Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.386/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_386/2008

Urteil vom 31. Oktober 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Veterinäramt des Kantons Zürich,
Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Beschlagnahme und Euthanasierung eines Hundes,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Kammer, vom 13. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 23. Oktober 2006 erhielt der damals in Zürich wohnhafte X.________ für
seinen Hund B.________ - einen männlichen American Staffordshire Terrier,
geboren 2003 - vom Veterinäramt des Kantons Zürich gestützt auf ein vom
Bezirkstierarzt Horgen am 18. Oktober 2006 erstattetes Gutachten (Wesenstest)
die Bewilligung zur Befreiung des Tieres vom Leinen- und Maulkorbzwang. Wenig
später, am 10. November 2006, wurde er von der Staatsanwaltschaft des Kantons
St. Gallen wegen einer Reihe von Delikten (die zum Teil auch mit dem Handel und
der Einfuhr von Hunden im Zusammenhang standen) zu drei Monaten Gefängnis
(bedingt) und zu einer Busse von Fr.1'100.- verurteilt.
Am 12. Juni 2007 wurde der Hund B.________ streunend in der Nähe einer
Kinderkrippe von der Stadtpolizei Zürich aufgegriffen und vom kantonalen
Veterinäramt gleichentags provisorisch beschlagnahmt. X.________ befand sich zu
diesem Zeitpunkt (von Ende April 2007 bis Ende Juni 2007) in Untersuchungshaft
und hatte die Betreuung seines Hundes einem Bekannten überlassen. Gestützt auf
das Verhalten des Tieres im Tierheim T.________ (Anspringen einer Pflegerin,
neurologische Auffälligkeiten) verfügte das kantonale Veterinäramt, nachdem
sich X.________ schriftlich ausführlich geäussert hatte, am 3. Juli 2007 die
definitive Beschlagnahmung und Euthanasierung des Hundes, unter Entzug der
aufschiebenden Wirkung. Am 13. Juli 2007 brach X.________ in das Tierheim ein,
nahm den Hund an sich und verbrachte ihn nach Italien. Am 24. Juli 2007 erhob
er gegen die Euthanasierungsverfügung zudem Rekurs an die Gesundheitsdirektion
des Kantons Zürich, den diese am 6. Dezember 2007 abwies. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich bestätigte diesen Entscheid auf
Beschwerde hin am 13. März 2008.

B.
X.________ erhebt gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts mit Eingabe vom 18.
Mai 2008 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben. Mit Schreiben vom 2. Juni 2008 ersucht er
zudem um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

C.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt - unter Verzicht auf
Gegenbemerkungen - Abweisung der Beschwerde, ebenso die Gesundheitsdirektion
des Kantons Zürich. Das kantonale Veterinäramt stellt in seiner Stellungnahme
den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen der
Ausschlusstatbestände gemäss Art. 83 BGG fällt, weshalb das Rechtsmittel der
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen steht.

1.2 Als Halter des zu euthanasierenden Hundes ist der Beschwerdeführer durch
die streitige Anordnung in schutzwürdigen eigenen Interessen betroffen und
insoweit zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs.1 BGG). Es fragt sich
allerdings, ob er aufgrund der heutigen Sachlage an der Überprüfung des
angefochtenen Urteils noch ein aktuelles Rechtsschutzinteresse besitzt. Das
betreffende Tier befindet sich gemäss den Feststellungen im angefochtenen
Urteil zur Zeit nicht mehr im Gewahrsam der zürcherischen Behörden, sondern es
wurde vom Beschwerdeführer - der sich deswegen strafrechtlich zu verantworten
hat oder hatte - eigenmächtig ins Ausland verbracht. Gegenüber der
Kantonspolizei Zürich hatte der Beschwerdeführer bei seiner diesbezüglichen
Einvernahme am 20. Juli 2007 Folgendes erklärt:
"Der Hund kommt in der Schweiz nicht mehr zum Vorschein. Er hat in Kalabrien
nun ein schönes Leben. Er biss noch nie jemanden. Ich wollte ihm sein Leben
lassen, weil er niemandem etwas zu Leide getan hatte. Ich will auch nicht
wissen, wo der Typ meinen Hund hinbrachte. Ich habe auch seine Natelnummer bei
mir gelöscht. Ich will weder vom Typen noch von meinem Hund etwas wissen. Ich
habe B.________ das Leben geschenkt. Für mich ist die Angelegenheit
abgeschlossen. Bzw. ich werde noch Einspruch erheben. Ich will auf dem
rechtlichen Weg Recht bekommen."
In der an das Bundesgericht gerichteten Rechtsschrift findet sich keine
entsprechende Erklärung mehr. Ein aktuelles Interesse des Beschwerdeführers an
der Aufhebung der angefochtenen Beschlagnahme- und Euthanasierungsverfügung
erscheint daher insoweit gegeben, als die Möglichkeit besteht, dass er seinen
Hund entgegen seinen früheren Erklärungen doch wieder zu sich holen will oder
dass das Tier sonstwie von den Behörden des Kantons Zürich erneut aufgegriffen
wird. Der Beschwerdeführer könnte sich, falls der Entscheid des
Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwächst, einer späteren Vollstreckung der
streitigen Massnahme dannzumal nicht mehr oder nicht mehr ohne weiteres
widersetzen. Auf die Beschwerde ist insoweit einzutreten.

