Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.73/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_73/2008 /daa

Urteil vom 1. Oktober 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Haag.

Parteien
X.________, Erbin des Y.________ sel., Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Massimo Aliotta,

gegen

Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich, Kantonale
Opferhilfestelle, Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Opferhilfe,

Beschwerde gegen das Urteil vom 7. Januar 2008 des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich,
II. Kammer.

Sachverhalt:

A.
Y.________, geboren 1947, reichte am 18. Juli 2006 bei der kantonalen
Opferhilfestelle der Direktion des Innern des Kantons Zürich ein Gesuch um
Opferhilfe (Entschädigung und Genugtuung in noch zu bestimmender Höhe) ein.
Gleichzeitig beantragte er die Sistierung des Gesuchs, da der Schaden und das
Genugtuungsgesuch bei Gesuchseinreichung noch nicht beziffert werden konnten.
Y.________ begründete sein Gesuch damit, dass er seit Dezember 2005 an einem
malignen Mesotheliom leide. Dieses führte er auf seinen ungeschützten Umgang
mit Asbest zurück, als er in den Jahren 1963 bis 1967 als
Elektromonteur-Lehrling bei der Z.________ AG in Zürich gearbeitet habe.

Mit Verfügung vom 2. August 2006 trat die Opferhilfestelle auf das Gesuch um
Genugtuung und Entschädigung nicht ein, da die mutmassliche Straftat vor dem
Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer
von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG, SR 312.5) am 1. Januar 1993 begangen
worden sei.

Gegen die Verfügung der Opferhilfestelle gelangte Y.________ an das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit dem Antrag, die angefochtene
Verfügung sei aufzuheben und die Opferhilfestelle sei zu verpflichten, auf das
Gesuch einzutreten. Y.________ starb am 6. Juli 2007. Das
Sozialversicherungsgericht wies seine Beschwerde mit Urteil vom 7. Januar 2008
ab.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 13. Februar 2008
beantragt X.________, die Witwe und eingesetzte Alleinerbin von Y.________, das
Urteil vom 7. Januar 2008 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass das
Opferhilfegesetz anwendbar sei. Dementsprechend sei die Opferhilfestelle
anzuweisen, auf das Gesuch vom 18. Juli 2006 einzutreten. Die
Beschwerdeführerin macht geltend, die kantonalen Instanzen hätten den
zeitlichen Geltungsbereich des Opferhilfegesetzes falsch ausgelegt und damit
Bundesrecht (OHG und Art. 124 BV) verletzt.

C.
Die kantonale Opferhilfestelle und das Bundesamt für Justiz beantragen die
Abweisung der Beschwerde. Das Sozialversicherungsgericht verzichtet auf eine
Stellungnahme zur Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hält in ihren Äusserungen
zu den Vernehmlassungen an ihrer Beschwerde fest.

D.
Die I. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die Angelegenheit
am 1. Oktober 2008 an einer öffentlichen Sitzung beraten.

Erwägungen:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid des Sozialversicherungsgerichts betrifft die
Abweisung eines Gesuchs um Leistungen (Entschädigung und Genugtuung) aufgrund
des Opferhilfegesetzes des Bundes, d.h. eine öffentlich-rechtliche
Angelegenheit im Sinn von Art. 82 lit. a BGG. Ein Ausschlussgrund nach Art. 83
BGG ist nicht gegeben.

1.2 Die Beschwerdeführerin macht vermögensrechtliche Ansprüche geltend. Das BGG
sieht bei öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur auf dem Gebiet der
Staatshaftung und der öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisse
Streitwertgrenzen vor. Das Opferhilfegesetz entspringt dem Gedanken der
Hilfeleistung, nicht der Staatshaftung. Bei finanziellen Opferhilfeleistungen
handelt es sich somit nicht um staatshaftungsrechtliche Leistungen (BGE 132 II
117 E. 2.2.4 S. 121; 125 II 554 E. 2a S. 556, je mit Hinweisen). Nicht zum
Tragen kommt demzufolge Art. 85 BGG, wonach eine Beschwerde auf dem Gebiet der
Staatshaftung nur zulässig ist, wenn der Streitwert nicht weniger als 30'000
Franken beträgt (Abs. 1 lit. a) oder sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung stellt (Abs. 2).

1.3 Das angefochtene Urteil des Sozialversicherungsgerichts kann mit keinem
kantonalen Rechtsmittel angefochten werden und ist daher kantonal
letztinstanzlich (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Der Rechtsweg ans
Bundesverwaltungsgericht steht nicht offen. Es handelt sich um einen
Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG, da mit dem angefochtenen Entscheid ein
Anspruch auf Entschädigung und Genugtuung nach Art. 11-17 OHG abschliessend
verneint wurde.

1.4 Die Beschwerdeführerin ist als Ehefrau des Verstorbenen bei der
Geltendmachung von Entschädigung und Genugtuung (Art. 11-17 OHG) dem Opfer
gleichgestellt (Art. 2 Abs. 2 lit. c OHG). Sie ist als Erbin berechtigt, das
von ihrem Ehemann eingeleitete Verfahren weiterzuführen. Mit Urteil 1C_106/2008
vom 24. September 2008 hat das Bundesgericht die Vererblichkeit des
Genugtuungsanspruchs nach OHG bejaht. Die Beschwerdeführerin erfüllt auch die
weiteren Voraussetzungen der Beschwerdelegitimation (Art. 89 Abs. 1 lit. b und
c BGG).

