Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.138/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_138/2008

Urteil vom 28. Juli 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, Karlen, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Matter.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Marino Di Rocco,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zürich, Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich.

Gegenstand
Ausweisung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom
12. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
X.________, geb. 1973, serbischer Staatsangehöriger (Kosovo), reiste im Jahr
1988 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein. Er ist im Kanton Zürich
niederlassungsberechtigt, wie seine ebenfalls aus dem Kosovo stammende Ehefrau
und die drei gemeinsamen Kinder (geb. 1996, 1999 und 2002).

Nach zehn strafrechtlichen Verurteilungen (wegen Strassenverkehrs- und
Betäubungsmitteldelikten, Nötigung, Veruntreuung, Körperverletzung, usw.) und
sechs fremdenpolizeilichen Verwarnungen wurde X.________ im Jahr 2004 u.a.
wegen Raubes zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Mit Beschluss vom 23. Mai
2007 wies ihn der Regierungsrat des Kantons Zürich für die Dauer von 10 Jahren
aus der Schweiz aus. Dagegen gelangte er vergeblich an das Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich.

B.
Am 6. Februar 2008 hat X.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht. Er beantragt, den Beschluss des
Regierungsrats aufzuheben. Weiter sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung zu gewähren.

C.
Das Verwaltungsgericht und das Bundesamt für Migration schliessen auf Abweisung
der Beschwerde (soweit darauf einzutreten sei). Der Regierungsrat hat sich
nicht vernehmen lassen.

D.
Mit Präsidialverfügung vom 12. Februar 2008 ist der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Gegen die sich auf Art. 10 des hier noch anwendbaren Bundesgesetzes vom 26.
März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20)
stützende Ausweisungsverfügung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten grundsätzlich zulässig (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG e
contrario). Im Verfahren der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten kann aber einzig der kantonal letztinstanzliche Entscheid
angefochten werden (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Der anwaltlich vertretene
Beschwerdeführer beantragt in seinen formellen Rechtsbegehren nur, den
Beschluss des Regierungsrats aufzuheben, ohne sich gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts zu wenden. Eine solche Unterlassung eines beruflichen
Rechtsvertreters hätte bei einer streng formellen Betrachtungsweise zur Folge,
dass auf die Beschwerde gesamthaft nicht einzutreten wäre. Aus mehreren Stellen
der Beschwerdeschrift ergibt sich indessen, dass der Entscheid des
Verwaltungsgerichts ebenfalls angefochten ist. In diesem Umfang kann deshalb
die Beschwerde dennoch entgegengenommen werden.

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Weiter enthält Art. 99
BGG ein Novenverbot, weshalb das erst nach dem Entscheid des
Verwaltungsgerichts ausgestellte Arztzeugnis aus dem Recht zu weisen ist.

2.
2.1 Nach Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG kann ein Ausländer aus der Schweiz
ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich
bestraft wurde. Durch die Ausweisung erlischt die Niederlassungsbewilligung
(Art. 9 Abs. 3 lit. b ANAG). Der erwähnte Ausweisungsgrund ist hier
unbestrittenermassen gegeben. Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend,
dass seine Ausweisung unangemessen sei.

2.2 Gemäss Art. 11 Abs. 3 ANAG soll die Ausweisung nur verfügt werden, wenn sie
nach den gesamten Umständen angemessen bzw. verhältnismässig erscheint (vgl.
BGE 125 II 521 E. 2a S. 523 und Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Es sollen unnötige Härten
vermieden werden. Bei der vorzunehmenden Abwägung sind vor allem die Schwere
des Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz
und die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (Art. 16
Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, ANAV; SR 142.201). Entscheidend
sind immer die gesamten Umstände des Einzelfalles (vgl. BGE 130 II 176 E. 4.4.2
S. 190; 125 II 521 E. 2b S. 523; 122 II 433 E. 2 und 3 S. 435 ff., je mit
Hinweisen).

2.3 Vorliegend haben sich die kantonalen Behörden zu Recht auf das Strafmass,
das gesamthaft schwere Verschulden des Beschwerdeführers, seine Vorstrafen,
seine offensichtliche Uneinsichtigkeit, seine immer gravierendere Delinquenz
und seine zunehmende Gewaltbereitschaft gestützt. An seiner Entfernung und
Fernhaltung besteht somit ein grosses sicherheitspolizeiliches Interesse, das
nur durch entsprechend gewichtige private Interessen aufgewogen werden könnte.
Solche haben die Vorinstanzen hier begründeterweise nicht gesehen. Insbesondere
vermögen dem Beschwerdeführer weder seine relativ lange Aufenthaltsdauer noch
seine familiären Bande zu helfen. Er lebt zwar seit beinahe 20 Jahren in der
Schweiz. Er konnte sich indessen weder in die Gesellschaft noch ins Berufsleben
integrieren. Nach 1996 war er nurmehr zeitweise, ab 2002 überhaupt nicht mehr
erwerbstätig. Seit mehreren Jahren leben er und seine Familie von der
Sozialhilfe. Selbst sein familiäres Umfeld konnte ihn nicht davon abhalten,
regelmässig und immer schwerer straffällig zu werden. Weder die
strafrechtlichen Verurteilungen noch die fremdenpolizeilichen Verwarnungen
schreckten ihn von der Fortsetzung seines deliktischen Verhaltens ab.

Dabei begnügten sich die Behörden nicht mit dem Vollzug von Freiheitsstrafen,
sondern boten Hilfs- bzw. Therapiemassnahmen an. Insgesamt elfmal brachte der
Beschwerdeführer diese indessen zum Scheitern. Auch der nach der Verurteilung
von 2004 angeordnete stationäre Entzug misslang, so dass die Strafe
schliesslich doch vollzogen werden musste. Dementsprechend haben die kantonalen
Behörden die offenbar weiter bestehende Drogensucht des Beschwerdeführers zu
Recht nicht als mildernden Umstand, sondern als beträchtlichen Risikofaktor
eingestuft. Da der Beschwerdeführer nicht nur eine gewisse Haltlosigkeit,
sondern auch eine zunehmende Gewaltbereitschaft gezeigt hat, wäre im Falle
seines Verbleibs in der Schweiz mit einiger Wahrscheinlichkeit ein erneuter, je
nachdem sogar schwerer Rückfall in die (Beschaffungs-)Kriminalität zu
befürchten.

Der Beschwerdeführer verfügt nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz immer noch über Beziehungen zu seinem Heimatland, wo er bis zu
seinem 15. Altersjahr gelebt hat und - sofern er nicht im Strafvollzug war -
jedes Jahr eine gewisse Zeit verbracht hat. Eine Rückkehr erscheint so auf
jeden Fall zumutbar.

2.4 Das Verwaltungsgericht hat auch die Situation der Familie zutreffend
gewürdigt. Die Ehefrau ist sozusagen gar nicht integriert, weshalb ihr eine
Rückkehr in die gemeinsame Heimat ebenfalls zumutbar wäre. Dasselbe gilt für
die Kinder, die sich alle noch in einem anpassungsfähigen Alter befinden. Aber
selbst wenn es zu einer Trennung der Familie kommen würde, wäre dies - auch
unter dem Gesichtspunkt von Art. 8 EMRK - angesichts des Verschuldens des
Beschwerdeführers hinzunehmen (vgl. u.a. BGE 125 II 633 E. 2e S. 639; 122 II
289 E. 3b E. 297 f.; je mit Hinweisen).

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Dem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit des gestellten
Rechtsbegehrens nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und
dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Juli 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Matter