Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.281/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_281/2008

Urteil vom 29. September 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiberin Dubs.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Greiner,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern.

Gegenstand
Aufenthalt/Niederlassung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 21.
Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ (geb. 1973), bangladeshischer Staatsangehöriger, reiste am 3. August
1999 in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Mit Verfügung vom 10. März 2000
lehnte das Bundesamt für Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration) das
Asylgesuch ab und wies X.________ aus der Schweiz weg. Dagegen beschwerte sich
X.________ bei der Schweizerischen Asylrekurskommission (heute:
Bundesverwaltungsgericht). Am 15. Dezember 2000 heiratete er eine Schweizer
Bürgerin (geb. 1962). Gestützt auf die Heirat wurde ihm eine
Aufenthaltsbewilligung erteilt (letztmals verlängert bis zum 15. Dezember
2005). Die Beschwerde gegen den negativen Asylentscheid zog er darauf zurück.

B.
Mit Verfügung vom 26. September 2007 lehnte das Amt für Migration des Kantons
Luzern die Gesuche um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und um Erteilung
der Niederlassungsbewilligung wegen rechtsmissbräuchlicher Berufung auf eine
nur noch formell bestehende Ehe ab und wies X.________ weg. Dieser beschwerte
sich dagegen ohne Erfolg beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. April 2008
beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
21. Februar 2008 aufzuheben und das Amt für Migration des Kantons Luzern
anzuweisen, ihm eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Zudem ersucht er um
Erteilung der aufschiebenden Wirkung sowie um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Verbeiständung.
Mit Verfügung vom 16. April 2008 hat der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

D.
Das Verwaltungsgericht und das Amt für Migration des Kantons Luzern sowie das
Bundesamt für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

E.
Mit beim Bundesgericht am 20. Mai 2008 eingegangener Sendung vom 9. Mai 2008
hat X.________ unaufgefordert zusätzliche Unterlagen eingereicht.

Erwägungen:

1.
1.1 Nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlichrechtlichen
Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts ausgeschlossen gegen die
Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht
noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt.

1.2 Gemäss Art. 126 Abs. 1 des neuen Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über
die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20), welches am 1. Januar 2008 in
Kraft getreten ist, bleibt für Gesuche, die vor diesem Zeitpunkt gestellt
worden sind, das bisherige Recht anwendbar. Das muss auch gelten für Entscheide
über die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, wenn sie, wie hier, noch
unter der Herrschaft des bisherigen Rechts ergangen sind.

1.3 Der Beschwerdeführer lebt zwar getrennt von seiner schweizerischen
Ehegattin, die Ehe besteht aber formell weiterhin und dauert mehr als fünf
Jahre. Gemäss Art. 7 Abs. 1 des hier noch massgebenden Bundesgesetzes vom 26.
März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) besitzt der
Beschwerdeführer somit grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf die Erteilung
einer Niederlassungsbewilligung bzw. auf Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung (vgl. BGE 126 II 265 E. 1b S. 266 mit Hinweis), weshalb
die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist.

1.4 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann
nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt
werden, wenn sie offensichtlich unrichtig erfolgt ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art.
105 Abs. 2 BGG). Eine entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert
vorzubringen ist (Art. 42 Abs. 2 BGG), setzt zudem voraus, dass die Behebung
des Mangels sich für den Ausgang des Verfahrens als entscheidend erweisen kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG).
Die vom Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren - zudem verspätet -
eingereichten Schreiben verschiedener Drittpersonen sowie Bestätigungen
betreffend Sprachkurse sind somit unbeachtlich, wobei sie am Ausgang des
Verfahrens ohnehin nichts zu ändern vermöchten.

2.
2.1 Gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer
Bürgers - wie erwähnt - Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung (Satz 1) sowie nach einem ordnungsgemässen und
ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren Anspruch auf Erteilung der
Niederlassungsbewilligung (Satz 2). Kein Anspruch besteht, wenn die Ehe
eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung
von Ausländern zu umgehen (Art. 7 Abs. 2 ANAG), sowie bei
rechtsmissbräuchlicher Berufung auf eine definitiv gescheiterte Ehe (BGE 128 II
145 E. 2.1 S. 151 mit Hinweisen).

2.2 Nach gefestigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt Rechtsmissbrauch
vor, wenn der Ausländer sich im fremdenpolizeilichen Verfahren auf eine Ehe
beruft, welche nur (noch) formell besteht oder aufrecht erhalten wird, mit dem
alleinigen Ziel, ihm eine Anwesenheitsberechtigung zu ermöglichen; dieses Ziel
wird von Art. 7 ANAG nicht geschützt (BGE 130 II 113 E. 4.2 S. 117; 128 II 145
E. 2 S. 151 f. mit Hinweisen).
Dass die Ehe nur noch formell und ohne Aussicht auf Wiederaufnahme einer
ehelichen Gemeinschaft besteht, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis
und ist bloss durch Indizien zu erstellen (BGE 130 II 113 E. 10.2 S. 135 mit
Hinweis). Feststellungen über das Bestehen solcher Indizien können äussere
Gegebenheiten, aber auch innere, psychische Vorgänge betreffen (Wille der
Ehegatten); es handelt sich so oder anders um tatsächliche Feststellungen,
welche für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich sind (oben E. 1.4). Frei
zu prüfen ist die Rechtsfrage, ob die festgestellten Tatsachen (Indizien)
darauf schliessen lassen, die Berufung auf die Ehe bezwecke die Umgehung
fremdenpolizeilicher Vorschriften und sei rechtsmissbräuchlich (BGE 128 II 145
E. 2.3 S. 152 mit Hinweisen).

