Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.365/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_365/2008

Urteil vom 2. September 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Matter.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Yves Waldmann,

gegen

Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Bereich Recht, Spiegelgasse
6-12, 4001 Basel.

Gegenstand
Ausweisung und Erlöschen der Niederlassungsbewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
als Verwaltungsgericht vom 19. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Der aus dem Kosovo stammende, im Jahr 1965 geborene X.________ reiste im April
1988 in die Schweiz ein und heiratete hier im Juli 1988 eine Schweizerin. Im
März 1994 erhielt er die Niederlassungsbewilligung. Sechs Wochen später wurde
die Ehe geschieden.
Nach einer fremdenpolizeilichen Verwarnung und zweimaliger Androhung der
Ausweisung u.a. wegen Schuldenwirtschaft verfügte der Bereich
Bevölkerungsdienste und Migration des Kantons Basel-Stadt am 18. September 2006
die Ausweisung von X.________ aus der Schweiz. In jenem Zeitpunkt bestanden
gegen ihn 18 Betreibungen in der Höhe von Fr. 107'978.-- und 39 Verlustscheine
von insgesamt Fr. 275'958.50. Gegen die Ausweisung gelangte er erfolglos an das
kantonale Sicherheitsdepartement und danach an das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt.

B.
Am 13. Mai 2008 hat X.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht. Er beantragt, den
appellationsgerichtlichen Entscheid vom 19. März 2008 aufzuheben. Ihm sei die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.

Das Sicherheitsdepartement und das Appellationsgericht sowie das Bundesamt für
Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

C.

Erwägungen:

1.
1.1 Am 1. Januar 2008 ist das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die
Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) in Kraft getreten. Massgebend für
die Überprüfung der vorliegend streitigen, vor dem 1. Januar 2008 verfügten
Ausweisung ist aber in analoger Anwendung von Art. 126 Abs. 1 AuG das bisherige
Recht, nämlich das Bundesgesetz vom 26. Mai 1931 über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer (ANAG), wie das Appellationsgericht zu Recht
erwogen hat.

1.2 Gegen die sich auf Art. 10 ANAG stützende Ausweisungsverfügung ist die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich zulässig
(vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG e contrario).

1.3 Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Rechtsschrift die Begehren und deren
Begründung zu enthalten; im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2
BGG). Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten und von
kantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde
vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die vorliegende
Beschwerdeschrift genügt diesen Anforderungen nicht vollumfänglich; soweit das
nicht der Fall ist, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

1.4 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Die Niederlassungsbewilligung erlischt mit der Ausweisung oder
Heimschaffung (Art. 9 Abs. 3 lit. b ANAG). Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
kann der Ausländer aus der Schweiz oder aus einem Kanton ausgewiesen werden,
wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde. Ein
Ausländer kann zudem ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten im Allgemeinen und
seine Handlungen darauf schliessen lassen, dass er nicht gewillt oder nicht
fähig ist, sich in die im Gaststaat geltende Ordnung einzufügen (Art. 10 Abs. 1
lit. b ANAG). Die Ausweisung soll nur verfügt werden, wenn sie nach den
gesamten Umständen angemessen bzw. verhältnismässig erscheint (vgl. BGE 125 II
521 E. 2a S. 523 und Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Es sollen unnötige Härten vermieden
werden. Bei der vorzunehmenden Abwägung sind vor allem die Schwere des
Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz und
die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (Art. 16 Abs.
3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt
und Niederlassung der Ausländer, ANAV; SR 142.201). Entscheidend sind immer die
gesamten Umstände des Einzelfalles (vgl. BGE 130 II 176 E. 4.4.2 S. 190; 125 II
521 E. 2b S. 523; 122 II 433 E. 2 und 3 S. 435 ff., je mit Hinweisen).

