Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.166/2008
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


2C_166/2008/ble

Urteil vom 7. März 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiberin Dubs.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Thomas Wenger,

gegen

Migrationsdienst des Kantons Bern,

Durchsetzungshaft,

Beschwerde gegen den Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom
13. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geb. 1970), seine Ehefrau sowie die drei gemeinsamen Kinder -
nach eigener Angabe Turkmenen mit irakischer Staatsangehörigkeit - reisten im
Februar 2002 illegal in die Schweiz ein und stellten am 11. Februar 2002 ein
Asylgesuch. Das Bundesamt für Migration trat darauf mit Entscheid vom 21.
August 2005 wegen Täuschung über die Identität nicht ein und verfügte die
Wegweisung der Betroffenen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies die
Schweizerische Asylrekurskommission (heute: Bundesverwaltungsgericht) mit
Entscheid vom 22. September 2005 ab, worauf X.________ und seiner Familie
eine neue Ausreisefrist bis zum 23. Oktober 2005 angesetzt wurde. Der
Aufforderung, die Schweiz zu verlassen, leisteten sie jedoch keine Folge.

B.
Der Migrationsdienst des Kantons Bern nahm X.________ am 20. November 2007 in
Ausschaffungshaft, welche das Haftgericht III Bern-Mittelland prüfte und bis
zum 19. Februar 2008 bestätigte. Die am 8. Februar 2008 beantragte
Verlängerung der Ausschaffungshaft wies der Haftrichter mit Entscheid vom 13.
Februar 2008 ab, hiess aber den Eventualantrag auf Anordnung der
Durchsetzungshaft gut und bestätigte diese bis zum 12. März 2008.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. Februar 2008
beantragt X.________ die Aufhebung des Entscheids des Haftgerichts III
Bern-Mittelland vom 13. Februar 2008 und die Entlassung aus der
Durchsetzungshaft. Zudem ersucht er um unentgeltliche Prozessführung und
Verbeiständung.
Das Haftgericht III Bern-Mittelland verzichtet auf eine Vernehmlassung und
beantragt Abweisung der Beschwerde. Der Migrationsdienst des Kantons Bern
schliesst sich vollumfänglich der Argumentation des Haftrichters an. Das
Bundesamt für Migration liess sich nicht vernehmen. X.________ hat dazu eine
abschliessende Stellungnahme eingereicht.

Erwägungen:

1.
Anfechtungsobjekt im vorliegenden Verfahren ist einzig der Entscheid vom 13.
Februar 2008, mit welchem der Haftrichter die Durchsetzungshaft genehmigte.
Soweit der Beschwerdeführer die vorgängig angeordnete Ausschaffungshaft, die
mit unangefochten gebliebenem Entscheid des Haftrichters vom 21. November
2007 genehmigt wurde, beanstandet, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten
werden.

2.
2.1
2.1.1 Hat ein Ausländer seine Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innerhalb
der ihm angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- oder
Ausweisung auf Grund seines persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden,
so darf er, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, in
Durchsetzungshaft genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft
nicht zulässig ist oder keine andere, mildere Massnahme geeignet erscheint,
zu diesem Ziel zu führen (Art. 78 Abs. 1 AuG [SR 142.20]). Die
Durchsetzungshaft ist erstmals für einen Monat zulässig und kann danach mit
der Zustimmung der zuständigen kantonalen richterlichen Behörde - bis zu
einer Maximaldauer von 18 Monaten - jeweils um zwei Monate verlängert werden
(Art. 78 Abs. 2 AuG), sofern der Ausländer weiterhin nicht bereit ist, sein
Verhalten zu ändern und auszureisen. Die Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und
Durchsetzungshaft dürfen zusammen die Höchstdauer von 24 Monaten nicht
überschreiten (Art. 79 AuG).

2.1.2 Zweck der Durchsetzungshaft ist es, die ausreisepflichtige Person in
jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach Ablauf der
Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten Weg- oder
Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre Kooperation nicht
möglich ist. Sie soll das letzte Mittel darstellen, wenn und soweit keine
andere Zwangsmassnahme mehr zum Ziel führt, den illegal anwesenden Ausländer
- auch gegen seinen Willen - in seine Heimat verbringen zu können (BGE 133 II
97 E. 2.2 S. 99 f.). Ihre konventionsrechtliche Rechtfertigung findet die
Durchsetzungshaft in Art. 5 Ziff. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 5 Ziff. 1
lit. b EMRK. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann selbst eine Haftdauer von
18 Monaten im Einzelfall verhältnismässig sein (vgl. BGE 133 II 97 E. 2.2. S.
100).

