Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.249/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_249/2008/ble

Urteil vom 10. Juni 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Kantonales Steueramt Zürich.

Gegenstand
Steuerhoheit,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Abteilung, 2. Kammer, vom 19. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ nahm 1990 Wohnsitz in Oberlunkhofen, Kanton Aargau. Im Juli 2001
bezog er eine Wohnung in Zürich, wo er sich als Wochenaufenthalter anmeldete.
Mit Schreiben an das Gemeindesteueramt Oberlunkhofen vom 23. Dezember 2002
stellte er sich auf den Standpunkt, sein Steuerdomizil befinde sich in Zürich,
und beantragte einen Vorentscheid über die Steuerhoheit ab 2001. Nach einem
Meinungsaustausch zwischen dem Gemeindesteueramt Oberlunkhofen und dem
Kantonalen Steueramt Zürich (Schreiben Gemeindesteueramt Oberlunkhofen vom 9.
Januar 2003, Schreiben Kantonales Steueramt Zürich vom 3. März 2003) stellte
die Steuerkommission Oberlunkhofen mit Verfügung vom 10. Juni 2003 fest, das
Steuerdomizil von X.________ befinde sich in Oberlunkhofen. Am 24. Juni 2003
teilte das Steueramt der Stadt Zürich X.________ schriftlich mit, aufgrund der
Feststellungsverfügung der Gemeinde Oberlunkhofen könne sein
Wochenaufenthalterstatus (in Zürich) längstens bis Ende Januar 2006 anerkannt
werden.
Gegen die Feststellungsverfügung (Steuerdomizilentscheid) der Steuerkommission
Oberlunkhofen vom 10. Juni 2003 führte X.________ Einsprache und sodann Rekurs.
Mit Urteil vom 21. Oktober 2004 hiess das Steuerrekursgericht des Kantons
Aargau den Rekurs gut, hob den Einspracheentscheid vom 7. August 2003 auf und
wies die Sache zur Neubeurteilung an die Steuerkommission Oberlunkhofen zurück.
Nach einer telefonischen Befragung, anlässlich welcher X.________ angegeben
hatte, seiner Einschätzung nach befinde sich sein Lebensmittelpunkt seit 1.
Juli 2001 in Zürich, verfügte die Steuerkommission Oberlunkhofen, dass
X.________ ab 1. Juli 2001 in Oberlunkhofen nicht mehr steuerpflichtig sei
(Verfügung vom 7. April 2005).
A.b Am 25. Mai 2005 stellte das kantonale Steueramt Zürich X.________ die
Steuererklärungsformulare für die Jahre 2001, 2002 und 2003 zu. Nachdem er die
Steuererklärungen nicht eingereicht hatte, wurde er am 12. Juli 2005 gemahnt.
In der Folge verlangte X.________ eine Fristerstreckung. Diese wurde ihm mit
der Begründung verwehrt, Mahnfristen seien gesetzlich nicht erstreckbar. Am 21.
Oktober 2005 wurde er für die Steuerjahre 2001, 2002 und 2003 nach
pflichtgemässem Ermessen je mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 50'000.--
und einem steuerbaren Vermögen von Fr. 0.-- eingeschätzt. Mit Einsprache
verlangte X.________, es sei ein Feststellungsentscheid über die Steuerhoheit
im Kanton Zürich zu erlassen. Er stellt sich auf den Standpunkt, das kantonale
Steueramt habe mit der Zuschrift an das Steueramt Oberlunkhofen vom 3. März
2003 (von welcher er eine Kopie erhalten hatte) auf die Steuerhoheit verzichtet
und den Steueranspruch für die Steuerjahre 2001 und 2002 verwirkt.
Mit Vorentscheid vom 16. Mai 2006, bestätigt auf Einsprache hin am 11. Januar
2007, befand das Kantonale Steueramt Zürich, dass X.________ ab der
Steuerperiode 2001 im Kanton Zürich steuerpflichtig sei.
Den Rekurs von X.________ wies die Steuerrekurskommission II des Kantons Zürich
mit Urteil vom 4. Mai 2007 ab, hob den angefochtenen Entscheid auf und wies die
Angelegenheit zur Durchführung des Einspracheverfahrens betreffend die
Einschätzungen 2001 bis 2003 an das kantonale Steueramt zurück. Sie erwog, die
Voraussetzungen für den Erlass eines Vorentscheides über die Steuerpflicht
seien nicht erfüllt gewesen; es sei nunmehr das Einspracheverfahren
durchzuführen.

