Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.4/2008
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2C_4/2008

Urteil vom 21. Februar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, Karlen,
Bundesrichterin Aubry Girardin
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verein gegen Tierfabriken Schweiz VgT,
Beschwerdeführer,

gegen

SRG SSR idée suisse Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft,
Beschwerdegegnerin.

Schweizer Fernsehen: Sendung "10 vor 10" vom 21. Februar 2007, Beitrag: "Mehr
Schweine",

Beschwerde gegen den Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio
und Fernsehen vom 31. August 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Schweizer Fernsehen strahlte am 21. Februar 2007 im Rahmen des
Nachrichtenmagazins "10 vor 10" den Beitrag "Mehr Schweine" aus. Im Zentrum
des rund dreiminütigen Beitrags stand der Antrag von SVP-Nationalrat und
Landwirt Marcel Scherrer, die gesetzlichen Höchsttierbestände abzuschaffen.
Anmoderiert wurde der Bericht mit der Aussage, dass es "keine Tierfabriken in
der Schweiz" gebe; ob das so bleibe, sei die grosse Frage; ein Züchter dürfe
heute maximal 1'500 Schweine und 27'000 Hühner halten. Die
Wirtschaftskommission des Nationalrats habe die Absicht, dies zu ändern;
jeder Tierzüchter solle fortan so viele Tiere halten können, wie er wolle.
Das Team von "10 vor 10" sei der Frage nachgegangen, was dies genau heisse.
Dazu äussern sich im anschliessenden Videobericht Nationalrat Scherrer, der
Geschäftsführer des Schweizerischen Tierschutzes und ein Vertreter des
Bundesamts für Landwirtschaft.

B.
Erwin Kessler, Präsident des Vereins gegen Tierfabriken, und 22
Mitunterzeichner gelangten hiergegen am 17. Mai 2007 an die Unabhängige
Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Diese wies ihre Beschwerde
am 31. August 2007 ab und stellte fest, dass der umstrittene Beitrag die
Programmbestimmungen nicht verletzt habe. Zwar sei die Aussage, es gebe in
der Schweiz keine Tierfabriken, missverständlich; sie zeuge von "wenig
Sensibilität in Tierschutzfragen", doch sei Thema der Sendung der
vorgeschlagene Verzicht auf die Höchst-tierbestände und dessen mögliche
Folgen gewesen. Die diesbezüglich relevanten Fakten seien korrekt
wiedergegeben worden. Das Publikum habe ohne weiteres zwischen den
vermittelten Tatsachen und Meinungen unterscheiden und sich damit insgesamt
ein sachgerechtes Bild zum "eigentlichen Thema" des Beitrags machen können.

C.
Erwin Kessler ist hiergegen am 27. Dezember 2007 im Namen des Vereins gegen
Tierfabriken Schweiz (VgT) mit dem Antrag an das Bundesgericht gelangt, den
angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache "wegen Verletzung des
rechtlichen Gehörs" an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und
Fernsehen zurückzuweisen; eventuell sei der Entscheid aufzuheben und
festzustellen, dass die beanstandete Sendung "durch die Behauptung, es gebe
in der Schweiz keine Tierfabriken", das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt
habe. Das Bundesgericht hat die Akten eingeholt, ohne einen Schriftenwechsel
durchzuführen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
inwiefern auf eine Beschwerde einzutreten ist; immerhin muss die Eingabe auch
bezüglich der Prozessvoraussetzungen hinreichend begründet werden (Art. 42
Abs. 1 und Abs. 2 BGG). Sind die Legitimationsvoraussetzungen - wie hier -
nicht ohne weiteres ersichtlich, ist es nicht seine Aufgabe, anhand der Akten
oder weiterer, noch beizu-ziehender Unterlagen nachzuforschen, ob und
inwiefern die beschwerdeführende Partei zum Verfahren zuzulassen ist (BGE 133
II 400 E. 2). Der Verein gegen Tierfabriken beanstandet lediglich den
Sachentscheid, legt aber nicht dar, inwiefern er hierzu befugt ist. Ob auf
seine Beschwerde bereits deshalb nicht einzutreten ist, kann dahingestellt
bleiben, da ein anderer Nichteintretensgrund besteht.

2.
2.1 Zwar können Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und
Fernsehen über den Inhalt redaktioneller Sendungen mit der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unmittelbar an das Bundesgericht
weitergezogen werden (Art. 86 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 83 lit. p BGG). Die
Beschwerdebefugnis richtet sich dabei jedoch ausschliesslich nach Art. 89
Abs. 1 BGG und nicht nach Art. 94 des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über
Radio und Fernsehen (RTVG 2006; SR 784.40) bzw. Art. 63 des entsprechenden
Gesetzes vom 21. Juni 1991 (RTVG 1991; AS 1992 S. 601 ff.). Die zu Art. 103
lit. a OG entwickelten Grundsätze gelten diesbezüglich auch für Art. 89
Abs. 1 BGG (BGE 133 II 400 E. 2.2): Die Legitimation ergibt sich nicht
bereits aus der Beteiligung als Popularbeschwerdeführer am vorinstanzlichen
Verfahren (BGE 130 II 514 E. 1; 123 II 115 E. 2a S. 117; 121 II 359 E. 1a S.
361, 454 E. 1a S. 455). Der Beschwerdeführer muss vielmehr stärker als
jedermann betroffen sein und in einer besonderen, beachtenswert nahen
Beziehung zur Streitsache stehen. Ein bloss mittelbares oder ausschliesslich
allgemeines, öffentliches Interesse genügt hierzu nicht. Der Beanstander
einer Sendung muss für das bundesgerichtliche Verfahren in einer eigenen
engen Beziehung zum Gegenstand des beurteilten Beitrags stehen (BGE 130 II
514 E. 1 mit Hinweisen). Vor Bundesgericht gibt es (auch) im Radio- und
Fernsehbereich kein Popularbeschwerderecht (vgl. BGE 130 II 514 E. 2.3).
Hieran hat sich mit dem neuen Radio- und Fernsehgesetz nichts geändert (vgl.
Art. 99 RTVG 2006).

