittelentscheide aufzuheben und die Verjährung des Erschliessungsbeitrags
von Fr. 44'783.35 festzustellen.
Die Gemeinde Thayngen stellt den Antrag, es sei auf die Beschwerde nicht
einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
Die kantonale Schätzungskommission für Enteignungen Schaffhausen hat sich zur
Beschwerde geäussert, ohne einen formellen Antrag zu stellen.
Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Nach Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG können mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur Entscheide letzter kantonaler
Instanzen angefochten werden. Auf das erhobene Rechtsmittel ist daher nicht
einzutreten, soweit es sich auch gegen die in dieser Sache ergangenen
unterinstanzlichen Entscheide richtet.

1.2 Streitgegenstand bildet allein die Verjährung des von der
Beschwerdegegnerin verfügten Erschliessungsbeitrags von Fr. 44'783.35. Die
Beurteilung dieser Frage richtet sich nach den Bestimmungen des kantonalen
Rechts bzw. - soweit dieses keine Regelung enthält - nach allgemeinen
verwaltungsrechtlichen Grundsätzen. Die Beschwerdegegnerin weist zu Recht
darauf hin, dass das Bundesgericht die Anwendung kantonalen Rechts nicht
überprüfen kann (vgl. Art. 95 BGG) und dass die Beschwerdeführerin auch keine
Verfassungsverletzung ausdrücklich rügt. Allerdings geht aus ihrer eingehenden
Auseinandersetzung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung klar hervor, dass
sie die vorinstanzliche Auffassung als willkürlich erachtet und sie einen
Verstoss gegen Art. 9 BV geltend machen will.
Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die
Beschwerde mit dem bereits erwähnten Vorbehalt (E. 1.1) einzutreten.

2.
2.1 Nach den vorinstanzlichen Feststellungen verfügte die Beschwerdegegnerin
den umstrittenen Erschliessungsbeitrag am 7. November 2000. Der Entscheid über
die dagegen erhobene Einsprache erging am 18. Oktober 2005. Versandt wurde er
jedoch erst am 10. Januar 2006. Zwischen der Verfügung und dem
Einspracheentscheid liegen somit weniger als fünf Jahre; hingegen erfolgte die
Zustellung des Einspracheentscheids an die Beschwerdeführerin erst nach Ablauf
von fünf Jahren seit der Verfügung.
Nach Auffassung der Vorinstanz ist bei dieser Sachlage die Verjährung nicht
eingetreten, und zwar unabhängig davon, ob bei der Erhebung von
Erschliessungsbeiträgen eine fünf- oder zehnjährige Frist gelte. Die
Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, die Verjährungsfrist betrage im
vorliegenden Fall fünf Jahre und könne nur nach den zivilrechtlichen Regeln
unterbrochen werden. Danach sei die Verjährung eingetreten, da seit der
Erhebung der Einsprache am 14. Dezember 2000 und der Zustellung des
Einspracheentscheids am 12. Januar 2006 mehr als fünf Jahre verstrichen seien.

2.2 Das Baugesetz des Kantons Schaffhausen vom 1. Dezember 1997 (BauG/SH) sieht
eine Beitragspflicht der Grundeigentümer vor, deren Parzellen durch
Erschliessungswerke neu oder besser erschlossen werden und dadurch eine
Wertvermehrung erfahren (Art. 76 Abs. 1); es regelt jedoch die Verjährung oder
Verwirkung dieser Beiträge nicht. Auch die Beitrags- und Gebührenverordnung der
Einwohnergemeinde Thayngen vom 25. August 1992 enthält dazu keine Regelung.

2.3 Die Vorinstanz stützt sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung,
wonach bei Fehlen von Verjährungsbestimmungen die Regelungen anderer Erlasse
für verwandte öffentlich-rechtliche Ansprüche heranzuziehen sind; nur soweit
auch keine solchen bestünden, sei über den Eintritt der Verjährung im Lichte
allgemeiner Rechtsgrundsätze zu befinden (BGE 112 Ia 260 E. 5 S. 262 f.). Im
angefochtenen Entscheid wird eingehend erwogen, ob eine analoge Anwendung der
zehnjährigen Verwirkungsfrist für die Einleitung des Nachsteuerverfahrens
gemäss Art. 170 des kantonalen Steuergesetzes vom 20. März 2000 (StG/SH) oder
eine solche der fünfjährigen Verjährungsfrist für die Steuerveranlagung oder
den Steuerbezug gemäss Art. 138 f. StG/SH angezeigt sei. Die Vorinstanz lässt
die Frage offen, da die Verjährung unter den gegebenen Verhältnissen bei Beizug
beider Regelungen nicht eingetreten sei. Bei Anwendung der fünfjährigen Frist
sei der Erschliessungsbeitrag nicht verjährt, weil diese nach Art. 138 Abs. 2
lit. a StG/SH während eines Einspracheverfahrens stillstehe.

2.4 Die Beschwerdeführerin wendet sich zu Recht nicht gegen die analoge
Anwendung der bei der Steuerveranlagung geltenden Verjährungsbestimmungen. Sie
macht jedoch geltend, beim Stillstand des Fristenlaufs sei der Beizug der bei
der Steuerveranlagung geltenden Regelung nicht angezeigt. Die Erhebung von
Erschliessungsbeiträgen stelle im Unterschied zu jener von Steuern kein
Massengeschäft dar, und es sei deshalb nicht gerechtfertigt, den Lauf der
Verjährung während des Einspracheverfahrens stillstehen zu lassen. Vielmehr
müsse die zivilrechtliche Regelung der Verjährungsunterbrechung angewendet
werden.

2.5 Die Ordnung des Stillstands oder der Unterbrechung des Laufs einer
Verjährungsfrist hängt eng mit ihrer Dauer zusammen; die Regelung beider Fragen
ist aufeinander abgestimmt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist
es deshalb nicht sachgerecht, für die Verjährungsfrist auf die Regelung bei der
Steuerveranlagung abzustellen, für die Unterbrechung dagegen die
privatrechtliche Ordnung heranzuziehen. Ein solches Vorgehen wäre ausserdem der
Rechtssicherheit abträglich, da bei jeder Einzelfrage der Verjährung die
beizuziehende Regelung näher geprüft werden müsste. Wenn nach der erwähnten
bundesgerichtlichen Rechtsprechung beim Fehlen einer Verjährungsregelung auf
die Bestimmungen eines verwandten Gebiets des öffentlichen Rechts abzustellen
ist, gilt dies grundsätzlich für alle Fragen, die sich im Zusammenhang mit der
Verjährung stellen. Ein Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze kommt nur in
Betracht, wenn auch die beigezogene Regelung eine Lücke aufweist. Dies ist hier
indessen nicht der Fall. Im Übrigen betreffen die von der Beschwerdeführerin
hervorgehobenen Unterschiede zwischen der Veranlagung von Steuern einerseits
und Beiträgen anderseits vor allem den erstinstanzlichen Entscheid und weniger
das Rechtsmittelverfahren. Es erscheint deshalb keineswegs willkürlich, wenn
die Vorinstanz nicht allein die Dauer der Verjährungsfrist, sondern auch den
Stillstand nach den Regeln beurteilt, die für die Steuerveranlagung gelten. Die
Beschwerdeführerin bestreitet zu Recht nicht, dass bei einem solchen Vorgehen
die fraglichen Erschliessungsbeiträge nicht verjährt sind.

3.
Die Beschwerde erweist sich demnach in dem Umfang, in dem auf sie einzutreten
ist, als unbegründet und ist abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin
ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG; vgl. BGE 134 II
117 E. 7 S. 118 f.).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. April 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Küng