Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.433/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_433/2008

Urteil vom 24. November 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Zünd,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Parteien
1. X.________,
2. Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Politische Gemeinde A.________,
vertreten durch den Gemeinderat,
2. Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau.

Gegenstand
Wohnsitz,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
19. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
X.________ und seine Ehefrau Y.________ meldeten sich im März 2001 von
A.________ nach B.________, USA, ab. Aufgrund von Hinweisen über Aufenthalte im
eigenen Haus in A.________ verlangte das Einwohneramt der Gemeinde A.________
von den Eheleuten in den Jahren 2005 und 2006 näheren Aufschluss über ihren
tatsächlichen Aufenthalt. Nachdem die erhaltenen Auskünfte nicht eindeutig auf
einen Auslandwohnsitz schliessen liessen, stellte der Gemeinderat von
A.________ unter Hinweis auf die Postzustellung, den Festnetzanschluss, die
Thurgauer Kontrollschilder und weitere Indizien mit Verfügung vom 18. Januar
2007 fest, die Eheleute X.________ und Y.________ hätten ihren
Lebensmittelpunkt in A.________ und hiess sie, sich innert fünf Tagen beim
Einwohneramt A.________ anzumelden.

B.
Hiergegen erhoben X.________ und Y.________ erfolglos Rekurs beim Departement
für Justiz und Sicherheit und anschliessend Beschwerde beim Verwaltungsgericht
des Kantons Thurgau. Sie machten geltend, ihren Wohnsitz auf den Bahamas zu
haben, was die Thurgauer Behörden nun auch im Blick auf eine
Verbrauchsübersicht für Wasser und Strom, ärztliche Behandlungen und die
Wartung eines Fahrzeuges als unglaubhaft erachteten. Als Postadresse hatten die
Eheleute ihre Adresse in A.________ angegeben. Da das Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2007 dort am 16. Januar 2008 nicht
zugestellt werden konnte, liess es der Präsident des Verwaltungsgerichts am
________ im Amtsblatt des Kantons Thurgau veröffentlichen, was er den Eheleuten
X.________ und Y.________ am 17. März 2008 mitteilte (Eingang des Schreibens
von diesen handschriftlich vermerkt am 2. April 2008).

C.
Am 21. April 2008 gelangten X.________ und Y.________ mit einem Fax an das
Bundesgericht und beschwerten sich gegen das verwaltungsgerichtliche
Erkenntnis. In der Begründung machten sie geltend, sie hielten sich nur
zeitweise in A.________ auf. Ihr Lebensmittelpunkt befinde sich auf den
Bahamas. Im Weiteren teilten sie mit, dass sie die gleiche Eingabe gleichzeitig
per Post übermitteln würden. Dieses Schreiben ging am 28. Mai 2008 beim
Bundesgericht ein, worauf ein Beschwerdeverfahren eröffnet wurde.
In der Folge gelangten die Beschwerdeführer noch mit weiteren Schreiben an das
Bundesgericht, worin sie namentlich ausführten, es sei für sie unmöglich, von
den Bahamas aus so Beschwerde zu erheben, dass das Schreiben rechtzeitig der
Schweizerischen Post zugehe. Die zuständige Botschaft sei in Montreal, Kanada,
und die Schweiz verfüge zwar über ein Konsulat in Nassau, einer Insel der
Bahamas-Gruppe, doch sei die lokale Post "absolut unzuverlässig".

D.
Nachdem die Beschwerdeführer aufgefordert worden waren, ein schweizerisches
Zustelldomizil zu bezeichnen, teilten sie am 31. Oktober 2008 mit, Mitteilungen
könnten "an die gewohnte Adresse in A.________" gesandt werden.

E.
Nach Aufforderung zur Akteneinreichung orientierte die Einwohnergemeinde
A.________ am 9. Juli 2009, die Beschwerdeführer hätten sich am 22. Dezember
2008 persönlich am Schalter des Einwohneramtes angemeldet. Daraufhin erhielten
die Beschwerdeführer Gelegenheit, darzulegen, inwiefern sie noch ein Interesse
an der Behandlung der Beschwerdesache hätten und gegebenenfalls ihre Beschwerde
zurückzuziehen. Dieses Schreiben vom 19. August 2009 liessen sie unbeantwortet.
In der Folge wurden sie aufgefordert, bis zum 9. Oktober 2009 einen
Kostenvorschuss einzubezahlen. Am 8. Oktober 2009 reichten sie ein
Fristverlängerungsgesuch ein, worauf ihnen eine Nachfrist bis zum 9. November
2009 gewährt wurde. An diesem Tag beantragten die Beschwerdeführer mit
allgemeinen Hinweisen auf ihre ungünstige wirtschaftliche Situation die
unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid des kantonalen
Verwaltungsgerichts (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) in einer Angelegenheit des
öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG). Eine Ausnahme nach dem Katalog von
Art. 83 BGG liegt nicht vor. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ist somit zulässig. Die Beschwerdeführer haben am
vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und sind durch den angefochtenen
Entscheid beschwert (Art. 89 Abs. 1 lit. a und b BGG).

