Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.324/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_324/2008/ble

Urteil vom 20. Mai 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jean-Pierre Menge,

gegen

Amt für Polizeiwesen und Zivilrecht Graubünden.

Gegenstand
Verlängerung der Durchsetzungshaft,

Beschwerde gegen den Entscheid des Bezirksgerichtspräsidiums Plessur vom 23.
April 2008.

Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:

1.
Der aus Algerien stammende X.________ (geb. 1979) - alias A.________, alias
B.________, alias C.________, alias D.________ - reiste im Jahre 1997 illegal
in die Schweiz ein und stellte unter dem letztgenannten Familiennamen ein
Asylgesuch. Das Bundesamt für Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration) wies
dieses Gesuch mit Verfügung vom 7. August 1997 ab und den Gesuchsteller aus der
Schweiz weg. Eine hiegegen erhobene Beschwerde wies die Schweizerische
Asylrekurskommission mit Urteil vom 15. Januar 1998 ab. X.________ hätte
daraufhin die Schweiz bis zum 28. Februar 1998 verlassen sollen. Mit Entscheid
des Kreispräsidenten Chur (als Haftrichter) vom 6. November 2000 wurde die in
der Folge (am 2. November 2000) gegen X.________ angeordnete Ausschaffungshaft
bis zum 1. Februar 2001 bestätigt, nachdem u. a. Interpol Algier mitgeteilt
hatte, der Genannte sei in Algerien unter diesem Namen bereits daktyloskopisch
erfasst. Aus der bis zum 30. Mai 2001 verlängerten Ausschaffungshaft wurde
X.________ mit Verfügung des Amtes für Polizeiwesen vom 28. Mai 2001
schliesslich entlassen, nachdem für ihn die erforderlichen Reisepapiere nicht
beschafft werden konnten.
In den folgenden Jahren befand sich X.________ verschiedentlich im Strafvollzug
(zuletzt vom 6. Juni 2005 bis zum 28. November 2007 u.a. wegen
Betäubungsmitteldelikten und einfacher Körperverletzung). Am 31. März 2007
hatte er durch renitentes Verhalten am Flughafen Zürich seine Ausschaffung
verhindert, nachdem er - unter Vorbehalt des Vollzugs dieser Massnahme -
vorzeitig bedingt aus dem Strafvollzug entlassen worden war. Er wurde daher in
den ordentlichen Strafvollzug zurückversetzt und auf dessen Ende (28. November
2007) vom Amt für Polizeiwesen und Zivilrecht des Kantons Graubünden in
Durchsetzungshaft genommen. Das Bezirksgerichtspräsidium Plessur prüfte und
bewilligte diese Massnahme zunächst bis zum 27. Dezember 2007. Mit Entscheid
vom 21. Dezember 2007 bewilligte es die Verlängerung der Durchsetzungshaft bis
zum 27. Februar 2008, und mit Entscheid vom 23. April 2008 deren weitere
Verlängerung bis zum 27. Juni 2008.

2.
Mit Eingabe vom 29. April 2008 führt X.________ beim Bundesgericht Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, den letztgenannten
Entscheid des Bezirksgerichtspräsidiums Plessur aufzuheben und ihn - den
Beschwerdeführer - sofort aus der Durchsetzungshaft zu entlassen. Gleichzeitig
wird um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersucht.
Die kantonalen Akten sind eingeholt, ein Schriftenwechsel ist nicht
durchgeführt worden. Das Urteil ergeht im vereinfachten Verfahren nach Art. 109
BGG (summarische Begründung).

3.
3.1 Hat ein Ausländer seine Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innert der ihm
angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- oder
Ausweisung wegen seines persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden, so darf
er, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, in Durchsetzungshaft
genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft nicht zulässig ist
und keine andere, mildere Massnahme besteht (Art. 78 Abs. 1 AuG [SR 142.20]).
Die Durchsetzungshaft ist erstmals für einen Monat zulässig. Sie kann hernach
mit der Zustimmung der zuständigen kantonalen richterlichen Behörde - bis zu
einer Maximaldauer von 18 Monaten - jeweils in Schritten von je zwei Monaten
verlängert werden (Art. 78 Abs. 2 AuG). Die Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und
Durchsetzungshaft dürfen zusammen die Höchstdauer von 24 Monaten nicht
überschreiten (Art. 79 AuG).

