Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.290/2008
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_290/2008

Urteil vom 23. September 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Müller,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich.

Gegenstand
Niederlassungsbewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Kammer,
vom 27. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
Die ägyptische Staatsangehörige X.________ (geb. 1979) heiratete am 6. August
2000 Y.________ (geb. 1971), der das Schweizer Bürgerrecht besitzt. Am 31.
Oktober 2000 reiste sie in die Schweiz ein und erhielt in der Folge eine
Aufenthaltsbewilligung für den Verbleib bei ihrem Ehemann. Y.________ gab
später dem Migrationsamt des Kantons Zürich gegenüber zu Protokoll, die
eheliche Gemeinschaft sei bereits am 26. Mai 2003 aufgegeben worden, für die
Scheidung werde er aber wohl "den Ablauf der 2-jährigen Trennungsfrist
abwarten" müssen. Auch X.________ bestätigte am 11. Oktober 2004 gegenüber den
Migrationsbehörden die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, allerdings sei
dies erst "im Oktober 2003" und bloss "vorläufig" geschehen, zumal sie sich
"nichts sehnlicher wünsche" als deren Wiederaufnahme und sich "stets um
Aufrechterhaltung des Kontaktes" zu ihrem Mann bemühe. Im Oktober 2005 reichte
Y.________ die Scheidung ein.

B.
Mit Verfügung vom 14. März 2006 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich die
von X.________ im September 2005 bzw. Februar 2006 gestellten Gesuche um
Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ab, im Wesentlichen mit der
Begründung, die Gesuchstellerin berufe sich für die Geltendmachung des
Aufenthaltsrechts in rechtsmissbräuchlicher Weise auf eine längst gescheiterte,
bloss noch formell bestehende Ehe. Am 2. Juni 2006 wurde die Ehe vom
Bezirksgericht Zürich geschieden.
Der gegen die Nichterteilung der Niederlassungsbewilligung beim Regierungsrat
des Kantons Zürich erhobene Rekurs blieb erfolglos, und mit Urteil vom 27.
Februar 2008 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die gegen den
regierungsrätlichen Entscheid vom 26. September 2007 gerichtete Beschwerde
ebenfalls ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Mit Eingabe vom 16. April 2008 führt X.________ beim Bundesgericht Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Februar 2008 aufzuheben und ihr
die Niederlassungsbewilligung zu erteilen.
Am 24. April 2008 wurde sodann um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung ersucht.
Die kantonalen Akten sind eingeholt, ein Schriftenwechsel ist nicht
durchgeführt worden. Das Urteil ergeht im Verfahren nach Art. 109 BGG
(summarische Begründung).

Erwägungen:

1.
1.1 Am 1. Januar 2008 ist das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die
Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) in Kraft getreten. Vorliegend ist
jedoch noch das Bundesgesetz vom 26. Mai 1931 über Aufenthalt und Niederlassung
der Ausländer (ANAG) massgebend (Art. 126 Abs. 1 AuG).
Nachdem die Ehe der Beschwerdeführerin mit einem Schweizer Bürger länger als
fünf Jahre gedauert hat und sie während dieser Zeit ordnungsgemäss und
ununterbrochen in der Schweiz gelebt hat, bevor die Scheidung rechtskräftig
geworden ist, hat sie einen grundsätzlichen Anspruch auf die Erteilung der
Niederlassungsbewilligung (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG). Auf diesen Anspruch kann
sie sich auch noch nach Beendigung der Ehe berufen (BGE 128 II 145 E. 1.1.4 und
1.1.5 S. 149). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist
daher zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario), und die
Beschwerdeführerin ist zur Ergreifung dieses Rechtsmittels legitimiert (Art. 89
BGG).

2.
2.1 Gemäss Art. 7 Abs. 2 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer
Bürgers keinen Anspruch auf Erteilung der ihm nach Absatz 1 grundsätzlich
zustehenden Bewilligung, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die
Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich
jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (Scheinehe bzw.
Ausländerrechtsehe). Auch wenn die Ehe nicht bloss zum Schein eingegangen
worden ist, kann sich die Berufung auf die Ehe anderweitig als
rechtsmissbräuchlich erweisen (vgl. BGE 127 II 49 E. 5a S. 56 mit Hinweisen).

2.2 Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit Art. 7 ANAG liegt vor, wenn der
Ausländer sich im Verfahren um Erteilung einer fremdenpolizeilichen
Anwesenheitsbewilligung auf eine Ehe beruft, welche nur (noch) formell und ohne
Aussicht auf Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einer ehelichen Gemeinschaft besteht
(BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151 mit Hinweisen). Ein Rechtsmissbrauch darf aber
nicht leichthin angenommen werden, namentlich nicht schon deshalb, weil die
Ehegatten nicht mehr zusammenleben oder ein Eheschutz- oder Scheidungsverfahren
eingeleitet worden ist. Gerade weil der ausländische Ehegatte nicht der Willkür
des schweizerischen ausgeliefert sein soll, hat der Gesetzgeber darauf
verzichtet, die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung vom ehelichen
Zusammenleben abhängig zu machen (ausführlich: BGE 118 Ib 145 E. 3 S. 149 ff.;
anders die heutige Rechtslage, vgl. Art. 42 AuG). Erforderlich sind klare
Hinweise darauf, dass die Führung einer Lebensgemeinschaft nicht mehr
beabsichtigt und nicht mehr zu erwarten ist (BGE 127 II 49 E. 5a S. 56 f. mit
Hinweisen).

