Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.451/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_451/2008

Urteil vom 25. September 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Parteien
X.________ und Y.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Urs Vögele, Beratungsbüro,

gegen

Steueramt des Kantons Aargau, Rechtsdienst, Telli-Hochhaus, 5004 Aarau.

Gegenstand
Direkte Bundessteuer 1995/1996,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 6. Mai 2008.

Sachverhalt:
X.________ und Y.________ wurden mit Verfügung vom 28. April 1999 für die
direkte Bundessteuer 1995/96 mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 67'200.--
veranlagt. Da nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Einspracheentscheid
vom 21. Juni 2000 den Steuerpflichtigen zugestellt worden war, wurde ihnen am
8. Mai 2007 ein neuer Einspracheentscheid betreffend die direkte Bundessteuer
1995/96 eröffnet. Mit Rekurs (richtig: Beschwerde) an das Steuerrekursgericht
des Kantons Aargau vom 8. Juni 2007 machten die Steuerpflichtigen geltend, es
sei festzustellen, dass für die Steuerjahre 1995 und 1996 kein
steuerpflichtiges Einkommen bestehe, und es sei Verjährung anzunehmen. Das
Steuerrekursgericht wies die Beschwerde kostenfällig ab. Es legte dar, dass die
Verjährung nicht eingetreten sei und die Beschwerdeführer aus der Veranlagung
für die Staats- und Gemeindesteuern 1995/96 nichts für die Veranlagung der
direkten Bundessteuer ableiten könnten. Im Übrigen sei mit
Rekursgerichtsentscheid vom 29. März 2001 das steuerbare Einkommen für die
Staats- und Gemeindesteuern 1995/96 nicht auf Fr. 0.-- festgesetzt worden, wie
die Beschwerdeführer behaupteten, sondern auf Fr. 58'763.-- (Urteil vom 21.
Februar 2008).

Mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau änderten die
Beschwerdeführer ihre Argumentation und machten geltend, dass für die
Steuerperiode 1995/96 keine direkte Bundessteuer geschuldet sei. Sie hätten die
Bundessteuerbeträge für diese Jahre erwiesenermassen bezahlt, doch habe das
Steueramt sie auf andere Steuerjahre umgebucht. Mit Urteil vom 6. Mai 2008 trat
das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde nicht ein.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen die
Steuerpflichtigen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau und
die Vorentscheide seien aufzuheben.

Auf die Einholung von Vernehmlassungen wurde verzichtet.

Erwägungen:

1.
Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG)
von einer durch die Entscheidung besonders berührten Partei mit einem
schutzwürdigen Interesse an deren Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG)
eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz
(Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) richtet. Ein
Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Mit der Beschwerde können
Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).

Angefochten ist hier freilich ein Nichteintretensentscheid, ein sogenanntes
Prozessurteil. Das Verwaltungsgericht trat auf die Beschwerde nicht ein, weil
die Prozessvoraussetzungen nicht erfüllt waren. Die Beschwerdeführer können
daher mit der vorliegenden Beschwerde nur geltend machen, das Nichteintreten
auf ihre Beschwerde bedeute eine Rechtsverletzung im Sinne der Art. 95 und 96
BGG (was in der Beschwerde zu begründen ist, Art. 42 Abs. 2 BGG). Erweist sich
die Beschwerde als begründet, wäre der angefochtene Entscheid aufzuheben und
die Sache durch die kantonalen Instanzen neu an Hand zu nehmen. Hingegen können
die Beschwerdeführer gegen den hier angefochtenen Entscheid keine Rügen
materieller Natur vorbringen. Der Streitgegenstand, wie er durch den
angefochtenen Entscheid festgelegt worden ist, kann nicht ausgeweitet, sondern
nur allenfalls eingeschränkt werden. Nicht zu hören sind daher die Rügen, mit
denen die Beschwerdeführer erneut die Veranlagung in Frage stellen. Auf die
Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten.

2.
2.1 Mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau machten die
Beschwerdeführer geltend, dass für die Steuerperiode 1995/96 keine direkte
Bundessteuer geschuldet sei, da diese getilgt sei. Sie hätten die
Bundessteuerbeträge für diese Jahre erwiesenermassen bezahlt, doch habe das
Steueramt sie auf andere Steuerjahre umgebucht. Das Verwaltungsgericht
behandelte im angefochtenen Entscheid diese Frage - zu Recht - als eine solche
des Steuerbezugs, über die im Veranlagungsverfahren nicht zu entscheiden sei.
Das Verwaltungsgericht wies auch zutreffend darauf hin, dass es vorab eines
rechtskräftigen Entscheids über die Steuerveranlagung für die direkte
Bundessteuer 1995/96 bedürfe, bevor darüber befunden werden könne, ob die
Steuer dieser Periode (vollständig) bezahlt sei oder nicht. Auf die Beschwerde,
die ausschliesslich Bezugsfragen betraf, war daher nicht einzutreten.

2.2 Die Beschwerdeführer wenden vergeblich ein, es stünden beim Steuerbezug die
gleichen Rechtsmittel offen wie bei der Steuerveranlagung. Richtig ist, dass
zuviel erhobene Steuern zurückzuerstatten sind und dem Steuerpflichtigen ein
entsprechender Rückerstattungsanspruch zusteht. Gegen den Entscheid über einen
solchen Anspruch stehen dem Steuerpflichtigen die gleichen Rechtsmittel zu wie
gegen die Veranlagungsverfügung (vgl. Art. 168 Abs. 1 und 3 DBG). Das ändert
jedoch nichts daran, dass beim Verwaltungsgericht ein Entscheid über die
Steuerveranlagung und nicht über den Steuerbezug angefochten war und das
Verwaltungsgericht keine Fragen des Steuerbezugs zu entscheiden hatte. Der
Entscheid des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Darin, dass das
Verwaltungsgericht verfahrensrechtlich korrekt argumentierte, kann auch keine
Verletzung von Menschenrechten oder Verfahrensgrundsätzen erblickt werden, wie
die Beschwerdeführer vortragen lassen. Die Beschwerde ist insoweit abzuweisen.

3.
Die Beschwerdeführer beantragen, es sei ihnen die unentgeltliche Rechtspflege
zu gewähren. Die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege setzt ausser der
Bedürftigkeit der Prozesspartei voraus, dass deren Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint (Art. 64 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde von vornherein
als aussichtslos erscheint, kann die unentgeltliche Rechtspflege nicht
bewilligt werden. Das Gesuch ist abzuweisen.

4.
Als unterliegende Partei haben die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu
tragen; sie haften hierfür solidarisch (Art. 65, 66 Abs. 1 und 5 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2.
Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. September 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Wyssmann