2.2 Nach der bundesgerichtlichen Praxis fehlt dem Stimmbürger die
Legitimation, um allein gestützt auf seine politischen Rechte einen Entscheid
der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen über die
Einhaltung rundfunkrechtlicher Vorschriften mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
- bzw. heute mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten -
anfechten zu können (BGE 123 II 115 E. 2b/cc S. 119; 115 Ib 387 ff.). Auch
wer sich engagiert zu einer Frage in der Öffentlichkeit äussert, ist nicht
bereits deswegen befugt, Darstellungen zur entsprechenden Thematik in Radio
und Fernsehen vor Bundesgericht zu beanstanden (BGE 114 Ib 200 E. 2c S. 203).
Ein besonderes persönliches oder berufliches Interesse an einem bestimmten
Thema verschafft für sich allein ebenfalls noch keine
legitimationsbegründende enge Beziehung zum Inhalt eines Beitrags (BGE 130 II
514 E. 2.2.1 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin). Diese Grundsätze
gelten auch im Rahmen der egoistischen Verbandsbeschwerde, bei der eine als
juristische Person konstituierte Vereinigung im Rahmen ihrer statutarischen
Aufgaben die Interessen der Mehrheit oder einer Grosszahl ihrer Mitglieder
wahrnimmt (BGE 130 II 514 E. 2.3.3 S. 519 mit Hinweisen).

2.3 Im beanstandeten Beitrag ist unmittelbar weder vom beschwerdeführenden
Verein noch von seinem Präsidenten die Rede. Der VgT und seine Mitglieder
haben sich ganz allgemein dem Schutz der Tiere verschrieben; die Tatsache,
dass der VgT in seinem Namen bzw. Logo den Begriff "Tierfabrik" verwendet,
genügt nicht, um einen (kritischen) Beitrag zur Abschaffung der
Höchsttierbestände und der damit befürchteten Gefahr des Entstehens von
Tierfabriken mit der Begründung anzufechten, solche bestünden - im Hinblick
auf die Qualität der Tierhaltung - in der Schweiz bereits heute, was dem
Zuschauer verschwiegen worden sei. Der beschwerdeführende Verein bzw. seine
Mitglieder engagieren sich aktiv zum Wohl der Tiere und sehen hierin auch ein
besonderes persönliches Interesse; sie werden durch den beanstandeten Beitrag
jedoch nicht anders betroffen als irgendein anderer tierliebender Zuschauer.
Es fehlt ihnen somit die nach Art. 89 Abs. 1 BGG erforderliche Beziehungsnähe
zum Sendethema, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Dass der
Präsident des VgT 1992 ein Buch zum Thema der Tierfabriken geschrieben hat,
verschafft ihm auch als Privatperson kein persönliches Interesse im
dargelegten Sinn (BGE 123 II 115 E. 2b: "publizistische Tätigkeit im Bereich
der Ausländerpolitik"). In solchen Fällen steht nur die Popularbeschwerde an
die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen offen (BGE 123 II
115 E. 2b/cc S. 119).

2.4 Dies gilt auch, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Vorinstanz
habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt: Im Rahmen der im Radio-
und Fernsehgesetz formalisierten Aufsichtsbeschwerde hat der
Popularbeschwerdeführer lediglich einen spezialgesetzlichen Anspruch darauf,
dass es die UBI nicht bundesrechtswidrig unterlässt, das durch ihn ausgelöste
und ausschliesslich im öffentlichen Interesse liegende Verfahren
durchzuführen. Allein diesen spezialgesetzlichen Erledigungsanspruch kann er
gegebenenfalls mit Beschwerde vor Bundesgericht durchsetzen. Er ist dagegen
nicht legitimiert, geltend zu machen, die UBI habe zu Unrecht Beweisanträgen
nicht entsprochen, den Sachverhalt nicht hinreichend abgeklärt oder ihr
Prüfungsprogramm in unzulässiger Weise beschränkt. Verfügt der
Popularbeschwerdeführer über keine entsprechenden Verfahrensrechte, hat er
auch kein schutzwürdiges Interesse, um in diesem Zusammenhang an das
Bundesgericht zu gelangen (vgl. BGE 123 II 115 E. 2c S. 119 f.; Urteil
2A.47/1998 vom 29. September 1998, E. 3, publ. in: Pra 1999 Nr. 6 S. 36).

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht
geschuldet (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für
Radio und Fernsehen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Februar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Hugi Yar