B.
Eine Beschwerde des Steuerpflichtigen gegen den Entscheid der
Steuerrekurskommission II des Kantons Zürich vom 4. Mai 2007 wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 19. Dezember 2007 ab.

C.
X.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben.
Auf die Einholung von Vernehmlassungen wurde verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten dient der Rüge von
Bundesrechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG. Zum Bundesrecht zählen auch
die Grundsätze, die das Bundesgericht in gesetzesvertretender Rechtsprechung
aus dem verfassungsmässigen Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung gemäss
Art. 127 Abs. 3 BV hergeleitet hat. Soweit sich die Besteuerung nach kantonalem
Recht richtet, prüft das Bundesgericht dessen Auslegung und Anwendung nur unter
dem Gesichtswinkel der verfassungsmässigen Rechte, namentlich des
Willkürverbots (Art. 9 BV). Hierfür gilt die qualifizierte Rügepflicht nach
Art. 106 Abs. 2 BGG. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden,
wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, namentlich
wenn sie offensichtlich unrichtig ist (Art. 97 Abs. 1 BGG). Inwiefern der
angefochtene Akt Recht verletzt, ist in der Beschwerde darzulegen (Art. 42 Abs.
2 BGG).

2.
Angefochten war bei der Steuerrekurskommission II des Kantons Zürich ein
Vorentscheid des kantonalen Steueramtes über die unbeschränkte Steuerpflicht ab
der Steuerperiode 2001 im Kanton Zürich. Die Steuerrekurskommission wies in
ihrem Entscheid vom 4. Mai 2007 den Rekurs ab, hob den Einspracheentscheid auf
und wies die Angelegenheit an das kantonale Steueramt zurück. Sie erwog, das
kantonale Steueramt sei zu Unrecht auf das Begehren des Beschwerdeführers um
Erlass eines Vorentscheids über die Steuerpflicht eingetreten und habe nunmehr
das Einspracheverfahren betreffend die Einschätzungen 2001 bis 2003
durchzuführen. Verfahrensgegenstand vor dem Vewaltungsgericht war somit allein
die Frage, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf einen Vorentscheid über die
Steuerhoheit im Kanton Zürich hatte. Nur diese Frage ist vom Bundesgericht zu
prüfen. Der Verfahrensgegenstand kann vor Bundesgericht nur eingeengt, nicht
ausgedehnt werden.

3.
Bestreitet ein Steuerpflichtiger die Steuerhoheit eines Kantons, so muss
zunächst in einem grundsätzlichen Entscheid über die Frage der Steuerpflicht
(Steuerhoheit) befunden werden, bevor das Veranlagungsverfahren durchgeführt
wird. Es ist unzulässig und verstösst gegen Art. 127 Abs. 3 BV, zu einer
Ermessensveranlagung zu schreiten, obschon der Steuerpflichtige die
Steuerhoheit bestritten hat. Dieser Anspruch besteht nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichts direkt auf Grund des verfassungsmässigen Verbots der
interkantonalen Doppelbesteuerung (Art. 127 Abs. 3 BV) und ist unabhängig
davon, ob das kantonale Recht ein solches Verfahren kennt oder nicht (K. Locher
/P. Locher, Die Praxis der Bundessteuern, § 1 III A 1 Nr. 7, 10, 23, 24). Das
Recht auf einen Vorentscheid wird nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
verwirkt, wenn der Steuerpflichtige sich widerspruchslos auf das
Veranlagungsverfahren einlässt (Locher/Locher, a.a.O., § 1, II A 1 Nr. 23).

