Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.439/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_439/2008 /zga

Urteil vom 27. November 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Merz.

Parteien
X.________ ,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Beratungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht, Dominik Heinzer,

gegen

Ausländeramt des Kantons Schaffhausen, Stadthausgasse 10, 8201 Schaffhausen,
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen,
Postfach, 8201 Schaffhausen.

Gegenstand
Ausweisung von Z.________ (Wiedererwägung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 9.
Mai 2008.

Erwägungen:

1.
1.1 Z.________ (geb. 1963) reiste im Jahre 1992 im Rahmen des Familiennachzugs
in die Schweiz ein, nachdem er und die in der Schweiz niedergelassene
X.________ (geb. 1974) geheiratet hatten. Beide stammen aus dem Kosovo und sind
bosniakischer Ethnie. Die Strafbehörden verurteilten Z.________ am 12. Dezember
2001, 10. Januar und 20. Juni 2002 wegen verschiedenen Delikten (u.a.
Körperverletzungen und Drohungen gegen seine Ehefrau). Darauf verfügte das
Ausländeramt des Kantons Schaffhausen am 14. August 2002 seine Ausweisung aus
der Schweiz für zehn Jahre. Die hiegegen erhobenen Rechtsmittel wiesen der
Regierungsrat am 26. November 2002, das Obergericht des Kantons Schaffhausen am
4. Juli 2003 sowie schliesslich das Bundesgericht (Verfahren 2A.376/2003) am
26. November 2003 ab. Am 30. November 2002 wurde Z.________ ausgeschafft. Seine
Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kinder (geb. 1992 und 1994) blieben in der
Schweiz.

1.2 Am 8. Februar 2008 beantragte die Ehefrau X.________ die Aufhebung der
gegen Z.________ verfügten Ausweisung. Das Ausländeramt des Kantons
Schaffhausen trat auf die als Wiedererwägungsgesuch entgegengenommene Eingabe
nicht ein. Die dagegen eingereichten Rechtsmittel blieben erfolglos.

1.3 Mit Beschwerde vom 12. Juni 2008 beantragt X.________ dem Bundesgericht,
den in dieser Sache zuletzt ergangenen Entscheid des Obergerichts des Kantons
Schaffhausen (im Folgenden: Obergericht) vom 9. Mai 2008 aufzuheben. Das
Obergericht oder die Fremdenpolizeibehörden des Kantons Schaffhausen seien
anzuweisen, auf ihr Wiedererwägungsgesuch einzutreten. Sollte aufgrund der
Akten die Rechtmässigkeit der Ausweisung materiell beurteilt werden können,
stellt sie den Antrag, dass das Bundesgericht die Ausweisung
wiedererwägungsweise aufhebt. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

1.4 Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen sowie das Bundesamt für
Migration stellen den Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Das Obergericht hat
auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Ausländeramt des Kantons Schaffhausen
hat sich nicht vernehmen lassen.

2.
Fraglich ist, ob die Beschwerdeführerin überhaupt beschwerdebefugt ist (vgl.
Art. 89 Abs. 1 BGG). Ihren Ausführungen zufolge will sie mit der Wiedererwägung
nicht erreichen, dass die eheliche Gemeinschaft sofort wieder hergestellt wird.
Ein Familiennachzug soll eventuell erst später stattfinden. Allerdings will sie
mit der Aufhebung der Ausweisung erreichen, dass ihr Ehemann die Gelegenheit
erhält, im Rahmen von längeren Touristenaufenthalten in der Schweiz die
Kontakte zur Familie zu intensivieren und sich zu "bewähren". Wie es sich damit
verhält, kann hier mit Blick auf die folgenden Ausführungen offen gelassen
werden.

3.
Soweit die Beschwerdeführerin beantragt, dass das Bundesgericht materiell über
den Fortbestand der Ausweisung entscheidet, ist darauf nicht einzutreten. Denn
Gegenstand des angefochtenen Entscheids bildet allein die Frage, ob das
Ausländeramt auf den Antrag, die Ausweisung in Wiedererwägung zu ziehen, hätte
eintreten müssen.

