Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.79/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_79/2008 /daa

Urteil vom 29. September 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Parteien
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Elmar Perler,

gegen

1. Erbinnen des B.________ sel., nämlich:
- C.________,
- D.________,
- E.________,
2. Deutschfreiburger Heimatkundeverein,
Postfach 420, 1701 Freiburg,
3. Freiburger Heimatschutz, Postfach 58,
1701 Freiburg,
4. Schweizer Heimatschutz (SHS), Seefeldstrasse 5a, Postfach, 8032 Zürich,
Beschwerdegegner, alle vertreten durch Rechtsanwalt Markus Meuwly,
Gemeinde Bösingen, Laupenstrasse 2, Postfach 80, 3178 Bösingen,
Oberamt des Sensebezirks, Oberamtmann,
1712 Tafers,
Raumplanungs-, Umwelt- und Baudirektion des Kantons Freiburg, Rue des Chanoines
17, Postfach, 1701 Freiburg.

Gegenstand
Bau einer Schweinemasthalle,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 11. Dezember 2007 des Kantonsgerichts
Freiburg,
II. Verwaltungsgerichtshof.

Sachverhalt:

A.
A.________ ist Landwirt. Er betreibt in erster Linie Ackerbau und hält daneben
375 Schweine.
Am 27. November 1998 reichte er ein Baugesuch ein für den Neubau einer
Schweinemasthalle, mit einer Länge von 124.3 m, einer Breite von 17.3 m (mit
Vordach und Auslauf 23.4 m) und einer Höhe von 5.5 m, sowie einer 566 m³
grossen Güllengrube. Die Anlage mit einem Volumen von 18'443 m³ bietet Platz
für 1'000 Mastschweine und soll im Weiler Vogelshus, auf der Parzelle Nr. 337
(Eigenacher) der Gemeinde Bösingen erstellt werden. Der Standort befindet sich
in der Landwirtschaftszone und ist teilweise im kommunalen Richtplan als
Landschaftsschutzgebiet eingetragen.

Nach dem aus dem Jahre 2003 stammenden Planungs- und Baureglement der Gemeinde
(PBR) gehört der Weiler Vogelshus zum Ortsbildschutzperimeter. Im Weiler
befindet sich ein im 18. Jahrhundert erstelltes Schloss, genannt Herrenhaus von
Lenzburg oder Schloss Vogelshus. Es ist ein Kulturgut von regionaler Bedeutung.
Im Verzeichnis der Kulturgüter der Gemeinde Bösingen wurde ihm der Wert A
gegeben (Anh. 4 PBR).

B.
Gegen das Bauvorhaben erhoben u.a. der Freiburger Heimatschutz, die
Erbengemeinschaft B.________, der Deutschfreiburger Heimatkundeverein sowie die
F.________ AG, damalige Eigentümerin des Schlosses Vogelshus, Einsprache.

Mit Verfügung vom 30. August 1999 lehnte die Raumplanungs-, Umwelt- und
Baudirektion des Kantons Freiburg die Erteilung einer Sonderbewilligung für den
Bau der Schweinemasthalle ab, weil das Bauvorhaben im Verhältnis zur
landwirtschaftlichen Nutzfläche des Betriebs überdimensioniert sei.
Nachdem A.________ weitere 28 ha Wies- und Ackerland zugekauft hatte, zog die
Direktion ihren Entscheid in Wiedererwägung und erteilte am 22. Dezember 2000
die Sonderbewilligung für die Erstellung der geplanten Anlage in der
Landwirtschaftszone. Am 17. Dezember 2001 erteilte der Oberamtmann des
Sensebezirks seinerseits die Baubewilligung und wies die Einsprachen ab.

C.
Gegen beide Verfügungen erhoben die Erbinnen von B.________, nunmehr
Eigentümerinnen des Schlosses Vogelshus, der Deutschfreiburger
Heimatkundeverein sowie der Freiburger und Schweizer Heimatschutz Beschwerde an
das Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg. Das Verfahren ruhte zwecks
Verhandlungen der Parteien und wurde am 6. November 2006 wieder aufgenommen. Am
11. November 2007 führte das Verwaltungsgericht einen Augenschein durch. Am 11.
Dezember 2007 hiess es die Beschwerden gut, hob die angefochtenen Verfügungen
auf und verweigerte die Bewilligung zum Erstellen der Schweinemasthalle.

