Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.413/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_413/2008/ble

Urteil vom 24. Juni 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Steiner,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich.

Gegenstand
Bestätigung der Durchsetzungshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter, vom 16.
Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ (geb. 1985) stammt aus Nigeria. Er wurde am 2. März 2007 im
Asylverfahren rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen. Die Staatsanwaltschaft
Zürich-Limmat verurteilte ihn am 17. April 2007 unter anderem wegen mehrfachen
Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 90
Tagessätzen zu Fr. 30.-- und zu einer Busse von Fr. 3'000.--. Vom 19. Juli bis
zum 17. August 2007 befand sich X.________ wegen des Verdachts des Handels mit
Betäubungsmitteln in Untersuchungshaft. Auf die Entlassung aus dieser hin nahm
das Migrationsamt des Kantons Zürich ihn in Ausschaffungshaft, welche zuletzt
bis zum 16. Mai 2008 verlängert wurde.

B.
Am 8. Mai 2008 ordnete das Migrationsamt des Kantons Zürich gegen X.________
die Durchsetzungshaft an, da er seiner Pflicht zur Ausreise nicht freiwillig
nachgekommen sei und die rechtskräftige Wegweisung wegen seines Verhaltens mit
keinem milderen Mittel mehr vollzogen werden könne. Der Haftrichter am
Bezirksgericht Zürich genehmigte die Durchsetzungshaft am 16. Mai 2008 bis zum
16. Juni 2008.

C.
X.________ ist hiergegen am 2. Juni 2008 mit dem Antrag an das Bundesgericht
gelangt, er sei umgehend freizulassen; zudem sei ausdrücklich festzustellen,
"dass die Haftbedingungen im Ausschaffungsknast Kloten nach einer Dauer von 9
Monaten gegen Art. 1 Folterkonvention, Art. 10 Abs. 3 Bundesverfassung resp.
Art. 3 EMRK" verstiessen; zudem sei festzuhalten, dass es unzulässig war, ihn
"anlässlich der Haftrichterverhandlung vom 16. Mai 2008 im Gefangenenwagen der
Polizei zu transportieren", ihn "mit Hand- und/oder Fussketten zu fesseln" und
"im Haftbereich in einer Abstandszelle" unterzubringen.
Das Migrationsamt beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Der Haftrichter hat auf
eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesamt für Migration macht geltend, dass
X.________ "jederzeit" auf der nigerianischen Botschaft verlangen könne, ihm
sei ein Laissez-Passer auszustellen, worauf er "innert weniger Tage" heimkehren
könne. X.________ hat am 16. Juni 2008 an seinen Ausführungen und Anträgen
festgehalten.

D.
Am 12. Juni 2008 genehmigte der Haftrichter am Bezirksgericht Zürich die
Verlängerung der Durchsetzungshaft von X.________ bis zum 16. August 2008.

Erwägungen:

1.
1.1 Gegen kantonale richterliche Entscheide betreffend die Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
offen, soweit der Betroffene an der Beurteilung seiner Eingabe ein aktuelles
praktisches Interesse hat (Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG; vgl. zu Art. 103 lit. a
OG: BGE 131 II 670 E. 1.2, 361 E. 1.2). Fällt das aktuelle Interesse im Verlauf
des Verfahrens dahin, wird die Sache als erledigt erklärt; fehlte es schon bei
der Beschwerdeeinreichung, ist auf die Eingabe nicht einzutreten (vgl. BGE 118
Ia 488 E. 1a; 118 Ib 1 E. 2 S. 7; 111 Ib 56 E. 2).
1.2
1.2.1 Im vorliegenden Fall ist das aktuelle Interesse an der Beurteilung der
Eingabe während der (beschleunigten) Instruktion des bundesgerichtlichen
Verfahrens dahingefallen: Der Beschwerdeführer befindet sich zwar nach wie vor
in Durchsetzungshaft, doch beruht diese nunmehr allein auf dem
Haftgenehmigungsentscheid vom 12. Juni 2008. Der Beschwerdeführer stellt in
seiner Eingabe die Haft als solche nicht in Frage, sondern kritisiert
ausschliesslich die Haftbedingungen. Das Bundesgericht hat diese am 18. März
2008 geprüft und für die "erste Hälfte der maximal zulässigen Haftdauer"
grundsätzlich als bundesrechts- und konventionsrechtskonform bezeichnet (Urteil
2C_169/2008). Für längere Aufenthalte empfahl es den Zürcher Behörden mit Blick
auf künftige Verfahren, Lärmmessungen durchzuführen; dabei gehe es darum, über
eine "Momentaufnahme", wie sie einem Augenschein zu Grunde liege, hinaus
objektive Grundlagen für eine definitive Beurteilung zu schaffen. Entsprechende
Abklärungen sind eingeleitet worden, dauern aber naturgemäss eine gewisse Zeit.
1.2.2 Es rechtfertigt sich auch nicht, ausnahmsweise vom Erfordernis des
aktuellen Interesses abzusehen, weil die aufgeworfenen Fragen im Einzelfall
kaum je rechtzeitig höchstrichterlich überprüft werden könnten (BGE 131 II 670
E. 1.2 S. 674). Der Beschwerdeführer bringt über weite Strecken die gleichen
Rügen vor wie die im Urteil vom 18. März 2008 beurteilten. Zudem hat er die im
vorliegenden Zusammenhang erhobenen Beanstandungen an der
Haftrichterverhandlung vom 12. Juni 2008 erneuert und mit weiteren Argumenten
ergänzt (Fehlen eines Verpflegungsautomaten). Der vorliegend angefochtene
Entscheid ist in den beanstandeten Punkten somit vollumfänglich durch den
Verlängerungsentscheid ersetzt worden. Das Verfahren kann deshalb als
gegenstandslos geworden abgeschrieben werden (vgl. das Urteil 2C_362/2007 vom
30. August 2007, E. 1).

