Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.429/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_429/2008

Urteil vom 10. Dezember 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Bundesrichter Karlen,
Gerichtsschreiber Merz.

Parteien
Steuerverwaltung des Kantons Thurgau, 8510 Frauenfeld,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Staats- und Gemeindesteuern 2006,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
14. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ (geb. 1925) deklarierte in ihrer Steuererklärung für das Jahr 2006
Einkünfte von insgesamt Fr. 30'823.--. Bei der Staatssteuer machte sie als
Abzug für Versicherungsprämien und Sparzinsen den hiefür vom kantonalen Recht
vorgesehenen Höchstbetrag von Fr. 3'100.-- geltend. Das Gemeindesteueramt
R.________/TG verweigerte diesen Abzug, woran es mit Einspracheentscheid vom
18. Mai 2007 festhielt. Auf Rekurs hin bewilligte die Steuerrekurskommission
des Kantons Thurgau am 18. Dezember 2007 den Versicherungsabzug von Fr.
3'100.--. Dagegen gelangte die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau an das
kantonale Verwaltungsgericht. Dieses hiess ihre Beschwerde am 14. Mai 2008
teilweise gut und wies die Sache im Sinne seiner Erwägungen an die
Steuerverwaltung zur Neuveranlagung zurück. Es reduzierte den X.________ zu
gewährenden Versicherungsabzug von Fr. 3'100.-- auf Fr. 454.--. Hinzu addierte
es noch einen Sparzinsbetrag von Fr. 26.--, so dass es einen Abzug von
insgesamt Fr. 480.-- zuliess.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. Juni 2008
beantragt die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau dem Bundesgericht, den
Entscheid der Verwaltungsgerichts vom 14. Mai 2008 aufzuheben und die
Veranlagung gemäss Einspracheentscheid vom 18. Mai 2007 zu bestätigen.

C.
Das Verwaltungsgericht sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung verzichten auf
eine Vernehmlassung, Letztere mit der Begründung, es gehe nur um Fragen der
Auslegung von kantonalem Steuerrecht. Mit Eingabe vom 10. Juli 2008 stellt
X.________ den Antrag, die Beschwerde der kantonalen Steuerverwaltung
abzuweisen. Ausserdem beantragt sie sinngemäss, den erwähnten Entscheid des
Verwaltungsgerichts aufzuheben und denjenigen der Steuerrekurskommission vom
18. Dezember 2007 zu bestätigen.

Erwägungen:

1.
Das Verwaltungsgericht hat einen Rückweisungsentscheid gefällt, gegen den die
kantonale Steuerverwaltung vorliegend Beschwerde an das Bundesgericht führen
kann, gleich ob der angefochtene Entscheid als Endentscheid oder als
Zwischenentscheid zu qualifizieren ist (vgl. Art. 90 und 93 Abs. 1 lit. a BGG;
BGE 134 II 124 E. 1.3 S. 127 f. mit Hinweisen). Sie ist beschwerdebefugt, da
der angefochtene Entscheid eine im zweiten Titel des
Steuerharmonisierungsgesetzes geregelte Materie betrifft (Einkommens- und
Vermögenssteuer der natürlichen Personen); ob dieses dem Kanton insofern einen
gewissen Gestaltungsspielraum lässt, spielt für die Legitimation keine Rolle
(vgl. Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG, Art. 73 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14.
Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und
Gemeinden [StHG, Steuerharmonisierungsgesetz; SR 642.14]; § 142 Ziff. 4 des
Gesetzes des Kantons Thurgau vom 14. September 1992 über die Staats- und
Gemeindesteuern [StG/TG]; BGE 134 II 124 E. 2 S. 128 ff., insb. E. 2.6.3, 186
E. 1.4 S. 189 f.). Trotz Art. 73 Abs. 3 StHG - kassatorische Natur der
Beschwerde im Steuerharmonisierungsrecht - ist nicht nur der Antrag auf
Aufhebung des angefochtenen Urteils zulässig, sondern auch derjenige auf
Bestätigung des Einspracheentscheids (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG als lex
posterior; BGE 134 II 186 E. 1.5 S. 190 ff.).