Das Verwaltungsgericht liess offen, ob diese als in der Landwirtschaftszone
zonenkonforme Baute nach Art. 16a des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die
Raumplanung (RPG; SR 700) und Art. 34 der dazugehörigen Verordnung (RPV; SR
700.1) oder im Rahmen einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG zu beurteilen
sei, da dem Bauvorhaben jedenfalls klar überwiegende Interessen
entgegenstünden. Die geplante Schweinemasthalle mit ihren enormen Ausmassen
würde das Ortsbild und die Landschaft des Weilers Vogelshus erheblich
beeinträchtigen und könne deshalb nicht bewilligt werden.

D.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat A.________ am 14. Februar 2008
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben.
Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Abweisung der
Beschwerden gegen die Sonderbewilligung vom 22. Dezember 2000 und die
Baubewilligung vom 17. Dezember 2001.

E.
Das Verwaltungsgericht beantragt Beschwerdeabweisung. Die Erbengemeinschaft
B.________, der Deutschfreiburger Heimatkundeverein sowie der Freiburger und
Schweizer Heimatschutz schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Die Raumplanungs-, Umwelt- und Baudirektion verzichtet auf
eine Vernehmlassung. Der Oberamtmann des Sensebezirks beantragt Gutheissung der
Beschwerde. Der Gemeinderat Bösingen teilt mit, die Gemeinde habe ein positives
Gutachten zum Neubau erteilt und stehe nach wie vor dazu.
Das Bundesamt für Raumentwicklung verweist auf die Notwendigkeit eines
Bewirtschaftungskonzeptes, falls das Bauvorhaben nach Art. 16a Abs. 2 RPG
bewilligt werden sollte.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid des
Verwaltungsgerichts, mit dem die Sonderbewilligung und die Baubewilligung für
eine Schweinemasthalle in der Landwirtschaftszone aufgehoben wurden. Dagegen
steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
offen (Art. 82 ff. BGG). Da alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf
die Beschwerde - vorbehältlich rechtsgenügend begründeter Rügen (Art. 106 Abs.
2 i.V.m. Art. 42 Abs. 2 BGG) - einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine willkürliche Anwendung von Art. 7 PBR
durch das Verwaltungsgericht. Dieses habe die Auffassung vertreten, es sei
einerlei, ob die geplante Masthalle sich (teilweise) im Ortsbildschutzperimeter
oder knapp ausserhalb desselben befinde, weil die Baute in jedem Fall den
geschützten Perimeter nachhaltig beeinflussen werde. Diese Auffassung stehe in
Widerspruch zum klaren Wortlaut von Art. 7 PBR. Diese Bestimmung lautet:
"1. Der Ortsbildschutzperimeter umfasst die Dorfkernzone und die besonders
schützenswerten Weiler Fendringen, Grenchen, Richterwil, Uttewil und Vogelshus.
1. Innerhalb des Ortsbildschutzperimeters liegende Gebäudegruppen,
Einzelobjekte und Aussenräume sind unter Wahrung der charakteristischen
räumlichen Verhältnisse und der Massstäblichkeit der Bauweise in ihrer
Gesamterscheinung und ihrer Detailgestaltung zu erhalten und zu pflegen. Alle
baulichen Massnahmen haben unter Wahrung dieser Zielsetzung zu erfolgen.
2. Für den Umbau oder den Abbruch bestehender Gebäude sowie die Erstellung
neuer Bauten und Anlagen innerhalb dieser Ortsbildschutzperimeter ist ein
Vorprüfungsgesuch im Sinne des Art. 184 RPBG und ein Gutachten der
Kulturgüterkommission erforderlich."
3. Der Gemeinde sei es somit um den Schutz jener Gebäudegruppen, Einzelobjekte
und Aussenräume gegangen, die sich innerhalb des Perimeters befinden; hätte der
Ortsbildschutzperimeter sich auch auf Räume ausserhalb dieser Grenzziehung
beziehen sollen, hätte der Wortlaut anders gefasst werden müssen. Die räumliche
Ausdehnung der Schutzzone sei von der Gemeinde im Schutzzonenplan klar durch
Sternchen (*) abgegrenzt worden und verlaufe eng entlang der bestehenden
Bauten. Über diese Grenzziehung habe sich das Verwaltungsgericht willkürlich
hinweggesetzt.

3.1 Zwar trifft es zu, dass Abs. 2 und 3 von Art. 7 PBR bauliche Massnahmen
innerhalb des Ortsbildschutzperimeters regeln, d.h. innerhalb des mit Sternchen
zumindest ungefähr abgegrenzten Gebiets. Dieses umfasst im Wesentlichen die
bestehenden Bauten des Weilers mit Landumschwung.