2.
2.1 Über die Kosten- und Entschädigungsfrage ist gestützt auf eine summarische
Prüfung zu entscheiden. Dabei geht es nicht darum, die Prozessaussichten im
Einzelnen zu vertiefen und dadurch weitere Umtriebe zu verursachen; vielmehr
muss es bei einer knappen Beurteilung der Aktenlage sein Bewenden haben. Es
soll auf dem Weg über den Kostenentscheid nicht ein materielles Urteil gefällt
und unter Umständen der Entscheid in einer heiklen Rechtsfrage präjudiziert
werden (vgl. Philipp Gelzer, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger, BKK
Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, N 14 zu Art. 71 BGG).
2.2
Die Eingabe des Beschwerdeführers hätte keine ernsthaften Aussichten auf Erfolg
gehabt:
2.2.1 Seine Haftbedingungen sind - wie bereits dargelegt - am 18. März 2008
detailliert geprüft worden; soweit der Sachverhalt unvollständig festgestellt
erscheinen konnte (Lärm- und Luftbelastung), sind die entsprechenden
Abklärungen im Gang; sie werden in absehbarer Zeit abzuschliessen sein. Hernach
wird im Rahmen eines Entlassungsgesuchs bzw. bei einer weiteren obligatorischen
Haftprüfung - sollte die Festhaltung des Beschwerdeführers fortgesetzt werden -
definitiv über die noch offenen Fragen bezüglich der Haftbedingungen
entschieden werden können. Wie bereits am 18. März 2008 festgehalten wurde,
vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, dass die Haftbedingungen im
Flughafengefängnis als geradezu gesundheitsschädigend einzustufen wären und er
einem so erheblichen Leiden ausgesetzt erscheint, dass von einer
unmenschlichen, erniedrigenden Behandlung bzw. einem Verstoss gegen die
Menschenwürde gesprochen werden müsste und ein sofortiges Einschreiten des
Bundesgerichts geboten erschiene (Urteil 2C_169/2008 vom 18. März 2008, E.
4.7).
2.2.2 Der Beschwerdeführer befindet sich heute zudem nicht mehr in
Ausschaffungs-, sondern in Durchsetzungshaft. Diese dient dazu, den Vollzug der
Wegweisung auch dann organisieren zu können, wenn er - wie hier -
ausschliesslich noch am unkooperativen Verhalten bzw. am Willen des Betroffenen
scheitert (BGE 134 I 92 E. 2). Die Haftbedingungen sind an diesem Zweck zu
messen: Der Betroffene soll (als letzte Möglichkeit) dazu verhalten werden,
seinen Widerstand aufzugeben und - der in einem rechtsstaatlichen Verfahren
ergangenen Anordnung entsprechend - das Land umgehend zu verlassen. Der
Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er ohne weiteres in seine Heimat
zurückkehren könnte, sollte er bei der Botschaft ein entsprechendes Gesuch
stellen; er ist inzwischen unbestrittenermassen als nigerianischer Staatsbürger
anerkannt worden. Das Strafverfahren gegen ihn wurde teilweise eingestellt;
sollte es weitergeführt werden müssen und seine Anwesenheit hierfür
erforderlich sein, könnte ihm nötigenfalls eine erneute Einreise ermöglicht
werden; er kann aus dem entsprechenden Verfahren - entgegen seinen Behauptungen
- keinen Anspruch auf Aufenthalt im Land ableiten. Dasselbe gilt für das von
ihm gegen verschiedene Polizisten eingeleitete Strafverfahren, nachdem seine
Einvernahme stattgefunden hat und er in der Schweiz über einen Anwalt verfügt,
der seine Interessen vertritt. Für eine allfällige "Vertuschungsabsicht" der
Behörden bestehen keine Hinweise, umso weniger, als sein Rechtsvertreter
