Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.354/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_354/2008

Urteil vom 2. März 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Küng.

Parteien
X.________ und Y.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Manuela Looser-Herzog,

gegen

Kantonales Steueramt St. Gallen.
.

Gegenstand
Staats- und Gemeindesteuern 2001 und 2002,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom
3. April 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ und Y.________ wohnen in R.________/SG. Sie haben fünf Kinder (geb.
1973 bis 1979); vier davon hatten im Jahr 2001 eine Ausbildung abgeschlossen
und waren vollzeitlich erwerbstätig.
In ihrer Steuererklärung 2001 deklarierten X.________ und Y.________ Schulden
in Höhe von Fr. 1'058'751.--; davon entfielen Fr. 403'751.-- auf Darlehen, die
ihnen von ihren fünf Kindern gewährt worden waren. Für diese Darlehen machten
sie Schuldzinsen von Fr. 23'280.-- geltend. In der Steuererklärung 2002 wies
das Ehepaar Darlehensschulden gegenüber den Kindern von Fr. 451'734.-- aus; die
dafür zum Abzug gebrachten Zinsen beliefen sich auf Fr. 11'865.--. Die
Veranlagungsbehörde rechnete die Darlehensschulden und die darauf entrichteten
Zinsen zum steuerbaren Einkommen und Vermögen der Eheleute auf.
Die Einsprachen der Steuerpflichtigen gegen diese Veranlagungen wurden
teilweise gutgeheissen; ein Abzug der Darlehensschulden gegenüber den Kindern
und der darauf entrichteten Schuldzinsen wurde hingegen abgelehnt.
Dagegen gelangten X.________ und Y.________ an die Verwaltungsrekurskommission
des Kantons St. Gallen, welche den Rekurs insoweit guthiess, als sie die im
Jahre 2001 und 2002 neu bei den Kindern aufgenommenen Darlehen (Fr. 36'000.--
und Fr. 94'000.--) und die dafür bezahlten Zinsen von Fr. 850.-- zum Abzug
zuliessen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die von den
Steuerpflichtigen gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde teilweise gut,
indem es zusätzlich Zinsen (2001: Fr. 2'010.--; 2002: Fr. 1'006.--) auf den
Guthaben der Kinder (2001: Fr. 36'090.--; 2002: Fr. 31'350.--), die durch die
von den Eltern geführten Sparhefte ausgewiesen sind, ebenfalls zum Abzug
zuliess.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten stellen X.________ und
Y.________ dem Bundesgericht den Hauptantrag, den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 3. April 2008, den Entscheid der
Verwaltungsrekurskommission vom 13. Dezember 2007, die Einspracheentscheide des
kantonalen Steueramtes vom 19. Februar 2007 sowie die Veranlagungsverfügungen
und Schlussrechnungen der Staats- und Gemeindesteuern 2001 und 2002 aufzuheben;
die Sache sei zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht oder an die
Veranlagungsbehörde zurückzuweisen.
Das Kantonale Steueramt hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und die Eidgenössische
Steuerverwaltung beantragen die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde ist zulässig u.a. gegen Entscheide letzter kantonaler
Instanzen (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Soweit die Beschwerdeführer die
Aufhebung der Entscheide der unteren kantonalen Instanzen sowie der
Veranlagungsverfügungen und Schlussrechnungen verlangen, ist darauf nicht
einzutreten.

1.2 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts weist die Angelegenheit zur
Veranlagung im Sinne der Erwägungen und zur Steuerausscheidung an das kantonale
Steueramt zurück. Es schliesst somit das Verfahren prozessual nicht ab.
Streitig war vor der Vorinstanz indessen allein die Rechtsfrage, ob das
Vorgehen der Steuerpflichtigen eine Steuerumgehung darstellt oder nicht. In
diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht für das kantonale Steueramt
verbindlich entschieden, welche Schulden bzw. Schuldzinsen durch die
Steuerpflichtigen zum Abzug gebracht werden können. Diese Frage wurde vom
Verwaltungsgericht für die unteren kantonalen Instanzen (in Abweichung von
deren Auffassung) verbindlich beantwortet, ohne dass diesen noch ein
Entscheidungsspielraum verbliebe (vgl. Urteil 2C_752/2008 vom 10. Februar 2009
E. 1); zusätzliche Abklärungen sind keine vorzunehmen. Unter diesen Umständen
ist der angefochtene Rückweisungsentscheid als Endentscheid zu betrachten,
gegen den gemäss Art. 90 BGG die Beschwerde uneingeschränkt zulässig ist (vgl.
dazu eingehend BGE 133 V 477, mit Hinweisen).
2. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Anspruches, von den
staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden
(Art. 5 Abs. 3 bzw. Art. 9 BV), sowie von Art. 127 BV (Vorbehalt des formellen
Gesetzes im Abgaberecht).