1.5 Nicht Gegenstand der vorliegenden Angelegenheit ist die Frage, ob der
Beschwerdeführerin als Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG ein eigener
Anspruch auf Opferhilfe wegen der mutmasslichen fahrlässigen Tötung ihres
Ehemanns (Art. 117 StGB) zusteht. Die Beschwerdeführerin hat - soweit
ersichtlich - kein entsprechendes eigenes Gesuch auf Opferhilfe gestellt. Die
zweijährige Verwirkungsfrist gemäss Art. 16 Abs. 3 OHG seit dem Tod am 6. Juli
2007 ist indessen noch nicht abgelaufen.

1.6 Die vorgebrachten Beschwerdegründe - Verletzung von Art. 124 BV und des
Opferhilfegesetzes - sind zulässig (Art. 95 lit. a BGG). Auf die rechtzeitig
und formgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten (Art. 42 und 100 Abs. 1
BGG).

2.
Die Vorinstanzen haben nicht geprüft, ob dem Opferhilfegesuch eine Straftat zu
Grunde liegt, sondern einen opferhilferechtlichen Anspruch auf Entschädigung
und Genugtuung im Sinne von Art. 11-17 OHG verneint, weil diese Bestimmungen
auf vor Inkrafttreten des Opferhilferechts (1. Januar 1993) begangene
Straftaten ohnehin nicht anwendbar seien (Art. 12 Abs. 3 der Verordnung vom 18.
November 1992 über die Hilfe an Opfer von Straftaten [Opferhilfeverordnung,
OHV, SR 312.51]). Im bundesgerichtlichen Verfahren ist somit lediglich zu
beurteilen, ob die Vorinstanzen zu Recht davon ausgingen, dass der zeitliche
Geltungsbereich der Art. 11-17 OHG sich nicht auf Angelegenheiten erstrecke,
bei welchen das strafbare Verhalten vor Inkrafttreten dieser
opferhilferechtlichen Bestimmungen stattfand und der strafrechtlich relevante
Erfolg nach dem Inkraftreten des OHG eintrat.

Nicht zu prüfen ist im vorliegenden Urteil, ob der Ehemann der
Beschwerdeführerin tatsächlich Opfer einer Straftat im Sinne von Art. 2 OHG
wurde, da zu dieser Frage noch gar kein kantonal letztinstanzlicher Entscheid
vorliegt. Immerhin kann darauf hingewiesen werden, dass der im Opferhilfegesuch
vorgebrachte Sachverhalt grundsätzlich den Vorwurf der fahrlässigen
Körperverletzung im Sinne von Art. 125 StGB zu begründen vermag. Bei tödlichem
Verlauf der asbestbedingten Erkrankung kann zudem der Tatbestand der
fahrlässigen Tötung (Art. 117 StGB) erfüllt sein (Urteil des Bundesgerichts
1A.9/2003 vom 22. August 2003 E. 4). Diese Auffassung liegt auch dem zur
Publikation bestimmten Urteil des Bundesgerichts 6B_627/2007 vom 11. August
2008 zu Grunde.

3.
3.1 Nach Art. 12 Abs. 3 OHV gelten die Bestimmungen des Opferhilfegesetzes über
die Entschädigung und Genugtuung (Art. 11-17 OHG) nur für Straftaten, die nach
dem Inkrafttreten des Opferhilfegesetzes am 1. Januar 1993 begangen wurden.
Diese Formulierung von Art. 12 Abs. 3 OHV lässt nach Auffassung der
Vorinstanzen keinen Raum für eine Anspruchsberechtigung auf Entschädigung und
Genugtuung, wenn eine strafbare Handlung vor 1993 begangen wurde und nur der
Erfolg nach Inkrafttreten des OHG eingetreten ist. Art. 12 Abs. 1 OHV gewähre
ab Inkrafttreten des OHG einzig die Hilfe der Beratungsstellen unabhängig vom
Zeitpunkt der Begehung der Straftat. Entschädigung und Genugtuung könnten nach
Art. 12 Abs. 3 OHG jedoch nur für Straftaten zugesprochen werden, die nach
Inkrafttreten des OHG begangen worden seien. Mit dieser unterschiedlichen
Regelung des zeitlichen Geltungsbereichs für den Beratungsanspruch (Art. 12
Abs. 1 OHV) und den Entschädigungs- und Genugtuungsanspruch (Art. 12 Abs. 3
OHV) werde zum Ausdruck gebracht, dass für über die Beratung hinausgehende
Ansprüche eine klare zeitliche Grenze gezogen werden sollte.

3.2 Die Beschwerdeführerin hält die Argumentation der kantonalen Behörden für
bundesrechtswidrig. Sie weist zunächst darauf hin, dass es - anders als bei
einer HIV-Infektion - nicht möglich sei, das Auftreten eines Mesothelioms
frühzeitig festzustellen. Der Betroffene habe die Opfereigenschaft erst
erfüllt, als seine Erkrankung rund 40 Jahre nach der Asbestexposition erkennbar
geworden sei. Vorher sei er in seiner körperlichen Integrität nicht
beeinträchtigt und somit nicht Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG gewesen.