bereits angekündigt hat, dass er die von ihm aufgeworfenen Fragen durch den
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werde überprüfen lassen (vgl. BGE
131 I 455 ff.).
2.2.3 Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer sich
einmal mehr weitgehend abstrakt gegen die Haftbedingungen wehrt, indessen nicht
darlegt, wie er selber durch diese in einer Art und Weise beeinträchtigt wird,
welche mit dem angerufenen Art. 3 EMRK bzw. der Folterkonvention nicht
vereinbar wäre ("Familienzimmer", "Verpflegungsautomat" usw.). Für
Haftbedingungen, welche tatsächlich als "unmenschlich" und "erniedrigend" zu
gelten haben, kann auf das EGMR-Urteil vom 12. Juli 2007 i.S. Testa gegen
Kroatien verwiesen werden ([Nr. 20877/04] EuGRZ 2008 S. 21 ff.). Die dort
bestrittenen Verhältnisse sind mit den vorliegenden in keiner Weise
vergleichbar. Wie bereits im Urteil vom 18. März 2008 ausgeführt wurde, ist es
dem Bundesgericht verwehrt, die Haft in einem konkreten Fall als unzulässig zu
beurteilen, solange der gesetzliche Mindeststandard eingehalten ist, selbst
wenn eine grosszügigere Behandlung möglich wäre und in gewissen Kantonen auch
gewährt wird. Das Bundesgericht kann die Haftbedingungen bei der
Haftgenehmigung nur auf den konkreten Fall bezogen überprüfen und nur
beschränkt allgemeine Kontrollen vornehmen oder generelle Überlegungen zum
Haftregime anstellen. Im Haftprüfungsverfahren geht es um die hauptsächlichen
Haftbedingungen, welche geeignet sind, die Zumutbarkeit der Festhaltung als
solche zu beeinträchtigen; andere Beanstandungen sind im Kanton
aufsichtsrechtlich geltend zu machen und können bei Vorliegen der
entsprechenden Beschwerdevoraussetzungen über diesen Weg vor Bundesgericht
getragen werden (Urteil 2C_169/2008 vom 18. März 2008, E. 4.3 mit Hinweis).
2.2.4 Dies gilt auch für die vom Beschwerdeführer kritisierte Überstellung mit
Handschellen im Polizeitransportfahrzeug an die Haftrichterverhandlung und den
Aufenthalt in der "Abstandszelle". Dabei geht es nicht um eine eigentliche
Haftbedingung, sondern um die Art und Weise der Zuführung und der Organisation
der mündlichen Prüfung der Haftanordnung durch den Richter. Es gilt dabei -
nach gewissen gerichtsnotorischen Vorfällen - sowohl die Sicherheit des
Personals und des Gerichts sowie jene der gleichzeitig transportierten anderen
Administrativhäftlinge zu gewährleisten, was die Fesselung während des
Transports und gewisse Sicherheitsmassnahmen im Gerichtssaal rechtfertigen
kann. Soweit der Beschwerdeführer einwendet, dass dies bei ihm nicht nötig sei,
genügt darauf hinzuweisen, dass er wegen seines Verhaltens auch schon in eine
Einzelzelle verlegt werden musste und seine Beziehungen zum Betreuungspersonal
als angespannt eingeschätzt werden.

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend hätte der Beschwerdeführer somit die Kosten
für das bundesgerichtliche Verfahren zu tragen, doch rechtfertigt es sich
aufgrund der Umstände, keine solchen zu erheben (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen
Aussichtslosigkeit der Eingabe abzuweisen (Art. 64 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieser Entscheid wird den Parteien, dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, und
dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. Juni 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Hugi Yar