3.
3.1 Jedes der fünf Kinder der Beschwerdeführer verfügte über ein Sparheft bei
der Zürcher Kantonalbank. Nachdem die Sparhefte im Dezember 1981 saldiert
worden waren, führten die Eltern die Sparhefte ab August 1984 handschriftlich
weiter. Gutgeschrieben wurden den Kindern neben Schenkungen von Verwandten vor
allem eine jährliche Nichtraucherprämie. Die Guthaben betrugen gesamthaft Fr.
36'090.-- (2001) bzw. Fr. 31'350.-- (2002) und wurden zu 6 % (Fr. 2'010.--)
bzw. 3 % (Fr. 1'006.--) verzinst. Diese Guthaben wurden den Kindern 2003 bzw.
2005 ausbezahlt.

3.2 Alle fünf Kinder verfügten zudem je über ein Sparkonto bei den
Beschwerdeführern. Deren Guthaben stammten nach Angaben der Beschwerdeführer
aus von ihnen ausgerichteten Schenkungen sowie aus einer an die Kinder
weitergegebenen Erbschaft der Grosseltern (von je Fr. 50'000.--). Diese
Guthaben seien nicht den Kindern ausbezahlt, sondern bei den Beschwerdeführern
als Darlehen verbucht und von ihnen jährlich verzinst worden. Die
Darlehensguthaben betrugen insgesamt Fr. 334'091.-- (2001) bzw. Fr. 327'100.--
(2002). Für das Jahr 2001 wurden Zinsen von Fr. 20'420.-- (6,1 %), für das Jahr
2002 solche von Fr. 10'009.-- (3 %) an die Kinder entrichtet bzw. den Konten
gutgeschrieben. Die Sparkonten waren zuvor mit bis zu 10 % (bspw. 1997 und
1998) verzinst worden (vgl. Beschwerdebeilage 4: Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons St. Gallen vom 21. März 2006 betreffend Einkommens- und
Vermögenssteuern der Beschwerdeführer für das Jahr 1999).

3.3 Im Jahr 2001 haben die Beschwerdeführer bei ihren Töchtern A.________ und
B.________ weitere Darlehen im Umfang von Fr. 20'000.-- (2002 erhöht auf Fr.
50'000.--, zu verzinsen mit 3 %) und 16'000.-- aufgenommen. Das Darlehen von
A.________ wurde in den Jahren 2001 und 2002 mit je Fr. 850.-- verzinst.
Zusätzlich nahmen die Beschwerdeführer im Jahr 2002 Darlehen von C.________ von
Fr. 3'000.- und D.________ von Fr. 25'000.-- (zu verzinsen mit 4 %) auf.

4.
4.1 Gemäss Art. 45 Abs. 1 lit. a und Art. 62 des St. Galler Steuergesetzes vom
9. April 1998 (StG/SG) können von den steuerbaren Einkünften die privaten
Schuldzinsen und vom steuerbaren Vermögen die Schulden abgezogen werden.

4.2 Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die Beschwerdeführer die von ihnen
ausgewiesenen Schulden als Darlehen bei ihren Kindern aufgenommen und auch die
entsprechenden Schuldzinsen bezahlt haben. Sie hat demzufolge erkannt, dass die
zum Abzug gebrachten Schulden und Schuldzinsen von Art. 45 Abs. 1 lit. a und
Art. 62 StG/SG ohne weiteres erfasst werden. Sie prüfte alsdann, ob das von den
Beschwerdeführern gewählte Vorgehen als Steuerumgehung betrachtet werden müsste
und die Abzüge dennoch zu besteuern seien.