3.
3.1 Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz war die Ehe des Beschwerdeführers
bereits vor Ablauf der Fünfjahresfrist definitiv gescheitert. Hinweise darauf,
dass die Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts offensichtlich
unrichtig oder unter Verletzung des rechtlichen Gehörs erfolgt wären, sind
nicht ersichtlich und gehen namentlich auch nicht aus den Vorbringen des
Beschwerdeführers hervor. Bereits im Mai 2001 und damit nur einige Monate nach
der Heirat ist seine Ehegattin eine Beziehung mit ihrem heutigen Partner
eingegangen. Nach dessen Angaben lebt die Ehegattin seither in seinem Haushalt,
was der Beschwerdeführer indessen bestreitet. Fest steht jedenfalls, dass die
Ehegattin des Beschwerdeführers spätestens seit Februar 2005, d.h. seit ihrer
offiziellen Anmeldung in Adliswil, mit ihrem ausserehelichen Partner
zusammenlebt. Vor und während der Scheidungsverhandlung Mitte November 2005 hat
die Ehefrau im Übrigen klar zum Ausdruck gebracht, dass ihr jeglicher Wille zum
Führen einer ehelichen Gemeinschaft mit dem Beschwerdeführer fehlte. Dass der
Beschwerdeführer sich dieser Entwicklung zu widersetzen versuchte und dass
gelegentliche Kontakte zu seiner Ehegattin bestanden bzw. bestehen, vermag
daran nichts zu ändern. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der
ausländische Beschwerdeführer der Willkür seiner schweizerischen Ehegattin
ausgeliefert wäre. Nach dem Wegzug der Ehegattin zu ihrem langjährigen Freund
im Februar 2005 und spätestens nach ihren eindeutigen Aussagen bei der
Scheidungsverhandlung musste auch für den Beschwerdeführer erkennbar sein, dass
nicht mehr mit einer Versöhnung gerechnet werden konnte. Im Übrigen bringt er
nichts vor und es ist auch aus den Akten nichts ersichtlich, was darauf
schliessen liesse, dass damals noch Aussicht auf Wiederaufnahme der ehelichen
Gemeinschaft bestanden hätte.

3.2 Das Verwaltungsgericht geht in seinem Urteil von der dargestellten
Rechtsprechung zur missbräuchlichen Berufung auf die Ehe aus. Bei gesamthafter
Betrachtung aller Indizien musste sich der Schluss aufdrängen, dass bereits vor
Mitte Dezember 2005 keine Aussichten auf Wiederaufnahme der ehelichen
Gemeinschaft im Sinne von Art. 7 ANAG mehr bestanden. War aber die Ehe schon
vor Ablauf der Fünfjahresfrist gemäss Art. 7 Abs. 1 zweiter Satz ANAG definitiv
gescheitert, so konnte der geltend gemachte Anspruch auf eine
Niederlassungsbewilligung aufgrund des Rechtsmissbrauchsverbotes nicht
entstehen. Die Verweigerung der Niederlassungsbewilligung verstösst somit nicht
gegen Bundesrecht. Aus den gleichen Gründen durfte dem Beschwerdeführer auch
die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 7 Abs. 1 erster Satz
ANAG verwehrt werden. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich. Es genügt,
ergänzend auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil zu verweisen (Art. 109
Abs. 3 BGG).

4.
4.1 Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, kann auch nicht von einem langjährigen
Aufenthalt und einer ausserordentlich starken Verwurzelung und Integration des
Beschwerdeführers in der Schweiz gesprochen werden, woraus sich gestützt auf
das unter Art. 8 Ziff. 1 EMRK fallende Recht auf Achtung des Privatlebens unter
ganz besonderen Umständen ein Anspruch auf Verbleib ableiten liesse (BGE 130 II
281 E. 3.2.1 S. 286 f. mit Hinweis; 120 Ib 16 E. 3b S. 22).

4.2 Über die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 4 ANAG,
der eine Bewilligung ins freie Ermessen der Behörden stellt, hat das
Verwaltungsgericht nicht befunden, sondern die Sache an das dafür zuständige
kantonale Departement überwiesen. Diesbezüglich wäre die Beschwerde an das
Bundesgericht nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ohnehin ausgeschlossen.

5.
5.1 Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im
vereinfachten Verfahren nach Art 109 BGG abzuweisen.

5.2 Die Vorinstanz hat die für die Verweigerung der streitigen Bewilligung
massgebenden tatsächlichen und rechtlichen Überlegungen im angefochtenen Urteil
überzeugend dargelegt. Unter diesen Umständen konnte der Beschwerdeführer nicht
ernsthaft mit einer Gutheissung der vorliegenden Beschwerde rechnen. Dem Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann daher wegen
Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1
BGG).
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. September 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Merkli Dubs