4.
Die Beschwerdeführerin rügt nicht, dass kantonale Regelungen über die
Wiederaufnahme eines Verfahrens verfassungswidrig angewendet worden wären.
Daher ist hier nur zu prüfen, ob unmittelbar von Bundesverfassungs wegen (Art.
29 Abs. 1 BV) die Pflicht bestand, auf das Wiedererwägungsgesuch einzutreten.
Das ist der Fall, wenn sich die tatsächlichen Umstände seit dem - ursprünglich
fehlerfreien - früheren Entscheid wesentlich geändert haben (vgl. BGE 124 II 1
E. 3a S. 6; 120 Ib 42 E. 2b S. 46).

4.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Beziehung zwischen ihr und ihrem
Ehemann habe sich stetig verbessert und stabilisiert. Die Vorinstanz hält dem
entgegen, bereits in ihrem Entscheid vom 4. Juli 2003 sei berücksichtigt
worden, dass sich der Kontakt zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann
grundlegend zum Guten verändert und sie sich für seinen Verbleib in der Schweiz
eingesetzt habe. Wie sich aus den im Zusammenhang mit der Ausweisung ergangenen
Entscheiden des Obergerichts und des Bundesgerichts ergibt, war bei der
erforderlichen Interessenabwägung - richtigerweise - auch der Zustand der
Beziehung berücksichtigt worden. Es wurde namentlich festgehalten, dass
zumindest seitens des Ehemannes bereits damals von Versöhnung die Rede war. Ob
das stimmte, wurde nicht weiter geprüft, da die Ausweisung selbst bei
tatsächlich erfolgter Versöhnung berechtigt erschien; das öffentliche
Fernhalteinteresse hätte auch dann die privaten Interessen an seinem Verbleib
in der Schweiz überwogen. Das mag die Vorinstanz zwar etwas unglücklich
formuliert haben, indem sie erklärt, es könne "nicht gesagt werden, dass die
Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Mann für den
Ausweisungsentscheid eine Rolle gespielt hätte".

Dem Gesagten zufolge ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz in Bezug auf
die eheliche Beziehung keinen Wiedererwägungsgrund erfüllt sieht. Entgegen der
Ansicht der Beschwerdeführerin wird das Recht auf Achtung des Familienlebens
gemäss Art. 8 EMRK und Art. 13 BV dadurch nicht in unzulässiger Weise
eingeschränkt. Dieses war bereits im seinerzeitigen Verfahren berücksichtigt
worden.

4.2 Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht sodann vor, es verkenne, dass
zwischen dem Gefährdungspotential ihres Ehemannes und dessen Trunksucht ein
Zusammenhang bestehe. Vor Auflösung des gemeinsamen Haushalts sei er ihr
gegenüber nie gewalttätig gewesen. Die Ehe sei damals nicht wegen ehelicher
Gewalt getrennt worden, sondern weil ihr Ehemann spielsüchtig und arbeitslos
gewesen sei. Erst nach der Trennung habe er begonnen, Alkohol zu trinken. Von
diesem Alkoholkonsum und den dadurch verursachten psychischen Störungen habe
sein Gewalt- und Gefährdungspotential hergerührt. In dem von ihr vorgelegten
Arztzeugnis vom 2. Februar 2007 werde nunmehr festgehalten, dass er keinen
Alkohol mehr trinke und sich sein psychischer Zustand insoweit deutlich
verbessert habe.