Weiter führt die Beschwerdeführerin aus, Art. 12 Abs. 3 OHV nehme
übergangsrechtliche Unterscheidungen vor, welche auf keiner gesetzlichen
Grundlage beruhten, weshalb die Bestimmung nicht angewendet werden dürfe.
Dieses Argument sei bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebracht worden.
Das Sozialversicherungsgericht habe sich damit unter Missachtung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) nicht auseinandergesetzt.

Unter Hinweis auf BGE 126 II 348 bringt die Beschwerdeführerin vor, die
wirksame Inanspruchnahme der Opferhilfe setze nach Treu und Glauben (Art. 5
Abs. 3 BV) voraus, dass das Opfer überhaupt Kenntnis davon habe, dass es von
einer schweren Straftat betroffen sei, bevor es ein Opferhilfegesuch stelle.
Die Vorinstanz wolle den Grundsatz auf Entschädigung und Genugtuung nach OHG
nur auf strafbares Verhalten anwenden, das nach dem 1. Januar 1993
stattgefunden habe. Eine solche Auslegung, welche im OHG keine Stütze finde,
widerspreche dem vom Bundesgericht in BGE 126 II 348 E. 4c S. 353 bestätigten
opferhilferechtlichen Schutzzweck. Opferhilfe könne nur gewährt werden, wenn
eine Straftat vorliege und ein Opfer vorhanden sei, d.h. der Erfolg des
strafbaren Verhaltens erkennbar eingetreten sei. Diese Beurteilung aus der
Opferperspektive müsse auch Platz greifen, wenn ihr Resultat mit dem
täterbezogenen Ansatz des Strafrechts nicht übereinstimme. Die Gewährung der
Opferhilfe knüpfe an den strafrechtlich verpönten Erfolg und nicht an die
Tathandlung an. Dies müsse insbesondere bei einem Fahrlässigkeitsdelikt gelten,
bei welchem der tatbestandsmässige Erfolg ein objektives Tatbestandsmerkmal und
damit Strafbarkeitsbedingung darstelle und das fahrlässige Verhalten allein
ohne Erfolgseintritt gar nicht strafbar sei. Dieser Umstand sei aus der Sicht
des Opfers namentlich dann entscheidend, wenn wie hier die Tathandlung und der
Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs zeitlich auseinanderfielen. In diesem
Sinne habe das Bundesgericht in BGE 126 II 348 bei einem Vergewaltigungsopfer,
das bei der Straftat mit dem HIV-Virus angesteckt wurde, für die Fristwahrung
zur Geltendmachung von Opferhilfeleistungen auf die Kenntnis der HIV-Ansteckung
und der Aids-Erkrankung und nicht auf den früheren Zeitpunkt der Tathandlung
abgestellt. Dieselbe Sichtweise dränge sich im vorliegenden Fall auf, auch wenn
das strafbare Verhalten vor Inkrafttreten des Opferhilfegesetzes abgeschlossen
worden sei. Zu prüfen sei nicht, ob eine Tathandlung vor oder nach dem
Inkrafttreten des OHG erfolgt sei, sondern ob strafrechtlich relevantes
Verhalten vor oder nach Inkrafttreten des OHG Auswirkungen auf das Opfer gehabt
habe. Diese Auffassung liege auch dem neuen Opferhilfegesetz vom 23. März 2007
(AS 2008 1607) zu Grunde, welches am 1. Januar 2009 in Kraft trete. Nach dessen
Art. 25 müssten das Opfer und seine Angehörigen das Gesuch um Entschädigung und
Genugtuung innert fünf Jahren nach der Straftat oder nach Kenntnis der Straftat
einreichen (vgl. Botschaft zur Totalrevision des OHG vom 9. November 2005 in
BBl 2005 7229).

Schliesslich beruft sich die Beschwerdeführerin auf das in Art. 8 BV verankerte
Gleichbehandlungsgebot. Diesem Gebot widerspreche es, wenn bei verschiedenen
Opfern, bei welchen im gleichen Zeitpunkt der Erfolg einer Straftat eintrete,
nach dem Datum der Tathandlung unterschieden werde.

3.3 Die kantonale Opferhilfestelle legt in ihrer Stellungnahme zur vorliegenden
Beschwerde dar, der in Art. 12 Abs. 3 OHV klar festgelegte zeitliche
Geltungsbereich des Opferhilferechts sei vom Lauf der Verwirkungsfrist zur
Einreichung eines Gesuchs um Entschädigung und Genugtuung gemäss Art. 16 Abs. 3
OHG zu unterscheiden. Auf den Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs sei im
Hinblick auf die Verwirkungsfrist nur abzustellen, wenn die Tathandlung 1993
oder später erfolgt sei. Diese Sichtweise stehe dem Grundsatz der
Opferperspektive nicht entgegen. Die Opferperspektive diene nicht dazu, das OHG
auf Täterverhalten anzuwenden, das vor dem Inkrafttreten des OHG stattgefunden
habe. Sie besage lediglich, dass die Verwirkungsfrist für die Geltendmachung
der opferhilferechtlichen Leistungen für ab 1993 begangene Tathandlungen mit
der Kenntnis des tatbestandsmässigen Erfolgs zu laufen beginne. Auch aus
Gründen der Rechtsgleichheit wäre es nicht zu vertreten, dass Opfer von vor
1993 verübten Straftaten, die Kenntnis von der Straftat hatten, nicht unter den
Geltungsbereich des OHG fielen und Opfer, die erst 1993 oder später Kenntnis
von der Straftat erlangten, Genugtuungs- und Entschädigungsansprüche geltend
machen könnten.

