Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.6/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_6/2008 /daa

Urteil vom 28. Mai 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Steinmann.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat
Dr. Lienhard Meyer,

gegen

Stadtpolizei Zürich, Rechtsdienst, Bahnhofquai 5, Postfach, 8021 Zürich,
Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat,
Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich.

Gegenstand
Rayonverbot nach BWIS,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 3. Dezember 2007 des Bezirksgerichts Zürich,
Haftrichter.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 12. November 2007 ordnete die Stadtpolizei Zürich gegenüber
X.________ ein Rayonverbot an. Sie verbot ihm für die Zeit vom 11. November
2007 bis zum 11. November 2008, im Umfeld von Fussball- und/oder
Eishockey-Sportveranstaltungen während eines Zeitraums von sechs Stunden vor
bis sechs Stunden nach der Veranstaltung zwei bestimmt umschriebene Rayons der
Stadt Zürich zu betreten oder sich darin aufzuhalten. Die Verfügung stützte
sich auf Art. 24b des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren
Sicherheit (gemäss Ergänzung vom 24. März 2006; BWIS, SR 120), auf Art. 21a-21c
der Verordnung über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (in der
Fassung vom 30. August 2006; VWIS, SR 120.2) und auf § 1 der
Einführungsverordnung des Regierungsrates des Kantons Zürich zum Bundesgesetz
über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit vom 2. Mai 2007 (EV-BWIS/
ZH). Zur Begründung hält die Verfügung fest, dass sich X.________ anlässlich
des Fussballspiels FC Zürich gegen FC Basel vom 9. April 2007 beim Stadium
Hardturm des Landfriedensbruchs und der Vermummung auf öffentlichem Grund
strafwürdig verhalten habe und bei der Staatsanwaltschaft angezeigt worden sei.

Auf Beschwerde von X.________ hin bestätigte die Einzelrichterin des
Bezirksgerichts Zürich das Rayonverbot mit Entscheid vom 3. Dezember 2007. Sie
begründete im Einzelnen, dass die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen
für die Anordnung des angefochtenen Rayonverbots gegeben seien. Der Entscheid
der Einzelrichterin stützt sich auf § 2 EV-BWIS/ZH und nennt als zulässiges
Rechtsmittel die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss
Art. 82 BGG.

B.
Gegen diesen Entscheid der Einzelrichterin hat X.________ beim Bundesgericht am
4. Januar 2008 Beschwerde erhoben. Er beantragt die Aufhebung des
einzelrichterlichen Entscheides und des polizeilichen Rayonverbotes. Im
Wesentlichen macht er geltend, die tatbestandsmässigen Voraussetzungen für die
Anordnung eines Rayonverbotes seien nicht gegeben und es fehle auf kantonaler
und eidgenössischer Ebene an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage.
Die Stadtpolizei Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das
Bezirksgericht und die Staatsanwaltschaft haben auf Vernehmlassung verzichtet.
Der Beschwerdeführer hat von einer Replik abgesehen.
Mit Verfügung vom 4. Februar 2008 ist das Gesuch um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung abgewiesen worden.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1
BGG). Im vorliegenden Fall ist diese Prüfung vor dem Hintergrund des
bundesgerichtlichen Urteils vom 31. März 2008 (Verfahren 1C_158/2007)
vorzunehmen.

2.
Mit dem genannten Urteil ist § 2 Abs. 1-3 EV-BWIS/ZH wegen Verletzung von Art.
38 i.V.m. Art. 73 KV/ZH bzw. von Art. 30 Abs. 1 BV aufgehoben worden (E. 3).
Damit entfällt die Zuständigkeit des Einzelrichters am Bezirksgericht Zürich
zur Überprüfung von BWIS-Massnahmen wie das vorliegend umstrittene Rayonverbot.
Folge davon ist, dass hinsichtlich der Rayonverbote der ordentliche
Rechtsmittelweg gemäss dem Gesetz über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen
(VRG) Platz greift und nach dessen § 43 kantonal letztinstanzlich das
Verwaltungsgericht zuständig ist (E. 4.1-4.3 des genannten Entscheides). Daraus
ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid der Einzelrichterin auf jeden Fall
kantonal nicht letztinstanzlich im Sinne von Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG ist.

In der Folge des genannten Bundesgerichtsentscheides hat der Regierungsrat dem
Kantonsrat am 16. April 2008 eine Vorlage zu einer Ergänzung des
Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) unterbreitet (Vorlage 4498, Massnahmen gegen
Gewalt an Sportveranstaltungen). Sie stützt sich als Dringlichkeitsrecht auf
Art. 37 KV/ZH. Danach wird § 24a GVG mit einem neuen Abs. 5 ergänzt, wonach der
Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich für die Überprüfung von Rayonverboten,
Meldeauflagen und Polizeigewahrsam gemäss BWIS zuständig ist. Nach den
Erläuterungen dazu richtet sich der weitere Rechtsmittelweg nach dem
Verwaltungsrechtspflegegesetz. Der Kantonsrat hat diesem Vorschlag nach einer
ersten Lesung vom 19. Mai 2008 am 26. Mai 2008 zugestimmt.

Gesamthaft ergibt sich damit zum einen, dass der angefochtene Entscheid der
Einzelrichterin mangels kantonaler Letztinstanzlichkeit vom Bundesgericht nicht
überprüft werden kann. Zum andern ist es nicht Sache des Bundesgerichts, im
Anschluss an das Urteil vom 31. März 2008 und die Ergänzung des GVG vom 26. Mai
2008 zu bestimmen, von welcher Behörde die Verfügung der Stadtpolizei bzw. der
Entscheid der Einzelrichterin nunmehr zu überprüfen ist. Angesichts dieser
Sachlage wird die Angelegenheit dem in der Sache letztinstanzlich zuständigen
Verwaltungsgericht überwiesen. Dieses wird darüber zu befinden haben, ob es die
Beschwerde selber behandelt oder die Sache einer ihm vorgelagerten Vorinstanz
zur Beurteilung überweist.

Bei diesem Ausgang sind keine Kosten zu erheben. Über die Parteikosten wird
diejenige Behörde befinden, welche die Sache materiell prüft.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 4. Januar 2008 wird dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zur Behandlung im Sinne der Erwägungen
überwiesen.

2.
Das bundesgerichtliche Verfahren 1C_6/2008 wird als gegenstandslos geworden vom
Geschäftsverzeichnis abgeschrieben.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Stadtpolizei Zürich, der
Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, sowie
dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. Mai 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Steinmann