Wie schon das Obergericht andeutet, bedrohte und schlug der Ehemann der
Beschwerdeführerin sie allerdings noch vor der Trennung. Das ergibt sich nicht
nur aus dem Protokoll der Eheschutzverhandlung vom 19. Juni 2001, sondern auch
aus den Aussagen der Beschwerdeführerin, als sie im August 2001 zum ersten Mal
Strafantrag gegen ihren Ehemann stellte, sowie aus den Unterlagen der
Strafverhandlung vom 10. Januar 2002. Somit ist nicht zu beanstanden, wenn die
Vorinstanzen die Verbesserung des krankhaften Zustandes, der durch übermässigen
Alkoholkonsum verursacht worden war, für eine Wiedererwägung nicht genügen
lassen. Ausserdem weist die Vorinstanz zutreffend darauf hin, dass der Ehemann
gemäss dem erwähnten Arztzeugnis erst "in letzter Zeit" bereut, "was er früher
getan hat". Abgesehen davon, dass hieraus nicht klar wird, worauf sich die Reue
genau beziehen soll (z.B. Alkoholmissbrauch, Spielsucht, Eifersucht oder
Gewaltanwendung), ist daraus noch nicht zu schliessen, dass er keine Gewalt
mehr anwenden wird. Bezeichnenderweise relativiert auch die Beschwerdeführerin
in ihrem Wiedererwägungsgesuch ihre Überzeugung mit der Formulierung, dass ihr
Ehemann seine psychischen Störungen überwunden zu haben "scheint". Bereits nach
der Verhandlung vor dem Eheschutzrichter im Juni 2001 hatte der Ehemann
gegenüber der Eheberatungsstelle und der Vormundschaftsbehörde versprochen,
dass er sich ändern werde, was ihm die Beschwerdeführerin damals geglaubt
hatte. Dennoch wurde er in der Folge wiederholt rückfällig, indem er sie erneut
schlug und bedrohte. Bei dieser Sachlage ist es entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin auch nicht an den Vorinstanzen, zusätzliche Abklärungen
hinsichtlich des aktuellen Gesundheitszustandes des Ehemannes vorzunehmen.

4.3 Soweit die Beschwerdeführerin schliesslich geltend macht, sie und und ihre
Kinder hätten die Schweizer Staatsbürgerschaft erworben, was ihre Rückkehr in
den Kosovo als "unzumutbarer" erscheinen lasse, ist fraglich, ob dieses
Vorbringen nicht schon als Novum bzw. mangels hinreichender Rüge aus dem Recht
zu weisen ist. Die Beschwerdeführerin gibt nicht an, seit wann sie eingebürgert
ist. Ebenso wenig legt sie dar, wo bzw. wann sie sich hierauf bei den
Vorinstanzen berufen hat (vgl. Art. 105 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 42 Abs.
2, 97 Abs. 1 und 99 Abs. 1 BGG; BGE 133 IV 342 E. 2.1 S. 343 f.; 133 III 393 E.
3 S. 395; 134 V 223 E. 2.2.1 S. 226 f.). Ungeachtet dessen stellt dieser
Umstand im vorliegenden Gesamtzusammenhang aber keinen Wiedererwägungsgrund
dar. Wie ausgeführt, ist eine ernsthafte Rückfallgefahr seitens des Ehemannes
weiterhin nicht auszuschliessen. Sodann hatte sich die Beschwerdeführerin
bereits vor Einbürgerung entschlossen, gestützt auf ihr gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz zu bleiben, obwohl ihr Ehemann das Land
verlassen musste. Insoweit ergibt sich keine neue Situation durch die
Einbürgerung.

5.
5.1 Die Beschwerde erweist sich demzufolge als offensichtlich unbegründet,
soweit darauf einzutreten ist, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art.
109 BGG behandelt werden kann. Für weitere Einzelheiten wird auf den
angefochtenen Entscheid verwiesen. Auch eine Rückweisung der Sache zur weiteren
Abklärung ist nach dem Gesagten nicht angezeigt.

5.2 Diesem Ausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG).
Parteientschädigungen werden nicht geduldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.--- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Ausländeramt, dem Regierungsrat
und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. November 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Merz