2.
Die Beschwerdebefugnis setzt weiter ein schutzwürdiges eigenes Interesse voraus
(Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG). Das bedeutet insbesondere, dass der
Beschwerdeführer aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids
einen praktischen Nutzen ziehen können muss (BGE 133 II 249 E. 1.3 S. 252, 133
II 353 E. 3 S. 356). Dieses Interesse muss aktuell, d.h. im Zeitpunkt der
Einreichung der Beschwerde und auch noch bei ihrer Beurteilung durch das
Bundesgericht gegeben sein (BGE 135 I 79 E. 1.2 S. 81; 133 II 81 E. 3 S. 84;
131 II 670 E. 1 S. 673). Fehlt ein aktuelles Interesse schon im Zeitpunkt der
Beschwerdeeinreichung, so ist auf die Beschwerde (unter Vorbehalt bestimmter,
hier nicht gegebener Ausnahmegründe) nicht einzutreten. Fällt es im Laufe des
bundesgerichtlichen Verfahrens dahin, so wird die Beschwerde gegenstandslos und
vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben.

3.
Eine Beschwerde muss - auch hinsichtlich der Legitimationsvoraussetzungen (BGE
134 II 120 E. 1 S. 121) - hinreichend begründet wer-den (Art. 42 Abs. 1 und 2
BGG). Der Beschwerdeführer hat deshalb darzutun, inwiefern er ein praktisches
und aktuelles Interesse an der Anfechtung eines Entscheids hat, wenn dies nicht
auf der Hand liegt (BGE 133 II 353 E. 3 S. 357).
Während der Rechtshängigkeit der Beschwerdesache vor dem Bundesgericht haben
sich die Beschwerdeführer in A.________ wieder angemeldet (Schreiben der
Einwohnergemeinde A.________ vom 9. Juli 2009 mit Wohnsitzbescheinigungen für
beide Beschwerdeführer). Inwiefern die Beschwerdeführer nach erfolgter
Anmeldung noch ein aktuelles praktisches Interesse an der Anfechtung der
Verpflichtung zur Anmeldung haben können, ist nicht ersichtlich. Die
Beschwerdeführer sind deshalb aufgefordert worden, darzulegen, inwiefern noch
ein solches Interesse bestehe. Sie sind dieser Aufforderung nicht nachgekommen.
Mithin ist davon auszugehen, dass sie nach der offenbar aus freien Stücken
erfolgten Anmeldung kein aktuelles Interesse an der Beurteilung ihrer
Beschwerde mehr haben. Die Beschwerde ist daher wegen Dahinfallens des
schutzwürdigen Interesses im Verlaufe des Verfahrens gegenstandslos geworden
und vom Geschäftsverzeichnis abzuschreiben.

4.
Wird ein Verfahren gegenstandslos, so ist über die Gerichtskosten mit
summarischer Begründung aufgrund der Sachlage vor Eintritt des
Erledigungsgrundes zu befinden (Art. 72 BZP i.V.m. Art. 71 BGG). Dabei muss es
bei einer knappen Beurteilung der Aktenlage sein Bewenden haben. Lässt diese
keinen eindeutigen Schluss zu, so können auch allgemeine prozessrechtliche
Kriterien herangezogen werden. Danach wird jene Partei kostenpflichtig, die das
gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat oder in welcher die Gründe
eingetreten sind, die zur Gegenstandslosigkeit geführt haben (BGE 118 Ia 488 E.
4a S. 494). Hier sind die Geschehnisse etwas verworren und die postalischen
Möglichkeiten unklar geblieben, weshalb der mutmassliche Ausgang des
Beschwerdeverfahrens offen bleiben kann. Das Verfahren haben die
Beschwerdeführer veranlasst, und sie haben mit ihrem Verhalten (Anmeldung) auch
dafür gesorgt, dass es gegen-standslos geworden ist. Nach allgemeinen
Prozessrechtsgrundsätzen haben sie daher die Gerichtskosten unter solidarischer
Haftung zu tragen (Art. 65 und 66, insbes. Abs. 5 BGG).

5.
Die Beschwerdeführer haben kurz vor der Beurteilung, am letzten Tag der
Nachfrist, noch ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
gestellt. Damals war das Verfahren bereits gegenstandslos und die Beschwerde
aussichtslos geworden, was die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
ausschliesst (Art. 64 Abs. 1 BGG). Ausserdem haben die Beschwerdeführer das
Gesuch erst am letzten Tag der Nachfrist gestellt, ohne zugleich ihre
wirtschaftliche Situation mit ausreichenden Belegen darzutun, was praxisgemäss
die Abweisung des Gesuchs zur Folge hat (Urteile 2C_758/2008, E. 2.2.2; 2C_560/
2009, E. 2.2). Das Gesuch ist abzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden vom Geschäftsverzeichnis
abgeschrieben.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. November 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Zähndler