Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.41/2008
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2C_41/2008/leb

Urteil vom 21. Januar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Feller.

X. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch
Fürsprecher Christian Wyss,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Speichergasse 12, 3011 Bern,
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern.

Nichtgewährung des Rechts auf unentgeltliche Prozessführung,

Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung,
vom 14. Dezember 2007.

Erwägungen:

1.
X. ________, geb. 1974, Staatsangehörige von Angola, heiratete am 4. Dezember
1998 in Kenia den Schweizer Bürger Y.________; das Ehepaar hat eine am **. **
1999 geborene Tochter, welche Schweizer Bürgerin ist. Im Juli 2001 erhielt
X.________ gestützt auf Art. 7 ANAG die Aufenthaltsbewilligung. Seit November
2002 leben die Ehegatten getrennt. In einer am 21. Dezember 2004 gerichtlich
genehmigten Trennungsvereinbarung wurde die Tochter für die Dauer der
Aufhebung des gemeinsamen Haushalts unter die Obhut des Vaters gestellt; die
Mutter, welche seit 2003 von den Sozialhilfebehörden unterstützt wird, hat
ein Besuchsrecht.

Am 20. Februar 2007 lehnte der Migrationsdienst des Kantons Bern das Gesuch
von X.________ um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und setzte ihr
eine Ausreisefrist an (Wegweisung). Die Polizei- und Militärdirektion des
Kantons Bern wies am 16. August 2007 die gegen die Verfügung des
Migrationsdienstes erhobene Beschwerde ab, wobei dem für das
Beschwerdeverfahren vor der Direktion gestellten Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege entsprochen wurde. Am 17. September 2007 erhob X.________ gegen
diesen Entscheid Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Bern; sie
ersuchte auch für das Verfahren vor Verwaltungsgericht um Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom
14. Dezember 2007 wies das Verwaltungsgericht das Gesuch ab; zugleich wurde
X.________ aufgefordert, bis zum 14. Januar 2008 einen
Gerichtskostenvorschuss von Fr. 2'500.-- beim Verwaltungsgericht einzuzahlen.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. Januar 2008
beantragt X.________ dem Bundesgericht, die Verfügung des Verwaltungsgerichts
aufzuheben und dieses anzuweisen, ihr im dort hängigen Beschwerdeverfahren
das Recht auf unentgeltliche Prozessführung zu gewähren.

Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.

2.
2.1 Gemäss Art. 29 Abs. 3 Satz 1 BV hat jede Person, die nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn
ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Keine weitergehenden
Garantien räumt das kantonale Recht ein; die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege ist insbesondere an die Voraussetzung geknüpft, dass das
Verfahren nicht aussichtslos erscheint (Art. 111 Abs. 1 des bernischen
Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG]). Nach der
Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 3 BV sind Prozessbegehren als aussichtslos
anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die
Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können.
Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten
und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer
sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen
finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem
Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf
eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen
können, weil er sie nichts kostet (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.; 128 I
225 E. 2.5.3 S. 235 f.). Die über die unentgeltliche Rechtspflege befindende
Behörde prüft die Prozessaussichten aufgrund einer summarischen Prüfung der
Angelegenheit und begründet ihre Einschätzung entsprechend bloss summarisch.

Die Beschwerdeführerin hebt hervor, dass der Prozessausgang massiv ihre
persönlichen Rechte und Lebenschancen betreffe; jede bemittelte Person würde
unter diesen Umständen den Prozess unter Einsatz der zur Verfügung stehenden
Mittel führen, selbst wenn die Erfolgschancen gering eingestuft würden. Die
Beschwerdeführerin übersieht bei dieser Gewichtung, dass es nicht Sinn und
Zweck von Art. 29 Abs. 3 BV entspricht, das Gemeinwesen selbst dann dazu zu
verpflichten, einer Partei die zur Führung eines Prozesses fehlenden Mittel
zur Verfügung zu stellen, wenn die Erfolgsaussichten von deren Rechtsvorkehr
bei vernünftiger Betrachtungsweise nur gering erscheinen.

