Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.81/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_81/2008 /fun

Urteil vom 20. Juni 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Felix Huber,

gegen

Munizipalgemeinde Fiesch, 3984 Fiesch,
Kantonale Baukommission Wallis, Rue des Cèdres 5, 1950 Sitten,
Staatsrat des Kantons Wallis, Place de la Planta 3, Postfach, 1951 Sitten,

weitere Mitbeteiligte:
- Delta- und Gleitschirmclub Oberwallis,
- Fluggruppe Aletsch,
beide vertreten durch Advokat Peter Jossen-Zinsstag.

Gegenstand
Bauwesen,

Beschwerde gegen das Urteil vom 11. Januar 2008
des Kantonsgerichts Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung.

Sachverhalt:

A.
Am 8. Mai 2003 erteilte die Munizipalgemeinde Fiesch X.________ die
Baubewilligung für die Errichtung eines Campingplatzes am Ort "Moos" nördlich
des Dorfkerns, zwischen der Strasse nach Fieschertal und dem Weisswasser. Das
Gebiet ist im Zonennutzungsplan der Gemeinde einer Campingzone zugewiesen.

B.
Am 28. November 2003 stellte X.________ ein Abänderungsgesuch zu der im Mai
erteilten Baubewilligung für zusätzliche bauliche Massnahmen sowohl innerhalb
der Campingzone als auch ausserhalb derselben, in der Landwirtschaftszone.

Die Gemeinde bewilligte am 26./30. Mai 2004 die in der Campingzone vorgesehenen
Anlagen und befürwortete die in der Landwirtschaftszone gelegenen Anlagen
(Spielplatz, Biotop, Parkplätze, Aufschüttungen). Sie sandte die
diesbezüglichen Akten an die kantonale Baukommission (KBK).

Die kantonale Dienststelle für Raumplanung vertrat in ihrer Vernehmlassung vom
22. April 2004 die Auffassung, die ausserhalb der Bauzone geplanten Projekte
könnten nur nach einer Anpassung des Zonennutzungsplans bewilligt werden; zudem
entspreche das Gesuch nicht dem kantonalen Richtplan (Koordinationsblatt 4.2
Camping- und Caravaningplätze).

Gegen das Bauvorhaben wandten sich auch der Delta- und Gleitschirmclub
Oberwallis und die Fluggruppe Aletsch, weil ein Teil der Anlagen in der
Hindernisfreihaltezone für Delta- und Gleitschirmflieger zu liegen komme.

Noch vor dem Entscheid der KBK begann X.________ mit den Bauarbeiten ausserhalb
der Bauzone, weshalb die Gemeinde ihn am 13. Mai 2004 aufforderte, diese
einzustellen.
Am 23. Juli 2004 verweigerte die KBK die Bewilligung für die
Terrainaufschüttungen sowie das Erstellen von Spielplatz, Biotop und
Parkplätzen und ordnete die Wiederherstellung des ursprünglichen rechtmässigen
Zustandes innert vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung an.

C.
Dagegen erhob X.________ Beschwerde an den Staatsrat des Kantons Wallis. Das
Verfahren wurde bis zur Abstimmung über eine Erweiterung der Campingzone
sistiert. Am 10. März 2005 lehnte die Urversammlung der Gemeinde die Änderung
der Nutzungsplanung ab. Anschliessend wurde das Verfahren erneut sistiert, um
Verhandlungen mit dem Delta- und Gleitschirmclub Oberwallis zu ermöglichen. Am
4. Dezember 2006 nahm die Staatskanzlei das Verfahren wieder auf, u.a. weil
X.________ erneut ohne Bewilligung umfangreiche Materialaufschüttungen
vorgenommen habe. Mit Entscheid vom 20. Dezember 2006 wies der Staatsrat die
Beschwerde ab.