2.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben
und den Entscheid der Steuerrekurskommission zu bestätigen. Dieses Begehren ist
nicht zulässig, da das Bundesgerichtsgesetz die Anschlussbeschwerde nicht kennt
(BGE 134 III 332 E. 2.5 S. 335; vgl. immerhin BGE 120 V 89 E. 5b S. 94 f.).

3.
Gemäss Art. 9 Abs. 1 StHG werden von den gesamten steuerbaren Einkünften unter
anderem die allgemeinen Abzüge abgerechnet. Hierzu gehören gemäss Art. 9 Abs. 2
lit. g StHG die Einlagen, Prämien und Beiträge für die Lebens-, die Kranken-
und die nicht unter Litera f fallende Unfallversicherung sowie Zinsen von
Sparkapitalien des Steuerpflichtigen und der von ihm unterhaltenen Personen,
"bis zu einem nach kantonalem Recht bestimmten Betrag, der pauschaliert werden
kann".
Die kantonalen Instanzen sind sich über die Anwendung von § 239 StG/TG, der
Art. 9 Abs. 2 lit. g StHG für das Jahr 2006 im Kanton Thurgau umsetzte,
uneinig. § 239 StG/TG lautet wie folgt:
1 In Abweichung zu § 34 Absatz 1 Ziffer 9 werden bis zur Inkraftsetzung des mit
dem Gesetz vom 30. Juni 2004 betreffend Änderung des Gesetzes über die Staats-
und Gemeindesteuern (Steuergesetz) geänderten § 34 Absatz 1 Ziffer 9 von den
Einkünften abgezogen:
die Einlagen, Prämien und Beiträge für die Lebens-, die Kranken- und die nicht
unter § 34 Absatz 1 Ziffer 8 fallende Unfallversicherung sowie die Zinsen von
Sparkapitalien des Steuerpflichtigen und der von ihm vertretenen Personen bis
zum Gesamtbetrag von:
a. Fr. 6 200.-- für verheiratete Personen, die in ungetrennter Ehe leben;
b. Fr. 3 100.-- für die übrigen Steuerpflichtigen;
c. zusätzlich Fr. 800.-- für jedes minderjährige oder in Ausbildung stehende
Kind, für deren Unterhalt er aufkommt.
2 Die erhaltenen Prämienverbilligungen sind von den in Absatz 1 angeführten
Gesamtbeträgen in Abzug zu bringen.

4.
Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass bei der Beschwerdegegnerin im Jahre
2006 Krankenkassenprämien von Fr. 3'886.-- angefallen sind. Ausserdem erhielt
die Beschwerdegegnerin für dieses Jahr Leistungen nach dem Bundesgesetz vom 19.
März 1965 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenversicherung (aELG; AS 1965 537).

4.1 Das Gemeindesteueramt hat den maximalen Abzugsbetrag, der alleinstehenden
Steuerpflichtigen gemäss § 239 Abs. 1 lit. b StG/TG zusteht (d.h. Fr.
3'100.--), um die erhaltenen Ergänzungsleistungen reduziert. Es beruft sich
hierbei auf § 239 Abs. 2 StG/TG. Weil diese Leistungen höher als Fr. 3'100.--
ausfielen, hat es den von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten
Versicherungsabzug vollständig verweigert.

4.2 Die Steuerrekurskommission vertritt demgegenüber die Ansicht, § 239 Abs. 2
StG/TG erfasse nur die individuellen Prämienverbilligungen "im eigentlichen
Sinn" und nicht die Ergänzungsleistungen. Daher sei eine Kürzung des maximalen
Abzugsbetrages nach dieser Bestimmung nicht zulässig und der Beschwerdegegnerin
der volle Versicherungsabzug von Fr. 3'100.-- zu gewähren.