2.2 Das Verwaltungsgericht hat die Frage der Erfolgsaussichten in Anwendung
der vorstehend wiedergegebenen Kriterien geprüft. Gegenstand des bei ihm
hängigen Beschwerdeverfahrens, für welches die unentgeltliche Rechtspflege
beansprucht wird, ist der Beschwerdeentscheid der Polizei- und
Militärdirektion des Kantons Bern über die Nichtverlängerung der
Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin. Das Verwaltungsgericht hält
vorerst fest, eine Berufung auf die Ehe mit einem Schweizer Bürger bzw. auf
Art. 7 ANAG erweise sich im Fall der Beschwerdeführerin als
rechtsmissbräuchlich, nachdem seit der Trennung im November 2002 mit einer
Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr gerechnet werden könne.
An dieser Einschätzung bestehen in Berücksichtigung der diesbezüglichen, in
der angefochtenen Verfügung zutreffend wiedergegebenen bundesgerichtlichen
Rechtsprechung keine ernsthaften Zweifel; die Berufung der Beschwerdeführerin
auf das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 16. Dezember
2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG; SR
142.20/AS 2007 5437) geht schon angesichts von Art. 126 Abs. 1 AuG fehl,
wobei zudem das eheliche Zusammenleben in der Schweiz nicht drei Jahre,
sondern bloss ein Jahr und wenige Monate dauerte. Für den
Bewilligungsentscheid ist allein die - im Rahmen eines Besuchsrechts
gepflegte - Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrer Tochter von Bedeutung.
Das Verwaltungsgericht hat die diesbezüglich von der Rechtsprechung aus Art.
8 EMRK abgeleiteten Grundsätze richtig dargestellt: die Beziehung zwischen
dem Ausländer und seinem (mit gefestigtem Anwesenheitsrecht) in der Schweiz
ansässigen Kind muss in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht besonders
eng sein; zudem darf das bisherige Verhalten des Ausländers zu keinerlei
Klagen Anlass gegeben haben. Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede,
dass sie ihrer Tochter zu keinem Zeitpunkt eine finanzielle Stütze war und
mehrfach und in strafrechtlich relevanter Weise zu Klagen Anlass gegeben hat.
Das Verwaltungsgericht geht zudem davon aus, dass es an den Voraussetzungen
zur Annahme einer besonders engen affektiven Mutter-Tochter-Beziehung fehle;
namentlich hält es fest, dass die Beschwerdeführerin ihr Besuchsrecht bis
Ende 2006 kaum bzw. unregelmässig ausgeübt habe und dass für die Zeit ab 2007
keine konkreten Angaben über Art, Häufigkeit und Intensität der Kontaktpflege
gemacht worden seien. Zu diesem Gesichtspunkt äussert sich die
Beschwerdeführerin vor Bundesgericht überhaupt nicht. Schliesslich
widerspricht sie den Erwägungen des Verwaltungsgerichts über fehlende
Integration nicht.

Damit aber lässt sich in keiner Weise beanstanden, dass das
Verwaltungsgericht die bei ihm hängige Beschwerde als aussichtslos erachtet
hat. Es hat Art. 29 Abs. 3 BV nicht verletzt, wenn es das Gesuch der
Beschwerdeführerin um unentgeltliche Prozessführung ablehnte und sie zur
Bezahlung eines Kostenvorschusses aufforderte.

Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, dass die Beschwerdeführerin eine
Überprüfung des negativen Bewilligungsentscheids durch die Justiz- und
Polizeidirektion herbeiführen und insofern wirksam Beschwerde führen konnte
(Art. 13 in Verbindung mit Art. 8 EMRK).

2.3 Die Beschwerde erweist sich als im Sinne von Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG
offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109
BGG abzuweisen.

2.4 Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, erschien die Beschwerde
von vornherein aussichtslos. Das auch für das bundesgerichtliche Verfahren
gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist daher
gestützt auf Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG abzuweisen.

Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

2.5 Mit der Ausfällung des vorliegenden Urteils wird das im Hinblick auf die
Aufforderung, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht innert am 14. Januar
2008 ablaufender Frist einen Kostenvorschuss zu bezahlen, gestellte Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Es obliegt dem Verwaltungsgericht zu
entscheiden, wie die am letzten Tag erfolgte Einreichung des vorliegenden
bundesrechtlichen Rechtsmittels, welches beim Bundesgericht erst nach Ablauf
der Zahlungsfrist eingegangen ist, im Hinblick auf die Fristwahrung zu werten
ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 400.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und der Polizei- und Militärdirektion
des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Januar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Feller