2.2
2.2.1 Der Beschwerdeführer und seine Familie sind im Asylverfahren
rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen worden. Die schweizerischen
Behörden haben sich erfolglos bemüht, die Identität und das Herkunftsland der
Betroffenen zu ermitteln, um sie in ihre Heimat zurückschaffen zu können. Der
Beschwerdeführer und seine Ehefrau sind dabei ihrer Mitwirkungspflicht in
keiner Weise nachgekommen und haben mit ihren Angaben zudem versucht, die
Behörden zu täuschen. Trotz zahlreicher Gespräche zwecks Vorbereitung der
Ausreise gelang es den Behörden nicht, den Beschwerdeführer zur Offenlegung
seiner Identität zu bewegen. Vielmehr hat dieser klar zum Ausdruck gebracht,
dass er keineswegs willens ist, die Schweiz zu verlassen.
Fingerabdruckvergleiche mit anderen europäischen Staaten liessen nichts in
Erfahrung bringen. Entsprechende Befragungen des Beschwerdeführers und seiner
Ehefrau ergaben, dass sie über keine glaubwürdigen Kenntnisse ihrer
angeblichen Herkunftsregion verfügten, und eine Sprachanalyse schloss Irak
als Herkunftsland aus. Es bestehen dagegen Hinweise, wonach der
Beschwerdeführer und seine Familie möglicherweise aus der Türkei stammen, was
aber vom Beschwerdeführer bestritten wird. Dass es die kantonalen Behörden
unter diesen Umständen als wenig sinnvoll erachten, den Beschwerdeführer,
dessen Identität nicht erstellt ist, bei der türkischen Botschaft
vorzuführen, ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer behauptet
weiterhin, er komme aus dem Irak. Solange er sich aber vehement weigert,
dorthin zurückzukehren, und nur freiwillige Rückschaffungen in den Irak
möglich sind, kann von einer zwangsweisen Vorführung des Beschwerdeführers
vor einer irakischen Delegation zum Vornherein kein Erfolg erwartet werden.
Im Übrigen ist wenig wahrscheinlich, dass die noch hängigen Anfragen in
Belgien, den Niederlanden und in Schweden zur Klärung der Identität des
Beschwerdeführers führen werden. Damit ist gegen den Beschwerdeführer nur die
Durchsetzungshaft möglich.

2.2.2 Diese erweist sich nicht als unverhältnismässig. Der Beschwerdeführer
und seine Familie verfügen in der Schweiz über keine
Anwesenheitsberechtigung; sie hätten das Land längst verlassen sollen. Da sie
über keine Papiere verfügen, haben sie von vornherein keine legale
Möglichkeit, in ein Drittland auszureisen. Einzig der Heimatstaat ist
verpflichtet, sie wieder zurückzunehmen (BGE 130 II 56 E. 4.1.2 S. 60 mit
Hinweis). Anhaltspunkte dafür, dass ihre Wegweisung offensichtlich unzulässig
wäre, sind nicht ersichtlich (vgl. BGE 128 II 193 E. 2.2; 125 II 217 E. 2 S.
220). Sämtliche gegen den Beschwerdeführer bisher getroffenen milderen
Massnahmen blieben ohne Erfolg, weshalb letztlich nur die Durchsetzungshaft
bleibt, um ihn dazu zu bringen, seine Identität offenzulegen, bei der
Beschaffung der nötigen Reisepapiere mitzuwirken und weisungsgemäss mit
seiner Familie aus der Schweiz auszureisen. Seine administrative Festhaltung
ist hierzu geeignet und im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten
erforderlich. Der Beschwerdeführer hat es in der Hand, die Haft durch aktives
Mitwirken zu verkürzen. Er bringt nichts vor, was die Durchsetzungshaft als
bundesrechtswidrig erscheinen lassen könnte. Für alles Weitere wird auf die
Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).

3.
3.1 Die Beschwerde erweist sich somit als offensichtlich unbegründet und ist
im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann.

3.2 Dem Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung kann wegen Aussichtslosigkeit seines Rechtsbegehrens nicht
entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Aus dem Urteil 2C_706/2007 vom
24. Januar 2008, auf das sich der Beschwerdeführer beruft, ergibt sich nicht,
dass ihm für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht zwingend ein
unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen wäre, nachdem ihnen im Verfahren
vor dem Haftrichter ein amtlicher Anwalt beigeordnet worden ist.
Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG); es rechtfertigt sich indessen, von der Erhebung
von Kosten abzusehen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsdienst des Kantons
Bern, dem Haftgericht III Bern-Mittelland und dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. März 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiberin:

Merkli Dubs