4.3 Das Verwaltungsgericht hält unter Hinweis auf § 26 Ziff. 6 StG/TG fest,
dass Ergänzungsleistungen dem steuerbaren Einkommen nicht hinzuzurechnen seien;
das gelte auch für denjenigen Betrag, der der Erstattung der
Krankenkassenprämien diene. Umgekehrt könnten dann aber durch
Ergänzungsleistungen bezahlte Krankenkassenprämien logischerweise auch nicht
als steuerrechtliche Abzüge geltend gemacht werden. Ein Abzug von den
Einkünften gemäss § 239 StG/TG komme deshalb nur in Betracht, soweit der
Steuerpflichtige über die ihm durch Ergänzungsleistungen erstatteten
Krankenkassenprämien hinaus selber Prämien bezahlt habe, sei es, weil seine
Krankenkasse tatsächlich teurer als die Durchschnittskasse sei oder weil er
über die Grunddeckung hinaus Zusatzversicherungen abgeschlossen habe. In diesem
Umfang sei dann von einer Selbstvorsorge des Steuerpflichtigen auszugehen. Bei
einer effektiven Krankenkassenprämie der Beschwerdegegnerin im Jahre 2006 von
Fr. 3'886.-- und einer für dieses Jahr festgelegten Durschnittsprämie von Fr.
3'432.--, ergebe sich aus der Differenz der Betrag von Fr. 454.-- als
Selbstvorsorge, der gemäss § 239 StG/TG von den Einkünften abgezogen werden
könne. Eine andere Auslegung von § 239 Abs. 2 StG/TG würde klar gegen die
abschliessende Regelung von Art. 9 Abs. 2 lit. g StHG verstossen und wäre
bundesrechtswidrig.

5.
Die Steuerverwaltung macht geltend, die Lösung des Verwaltungsgerichts
widerspreche dem klaren Wortlaut von § 239 Abs. 2 StG/TG und verletze
Bundesrecht. Dieses habe durch Art. 9 Abs. 2 lit. g StHG dem kantonalen
Gesetzgeber "bei der Ausgestaltung des Pauschalabzugs freie Hand gelassen".
Art. 9 Abs. 2 StHG enumeriere zwar abschliessend die zulässigen allgemeinen
Abzüge. Bei der "betraglichen Limitierung" sei den Kantonen hingegen ein
Gestaltungsspielraum eingeräumt worden. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht
davon aus, dass § 239 Abs. 2 StG/TG harmonisierungswidrig sei und daher
entgegen dessen klaren Wortlaut anders bzw. gar nicht angewendet werden müsse.

6.
Die Beachtung der Vorgaben der Steuerharmonisierung prüft das Bundesgericht mit
voller Kognition. Soweit der Bundesgesetzgeber dem kantonalen Gesetzgeber
indessen einen Gestaltungsspielraum einräumt, ist die Prüfungsbefugnis des
Bundesgerichts beschränkt (vgl. BGE 131 II 722 E. 2.2 S. 724; 130 II 202 E. 3.1
S. 206). Die Anwendung von nicht harmonisierungsbedürftigem kantonalem Recht
wird nur auf Willkür hin überprüft (BGE 134 I 153 E. 4.2.2 S. 158). Die
kantonale Steuerverwaltung wäre zwar berechtigt gewesen, eine Verletzung von
Bundesverfassungsrecht geltend zu machen (vgl. BGE 134 II 124 E. 3.3 und 3.4 S.
132 f.). Das hat sie aber nicht - oder zumindest nicht in substantiierter Weise
- getan, so dass sich eine diesbezügliche Prüfung erübrigt (vgl. Art. 106 Abs.
2 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 2 BGG). Ihre rechtsgenüglichen Rügen
beschränken sich auf die falsche Anwendung des Steuerharmonisierungsrechts.