3.4 Das Bundesamt für Justiz weist darauf hin, dass das Opferhilferecht an eine
Straftat im Sinne des Strafrechts anknüpfe. Für den zeitlichen Geltungsbereich
sei im Strafrecht der Begehungszeitpunkt massgebend (Art. 2 StGB). Das
Bundesamt hält ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Tathandlung auch bei der
Anwendung des OHG für vertretbar, da Art. 12 Abs. 3 OHV für Entschädigungen und
Genugtuungen die Rückwirkung ausschliessen wolle, welche im Bereich der
Beratung vorgesehen sei (Art. 12 Abs. 1 OHV). Es wäre aus seiner Sicht sachlich
nicht gerechtfertigt, jene Fälle, in denen sich der Zeitpunkt des
tatbestandsmässigen Handelns nicht mit dem Zeitpunkt des Erfolgseintritts
decke, anders zu behandeln.

4.
Das Bundesgericht hat mit Urteil 1A.139/1997 vom 10. November 1997 entschieden,
dass Art. 12 Abs. 3 OHV auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage in Art.
19 Abs. 2 OHG beruhe. Mit Art. 19 Abs. 2 OHG wird der Bundesrat ermächtigt, den
Zeitpunkt des Inkrafttretens des OHG festzulegen. Diese Ermächtigung umfasst
nach der Rechtsprechung die Kompetenz, den zeitlichen Geltungsbereich des OHG
differenziert auszugestalten. Von dieser Kompetenzdelegation hat der Bundesrat
beim Erlass von Art. 12 OHV in bundesrechtskonformer Weise Gebrauch gemacht
(vgl. erwähntes Urteil des Bundesgerichts 1A.139/1997 vom 10. November 1997 E.
4). Auf diese Rechtsprechung zurückzukommen besteht auch unter Berücksichtigung
der Kritik der Beschwerdeführerin kein Anlass. Die von ihr in diesem
Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
vermag unter diesen Umständen nicht durchzudringen.

5.
Zu prüfen ist im Hinblick auf die erst rund 40 Jahre nach der geltend gemachten
Asbestexposition aufgetretene schwere Erkrankung, in welchem Zeitpunkt die
mutmassliche Straftat gegen den verstorbenen Ehemann der Beschwerdeführerin im
Sinne von Art. 12 Abs. 3 OHV "begangen" wurde. Die Vorinstanzen verstehen unter
der Begehung der Straftat im Sinne von Art 12 Abs. 3 OHV den Zeitpunkt, an dem
der mutmassliche Täter die strafbare Handlung oder Tätigkeit ausgeführt hat.
Sie halten somit den Zeitpunkt des tatbestandsmässigen Verhaltens und nicht den
Zeitpunkt des Eintritts des zur Vollendung eines Delikts erforderlichen Erfolgs
für massgebend. Diese Auffassung entspricht der im Strafrecht vorherrschenden
täterbezogenen Betrachtungsweise, welche unter anderem dazu führt, dass
fahrlässige Erfolgsdelikte verjähren können, bevor der tatbestandsmässige
Erfolg eingetreten und somit der Straftatbestand erfüllt ist (zum Ganzen: zur
Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts 6B_627/2007 vom 11. August
2008 E. 4.2 und 4.3 mit zahlreichen Hinweisen). Aufgrund der von der
Beschwerdeführerin erhobenen Rügen ist zu prüfen, ob die dargelegte, von der
strafrechtlichen Betrachtungsweise beeinflusste Auffassung der Vorinstanzen mit
dem Opferhilferecht vereinbar ist.

5.1 Das geltende Opferhilferecht des Bundes enthält keine Definition des
Begriffs der Begehung der Straftat. Auch das revidierte Opferhilfegesetz vom
23. März 2007, das auf den 1. Januar 2009 in Kraft tritt (AS 2008 1607 ff.),
bringt diesbezüglich keine Klärung. Das Bundesgericht hatte bisher noch nie zu
beurteilen, in welchem Zeitpunkt eine Straftat "begangen" wurde, wenn das
tatbestandsmässige Verhalten vor Inkrafttreten des OHG erfolgte und der
strafrechtlich relevante Erfolg nach dessen Inkrafttreten eintrat. Im Fall der
AIDS-Erkrankung eines Vergewaltigungsopfers fielen die Tathandlung und der
Erfolgseintritt in einen Zeitraum nach dem 1. Januar 1993 (BGE 126 II 348). Mit
Urteil 1A.139/1997 vom 10. November 1997 beurteilte das Bundesgericht die
Zulässigkeit des Opferhilfegesuchs von Angehörigen eines Mordopfers, das erst
nach Inkrafttreten des OHG aufgefunden wurde, dessen Tod jedoch vor dem 1.
Januar 1993 eingetreten war. In diesem Fall wurden opferhilferechtliche
Entschädigungsansprüche der Kinder des Opfers verneint, weil sowohl die
Tathandlung als auch der Erfolgseintritt und somit die Straftat zeitlich vor
dem Inkrafttreten des Opferhilfegesetzes abgeschlossen waren. Im Lichte von
Art. 12 Abs. 3 OHV stand deshalb ausser Frage, dass die Straftat vor
Inkrafttreten des OHG begangen worden war. Ob dies auch im vorliegenden Fall
zutrifft, in welchem das mutmasslich tatbestandsmässige Verhalten vor
Inkrafttreten des OHG stattfand und der strafrechtlich relevante Erfolg erst
nach dessen Inkrafttreten eintrat, muss gestützt auf eine Auslegung der
entsprechenden Verordnungsbestimmung beurteilt werden.