Das Verwaltungsgericht stützte sich jedoch nicht auf Art. 7 Abs. 2 und 3 PBR,
sondern nahm eine Interessenabwägung gestützt auf Art. 16a RPG i.V.m. Art. 34
Abs. 4 lit. b RPV bzw. Art. 24 lit. b RPG vor. In diesem Rahmen berücksichtigte
es, dass der Weiler Vogelshus gemäss Art. 7 Abs. 1 PBR als Ortsbild, d.h. als
Ensemble, besonders geschützt sei. Der Weiler befinde sich zudem ausserhalb der
Bauzone, d.h. er solle von neuen Bauten und Anlagen grundsätzlich frei gehalten
und es solle einer Zersiedelung des Landes entgegengewirkt werden. Das
Verwaltungsgericht kam zum Ergebnis, dass ein erhebliches Interesse an der
Erhaltung der Gesamterscheinung des Weilers, seiner charakteristischen
räumlichen Verhältnisse und der schönen und unversehrten umgebenden Landschaft
bestehe. Dieses Interesse werde durch die strittige Schweinemasthalle mit ihren
enormen Ausmassen erheblich beeinträchtigt, unabhängig davon, ob diese noch
teilweise innerhalb oder knapp ausserhalb des Ortsbildschutzperimeters liege.

Diese Erwägungen verletzen kein Bundesrecht.

3.2 Nach dem Gesagten durfte das Verwaltungsgericht die Frage, ob die geplante
Baute im Ortsbildschutzperimeter liegt, als nicht entscheiderheblich erachten
und offen lassen. Die diesbezüglichen Sachverhaltsrügen des Beschwerdeführers
stossen daher ins Leere.

4.
Weiter rügt der Beschwerdeführer, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt
offensichtlich unvollständig und unrichtig festgestellt. Er macht geltend, die
Hochspannungsleitungen in der Peripherie des Weilers Vogelshus seien nicht
berücksichtigt worden. Willkürlich sei auch die Feststellung, wonach sich im
Weiler ein mit Eternit bekleidetes Gebäude befinde; es gebe mehrere den Weiler
prägende Bauten, die grossflächig mit Eternit gedeckt seien. Mit der
tatsächlichen Situation in krassem Widerspruch stehe sodann die Feststellung
des Verwaltungsgerichts, wonach die geplante Masthalle aufgrund ihrer Grösse
keinesfalls mit den bestehenden Bauten vergleichbar sei: Sowohl das Schloss als
auch Scheune und Stallungen des Heimwesens der Erben B.________ und der
Gebäudekomplex des Beschwerdeführers hätten, jedes Objekt für sich genommen,
ein grösseres Volumen als die strittige Schweinemasthalle, die nur eine geringe
Breite und Höhe aufweise.

4.1 Das Verwaltungsgericht beurteilte die geplante Schweinemasthalle aufgrund
ihrer enormen Ausmasse als erheblich störend und als keinesfalls mit den
bestehenden Bauten vergleichbar. Diese Aussage bezieht sich - wie in E. 19d S.
29 klargestellt wird - auf die Gebäudelänge von 124,3 m. Unerheblich für die
Beurteilung des Verwaltungsgerichts waren somit das Gesamtvolumen der Baute und
dessen Deckung mit Eternit. Insofern ist es unerheblich, ob es im Weiler
Vogelshus Bauten mit grösserem Volumen gibt und wie viele mit Eternit gedeckt
sind.

4.2 Die Hochspannungsleitungen mit ihren Masten sind auf den in den Akten
liegen Fotos erkennbar und müssen auch dem Verwaltungsgericht an seinem
Augenschein aufgefallen sein. In den Erwägungen werden sie jedoch nicht
erwähnt, d.h. das Verwaltungsgericht hielt sie nicht für erheblich. Der
Beschwerdeführer legt nicht dar, weshalb der Entscheid unter Berücksichtigung
der Hochspannungsleitungen anders hätte ausfallen müssen; dies ist auch nicht
ersichtlich: Zum einen verlaufen die Hochspannungsleitungen in mehreren hundert
Metern Entfernung vom Weiler; zum anderen hat die Existenz eines das Ortsbild
beeinträchtigenden Störfaktors nicht zur Folge, dass weitere störende Bauten
bewilligt werden müssen (so ausdrücklich E. 19c S. 29 des angefochtenen
Entscheids hinsichtlich anderer störender Bauten).

5.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 und 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die privaten Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Bösingen, dem Oberamt des
Sensebezirks, der Raumplanungs-, Umwelt- und Baudirektion des Kantons Freiburg
sowie dem Kantonsgericht Freiburg, II. Verwaltungsgerichtshof und dem Bundesamt
für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. September 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Gerber