Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.379/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_379/2008

Urteil vom 4. Dezember 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
nebenamtlicher Bundesrichter Locher,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Parteien
X.________,
Y.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Urs Vögele, Beratungsbüro,

gegen

Steueramt des Kantons Aargau.

Gegenstand
Staats- und Gemeindesteuern 1999/2000,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 10. März 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ und Y.________ übernahmen per 1. Januar 1997 das Inventar (Viehhabe,
Maschinen, Gerätschaften und Vorräte) des Landwirtschaftsbetriebes von
A.________ und B.________. Obwohl vorgesehen war, den Hof auf denselben
Zeitpunkt zu Eigentum zu übergeben, erfolgte die Übertragung erst am 19.
November 2003. In der Übergangsphase waren X.________ und Y.________ Pächter
des Hofes. In ihrer Eröffnungsbilanz per 1. Januar 1997 aktivierten sie die
Remise mit einem Wert von Fr. 303'740.-- (Liegenschaftsvermögen) und verbuchten
unter den Passiven eine Schuld gegenüber B.________ "Baukredit Remise" in
gleicher Höhe. Nach Aktivierung weiterer Investitionen sowie Vornahme von
Abschreibungen betrugen der Buchwert der Remise Ende 1998 Fr. 326'400.-- und
die Schuld "Baukredit Remise" Fr. 324'758.--.
Mit Verfügung vom 5. Oktober 2004 veranlagte die Steuerkommission S.________
X.________ und Y.________ für die Staats- und Gemeindesteuern 1999/2000 für ein
steuerbares Einkommen von Fr. 78'500.-- und für ein steuerbares Vermögen von
Fr. 63'000.--. Mit Einspracheentscheid vom 11. Mai 2006 legte sie das
steuerbare Einkommen auf Fr. 67'273.-- und das steuerbare Vermögen auf Fr.
108'472.-- fest. Die von den Steuerpflichtigen geltend gemachten Abschreibungen
auf der Remise in Höhe von Fr. 13'887.-- (1997) bzw. Fr. 13'585.-- (1998)
wurden nicht anerkannt, und beim Vermögen wurden weder die Remise noch die
entsprechende Schuld berücksichtigt.

B.
Einen hiergegen gerichteten Rekurs wies das Steuerrekursgericht des Kantons
Aargau am 25. Juli 2007 ab. Daraufhin führten X.________ und Y.________ am 10.
September 2007 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Dieses
wies die Beschwerde mit Urteil vom 10. März 2008 vollumfänglich ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen die
Steuerpflichtigen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 10. März 2008 sei
aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die aargauischen Steuer-
bzw. Steuerjustizbehörden zurückzuweisen zwecks Veranlagung gemäss den
Jahresabschlüssen 1997/1998.
Das Steueramt des Kantons Aargau beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung
haben auf einen Antrag verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss
Art. 83 BGG fällt und daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a,
Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführer sind gestützt auf
Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
legitimiert; auf das frist- und formgerecht eingereichte Rechtsmittel ist
grundsätzlich einzutreten (vgl. aber nachfolgend E. 1.3).
1.2
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG geltend
gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann
eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden
Begründung abweisen. Das Bundesgericht legt sodann seinem Urteil den von der
Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei
denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1
BGG).
1.3
Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Rechtsschrift die Begehren und deren
Begründung zu enthalten; im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2
BGG). Die Vorbringen müssen sachbezogen sein, damit aus der Beschwerdeschrift
ersichtlich ist, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid
beanstandet wird. Dies setzt voraus, dass sich die Beschwerdeführer wenigstens
kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheides auseinandersetzen (BGE
134 II 244). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung
von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das
Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde
präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II
249 E. 1.4.2 S. 254). Eine diesen Anforderungen genügende Begründung ist hier
nur teilweise zu erkennen. Soweit im vorliegenden Fall pauschal die Verletzung
von verfassungsmässigen Rechten und von Völkerrecht behauptet wird, ohne diese
Rüge zu substantiieren, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