5.2 Die Verordnung ist wie ein Gesetz in erster Linie aus sich selbst heraus,
das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden
Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode auszulegen.
Auszurichten ist die Auslegung auf die ratio legis, die zu ermitteln dem
Gericht allerdings nicht nach den subjektiven Wertvorstellungen der Richter
aufgegeben ist, sondern nach den Vorgaben des Gesetzgebers. Die Auslegung des
Gesetzes ist zwar nicht entscheidend historisch zu orientieren, im Grundsatz
aber dennoch auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die damit erkennbar
getroffenen Wertentscheidungen auszurichten, da sich die Zweckbezogenheit des
rechtsstaatlichen Normverständnisses nicht aus sich selbst begründen lässt,
sondern aus den Absichten des Gesetzgebers abzuleiten ist, die es mit Hilfe der
herkömmlichen Auslegungselemente zu ermitteln gilt. Die Gesetzesauslegung hat
sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut allein die
Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und
konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im
normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis mit Blick auf
die ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen
Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen
Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die
Gesetzesmaterialien können beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage
eine klare Antwort geben (BGE 133 III 175 E. 3.3.1 S. 178; 133 V 314 E. 4.1 S.
316; 129 II 114 E. 3.1 S. 118; 128 I 34 E. 3b S. 40 f., s. auch BGE 134 V 202
E. 3.2 S. 205 mit Hinweisen).

5.3 Das Opferhilferecht geht auf eine Volksinitiative der Zeitschrift "Der
Schweizerische Beobachter" aus dem Jahr 1980 zurück, welche ein Gesetz über
eine Entschädigung von Opfern von Straftaten gegen Leib und Leben durch den
Staat forderte. Ein dieser Volksinitiative gegenüber gestellter inhaltlich
weiter gehender Gegenvorschlag der Eidgenössischen Räte wurde am 2. Dezember
1984 in der Volksabstimmung mit grosser Mehrheit angenommen (Art. 64ter aBV).
Die entsprechende Verfassungsbestimmung wurde in die neue Bundesverfassung vom
18. April 1999 mit nur wenigen redaktionellen Anpassungen als Art. 124 BV
übernommen (Peter Gomm/Dominik Zehntner, Kommentar zum OHG, 2. Auflage, Bern
2005, Einleitung, N. 13 ff.; Luzius Mader, St. Galler-Kommentar, 2. Auflage,
Zürich 2008, Art. 124 BV N. 1).

Nach dem Übergang des Strafanspruchs auf den Staat hat sich dieser vorwiegend
mit den Tätern auseinandergesetzt und dabei für diese umfangreiche Mittel unter
anderem für das Strafverfahren, den Strafvollzug und die Resozialisierung von
Straftätern aufgewendet (Täteroptik des Strafrechts). Das Opferhilferecht wurde
demgegenüber nach international verbreiteter Erkenntnis, dass die
Opferinteressen im Strafrecht nur mangelhaft beachtet wurden, auf die Milderung
der Folgen einer Straftat für das unfreiwillig davon betroffene Opfer
ausgerichtet. Das Opferhilferecht strebt mit seinem opferbezogenen Ansatz einen
Ausgleich des täterbezogenen staatlichen Engagements zu Gunsten der Opfer an.
Opfer von Straftaten und deren nahe Angehörige erleiden vielfach über den
unmittelbaren Schaden hinaus gehende, erhebliche und unter Umständen
langwierige Beeinträchtigungen, die durch die Strafverfolgung mitunter eher
noch verschlimmert als gelindert werden. Die Stellung des Opfers wurde daher
innerhalb und ausserhalb des Strafverfahrens gestärkt. Seine Probleme,
Bedürfnisse und Interessen nach einer Straftat sollten mehr beachtet werden.
Diesen Anliegen dient das Opferhilfegesetz mit den drei Hauptpfeilern der
Beratung, des Ausbaus der verfahrensrechtlichen Stellung des Opfers sowie der
Entschädigung und Genugtuung durch den Staat (Botschaft des Bundesrats zum OHG
vom 25. April 1990, in BBl 1990 II 964 ff.; Eva Weisshaupt, Die
verfahrensrechtlichen Bestimmungen des OHG, Diss. Zürich 1998, S. 3 ff., Peter
Gomm/Dominik Zehntner, a.a.O., Einleitung N. 5 ff.).

5.4 Der historische Wille des Gesetzgebers zur Opferhilfe bei Erfolgsdelikten,
bei denen tatbestandsmässiges Verhalten und Erfolgseintritt zeitlich weit
auseinander liegen, lässt sich weder den Gesetzesmaterialien noch dem
Gesetzeswortlaut entnehmen. Aus der Botschaft des Bundesrats zum OHG vom 25.
April 1990 ergibt sich jedoch, dass die Anwendbarkeit des Gesetzes das
Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale einer Straftat voraussetzt (BBl
1990 II 977). Dass der Geltungsbereich des OHG sich nach dem Zeitpunkt des
strafwürdigen Verhaltens richten sollte, welches dem Erfolgseintritt zu Grunde
liegt, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht.