4.3 In Bezug auf die Sparheftguthaben hat die Vorinstanz das Vorliegen einer
Steuerumgehung verneint und die Guthaben von Fr. 36'090.-- (2001) und Fr.
31'350.-- (2002) sowie die entrichteten Zinsen von Fr. 2'010.-- (2001) und Fr.
1'006.-- (2002) zum Abzug zugelassen.
Auch die in den Jahren 2001 und 2002 neu aufgenommenen Darlehen von insgesamt
Fr. 36'000.-- (2001) und 58'000.-- (2002) sowie die entsprechenden Schuldzinsen
von je Fr. 850.-- hat die Vorinstanz (wie bereits die
Verwaltungsrekurskommission) als abzugsberechtigt beurteilt. Sie ist dabei
davon ausgegangen, dass diese Darlehen aus Vermögen stammen, welches die Kinder
durch ihr Erwerbseinkommen erwirtschaftet haben.
Diese Beurteilung ist unbestritten geblieben und wird auch von der
Eidgenössischen Steuerverwaltung geteilt. Sie bildet somit nicht Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens.
4.4
4.4.1 Die Vorinstanz hat erkannt, die von den Beschwerdeführern gewählte
Kombination von Schenkungen und Darlehen erlaube ihnen, einen Teil ihrer
Einkünfte den Kindern zu übertragen und diese Zuwendungen vom steuerbaren
Einkommen abzuziehen. Dennoch könnten sie faktisch über die entsprechenden
flüssigen Mittel - deren Herkunft und Verwaltung sich aus den Akten nicht
rekonstruieren lasse - verfügen. Die Zinsen seien auch nicht ausbezahlt,
sondern zum Kapital geschlagen worden. Das Aufnehmen eines Darlehens durch die
Eltern bei ihren Kindern sei weder sachwidrig noch absonderlich. Ungewöhnlich
sei jedoch das Ausrichten von Schenkungen durch die Eltern an ihre Kinder, wenn
die Eltern im gleichen Umfang und zum gleichen Zeitpunkt bei den Kindern
wiederum verzinsliche Darlehen aufnehmen. Dies insbesondere dann, wenn der Zins
nicht ausbezahlt, sondern jeweils zur Darlehensschuld geschlagen werde; eine
solche Abrede wäre - im Voraus getroffen - zivilrechtlich ungültig (Art. 314
Abs. 3 OR). Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführer bei ihren
Kindern zu 10 %, später zu 6 % bzw. 3 % verzinsbare Darlehen aufgenommen
hätten, obwohl sie vor der Schenkung zinsfrei über das Vermögen hätten verfügen
können. Eine finanzielle Unterstützung der Kinder hätten sie auch durch direkte
- allerdings steuerlich nicht absetzbare - Zuwendungen erreichen können. Das
gewählte Vorgehen habe den Beschwerdeführern ermöglicht, den Kindern
abzugsfähige Beträge zukommen zu lassen, obwohl die gesetzlichen
Voraussetzungen für einen Sozialabzug nicht erfüllt gewesen seien. Ausser der
vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Steuerersparnis sei kein sachlicher Grund
für die von den Beschwerdeführern gewählte Kombination von gegenläufigen
Geschäften ersichtlich, womit sich das gewählte Vorgehen als missbräuchlich
bzw. als Steuerumgehung erweise.
4.4.2 Die Beschwerdeführer stellen dieser Argumentation vor allem ihre eigene
abweichende Sicht entgegen, ohne aufzuzeigen, inwiefern die vorinstanzlichen
Erwägungen die angerufenen verfassungsmässigen Rechte verletzen sollten. Die
Beschwerdebegründung genügt daher in weiten Teilen nicht den in Art. 42 Abs. 2
und Art. 106 Abs. 2 BGG genannten Anforderungen. Im Übrigen trifft es nicht zu,
dass die Vorinstanz die Unterschiede zu dem in der Beschwerde zitierten Urteil
des Bundesgerichts (2A.580/2000 vom 12. Juli 2001, publ. in: StE 2001 A 12 Nr.
10) übersehen hätte. Der Umstand, dass die Beschwerdeführer - anders als im
erwähnten Fall - ihren Kindern die Darlehenszinsen nicht ausbezahlten, erlaubt
es zwar nicht, auf eine Umgehung von Art. 48 StG/SG zu schliessen. Die
Vorinstanz bezog sich denn auch nicht auf diese Bestimmung, sondern bejahte
eine missbräuchliche Geltendmachung des Abzugs privater Schuldzinsen bzw.
Schulden gemäss Art. 45 Abs. 1 lit. a und Art. 62 StG/SG.
Die Beschwerdeführer vermögen auch im vorliegenden Verfahren ausser dem Zweck
der Steuerersparnis keine plausible Erklärung für das von ihnen gewählte
unübliche Vorgehen aufzuzeigen. Die Vorinstanz, auf deren Begründung
vollumfänglich verwiesen werden kann, durfte damit ohne Willkür bzw. ohne
Verstoss gegen Treu und Glauben davon ausgehen, dass das Vorgehen der
Beschwerdeführer als Steuerumgehung zu betrachten ist. Eine Verletzung von Art.
127 Abs. 1 BV kann darin ebenfalls nicht erblickt werden, denn
rechtsmissbräuchliches Vorgehen verdient auch im öffentlichen Recht keinen
Rechtsschutz (vgl. Art. 2 Abs. 2 ZGB, Art. 9 BV).

5.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Entsprechend dem Ausgang des
Verfahrens haben die Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor
Bundesgericht unter solidarischer Haftung zu tragen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt,
unter solidarischer Haftung.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Kantonalen Steueramt St. Gallen,
dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. März 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Küng