7.
Die allgemeinen Abzüge sind in Art. 9 Abs. 2 StHG abschliessend geregelt. Zum
einen sind andere Abzüge als diejenigen, die in Art. 9 StHG vorgesehen sind,
nicht zulässig (Art. 9 Abs. 4 StHG). Zum anderen müssen die Kantone die in Art.
9 Abs. 2 StHG aufgezählten Abzüge auch tatsächlich gewähren (BGE 128 II 66 E.
4b S. 71). Mit den allgemeinen Abzügen wird effektiven Ausgaben, welche die
Steuerpflichtigen getätigt haben, Rechnung getragen (Markus Reich, in:
Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, StHG, 2. Aufl. 2002, N. 23
zu Art. 9 StHG).
Gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. g StHG sollen die Kantone die Abzüge für
Versicherungs- und Sparzinsen betragsmässig beschränken. Allerdings können dem
Steuerharmonisierungsgesetz keine Anhaltspunkte entnommen werden, wie hoch der
diesbezügliche maximale Abzugsbetrag sein darf. Nur insoweit steht den Kantonen
ein Gestaltungsspielraum zu, der allenfalls durch Art. 8 Abs. 1 und Art. 9 BV
begrenzt wird (vgl. BGE 128 II 66 E. 4b S. 71; Markus Reich, a.a.O., N. 29 und
31 zu Art. 9 StHG). Die Regelungen in Art. 9 StHG sollen neben einer
Harmonisierung zwischen den Kantonen (horizontal) auch eine Angleichung
zwischen der direkten Bundessteuer und den Staatssteuern der Kantone (vertikal)
und damit eine bessere Transparenz des schweizerischen Steuersystems bewirken
(vgl. BGE 128 II 66 E. 4b S. 72; 130 II 65 E. 5.2 S. 73). Entgegen der Ansicht
der kantonalen Steuerverwaltung besteht zwischen Art. 9 Abs. 2 lit. g StHG und
Art. 33 Abs. 1 lit. g DBG (SR 642.11), der ebenfalls den Versicherungs- und
Sparzinsenabzug vorsieht, keine erhebliche Abweichung. Der einzige Unterschied
liegt darin, dass im DBG die maximalen Abzugsbeträge beziffert werden.

8.
8.1 Gemäss Art. 26 der Verordnung vom 15. Januar 1971 über die
Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
(ELV; SR 831.301) erhalten Bezüger von jährlichen Ergänzungsleistungen einen
Gesamtbetrag (Ergänzungsleistung und Differenzbetrag zur Prämienverbilligung),
der mindestens der Höhe der Prämienverbilligung entspricht, auf die sie
Anspruch haben. Nach § 9 Abs. 2 der Verordnung des Regierungsrates des Kantons
Thurgau vom 19. Dezember 1995 zum Gesetz über die Krankenversicherung erstattet
das kantonale Amt für AHV und IV den Empfängern von Ergänzungsleistungen die
Krankenversicherungsprämie monatlich im Ausmass der vom Eidgenössischen
Departement des Innern (EDI) festgelegten Durchschnittsprämien. Wie die
Vorinstanz richtig festgehalten hat, beträgt diese jährliche
Durchschnittsprämie im Jahr 2006 für den Kanton Thurgau Fr. 3'432.-- (vgl. Art.
4 der Verordnung des EDI vom 25. Oktober 2005 über die kantonalen
Durchschnittsprämien 2006 der Krankenpflegeversicherung für die Berechnung der
Ergänzungsleistungen, AS 2005 5197).
Nach dem Gesagten sind die Steuerverwaltung und das Verwaltungsgericht zu Recht
davon ausgegangen, dass sich die von der Beschwerdegegnerin für das Jahr 2006
empfangenen Fr. 3'432.-- Ergänzungsleistungen auf die Belastung durch die
Krankenkassenprämien beziehen und nicht - wie die Beschwerdegegnerin meint - zu
einem überwiegenden Teil auf andere Ausgaben zu verteilen sind (vgl. auch Erwin
Carigiet/Uwe Koch, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, Supplement, 2000, S. 83;
Dieter Widmer, Die Sozialversicherung in der Schweiz, 6. Aufl. 2008, S. 128).

8.2 Wie die Vorinstanz ausserdem richtig ausführt, sind die
Ergänzungsleistungen nach § 26 StG/TG steuerfrei. Diese Regel entspricht den
Vorgaben von Art. 7 Abs. 4 lit. k StHG und gilt gemäss Art. 24 lit. h DBG auch
für die direkte Bundessteuer. Konsequenterweise ist dann aber auch kein
Versicherungsabzug nach § 239 StG/TG möglich, soweit die Krankenkassenprämien
durch steuerfreie Ergänzungsleistungen ausgeglichen wurden. Denn in besagtem
Umfang fehlt es an effektiven Ausgaben, die der Steuerpflichtige selber zu
tragen hatte (s. E. 7 hievor). Ebenso wird bei der direkten Bundessteuer im
Rahmen von Art. 33 Abs. 1 lit. g DBG verfahren (vgl. Peter Locher, Kommentar
zum DBG, 2001, N. 75 zu Art. 33 DBG; Gladys Laffely Maillard, in: Commentaire
romand, Impôt fédéral direct, 2008, N. 84 zu Art. 33 DBG; Agner/Jung/Steinmann/
Neuhaus, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, Ergänzungsband,
2000, N. 21a zu Art. 33 DBG; Rundschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung
vom 27. September 1996 zur steuerlichen Auswirkung des neuen
Krankenversicherungsgesetzes, lit. III, publ. in: Die Praxis der Bundessteuern,
Peter Agner [Hrsg.], Die direkte Bundessteuer, Bd. 6, Rundschreiben).
Demzufolge kommt - entgegen der Ansicht der Steuerrekurskommission - als Abzug
für die Krankenversicherung nur der von der Beschwerdegegnerin letztlich selber
getragene Teilbetrag von Fr. 454.-- (d.h. Versicherungsprämie von Fr. 3'886.--
abzüglich Erstattungsbetrag in Form von Ergänzungsleistungen in Höhe von Fr.
3'432.--) in Betracht.