2.
2.1 Das eidgenössische Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 (TSchG [SR 455],
in Kraft seit 1. September 2008) enthält eine Rechtsgrundlage für die
Beschlagnahmung und allfällige Tötung von Hunden, soweit es sich um Tiere
handelt, die vernachlässigt oder unter völlig ungeeigneten Bedingungen gehalten
werden (Art. 24 Abs. 1 TSchG). Nichts anderes galt im Übrigen unter der
Herrschaft des Tierschutzgesetzes vom 9. März 1978 (aTSchG [AS 1981 562]; vgl.
dessen Art. 25 Abs. 1). Nähere Vorschriften über die Hundehaltung finden sich
in Art. 68 ff. der eidgenössischen Tierschutzverordnung vom 23. April 2008
(TSchV [SR.455.1], ebenfalls in Kraft seit 1. September 2008; zum früheren
Recht vgl. Art. 30a ff. der Tierschutzverordnung vom 27. Mai 1981 [aTSchV,
Fassung vom 12. April 2006, AS 2006 1427]). Einzelne Bestimmungen verfolgen
dabei auch das Ziel der Sicherheit von Menschen und Tieren (Art. 77 - 79 TSchV,
Art. 34a ff. aTSchV). Für Feststellungen über Hunde, die Menschen oder Tiere
erheblich verletzt haben oder ein übermässiges Aggressionsverhalten zeigen,
besteht eine Meldepflicht zuhanden der zuständigen kantonalen Stelle, welche
"die erforderlichen Massnahmen" anzuordnen hat (Art. 78 und 79 TSchV, Art. 34b
Abs. 3 aTSchV). Zuständig für den Erlass und die Anwendung von Vorschriften,
welche die Hundehaltung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit beschränken,
sind nach der heutigen bundesstaatlichen Kompetenzordnung die Kantone (BGE 133
I 249 E.3. 2 S. 254, 133 I 172 E.2 S. 174 ff.).
Die vorliegend gegen den Hund B.________ ergangene Euthanasierungsverfügung hat
ihre Grundlage dementsprechend im kantonalen Recht (vgl. § 6 des zürcherischen
Gesetzes vom 14. März 1971 über das Halten von Hunden). Aufgrund des
Territorialitätsprinzips können solche sich auf kantonales Recht stützende
sicherheitspolizeilichen Anordnungen ausserhalb des Gebietes des betreffenden
Kantons grundsätzlich keine Rechtswirkungen entfalten (Häfelin/Müller/Uhlmann,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Rz. 355 ff.). Der Beschwerdeführer
wohnt heute im Kanton St. Gallen, wohin er seinen Wohnsitz schon bei
Einreichung der Beschwerde an das Verwaltungsgericht verlegt hatte. Er
untersteht damit als allfälliger Hundehalter den Vorschriften dieses Kantons.
Falls er den Hund B.________ künftig im Kanton St. Gallen halten will, obliegen
diesbezügliche Anordnungen den Behörden des jetzigen Wohnsitzkantons (welche
die Vorgeschichte im andern Kanton pflichtgemäss mitzuwürdigen hätten).