5.5 Zweck des OHG ist die Gewährleistung von wirksamer Hilfe an Opfer von
Straftaten und die Verbesserung ihrer Rechtsstellung mittels Beratung, Schutz
des Opfers und seiner Rechte im Strafverfahren sowie Entschädigung und
Genugtuung (Art. 1 OHG). Die Opferhilfeleistungen knüpfen an das Vorliegen
einer Straftat an, wozu das Vorliegen der objektiven Straftatbestandsmerkmale
gehört. Nach Art. 2 Abs. 1 OHG erhält jede Person, die durch eine Straftat in
ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar
beeinträchtigt worden ist (Opfer), Hilfe nach dem Opferhilfegesetz, und zwar
unabhängig davon, ob der Täter ermittelt worden ist und ob er sich schuldhaft
verhalten hat. Der Begriff der Straftat ist im Opferhilferecht grundsätzlich
gleich wie im Strafgesetzbuch definiert. Man versteht darunter ein
tatbestandsmässiges und rechtswidriges Verhalten. Eine schuldhafte Tatbegehung
wird indessen nur vom Strafrecht verlangt und spielt im Opferhilferecht als
täterbezogenes Kriterium bei der Bestimmung der Opferqualität keine Rolle (BGE
127 II 33 E. 5.4 S. 36; 122 II 211 E. 3b S. 215). Nach dem aktuellen Stand von
Rechtsprechung und Lehre werden Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht nicht
mehr als Schuldformen betrachtet, sondern zum typischerweise rechtswidrigen
Verhalten, d.h. zum subjektiven Tatbestand gezählt. Der Begriff der Straftat im
Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG setzt deshalb neben der Verwirklichung eines
objektiven Straftatbestands auch vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln voraus
(BGE 134 II 33 E. 5.4 und 5.5 S. 36 ff. mit zahlreichen Hinweisen).

Anders als im Strafrecht ergibt sich aus dem Regelungszweck und der
gesetzlichen Umschreibung des Geltungsbereichs des OHG somit ein opferbezogener
Ansatz (BGE 126 II 348 E. 5d S. 355; 125 II 265 E. 2a/aa S. 268; Dominik
Zehntner, Kommentar zum Opferhilfegesetz, Art. 2 N. 2). Das Vorliegen der
objektiven und der subjektiven Tatbestandsmerkmale eines Delikts sind
Anknüpfungspunkt für die Gewährung der Opferhilfe. Die Straftat stellt somit
opferhilferechtlich den anspruchbegründenden Sachverhalt dar (Franziska
Windlin, Grundfragen staatlicher Opferentschädigung, Diss. Bern 2005, S. 132
ff.). Entscheidend für die Anwendung des Opferhilferechts ist, ob die
Beeinträchtigung des Geschädigten in seiner körperlichen, sexuellen oder
psychischen Integrität das legitime Bedürfnis begründet, die Hilfsangebote und
die Schutzrechte des Opferhilfegesetzes - ganz oder zumindest teilweise - in
Anspruch zu nehmen (BGE 126 II 348 E. 5d S. 355; 125 II 265 E. 2a/aa S. 268).
Aus dieser opferbezogenen Sichtweise heraus, in Verbindung mit dem in Art. 5
Abs. 3 BV verankerten Grundsatz von Treu und Glauben, hat das Bundesgericht
entschieden, dass ein Opfer die massgebende Schädigung bzw. Verletzung erkennen
können muss, bevor es sich auf das Vorliegen einer Straftat im Sinne des OHG
berufen kann. Anders zu entscheiden hiesse, dem Sinn und Zweck des OHG
zuwiderlaufende Anforderungen an die rechtzeitige Einreichung eines
(substanziierten) Opferhilfegesuches zu stellen (BGE 126 II 348 E. 5d S. 355
mit Hinweis; vgl. Windlin, a.a.O., S. 131 f., 150). Diese Rechtsprechung hat
Eingang in Art. 25 Abs. 1 des revidierten Opferhilfegesetzes vom 23. März 2007
gefunden, welches am 1. Januar 2009 in Kraft treten wird (AS 2008 1607). Danach
ist ein Gesuch um Entschädigung und Genugtuung innert fünf Jahren nach der
Straftat oder nach Kenntnis der Straftat einzureichen; andernfalls verwirken
die Ansprüche. Mit dieser Präzisierung hat der Gesetzgeber die Weitergeltung
des opferbezogenen Ansatzes bei der Auslegung des OHG bekräftigt (vgl.
Botschaft zur Totalrevision des OHG vom 9. November 2005, BBl 2005 7229).