2.2 Nur schon aufgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG besteht ein gewichtiges
öffentliches Interesse an der Ausweisung des Beschwerdeführers. Seine
finanzielle Lage im Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung (18 Betreibungen in der
Höhe von Fr. 107'978.-- und 39 Verlustscheine von insgesamt Fr. 275'958.50)
hatte sich gegenüber jener anlässlich der letzten Ausweisungsandrohung noch
einmal massiv verschlechtert (Zunahme der Verlustscheine um weitere Fr.
86'398.90). Seither hat sich seine Schuldenlast noch einmal erhöht, wie das
Appellationsgericht festgehalten hat, ohne dass dagegen eine taugliche Rüge
erhoben worden wäre (vgl. oben E. 1.3). Die Berücksichtigung dieser weiteren
Verschlechterung verletzt auch nicht das rechtliche Gehör des
Beschwerdeführers, hat er doch vor dem Appellationsgericht zu diesem Punkt in
angemessener Form Stellung nehmen können.

Was der Betroffene dagegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Angesichts
des Ausmasses und der weiteren Zunahme seiner Überschuldung erscheint nicht als
entscheidend, ob bzw. inwieweit seine verheerende Finanzlage auf eine
Spielsucht zurückzuführen und diese nun geheilt sein soll. Es kann hier auf die
Begründung der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. E. 3.3 sowie 3.4 im
Zusammenhang mit einer anderen Einwendung). Fehl geht insbesondere das
Argument, die Spielsucht stelle eine psychische Krankheit dar und deshalb könne
im Zusammenhang mit ihren Auswirkungen zum vornherein nicht von einem
"Verschulden" gesprochen werden. Ebenso unbegründet sind die Einwendungen gegen
die Sachverhaltsfeststellungen des Appellationsgerichts. Dass diesen einmal
mehr abweichende Behauptungen entgegengehalten werden, lässt sie noch nicht als
offensichtlich unrichtig erscheinen (vgl. oben E. 1.4). Weiter besteht kein
Anlass für eine weitere Ausweisungsandrohung. Daran ändert auch nichts, dass
die zweite und letzte Androhung bereits im Jahr 2000 ergangen ist.

2.3 Zu Recht haben die kantonalen Behörden zwei weitere Aspekte in ihre
Gesamtbeurteilung einbezogen. Einerseits ist der Beschwerdeführer - zwar
relativ geringfügig, aber doch wiederholt - straffällig geworden (vgl. E. 3.6
des angefochtenen Entscheids). Andererseits hat er u.a. zwischen 1998 und 2004
(im Wert von insgesamt Fr. 70'000.80) Fürsorgeleistungen bezogen. Beides
verstärkt noch die Einschätzung, dass der Betroffene in mehr als einem Bereich
- und teilweise schwerwiegend - nicht willens bzw. fähig ist, sich an die hier
gültige öffentliche Ordnung zu halten. Im gleichen Zusammenhang sind weitere
Verhaltensweisen des Beschwerdeführers zu sehen, wie z.B. die anscheinend
konsequente Missachtung behördlicher Schreiben oder die regelmässige
Vernachlässigung öffentlicher Verpflichtungen.

2.4 All dies wird durch die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem
Verbleib in der Schweiz nicht aufgewogen. Zwar befindet er sich seit 20 Jahren
hier. Trotz der langen Aufenthaltsdauer ist er aber weder in die Berufswelt
integriert noch hält er sich in Finanz- und Strafbelangen an die zwingend
geltende Gesellschaftsordnung. Selbst unter dem Druck der drohenden Ausweisung
hat sich sein Verhalten nicht gebessert, sondern noch verschlimmert. Eine
Rückkehr in sein Heimatland, in dem er bis zu seinem 23. Altersjahr gelebt und
bis heute Bezugspunkte gewahrt hat (vgl. E. 4.4 des angefochtenen Entscheids),
erscheint durchaus zumutbar. Unerheblich ist, ob er den Kontakt zu seiner
zweiten Frau im Kosovo und den ebenfalls dort lebenden gemeinsamen beiden
Kindern (geb. 1992 und 1995) weiterhin pflegt. Mit der Schweiz verbinden ihn
jedenfalls keine für die vorliegende Beurteilung bedeutsamen Beziehungen, die
er rechtsgenüglich geltend gemacht hätte.

2.5 Gesamthaft erweist sich die Ausweisung somit als gerechtfertigt und
verhältnismässig.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Dem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit des gestellten
Rechtsbegehrens nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. September 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Matter