2.2 Diese interkantonale Kompetenzordnung schliesst die Weitergeltung der zuvor
im Kanton Zürich zuständigkeitskonform ergangenen Euthanasierungsverfügung
allerdings nicht aus. Das betroffene Tier befindet sich heute zwar nicht mehr
im Gewahrsam der zürcherischen Behörden, womit die verfügte
sicherheitspolizeiliche Massnahme einstweilen nicht vollstreckbar ist. Ihre
Durchsetzung könnte jedoch wieder aktuell werden, wenn der Hund im Kanton
Zürich erneut aufgegriffen wird. Die eigenmächtige "Befreiung" eines
sicherheitspolizeilich beschlagnahmten Tieres durch den Halter verdient keinen
Schutz. Eine vorbehaltlose Aufhebung der im Kanton Zürich ergangenen
Euthanasierungsverfügung, wie sie der Beschwerdeführer offenbar anstrebt, fällt
ausser Betracht.

2.3 Folgende Umstände sprechen jedoch dafür, die allfällige spätere
Vollstreckung dieser Massnahme von einer erneuten Begutachtung des Tieres
abhängig zu machen: Der Beschwerdeführer weist mit Grund darauf hin, dass sein
Hund rund ein halbes Jahr vor der erfolgten Beschlagnahme einen gutachterlichen
Wesenstest durch den Bezirkstierarzt erfolgreich bestanden habe und gestützt
darauf von der Leinen- und Maulkorbpflicht befreit worden sei. Dass das Tier
streunend in der Nähe eines Kinderhortes aufgegriffen wurde, beruht zwar auf
einer Nachlässigkeit in der Organisierung der Betreuung, sagt aber über seine
Gefährlichkeit nichts aus. Bis zu seiner Beschlagnahme hat es, soweit bekannt,
auch nie einen Menschen gebissen. Ernsthafte Anzeichen für eine gefährliche
Aggressivität ergaben sich dagegen aus dem Verhalten des Hundes im Tierheim, wo
er unerwartet eine Pflegerin ansprang und in der Folge einem Berührungsverbot
unterworfen wurde. Als zusätzlichen Grund für eine Euthanasierung werteten die
zürcherischen Behörden auch die in der tierärztlichen Untersuchung vom 20. Juni
2007 festgestellten neurologischen Symptome unbekannter Herkunft (Zittern),
wobei ein kausaler Zusammenhang mit dem zunehmend aggressiven Verhalten des
Tieres nicht auszuschliessen war. Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen
einer ernsthaften Erkrankung seines Hundes. Seine Einwendungen vermögen
indessen die der angefochtenen Anordnung zugrunde liegenden Argumente nicht
schlüssig zu widerlegen; im Zeitraum nach der erfolgten Beschlagnahme lag nach
den für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen des
Verwaltungsgerichts (Art. 97 und 105 BGG) ein gesteigertes Aggressionsverhalten
vor, welches im Zusammenhang mit den übrigen Umständen (schlechter
Gesundheitszustand des Hundes, getrübter Leumund des Beschwerdeführers) die
Euthanasierung als gerechtfertigt oder zumindest als vertretbar erscheinen
liess. Inwiefern aus dem angerufenen Urteil 2P.52/2007 vom 5. Juli 2007 für den
vorliegenden Fall ein anderer Schluss zu ziehen wäre, legt der Beschwerdeführer
nicht dar. Das angefochtene Urteil schützt eine sicherheitspolizeiliche
Anordnung, die im Zeitpunkt ihres Ergehens sachlich begründet war, und ist
daher nicht aufzuheben.
Seit den diesem Entscheid zugrunde liegenden Sachverhaltsfeststellungen ist
aber über ein Jahr verstrichen, und es ist nicht bekannt, wie sich der Zustand
und das Verhalten des Hundes seither entwickelt haben. Sofern B.________ im
Kanton Zürich eines Tages wieder aufgegriffen werden sollte, müsste, sofern
dessen Halter dies verlangt, aufgrund einer nochmaligen Begutachtung
(Wesenstest) nach Massgabe der gesamten dannzumaligen Umstände über seine
allfällige Euthanasierung vernünftigerweise neu entschieden werden. Mit diesem
Vorbehalt ist die Beschwerde abzuweisen.

3.
Da der Beschwerdeführer mit seinen Einwendungen gegen die streitige Anordnung
im Grundsatz unterliegt, sind ihm die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens
aufzuerlegen (Art.66 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege bzw. um
Befreiung von den Gerichtskosten kann mangels hinreichender Erfolgsaussicht des
gestellten Rechtsbegehrens nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs.1 BGG). Bei
der Festsetzung der Gerichtsgebühr wird der wirtschaftlichen Lage des
Beschwerdeführers Rechnung getragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 300.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Veterinäramt, der
Gesundheitsdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (3. Kammer)
sowie dem Bundesamt für Veterinärwesen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. Oktober 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Klopfenstein