3.
3.1 Das Verwaltungsgericht hat - teilweise unter Bezugnahme auf die Erwägungen
des Regierungsrates - festgestellt, vorliegend hätten die Eheleute das eheliche
Zusammenleben unbestrittenermassen spätestens im Oktober 2003 aufgegeben und
seither nicht wieder aufgenommen. Der Ehemann habe bereits im Oktober 2004
angegeben, es bestünden keine ehelichen Beziehungen mehr und er wolle sich nach
Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen zweijährigen Trennungsfrist scheiden
lassen. Das Scheidungsverfahren sei vom Ehemann denn auch konsequent
durchgeführt worden. Wenn die Beschwerdeführerin dem entgegenhalte, sie habe
auf eine Wiedervereinigung gehofft bzw. die Meinungsverschiedenheiten mit ihrem
Mann zu lösen versucht, so könne daraus jedenfalls nicht geschlossen werden,
dass die Ehe vor Oktober 2005 noch intakt gewesen sei. Es habe der
Beschwerdeführerin bereits längere Zeit vor Ablauf der Fünfjahresfrist klar
sein müssen, dass ihre Ehe endgültig gescheitert sei.

3.2 Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, die Vorinstanz habe sich
für die Begründung des Rechtsmissbrauchs einseitig auf die Angaben des
Ehemannes - welcher ihr bloss schaden und sich offensichtlich an ihr rächen
wolle - gestützt. Bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens habe der Ehemann
ihr gegenüber jedoch nie ausdrücklich gesagt, er wolle die Hoffnung auf die Ehe
aufgeben. Diesbezüglich sei sie der Willkür ihres Ehegatten ausgesetzt gewesen;
in Treu und Glauben habe sie ihr Heimatland und ihre Universitätsausbildung in
Kairo aufgegeben und sich in der Schweiz eine neue Existenz aufgebaut. Sodann
habe sie auch viel unternommen (Telefonanrufe, SMS-Nachrichten, Organisieren
von Treffen), um ihren Ehemann zu überzeugen, ihre Liebe zu erwidern. Von
Rechtsmissbrauch könne keine Rede sein.
Des weiteren beruft sich die Beschwerdeführerin auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung, wonach der Umstand, dass die Ehegatten nicht mehr zusammen
lebten, nicht als Indiz für ein offensichtlich rechtsmissbräuchliches Verhalten
gewertet werden dürfe.

3.3 Letzteres ist richtig, weshalb in der Rechtsprechung auch festgehalten
wird, dass die blosse Einleitung eines Scheidungsverfahrens oder die Aufgabe
des gemeinsamen Haushaltes den Anwesenheitsanspruch des ausländischen Ehegatten
für sich allein noch nicht untergehen lassen (vgl. E. 2.2). Ein
Rechtsmissbrauch liegt jedoch vor, wenn ein Anwesenheitsanspruch geltend
gemacht wird, obwohl mit einer Weiterführung bzw. Wiederaufnahme der ehelichen
Gemeinschaft offensichtlich nicht mehr gerechnet werden kann (vgl. ebenda). Es
besteht kein Anlass, von dieser zu Art. 7 und 17 ANAG entwickelten, gefestigten
Rechtsprechung abzuweichen, umso weniger, als das neue Ausländergesetz den
Anwesenheitsanspruch des ausländischen Ehepartners nunmehr generell vom
Zusammenleben der Ehegatten abhängig macht (vgl. Art. 42 und 43 AuG) und
insofern strenger ist als die bisherige Ordnung des ANAG, welche diese
Voraussetzung nur für die Ehegatten von niedergelassenen Ausländern statuiert
(Art. 17 ANAG).

3.4 Aufgrund der im angefochtenen Urteil enthaltenen und für das Bundesgericht
grundsätzlich verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen (Art. 105 BGG) durfte
das Verwaltungsgericht zulässigerweise annehmen, dass die Ehe deutlich vor
Ablauf der Fünfjahresfrist von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG definitiv gescheitert
und mit einer Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr zu rechnen
war. Dies musste auch der Beschwerdeführerin bewusst sein, die zwar offenbar
zunächst von einer bloss vorübergehenden Trennung ausgegangen war, aber schon
im Oktober 2004 selber einräumte, ihr Ehemann verweigere gemeinsame Treffen und
Telefonate (vgl. Eingabe vom 11. Oktober 2004 an das Migrationsamt). Die
eheliche Gemeinschaft wurde denn auch nie wieder aufgenommen; gelegentliche
Treffen, Telefonate und SMS genügen hiefür nicht, wie das Verwaltungsgericht
zutreffend festgehalten hat (S. 8 des angefochtenen Entscheides). Das Gericht
durfte alsdann die Geltendmachung eines Niederlassungsanspruches nach Art. 7
ANAG als rechtsmissbräuchlich einstufen, ohne dass den Ursachen dieses
Zustandes noch weiter nachzugehen war (vgl. BGE 130 II 113 E. 4.2 S. 117).

4.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet.
Sie ist abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG); ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung kann mangels ernsthafter Erfolgsaussichten der Beschwerde
nicht entsprochen werden (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG). Der wirtschaftlichen
Situation der Beschwerdeführerin wird bei der Bemessung der Gerichtskosten
Rechnung getragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2.
Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. September 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Klopfenstein