4.
4.1 Das Verwaltungsgericht hat in haltbarer Weise festgestellt, dass weder im
Schreiben des Kantonalen Steueramtes vom 3. März 2003 noch im Brief des
Steueramtes der Stadt Zürich vom 24. Juni 2003 ein (negativer)
Feststellungsentscheid über die Steuerpflicht im Kanton Zürich erblickt werden
kann. Das Schreiben des Kantonalen Steueramtes erging im Rahmen des
Meinungsaustausches mit der aargauischen Gemeinde Oberlunkhofen und ist schon
von daher eine Stellungnahme, keine Verfügung. Das geht schon daraus hervor,
dass das Schreiben sich an die Behörde und nicht an den Beschwerdeführer
richtete (dieser wurde lediglich mit einer Kopie bedient), der Brief weder als
Verfügung bezeichnet war noch eine Rechtsmittelbelehrung enthielt und auch
inhaltlich so abgefasst war, dass daraus hervorgeht, dass er lediglich die
Meinung des Steuerkommissärs in der laufenden Abklärung wiedergibt ("betreffend
der abzuklärenden Steuerhoheit ... möchte ich folgendes festhalten"). Es kann
diesbezüglich auch auf die zutreffenden Ausführungen im Entscheid der
Steuerrekurskommission II hingewiesen werden.
Im Schreiben des Steueramts der Stadt Zürich vom 24. Juni 2003 kann schon
deshalb kein Vorentscheid über die Steuerpflicht gesehen werden, weil das
städtische Steueramt zum Erlass solcher Entscheide nicht zuständig ist.

4.2 Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Vorentscheid
über die Steuerhoheit verwirkt hat. Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung des
Bundesgerichts zu Art. 127 Abs. 3 BV zutreffend wiedergegeben und den
grundsätzlichen Anspruch des Steuerpflichtigen auf Vorausbeurteilung der
Steuerhoheitsfrage bejaht. Sie hat jedoch den Anspruch des Beschwerdeführers
als verwirkt bezeichnet, nachdem dieser die Steuerhoheit des Kantons Zürich
erst im Einspracheverfahren bestritten hat. In der Tat hat der Beschwerdeführer
im gesamten Verfahren gegenüber den Steuerbehörden beider Kantone stets die
Ansicht verfochten, dass sich sein Steuerdomizil seit dem 1. Juli 2001 im
Kanton Zürich befinde und er dort unbeschränkt steuerpflichtig sei. Das
Kantonale Steueramt Zürich hat ihm am 25. Mai 2005 die
Steuererklärungsformulare 2001, 2002 und 2003 zugestellt und damit zu erkennen
gegeben, dass es gewillt sei, die zürcherische Steuerhoheit in Anspruch zu
nehmen. Der Beschwerdeführer hat darauf nicht reagiert. Weder hat er seine
unbeschränkte Steuerpflicht im Kanton Zürich bestritten, noch die
Steuererklärungen eingereicht. Er wurde daher am 12. Juli 2005 gemahnt. Der
Beschwerdeführer verlangte daraufhin eine Fristerstreckung. Es wurde ihm
mitgeteilt, Mahnfristen seien gesetzlich nicht erstreckbar. In der Folge wurde
er für die Jahre 2001, 2002 und 2003 je mit einem steuerbaren Einkommen von Fr.
50'000.-- sowie einem steuerbaren Vermögen von Fr. 0.-- veranlagt. Erst mit der
Einsprache gegen die Ermessensveranlagung hat der Beschwerdeführer seine
Steuerpflicht im Kanton Zürich für die Jahre 2001 und 2002 bestritten und einen
Vorentscheid über die Steuerpflicht verlangt. Diese Bestreitung erfolgte
verspätet. Der Beschwerdeführer hätte bereits nach der Zustellung der
Steuererklärungsformulare reagieren und einen Vorentscheid über die
Steuerhoheit verlangen können. Er hatte dazu Anlass, nachdem er im gesamten
bisherigen Verfahren gegenüber den Steuerbehörden stets die Ansicht verfochten
hatte, er sei ab Juli 2001 im Kanton Zürich steuerpflichtig. Spätestens mit dem
Gesuch um Fristverlängerung hat sich der Beschwerdeführer somit auf das
Veranlagungsverfahren eingelassen. Er verhielt sich auch widersprüchlich, wenn
er um Fristerstreckung für die Einreichung der Steuererklärung ersuchte,
obschon er angeblich der Meinung war, es liege bereits ein rechtskräftiger
(negativer) Steuerdomizilentscheid des Kantons Zürich vor. Wenn das
Verwaltungsgericht somit die rekursrichterliche Auffassung bestätigte, wonach
der Beschwerdeführer sich auf das Veranlagungsverfahren eingelassen und er den
Anspruch auf Vorausbescheid verwirkt habe, hat es den bundesrechtlichen
Anspruch nicht vereitelt.

5.
Der Entscheid des Verwaltungsgerichts verletzt mithin Bundesrecht nicht, und
die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonalen Steueramt Zürich und
dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (2. Abteilung, 2. Kammer) schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 10. Juni 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Wyssmann