3.2 Zweck der Durchsetzungshaft ist es, die ausreisepflichtige Person in jenen
Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach Ablauf der
Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten Weg- oder
Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre Kooperation nicht
möglich ist. Sie soll das letzte Mittel darstellen, wenn und soweit keine
andere Zwangsmassnahme mehr zum Ziel führt, den illegal anwesenden Ausländer -
auch gegen seinen Willen - in seine Heimat verbringen zu können (BGE 133 II 97
E. 2.2 S. 99 f.). Ihre konventionsrechtliche Rechtfertigung findet die
Durchsetzungshaft in Art. 5 Ziff. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 5 Ziff. 1
lit. b EMRK. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann - je nach den Umständen -
selbst eine Haftdauer von 18 Monaten im Einzelfall verhältnismässig sein (vgl.
BGE 133 II 97 E. 2.2 S. 100; zur Publikation bestimmtes Urteil 2C_556/2007 vom
21. Januar 2008, E. 2).
3.3
Die umstrittene ausländerrechtliche Festhaltung entspricht diesen Vorgaben und
verletzt kein Bundesrecht:
3.3.1 Der Beschwerdeführer ist im Asylverfahren rechtskräftig aus der Schweiz
weggewiesen worden und hätte diese bis zum 28. Februar 1998 verlassen müssen.
Er hat sich während Jahren geweigert, bei der Feststellung seiner Identität und
der Beschaffung von Reisepapieren mitzuwirken und musste - wegen rechtlicher
bzw. tatsächlicher Unmöglichkeit der Ausschaffung - im Jahre 2001 bereits
einmal aus der Ausschaffungshaft entlassen werden. Nachdem für ihn - während er
sich im ordentlichen Strafvollzug (u.a. wegen Betäubungsmitteldelikten) befand
- via die algerische Vertretung in der Schweiz ein Reisepapier hatte erhältlich
gemacht werden können, verweigerte er durch renitentes Verhalten am Flughafen
seine Ausschaffung und trat den für ihn gebuchten Rückflug am 31. Mai 2007
nicht an. Es ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer
- der sich in der Haftrichterverhandlung vom 23. April 2008 klarerweise
dahingehend geäussert hat - sich weiterhin weigert, freiwillig nach Algerien
auszureisen, und nicht bereit ist, mit den Behörden hierfür zu kooperieren
(weshalb die zwangsweise Ausschaffung zur Zeit rechtlich und tatsächlich als
unmöglich erscheint; zu Algerien vgl. BGE 133 II 97 E. 3.3 sowie das zur
Veröffentlichung bestimmte Urteil 2C_556/2007 vom 21. Januar 2008, E. 2).
3.3.2 Was der Beschwerdeführer einwendet, überzeugt nicht: Er verfügt in der
Schweiz über kein Anwesenheitsrecht, auch wenn sein Aufenthalt wegen seines
renitenten Verhaltens bisher geduldet werden musste. Die umstrittene
Verlängerung seiner Festhaltung ist nicht unverhältnismässig. Würde er mit den
Behörden zusammenarbeiten, könnte seine Wegweisung innert weniger Wochen
vollzogen werden. In diesem Zusammenhang ist nicht ersichtlich, was die
zuständigen Behörden hinsichtlich der Beschleunigung des Verfahrens noch
vorkehren sollten, nachdem die algerische Vertretung für den Beschwerdeführer
bereits einmal ein Reisepapier ausgestellt hat und die mögliche
Wiederbeschaffung eines solchen allein vom Verhalten des Beschwerdeführers
abhängt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser sich doch noch eines
Besseren besinnen und im Verlaufe der verlängerten Durchsetzungshaft nunmehr
mit den Behörden kooperieren wird. Seine Beteuerungen, er werde im Falle seiner
Freilassung die Schweiz innert 48 Stunden verlassen ("auch 24 Stunden sind
genug"), sind unbeachtlich: Es ist nicht ersichtlich, wie er sich ohne
Reisepapier zulässigerweise in einen Drittstaat begeben könnte. Die
schweizerischen Behörden dürfen nicht bewusst zu einer illegalen Einreise in
einen solchen Hand bieten (BGE 133 II 97 E. 4.2.2).
Für alles Weitere wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen
Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).

4.
Nach dem Gesagten ist die offensichtlich unbegründete Beschwerde abzuweisen.
Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung kann mangels ernsthafter Erfolgsaussichten der
Beschwerde nicht entsprochen werden (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG). Es rechtfertigt
sich jedoch aufgrund der Umstände, von der Erhebung von Kosten abzusehen (Art.
66 Abs. 1 Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Polizeiwesen und
Zivilrecht Graubünden, dem Bezirksgerichtspräsidium Plessur und dem Bundesamt
für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Mai 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Klopfenstein