Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.472/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_472/2008

Urteil vom 19. März 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Bundesrichter Zünd,
Gerichtsschreiber Merz.

Parteien
X.________,

Beschwerdeführer,

gegen

Kantonale Steuerverwaltung des Kantons Freiburg.

Gegenstand
Art. 8 und 9 BV (Kinderabzug, reduzierter Steuertarif
für getrennt lebende Ehegatten mit Kindern),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Freiburg,
Steuergerichtshof, vom 16. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ lebte im Jahr 2006 getrennt von seiner Ehefrau. Die Obhut über seine
drei Kinder war während dieses Zeitraums gemäss gerichtlicher Regelung vom 10.
Juni 2003 der Ehefrau anvertraut. X.________ war zudem verpflichtet,
Unterhaltsbeiträge für die Kinder an seine Ehefrau zu zahlen. Mitte August 2006
zog er von A.________ nach B.________ um, wo seine Ehefrau lebt. Seither nahmen
die Ehegatten die Obhut über die Kinder abwechselnd wahr. Der Gerichtspräsident
des Bezirks Saane passte die Regelung des Getrenntlebens am 15. Januar 2007
dementsprechend an.
X.________ verlangte, dass ihm für die Kantonssteuer 2006 die Hälfte des
Sozialabzugs für die drei Kinder gewährt und der reduzierte Steuersatz für
getrennt lebende Eltern, die mit Kindern im gleichen Haushalt zusammenleben,
angewendet werde. Die kantonalen Behörden lehnten beides ab.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 26. Juni 2008
beantragt X.________ dem Bundesgericht sinngemäss, den in dieser Sache zuletzt
ergangenen Entscheid des Kantonsgerichts des Kantons Freiburg -
Steuergerichtshof - vom 16. Mai 2008 aufzuheben und ihm für die Kantonssteuer
2006 die Hälfte des Kinderabzugs zu gewähren sowie den reduzierten Steuersatz
für getrennt lebende Eltern, die mit Kindern zusammenleben, anzuwenden.
Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen.

C.
Die Steuerverwaltung des Kantons Freiburg ersucht um Abweisung der Beschwerde.
Der Steuergerichtshof beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Die ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Eidgenössische
Steuerverwaltung hat auf eine Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer wohnt zwar in einer französischsprachigen Gemeinde des
Kantons Freiburg. Da Verfahrenssprache bei den Vorinstanzen aber Deutsch war
und auch der Beschwerdeführer für seine Eingabe an das Bundesgericht - wie
schon für seine Steuererklärung - die deutsche Sprache gewählt hat, besteht
keine Veranlassung von der Regel abzuweichen, dass das bundesgerichtliche
Urteil in der Sprache des angefochtenen Entscheids abgefasst wird (vgl. Art. 54
BGG).

2.
Streitgegenstand bilden einerseits der Anspruch des Beschwerdeführers auf den
hälftigen Kinderabzug und anderseits die Anwendbarkeit des reduzierten
Steuersatzes bei der Kantonssteuer 2006. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss,
dass dem Beschwerdeführer bei der Kantonssteuer diese beiden Ermässigungen
ebenso wenig zustehen wie bei der direkten Bundessteuer für die gleiche
Zeitperiode.
Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Auffassung beruhe auf einer
unhaltbaren Auslegung des kantonalen Rechts und verletze den Grundsatz der
Rechtsgleichheit (Art. 8 BV). Die Vorinstanz stütze ihren Entscheid auf das
Kreisschreiben Nr. 7 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 20. Januar 2000
betreffend die Familienbesteuerung nach dem Bundesgesetz über die direkte
Bundessteuer, die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf
unverheiratete Eltern und die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge durch
getrennte oder geschiedene Eltern (publ. in: ASA 68 S. 570). Der
Beschwerdeführer verweist auf die krass unterschiedlichen Steuerbelastungen,
die dieses Kreisschreiben für Ehegatten habe, denen eine alternierende Obhut
über die Kinder zustehe. Bei gleichem Nettoeinkommen der Elternteile müsse
derjenige, der dem anderen Unterhaltsbeiträge für die Kinder leiste, mehr als
dreimal so viel Steuern bezahlen wie der Letztere. Die verfassungsrechtliche
Problematik sei in den bisherigen Entscheiden des Bundesgerichts nicht genügend
umfassend geprüft worden.

3.
3.1 Nach Art. 9 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14)
sind die Kantone frei, bei der Einkommenssteuer Kinderabzüge vorzusehen. Der
Kanton Freiburg hat in Art. 36 Abs. 1 lit. a seines Gesetzes über die direkten
Kantonssteuern vom 6. Juni 2000 (DStG/FR) von dieser Befugnis Gebrauch gemacht.
Danach können grundsätzlich Fr. 7'000.-- für jedes Kind, das minderjährig ist
oder sich in der Lehre oder im Studium befindet, vom Reineinkommen abgezogen
werden, wenn das Kind ausschliesslich von der steuerpflichtigen Person
unterhalten wird und deren Reineinkommen den anrechenbaren Grenzbetrag nicht
übersteigt. Die genannte Bestimmung enthält weitere Regeln zur genauen
Ermittlung des abzugsfähigen Betrags. Art. 36 Abs. 3 DStG/FR sieht ausserdem
vor, dass der Abzug für Kinder verhältnismässig aufzuteilen ist, wenn mehrere
steuerpflichtige Personen für den Unterhalt aufkommen.