D.
Dagegen erhob X.________ am 5. Februar 2007 Beschwerde beim Verwaltungsgericht
des Kantons Wallis. Das Verfahren wurde wiederum sistiert, im Hinblick auf
Verhandlungen des Beschwerdeführers mit dem Schweizerischen Hängegleiterverband
und ein erneutes Gesuch um Erweiterung der Campingzone. Am 11. Dezember 2007
lehnte die Urversammlung der Gemeinde die Erweiterung der Campingzone erneut
ab. Am 11. Januar 2008 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.

E.
Dagegen hat X.________ am 15. Februar 2008 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten erhoben. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids, soweit er den Spielplatz, die Parkplätze und die
Terrainaufschüttungen betrifft.

F.
Das Verwaltungsgericht, der Staatsrat und die KBK beantragen Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) hat auf eine Stellungnahme
verzichtet. Die Gemeinde Fiesch, der Delta- und Gleitschirmclub Oberwallis und
die Fluggruppe Aletsch haben sich nicht vernehmen lassen.

G.
Mit Verfügung vom 13. März 2008 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
erteilt.
Erwägungen:

1.
Gegen den angefochtenen, kantonal letztinstanzlichen Entscheid über eine
Ausnahmebewilligung ausserhalb der Bauzone und die Wiederherstellung des
rechtmässigen Zustands steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) grundsätzlich offen. Da alle
Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Die streitigen Anlagen (Spielplatz, Parkplätze,Terrainaufschüttungen) sind in
der Landwirtschaftszone zonenwidrig und daher auf eine Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG; SR 700)
angewiesen. Voraussetzung ist, dass der Zweck der Bauten und Anlagen einen
Standort ausserhalb der Bauzone erfordert (Art. 24 lit. a RPG;
Standortgebundenheit) und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit.
b).

2.1 Das Verwaltungsgericht verneinte die Standortgebundenheit: Die umstrittenen
Teile des Campingplatzes könnten in der Bau- bzw. Campingzone gebaut werden und
seien nicht auf einen Standort in der Landwirtschaftszone angewiesen. Dabei sei
eine objektive Betrachtung geboten und es könne nicht auf die subjektiven
Vorstellungen und Wünsche des Beschwerdeführers abgestellt werden.

2.2 Der Beschwerdeführer ist dagegen der Auffassung, wichtige und objektive
Gründe betriebswirtschaftlicher Natur machten einen Standort ausserhalb der zu
klein dimensionierten Campingzone unabdingbar, weshalb die positive
Standortgebundenheit zu bejahen sei. Dies habe auch die Gemeindeverwaltung
mehrfach anerkannt und deshalb der Urversammlung bereits zweimal eine
Erweiterung der Campingzone vorgeschlagen. Diese Vorlage sei von der
Urversammlung nicht aus sachlichen, sondern ausschliesslich aus in der Person
des Beschwerdeführers liegenden Gründen abgewiesen worden.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, wonach vor Ausscheidung des Campingplatzes
Studien über die benötigte Fläche angestellt worden seien, treffe nicht zu;
vielmehr sei die Campingzone mehr oder weniger willkürlich dimensioniert
worden. Unzutreffend sei auch das Argument des Verwaltungsgerichts, wonach das
erste Baugesuch des Beschwerdeführers zeige, dass ein rentabler Campingbetrieb
auf der eingezonten Fläche möglich sei: Wäre diese der Fall, hätte der
Beschwerdeführer nicht kurz nach der ersten Baubewilligung und noch im Laufe
der Bauarbeiten ein Abänderungs- und Erweiterungsgesuch gestellt.
Ein Kinderspielplatz gehöre heute zum Grundangebot eines Campingplatzes. Müsste
der Spielplatz in die Campingzone verlegt werden, so gingen 25 bis 30 der
insgesamt 60 Stellplätze verloren, was keinen wirtschaftlichen Betrieb mehr
ermögliche. Zudem müsse eine Spielanlage möglichst peripher platziert werden,
weil es Leute gebe, die sich durch den Lärm spielender Kinder gestört fühlten.