2.
2.1
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, ob die Remise samt der damit
zusammenhängenden Schulden vom Beschwerdeführer bilanziert werden durften und
ob er berechtigt war, die auf der Remise vorgenommenen Abschreibungen als
abzugsfähige Aufwendungen geltend zu machen.
2.2
Für die Veranlagung bezüglich der aargauischen Staats- und Gemeindesteuern der
Jahre 1999/2000 war noch nicht das ab 1. Januar 2001 geltende Steuergesetz des
Kantons Aargau vom 15. Januar 1998 (StG) massgebend, sondern das Steuergesetz
des Kantons Aargau vom 13. Dezember 1983 (aStG) und die Verordnung hierzu vom
13. Juli 1984 (aStGV).
Das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten
Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG, SR 642.14) ist im vorliegenden Fall
nicht anwendbar, weil es um eine Steuerperiode geht, die in die Frist fällt,
die den Kantonen gemäss Art. 72 Abs. 1 StHG zur Anpassung ihrer Steuergesetze
offen stand (BGE 123 II 588 E. 2 S. 591 ff.; vgl. auch Urteil 2C_636/2007 vom
7. April 2008 E. 1.4).
2.3
Gemäss § 22 Abs. 1 lit. b aStG waren alle Einkünfte aus selbständiger
Erwerbstätigkeit, wie u.a. die Bewirtschaftung von Grund und Boden, steuerbar.
Vom Roheinkommen konnten gemäss § 24 lit. b Ziff. 2 aStG bei selbständig
Erwerbenden die geschäftsmässig begründeten Abschreibungen abgezogen werden.
Abschreibungen konnten nur auf dem geschäftlich genutzten Teil von Gegenständen
des Geschäftsvermögens vorgenommen werden (Art. 14 Abs. 4 aStGV; vgl. auch
Walter Koch in: Baur/Klöti-Weber/Koch/Meier/Ursprung, Kommentar zum Aargauer
Steuergesetz, 1991, Rz. 148 ff. zu § 24 aStG). Vorab zu prüfen ist daher, ob
die Remise zum Geschäftsvermögen des Beschwerdeführers gezählt werden kann.
2.4
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann Geschäftsvermögen einer
selbständig erwerbenden Person grundsätzlich nur sein, was sich zivilrechtlich
im Eigentum des Geschäftsinhabers befindet. Demgegenüber bedeutet die
Bilanzierung eines Wirtschaftsgutes, das einem Dritten gehört, in den eigenen
Geschäftsbüchern in der Regel einen Verstoss gegen den Grundsatz der
Bilanzwahrheit und -klarheit (Urteil 2A.44/2006 vom 17. November 2006 E. 3.2,
in: StR 62, 116 S. 118; Urteil 2A.52/2003 vom 23. Januar 2004 E. 3.2, in: ASA
74 S. 737 mit Hinweisen). Diese prinzipielle Anknüpfung an das Zivilrecht wird
auch in der Steuerrechtsliteratur überwiegend vertreten (Martin Arnold,
Geschäfts- und Privatvermögen im schweizerischen Einkommenssteuerrecht, in: ASA
75 S. 265 ff. insbesondere S. 271 bzw. S. 276; Altorfer/von Ah, in: Kommentar
zum Aargauer Steuergesetz, 2. Aufl. 2004, N 102 ff. zu § 27 StG; Duss/Greter/
von Ah, Die Besteuerung Selbständigerwerbender, 2004, S. 23 ff.; Peter Locher,
Kommentar zum DBG, I. Teil, 2001, N 127 zu Art. 18 DBG; Richner/Frei/Kaufmann,
Handkommentar zum DBG, Zürich 2003, N 75 zu Art. 18 DBG).
Eine - noch wenig gefestigte - Ausnahme von der obengenannten Regel liess die
bundesgerichtliche Praxis bis anhin nur bezüglich zweier Konstellationen zu:
Zum einen bei der Abgrenzung von Geschäfts- und Privatvermögen der in
ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten, sofern diese bei der Führung eines
Geschäftes eine wirtschaftliche Einheit bilden (BGE 110 Ib 221 E. 2.b). Zum
andern bejahte das Bundesgericht das Vorliegen von Geschäftsvermögen bei
Liegenschaften, die im Eigentum der Teilhaber einer Kollektivgesellschaft
standen, von diesen aber der Gesellschaft unentgeltlich bzw. gegen Übernahme
des Liegenschaftsunterhalts und der Bezahlung der Hypothekarzinsen zur
Verfügung gestellt wurden (BGE 110 Ib 221 E. 2.a mit Hinweisen; BGE 93 I 362).
2.5
In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass die Bedeutung des
zivilrechtlichen Eigentums im Vermögenssteuerbereich teilweise vom Begriff des
wirtschaftlichen Eigentums abgelöst werde. Dies treffe dann zu, wenn der
Geschäftsinhaber, welcher nicht zivilrechtlicher Eigentümer ist, eine
eigentümerähnliche Sachherrschaft über einen Vermögensgegenstand ausübe, bzw.
über diesen wie ein Eigentümer verfügen könne. Die wirtschaftliche
Verfügungsgewalt gehe diesfalls dem formal zivilrechtlichen Eigentum vor, so
dass der Vermögensgegenstand vom Geschäftsinhaber buchführungsrechtlich auch
bilanziert werden dürfe. Als Beispiele werden die Nutzniessung, das
Treuhandverhältnis, die Sicherungsübereignung, der Kauf unter
Eigentumsvorbehalt und das Finanzierungsleasing genannt (Altorfer/von Ah,
a.a.O., N 107 zu § 27 StG; Duss/Greter/von Ah, a.a.O., S. 25; Markus Reich, in:
Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht [I/2a], Bundesgesetz über die direkte
Bundessteuer [DBG], 2. Aufl. 2008, N 46 zu Art. 18 DBG; Derselbe, Die
Abgrenzung von Geschäfts- und Privatvermögen im Einkommenssteuerrecht, SJZ 80
(1984), S. 221 ff., insbesondere S. 222). Auch die handelsrechtliche Literatur
stellt für die Aktivierung nicht so sehr auf das formelle Eigentum am
betreffenden Vermögensgegenstand ab, sondern darauf, ob ein Vermögenswert dem
Unternehmen uneingeschränkt zur Verfügung steht (Karl Käfer, Berner Kommentar,
Band VIII/2/2, Die kaufmännische Buchführung, 2. Teilband, 1981, N 288 ff. zu
Art. 958 OR). Diese Auffassungen aus ökonomischer Warte gehen allerdings weit,
bildet doch beispielsweise nur das, was dem Schuldner gehört, Bestandteil der
Konkursmasse (vergleiche Art. 242 SchKG). Steuerrechtlich anerkannt ist von der
Lehre aber immerhin, dass Aufwendungen für den Aus- bzw. Umbau gemieteter oder
gepachteter Räume aktivierbar und bis zum Ende der Nutzungsdauer abzuschreiben
sind (Karl Blumer, Die kaufmännische Bilanz, 10. Aufl. Zürich 1989, S. 95).