8.3 Wie ausgeführt (E. 7 hievor), müssen die Kantone Abzüge für
Krankenversicherungsprämien zulassen. Sie sind nur frei, zu bestimmen, wie hoch
der maximale Versicherungs- und Sparzinsenabzug sein darf. Hingegen dürfen sie
- im Gegensatz zu den Krankheitskosten nach Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG -
namentlich nicht einen Selbstbehalt vorsehen, der überschritten werden muss,
damit Abzugsbeträge angemeldet werden können. Ebenso wenig dürfen sie andere
Schranken setzen, die verhindern, dass vom Steuerpflichtigen effektiv selbst
getragene Kosten anerkannt werden. Der Kanton Thurgau hat den Maximalbetrag
nach Art. 9 Abs. 2 lit. g StHG für das Jahr 2006 pauschal auf Fr. 3'100.--
festgesetzt. Bis zu diesem Betrag muss der Steuerpflichtige die in dieser
Bestimmung genannten Beiträge und Prämien, die ihm nicht anderweitig steuerfrei
erstattet wurden, denn auch als allgemeine Abzüge geltend machen können. Der
Lösungsansatz des Verwaltungsgerichts gewährleistet dies, derjenige der
kantonalen Steuerverwaltung hingegen nicht. Denn Letztere verwehrt der
Beschwerdegegnerin den Abzug der von ihr effektiv getragenen Prämienanteile,
die zusammen mit den erwähnten Sparzinsen den in § 239 Abs. 1 StG/TG
festgesetzten Maximalbetrag nicht erreichen.
Zwar mag die Auffassung der kantonalen Steuerverwaltung im Wortlaut von § 239
Abs. 2 StG/TG eine Stütze finden (vgl. allgemein zur Auslegung: BGE 132 II 200
E. 1.6 S. 203; 125 II 113 E. 3a S. 117, 521 E. 3c/aa S. 525). Ob das - wie von
ihr behauptet - auch dem wirklichen Willen des kantonalen Gesetzgebers
entspricht, ist jedoch ungewiss; sie hat dazu nichts dargelegt. Darauf kommt es
letztlich auch nicht an. Entscheidend ist hier, dass die Lösung des
Verwaltungsgerichts harmonisierungskonform ist, während diejenige der
Steuerverwaltung Art. 9 Abs. 2 lit. g StHG widerspricht und daher mit Blick auf
Art. 72 Abs. 2 StHG keine Anwendung finden kann. Die Vorgehensweise des
Verwaltungsgerichts zu der Staatssteuer steht im Übrigen mit derjenigen nach
dem DBG im Einklang. Bezeichnenderweise gewährte denn auch die kantonale
Steuerverwaltung der Beschwerdegegnerin für die direkte Bundessteuer den
Versicherungs- und Sparzinsenabzug in Höhe von Fr. 480.--.

9.
9.1 Dem Gesagten zufolge erweist sich die Beschwerde der kantonalen
Steuerverwaltung als unbegründet und ist abzuweisen.

9.2 Da es um Vermögensinteressen des Kantons Thurgau geht, hat dieser gemäss
Art. 65 und 66 Abs. 1 und 4 BGG die Verfahrenskosten zu tragen. Das Gesuch um
unentgeltliche Prozessführung der Beschwerdegegnerin ist damit gegenstandslos.
Der anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdegegnerin ist keine
Parteientschädigung auszurichten (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Kanton Thurgau auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Dezember 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Merz