Das Campingareal dürfe nach 22 Uhr nicht mehr befahren werden, weshalb es
unabdingbar sei, für Spätheimkehrer Parkierungsmöglichkeiten ausserhalb des
eigentlichen Campingbereichs bereit zu stellen. Würden die vorgesehenen 35
Parkplätze in der Campingzone realisiert, müsste wertvoller Campingraum
geopfert werden, was sich wiederum verheerend auf die Wirtschaftlichkeit des
Betriebs auswirken würde.

Die Terrainaufschüttung sei für die Erstellung der 35 Parkplätze erforderlich
gewesen, weil das Terrain entlang des Zufahrtsweges zur Campinganlage sumpfig
sei.

2.3 Bau- und auch Ausnahmebewilligungen haben den planerischen Stufenbau zu
beachten.
Dies bedeutet zunächst, dass für Bauten und Anlagen, die ihrer Natur nach nur
in einem Planungsverfahren angemessen erfasst werden können, keine
Ausnahmebewilligungen erteilt werden dürfen. Zieht ein nicht zonenkonformes
Vorhaben durch seine Ausmasse oder seine Natur bedeutende Auswirkungen auf die
bestehende Nutzungsordnung nach sich, so darf es erst nach einer entsprechenden
Änderung des Zonenplans bewilligt werden und nicht im Wege der
Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG (vgl. BGE 120 Ib 207 E. 5 S. 212 mit
zahlreichen Hinweisen). Eine Planungspflicht wurde beispielsweise für einen
Standplatz für Fahrende mit Carawanen bejaht (BGE 129 II 321 E. 3 S. 326 ff.)
und gilt auch für Campingplätze einer gewissen Grösse (Waldmann/Hänni,
Handkommentar RPG, Art. 18 N 29).
Existiert bereits eine Campingzone, so ist diese für die Platzierung und den
Umfang der zum Campingplatz gehörenden Bauten und Anlagen verbindlich (Art. 21
Abs. 1 RPG). Die Änderung oder Anpassung der bestehenden Campingzone an
veränderte Verhältnisse oder gewandelte Vorstellungen muss ebenfalls im Wege
der Planung erfolgen und nicht im Verfahren der Ausnahmebewilligung nach Art.
24 RPG (Art. 21 Abs. 2 RPG; vgl. dazu Entscheid 1A.42/2002 vom 15. Januar 2003
E. 2.2.1).
Im vorliegenden Fall hat die Urversammlung der Gemeinde die Erweiterung der
Campingzone zweimal abgelehnt. Diese Beschlüsse wurden vom Beschwerdeführer
nicht angefochten und sind deshalb verbindlich. Die akzessorische Überprüfung
des Nutzungsplans ist im Baubewilligungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen
(BGE 131 II 103 E. 2.4.1 S. 110 mit Hinweisen). Insofern sind die vom
Beschwerdeführer für die Erweiterung der Campingzone vorgebrachten Argumente im
vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

Auszugehen ist somit von der geltenden, vom Staatsrat 1998 homologierten
Campingzone der Gemeinde. Diese definiert den Perimeter, in dem Bauten und
Anlagen für den Campingplatz realisiert werden dürfen. Dies hat zur Folge, dass
solche Bauten und Anlagen in der angrenzenden Landwirtschaftszone weder
zonenkonform noch standortgebunden sind.

2.4 Nach dem Gesagten hat das Verwaltungsgericht die Standortgebundenheit der
streitigen Vorhaben zu Recht verneint. Insofern kann offen bleiben, ob dem
Vorhaben auch überwiegende Interessen nach Art. 24 lit. b RPG entgegenstehen.

3.
Wurde die Ausnahmebewilligung somit zu Recht verweigert, ist noch zu prüfen, ob
der Wiederherstellungsbefehl die Eigentumsgarantie verletzt.