5.6 Der beschriebene opferbezogene Ansatz lässt erhebliche Zweifel an der
Richtigkeit der von den Vorinstanzen vertretenen Argumentation zum zeitlichen
Geltungsbereich des OHG aufkommen. Zwar handelt es sich beim gesetzlich nicht
geregelten zeitlichen Geltungsbereich des OHG nicht um die gleiche
Problemstellung wie bei der Frage der Rechtzeitigkeit eines Gesuchs um
Entschädigung oder Genugtuung. Indessen wird das Opferhilferecht insgesamt von
einer opferbezogenen Betrachtungsweise beherrscht, weshalb auch der zeitliche
Geltungsbereich aus der Opferperspektive zu beurteilen ist. In der Literatur
wird dargelegt, ein Delikt, dessen Begehung aus strafrechtlicher Sicht vor dem
Inkrafttreten des Gesetzes liege, dessen schwerwiegende Folgen jedoch wegen
einer langen Inkubationszeit erst danach aufträten, könne aus
opferhilferechtlicher Sicht in der Weise beurteilt werden, dass von einer
eigentlichen Tatbegehung erst im Zeitpunkt des Ausbruchs der Krankheit
gesprochen werden könne (z.B. Auftreten von Krebs nach einer Asbestexposition).
Art. 12 Abs. 3 OHV sei im Hinblick auf die Opferbezogenheit des OHG nicht
nachvollziehbar. Für ein Opfer sei eine Straftat im Gegensatz zur Sicht des
Täters und der Strafverfolgungsbehörden klar erfolgsbezogen (Zehntner, a.a.O.,
Art. 19 N. 6; s. auch Eva Weishaupt, a.a.O., S. 55 f.).

5.7 Die erörterten Gesichtpunkte der Auslegung sind anhand des vorliegenden
Sachverhalts zu würdigen (E. 5.2 hiervor). Ausgangspunkt für die
opferhilferechtliche Beurteilung der Sache ist eine behauptete fahrlässige
Verletzung des Ehemanns der Beschwerdeführerin. Während das angeblich als
fahrlässige Körperverletzung (Art. 125 StGB) einzustufende Verhalten in der
Verletzung von Sorgfaltspflichten durch den früheren Arbeitgeber des
Verstorbenen in den Jahren 1963-1967 bestehen soll, wurde die vom Verstorbenen
und der Beschwerdeführerin aus der Sorgfaltswidrigkeit abgeleitete Erkrankung
erst im Januar 2006 festgestellt. Der Tatbestand der fahrlässigen
Körperverletzung im Sinne von Art. 125 StGB setzt voraus, dass der Täter den
Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat (BGE 134 IV 193
E. 7 S. 203 f. mit Hinweisen; s. auch BGE 127 IV 34 E. 2a S. 38; 126 IV 13 E.
7a/bb S. 16 f.). Eine Straftat im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 2 Abs. 1 OHG
(E. 5.5 hiervor) konnte somit erst mit dem Eintritt des strafrechtlich
relevanten Erfolgs vorliegen, da erst in diesem Zeitpunkt der objektive
Tatbestand erfüllt war. Das angeblich sorgfaltswidrige Verhalten kann
grundsätzlich eine tatbestandsmässige Begehung oder Unterlassung im Hinblick
auf eine fahrlässige Körperverletzung darstellen (vgl. vorne E. 2 und 5). Aus
der im Opferhilferecht massgebenden Opferperspektive kann hingegen bei
Beendigung des sorgfaltswidrigen Verhaltens noch nicht von der Begehung einer
Straftat im Sinne des OHG gesprochen werden, solange noch kein
tatbestandsmässiger Erfolg vorliegt. Fahrlässigkeit allein ohne Erfolgseintritt
stellt im Hinblick auf Art. 125 StGB keine Straftat dar, da es an der
Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale mangelt. Gestützt auf Art.
125 StGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 OHG können somit gar keine Ansprüche
auf Opferhilfe entstehen, solange der strafrechtlich relevante Erfolg des
fahrlässigen Verhaltens nicht eingetreten ist. Die Auslegung von Art. 12 Abs. 3
OHV führt somit vor dem Hintergrund des geschilderten Sachverhalts und unter
Beachtung der Zielsetzungen des Opferhilfegesetzes zum Ergebnis, dass zur
"Begehung einer Straftat" im Sinne von Art. 12 Abs. 3 OHV nicht bloss das
fahrlässige Verhalten als Ursache des Erfolgseintritts gehört. Vielmehr muss
darüber hinaus der strafrechtlich relevante Erfolg des Fahrlässigkeitsdelikts
vorliegen, welcher in der Realisierung der objektiven Tatbestandsmerkmale
besteht. Für den zeitlichen Geltungsbereich der Art. 11-17 OHG ist somit nicht
allein das sorgfaltswidrige Verhalten massgebend. Entscheidend ist vielmehr der
Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs solchen Verhaltens.