3.
In den Bemessungsjahren 1999/2000 stand das Grundstück S.________ GB Nr.
________, Parzelle ________, auf welchem die Remise erstellt wurde, im Eigentum
der Mutter des Beschwerdeführers. Die Rechnungen für den Bau und der Baukredit
bei der Aargauischen Kantonalbank lauteten auf ihren Namen. Sie war daher
offensichtlich zivilrechtliche Eigentümerin dieser Baute. Auch wurde kein
beschränktes dingliches Recht (Baurecht oder Nutzniessung) zugunsten des Sohnes
rechtsgültig begründet.
Bei dieser Sachlage darf die Remise, selbst wenn man den Lehrmeinungen folgen
will, nicht vom Nichteigentümer bilanziert werden, auch wenn dieser sie
tatsächlich "besitzt" und ausschliesslich nutzt. Die Verhältnisse sind nicht
vergleichbar mit einem Mieter oder Pächter, der Räume für die beschränkte Dauer
des Nutzungsrechts seinen Bedürfnissen entsprechend einrichtet und diese Kosten
allenfalls aktivieren darf (BLUMER, a.a.O., S. 95). Vielmehr stellt die Remise
eine auf lange Dauer ausgelegte Baute dar, für deren Zuordnung zwingend die
zivilrechtliche Betrachtungsweise und nicht die faktische Nutzung des Gebäudes
massgebend ist.
Die Remise kann demgemäss nicht Geschäftsvermögen der Beschwerdeführer sein.
Jedenfalls ist es keineswegs willkürlich, wenn die aargauischen Behörden den
Wert der Remise sowie die entsprechende Darlehensschuld bei den
Beschwerdeführern nicht berücksichtigt haben. Folgerichtig waren auch die
vorgenommenen Abschreibungen aufzurechnen.
Dass bei der Veranlagung der Eltern der Beschwerdeführer in der
Veranlagungsperiode 1999/2000 ein entsprechend deklariertes Darlehen an den
Sohn fälschlicherweise als Guthaben berücksichtigt wurde, vermag die
Einschätzung des Beschwerdeführers nicht zu präjudizieren. Diesbezüglich kann
jedoch auf die Feststellungen der Vorinstanz (E. 4.2. des angefochtenen
Entscheids) verwiesen werden, wonach sich dieser Fehler bei der Veranlagung
insofern nicht auswirkte, als bei den Eltern des Beschwerdeführers so oder
anders kein steuerbares Vermögen resultierte.

4.
Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet und ist
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Entsprechend diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens den Beschwerdeführern unter Solidarhaft aufzuerlegen (Art. 65 f.
BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht auszurichten (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'800.-- werden den Beschwerdeführern unter
Solidarhaft auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2.
Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Dezember 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Zähndler