3.1 Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, der Abbruch der fraglichen Anlagen
liege nicht im öffentlichen Interesse, weil diese für den Betrieb des
Campingplatzes unabdingbar seien; dies habe auch die Gemeindeverwaltung Fiesch
anerkannt. Der Abbruch der Anlagen, in die er erhebliche Mittel investiert
habe, wäre auch unverhältnismässig: Auf dem Spiel stünden nicht nur die vom
Beschwerdeführer getätigten Investitionen und die Kosten des Rückbaus; vielmehr
gehe es um Sein oder Nichtsein der gesamten Campinganlage, da im Falle eines
Rückbaus die Wirtschaftlichkeit des Campingplatzes nicht mehr gewährleistet
sei.
Der Beschwerdeführer bestreitet, bösgläubig gehandelt zu haben. Nachdem innert
Frist keine Einsprache gegen das Projekt eingegangen sei und die
Gemeindeverwaltung das Bauvorhaben befürwortet habe, habe er annehmen dürfen,
dass ihm die Bewilligung auch für die Bauten ausserhalb der Campingzone erteilt
werde. Überdies sei er davon ausgegangen, die planungsrechtliche Erweiterung
der Campingzone sei reine Formsache. Schwierigkeiten hätten sich erst
abgezeichnet, als die Anlagen bereits erstellt gewesen seien.

3.2 Das Verwaltungsgericht nahm dagegen an, der Beschwerdeführer habe als
Unternehmer und Promoter klar gewusst, dass die KBK für Bauvorhaben ausserhalb
der Bauzone allein zuständig sei und dass diese sein Gesuch selbständig, ohne
Bindung an eine kommunale Vormeinung und unabhängig vom Vorliegen einer
Einsprache, prüfen werde. Weil er sich der rechtlichen Schwierigkeiten seines
Projekts bewusst gewesen sei, habe der Beschwerdeführer bereits am 1. März
2004, d.h. noch vor der kommunalen Bewilligung vom 26./30. März 2004, bei der
Gemeinde das Gesuch gestellt, die Campingzone zu erweitern. Somit sei er sich
des Risikos einer vorzeitigen Realisierung seines Vorhabens bewusst gewesen.

Das Verwaltungsgericht qualifizierte die Abweichungen gegenüber den
gesetzlichen Vorschriften als gravierend: Der Beschwerdeführer habe
weitreichende Arbeiten ausgeführt und Anlagen ausserhalb der Bauzone
realisiert; dies sei eine massive Verletzung eines grundlegenden Prinzips des
Raumplanungsrechts, dem Prinzip der Trennung der Bauzone vom übrigen Gebiet.
Die vermögensrechtlichen Interessen des Beschwerdeführers, der sich mit einem
kleineren Platz und mit einer geringeren Wirtschaftlichkeit der gesamten Anlage
abfinden müsse, hätten hinter den gewichtigen öffentlichen Interessen an der
Durchsetzung der Grundprinzipien der Raumplanung zurückzutreten, zumal sich der
Beschwerdeführer seine missliche Lage selbst zuzuschreiben habe.

3.3 Diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts ist beizupflichten. Der
Beschwerdeführer nahm weitreichende Arbeiten vor, obwohl er wusste, dass weder
die erforderliche Ausnahmebewilligung der KBK noch die Zustimmung der
Urversammlung zur Erweiterung der Campingzone vorlag. Insofern handelte er klar
bösgläubig, auch wenn er auf einen positiven Ausgang des Ausnahmebewilligungs-
bzw. des Planungsverfahrens hoffte. Ein öffentliches Interesse am Fortbestand
des Campingplatzes besteht nur in den planungsrechtlich verbindlich
festgelegten Grenzen der Campingzone. Der Beschwerdeführer kannte diese
Grenzen, als er sich 2003 zur Eröffnung eines Campingplatzes entschloss. In
dieser Situation überwiegt das öffentliche Interesse an der Beseitigung der
formell und materiell rechtswidrigen Anlagen ausserhalb der Bauzone die
wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers. Der Wiederherstellungsbefehl
verletzt deshalb nicht die Eigentumsgarantie.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten und hat keinen
Anspruch auf eine Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Munizipalgemeinde Fiesch, der
Kantonalen Baukommission Wallis, dem Staatsrat des Kantons Wallis, den weiteren
Mitbeteiligten und dem Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung,
sowie dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Juni 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Gerber