5.8 Dieses Auslegungsergebnis lässt ein unterschiedliches Verständnis der
"Begehung einer Straftat" nach Art. 12 Abs. 3 OHV und der "Ausführung der
strafbaren Tätigkeit" bei den Verjährungsregeln von Art. 98 StGB (in der
Fassung vom 13. Dezember 2002, in Kraft seit 1. Januar 2007) erkennen. Dieses
unterschiedliche Verständnis liegt in den nicht identischen Zielsetzungen des
OHG und der Verjährungsbestimmungen des StGB begründet.
Die strafrechtlichen Verjährungsregeln sind massgeblich unter täterbezogenen
Gesichtspunkten zu würdigen (vgl. zur Publikation bestimmtes Urteil des
Bundesgerichts 6B_627/2007 vom 11. August 2008 E. 4.3.4). Sie tragen dem
Umstand Rechnung, dass das staatliche Strafbedürfnis unter Berücksichtigung
praktisch aller Strafzwecke in der Regel umso mehr zurückgeht, je länger das
Täterverhalten zurückliegt. Sie können dazu führen, dass die Verfolgung von
Fahrlässigkeitsdelikten oder von Delikten, deren Strafbarkeit vom Eintritt
einer objektiven Strafbarkeitsbedingung abhängt, verjähren kann, bevor sie
hätte beginnen können (vgl. Günther Stratenwerth/Wolfgang Wohlers,
Handkommentar zum StGB, Bern 2007, Art. 98 Rz. 1 und Vorbemerkungen zu Art. 97
ff. Rz. 1; zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts 6B_627/2007 vom
11. August 2008).
Mit dem OHG sollte hingegen den durch eine Straftat unmittelbar in ihrer
körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität beeinträchtigten Personen
die gesetzlich vorgesehene Hilfe gewährleistet werden. Zur Erreichung dieses
Ziels wird im Opferhilferecht in verschiedener Hinsicht von strafrechtlichen
Grundsätzen abgewichen. So wird die Opferhilfe insbesondere unabhängig davon
gewährt, ob die Täterschaft ermittelt worden ist und ob sie sich schuldhaft
verhalten hat (Art. 2 Abs. 1 OHG). Gleichermassen kann es für die
opferhilferechtliche Geltendmachung von Entschädigung und Genugtuung nicht
darauf ankommen, ob der Strafanspruch des Staates verjährt ist. Das Opfer kann
von einem strafrechtlich verjährten Delikt bei späterem Erfolgseintritt in
derselben Weise betroffen sein wie wenn im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG keine
Täterschaft oder kein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden kann. Es
erscheint daher gerechtfertigt, das Vorliegen einer Straftat im Sinne von Art.
2 Abs. 1 OHG auch dann zu bejahen, wenn der Täter wegen der strafrechtlichen
Verjährungsregeln vom Strafrichter nicht mehr verurteilt werden kann.

5.9 Der opferbezogene Ansatz hat insofern Auswirkungen auf den zeitlichen
Geltungsbereich des OHG, als die Straftat dann als begangen zu gelten hat, wenn
der strafrechtlich und aus Opfersicht relevante Erfolg eingetreten ist. Diese
Auffassung liegt auch den Bestimmungen betreffend den zeitlichen
Geltungsbereich der Vorschriften über die Hilfe der Beratungsstellen und den
Schutz und die Rechte des Opfers im Strafverfahren zu Grunde (Art. 12 Abs. 1
und 2 OHV). Danach hängt die Gewährung der Opferhilfe in diesen Bereichen nicht
vom Zeitpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens ab. Es ist kein unter
opferhilferechtlichen Gesichtspunkten massgebender Grund ersichtlich, für die
Anwendung der Bestimmungen über die Entschädigung und Genugtuung (Art. 11-17
OHG) auf den Zeitpunkt der Tathandlung abzustellen. Jedenfalls erscheinen die
von der kantonalen Opferhilfestelle angeführten Gründe der Rechtsgleichheit (E.
3.3 hiervor) nicht überzeugend. Indessen ist einzuräumen, dass bei grosser
zeitlicher Differenz zwischen Täterverhalten und Erfolgseintritt in Bezug auf
die Beurteilung von Entschädigungs- und Genugtuungsforderungen in verschiedener
Hinsicht Beweisschwierigkeiten auftreten können (Sorgfaltsmassstab, Kausalität
usw.; vgl. zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts 6B_627/2007 vom
11. August 2008 E. 4.3.4). Solche Schwierigkeiten haben mitunter negative
Auswirkungen auf den Erfolg der Geltendmachung der Opferhilfe. Sie dürfen
jedoch nicht dazu führen, dass das Opfer, das nach dem Inkrafttreten des OHG in
seiner Integrität unmittelbar beeinträchtigt wurde, keine Entschädigungs- und
Genuugtungsansprüche geltend machen darf, nur weil das schädigende
Täterverhalten, das für sich noch keine Straftat im Sinne des OHG darstellt,
vor Inkrafttreten des OHG stattfand. Wäre eine solche Beschränkung vom
Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, hätte er sie zumindest im Rahmen der Revision
des geltenden OHG in das neue Gesetz eingefügt.

5.10 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei fahrlässigen Erfolgsdelikten
mit grossem zeitlichem Abstand der mutmasslichen Tathandlung zum Eintritt des
tatbestandsmässigen Erfolgs unter "Begehung einer Straftat" im Sinne von Art.
12 Abs. 3 OHV die Verwirklichung der subjektiven und der objektiven
Tatbestandsmerkmale zu verstehen ist. Für den zeitlichen Geltungsbereich der
Art. 11-17 OHG ist somit nicht allein auf das sorgfaltswidrige Verhalten
abzustellen. Entscheidend ist vielmehr der Eintritt des tatbestandsmässigen
Erfolgs solchen Verhaltens.

6.
Es ergibt sich, dass die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid
aufzuheben ist. Das Opferhilfegesuch wird durch die kantonale Opferhilfestelle
auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für die Gewährung der Opferhilfe
zu prüfen sein, weshalb die Sache an diese Behörde zurückzuweisen ist.
Dem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens entsprechend sind keine
Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich hat der
Beschwerdeführerin eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68
Abs. 2 BGG).

Das Bundesgericht erkennt:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 7. Januar 2008 aufgehoben. Die Angelegenheit wird zur
weiteren Prüfung an die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich,
kantonale Opferhilfestelle, zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Der Kanton Zürich hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Direktion der Justiz und des
Innern und dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich sowie dem
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Haag