3.2 Die Vorinstanz erklärt, dass eine verhältnismässige Aufteilung des
Kinderabzugs gemäss Art. 36 Abs. 3 DStG/FR nicht in Betracht falle, weil die
Ehefrau des Beschwerdeführers hauptsächlich für den Unterhalt der drei Kinder
aufkomme. Die vorinstanzliche Argumentation stützt sich dabei auf die
Rechtslage bei der direkten Bundessteuer. Dieser zufolge hat nach dem erwähnten
Kreisschreiben Nr. 7 vom 20. Januar 2000 und nach der dazu ergangenen
bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 133 II 305 E. 8.4 S. 317)
derjenige Ehegatte, der dem anderen Unterhaltsbeiträge für die Kinder bezahlt,
keinen Anspruch auf einen Kinderabzug. Art. 36 Abs. 3 DStG/FR stimmt jedoch
gerade nicht mit den Regelungen bei der direkten Bundessteuer überein. Denn
diese kantonale Bestimmung sieht im Unterschied zu Art. 35 bzw. Art. 213 DBG
(SR 642.11) ausdrücklich eine verhältnismässige Aufteilung der Kinderabzüge auf
beide Elternteile vor, wenn sie gemeinsam für den Unterhalt aufkommen, wie dies
bei der alternierenden Obhut regelmässig der Fall ist. Das Bundesgericht hat
auf diese abweichende Rechtslage im Kanton Freiburg schon ausdrücklich
hingewiesen (BGE 133 II 305 E. 8.6 S. 318) und ebenfalls festgestellt, dass die
Vorinstanz in einem vergleichbaren Fall jedem Elternteil einen hälftigen
Kinderabzug gewährte (vgl. BGE 131 II 553 E. 6 S. 561). Die Begründung des
angefochtenen Entscheids ist weder mit dem Wortlaut noch dem Sinn von Art. 36
Abs. 1 und 3 DStG/FR zu vereinbaren.

3.3 Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid wurde erst mit dem
Urteil des Gerichtspräsidenten vom 15. Januar 2007 beiden Ehegatten die
alternierende Obhut über ihre drei Kinder zugeteilt. Im Steuerjahr 2006 lag
dagegen die Obhut über die Kinder noch ausschliesslich bei der Mutter. Die
Steuerbehörden dürfen aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit auf die
rechtliche Regelung der Obhut abstellen und müssen formlose Abmachungen
zwischen den Eltern grundsätzlich nicht berücksichtigen (BGE 131 II 553 E. 3.5
S. 557 f.). Der Beschwerdeführer kann deshalb für das Steuerjahr 2006 noch
keinen hälftigen Kinderabzug verlangen, auch wenn er bereits ab seinem Umzug
nach B.________ im August dieses Jahres faktisch eine alternierende Obhut über
seine drei Kinder ausübte.
Der angefochtene Entscheid verletzt daher im Ergebnis weder das Willkürverbot
noch den Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 8 und 9 BV; dazu allgemein BGE
134 I 140 E. 5.4 S. 148; 133 I 149 E. 3.1 S. 153; 131 I 1 E. 4.2 S. 6 f., je
mit Hinweisen).

4.
4.1 Art. 11 Abs. 1 StHG schreibt vor, dass die Kantone die Einkommenssteuer für
verwitwete, getrennt lebende, geschiedene oder ledige Steuerpflichtige, die mit
Kindern oder unterstützungsbedürftigen Personen zusammenleben und deren
Unterhalt zur Hauptsache bestreiten, zu ermässigen haben. Im Kanton Freiburg
findet in den genannten Fällen ein reduzierter Steuersatz Anwendung, der 56%
des steuerbaren Gesamteinkommens entspricht (Art. 37 Abs. 3 DStG/FR).

4.2 Die Vorinstanz hat es unter Verweis auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung (BGE 131 II 553 E. 3.4 S. 556 f.; vgl. seither auch BGE 133 II
305 E. 6.8 S. 312 f.) abgelehnt, den erwähnten reduzierten Steuersatz beim
Beschwerdeführer anzuwenden. Dieser bringt nichts vor, was die bisherige Praxis
in Frage zu stellen vermöchte. Im Unterschied zu den Kinderabzügen besteht beim
Steuertarif keine Regelung, die es erlauben würde, der alternierenden Obhut der
Eltern über ihre Kinder Rechnung zu tragen. Eine solche Möglichkeit müsste
vielmehr durch den Gesetzgeber eingeführt werden (vgl. BGE 133 II 305 E. 8.6 S.
318 und E. 9.2 S. 320). Dem Begehren des Beschwerdeführers kann daher bei der
gegenwärtigen Rechtslage nicht entsprochen werden.

5.
Aus diesen Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG).
Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Steuerverwaltung des Kantons
Freiburg, dem Kantonsgericht des Kantons Freiburg, Steuergerichtshof, und der
Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. März 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Merz