Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.561/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_561/2008
1C_569/2008

Urteil vom 9. Februar 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Härri.

Parteien
1C_561/2008
Y.________,
A.________ AG,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Wehrenberg,

und

1C_569/2008
Z.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan
Flachsmann,

gegen

Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich,
Rechtshilfe/Geldwäschereiverfahren, Einziehung, Zweierstrasse 25, Postfach
9780, 8036 Zürich.

Gegenstand
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Slowenien,

Beschwerden gegen die Entscheide vom 20. November 2008 des Bundesstrafgerichts,
II. Beschwerdekammer.
Sachverhalt:

A.
Die Untersuchungsabteilung des Kreisgerichts Ljubljana führt unter anderem
gegen X.________, Y.________, Z.________ und die A.________ AG, Zürich, ein
Strafverfahren wegen Betrugs und Urkundenfälschung. X.________ wird
verdächtigt, seine Stellung als Aufsichtsratsvorsitzender der Firma B.________
missbraucht zu haben. Er habe erreicht, dass die Firma C.________, Ljubljana,
eine Tochtergesellschaft der Firma B.________, mit der A.________ AG im
September 2002 drei fiktive Dienstleistungsverträge abgeschlossen habe. Es
bestehe der Verdacht, dass entsprechend dem von der Täterschaft von vornherein
gefassten Plan die A.________ AG die Verträge nicht erfüllt habe. Vielmehr habe
die Vertragskonstruktion dazu gedient, die von der Firma C.________ an die
A.________ AG entrichtete Summe über mutmasslich bei schweizerischen Banken
geführte Geschäftsbeziehungen schliesslich zu Gunsten von X.________ zu
verwenden.
Mit Rechtshilfeersuchen vom 16. September 2005 - ergänzt am 21. September 2006,
12. Dezember 2006 und 1. August 2007 - ersuchte die Untersuchungsabteilung des
Kreisgerichts Ljubljana die schweizerischen Behörden um die Herausgabe von
Bankunterlagen; ausserdem um die untersuchungsrichterliche Einvernahme von
Y.________, Z.________ sowie der verantwortlichen Person der A.________ AG und
die Übermittlung der entsprechenden Protokolle.

B.
Mit Schlussverfügung vom 2. Juni 2008 entsprach die Staatsanwaltschaft I des
Kantons Zürich (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) dem Rechtshilfeersuchen und
ordnete die Herausgabe von Unterlagen betreffend Bankkonten der A.________ AG
an die ersuchende Behörde an; ebenso die Herausgabe der Protokolle der
Einvernahmen von Y.________ und Z.________.
Dagegen erhoben Y.________ und die A.________ AG einerseits sowie Z.________
anderseits je Beschwerde beim Bundesstrafgericht. Mit separaten Urteilen vom
20. November 2008 wies dieses (II. Beschwerdekammer) die Beschwerden ab, soweit
es darauf eintrat.

C.
Y.________ und die A.________ AG einerseits (1C_561/2008) sowie Z.________
anderseits (1C_569/2008) führen je Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem übereinstimmenden Antrag, der vorliegende Fall sei als
besonders bedeutend im Sinne von Art. 84 BGG einzustufen; die Entscheide des
Bundesstrafgerichts und die Schlussverfügung seien aufzuheben; die Rechtshilfe
sei zu verweigern; eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die
Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.

D.
Das Bundesstrafgericht und die Staatsanwaltschaft haben auf Gegenbemerkungen
verzichtet.
Das Bundesamt für Justiz hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, auf die
Beschwerden sei nicht einzutreten.

E.
Y.________ und die A.________ AG einerseits sowie Z.________ anderseits haben
zur Vernehmlassung des Bundesamtes je eine Stellungnahme eingereicht mit den
übereinstimmenden Anträgen, es sei auf ihre Beschwerden einzutreten; die darin
formulierten Rechtsbegehren seien vollumfänglich zu schützen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführer beantragen die Vereinigung der Beschwerdeverfahren.
Die angefochtenen Entscheide betreffen das gleiche Rechtshilfeersuchen und
stimmen in der Sache überein. Die Beschwerden in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten sind sodann mit Ausnahme von Randziffer 2 wörtlich identisch.
Sie können, wie die folgenden Erwägungen zeigen werden, mit der gleichen
Begründung erledigt werden.
Es rechtfertigt sich deshalb, die Verfahren antragsgemäss zu vereinigen.

2.
Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen
Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine
Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder
Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich
betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein
besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme
bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das
Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2).
Der Begriff des schweren Mangels des ausländischen Verfahrens ist restriktiv
auszulegen (BGE 133 IV 271 E. 2.2.2 S. 274, mit Hinweis).
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im
Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (BGE 134 IV 156 E. 1.3.1
S. 160, mit Hinweisen).
Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist,
steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (BGE 134 IV 156 E.
1.3.1 S. 160, mit Hinweis).
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Rechtsschrift in gedrängter
Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine
Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein besonders bedeutender
Fall nach Artikel 84 vorliegt, so ist auszuführen, warum diese Voraussetzung
erfüllt ist.
Erachtet das Bundesgericht eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen
Rechtshilfe in Strafsachen als unzulässig, so fällt es gemäss Art. 107 Abs. 3
BGG den Nichteintretensentscheid innert 15 Tagen seit Abschluss eines
allfälligen Schriftenwechsels.
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über
Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall
vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder
teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3).

3.
3.1 Das Bundesamt hält dafür, auf die Beschwerden könne in Bezug auf die
Beschwerdeführer Y.________ und Z.________ schon deshalb nicht eingetreten
werden, weil es insoweit um kein Sachgebiet gehe, bei dem die Beschwerde nach
Art. 84 Abs. 1 BGG zulässig sei.
Die beiden Beschwerdeführer haben die Aussage verweigert. Damit ist fraglich,
ob es, soweit die Protokolle ihrer Einvernahmen an den ersuchenden Staat
herausgegeben werden sollen, um die Übermittlung von Informationen aus dem
Geheimbereich nach Art. 84 Abs. 1 BGG geht.
Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben. Da Unterlagen in Bezug
auf Bankkonten der Beschwerdeführerin A.________ AG an den ersuchenden Staat
herausgegeben werden sollen, handelt es sich jedenfalls insoweit um die
Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich und damit um ein
Sachgebiet, bei dem die Beschwerde möglich ist. Das Bundesgericht hat deshalb
ohnehin zu prüfen, ob ein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 BGG gegeben
sei. Wie die folgenden Erwägungen zeigen werden, ist Letzteres nicht der Fall,
weshalb jedenfalls aus diesem Grund auch auf die Beschwerden der
Beschwerdeführer Y.________ und Z.________ nicht eingetreten werden kann.

3.2 Die angefochtenen Entscheide sind überzeugend begründet. Was die
Beschwerdeführer vorbringen, ist nicht geeignet, einen besonders bedeutenden
Fall darzutun.
Soweit sie sich auf Affidavits vom 4. Dezember 2008 und 24. Januar 2009
berufen, handelt es sich um Schriftstücke, die nach den angefochtenen
Entscheiden erstellt worden sind, und damit um unzulässige Noven (Art. 99 Abs.
1 BGG; BGE 133 IV 342 E. 2.1).
3.2.1 Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe sich nicht hinreichend
mit ihren Vorbringen zur Frage des politischen Charakters des slowenischen
Strafverfahrens auseinander gesetzt. Damit habe sie ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) sowie den Grundsatz des "fair trial"
(Art. 6 EMRK), also elementare Verfahrensgrundsätze nach Art. 84 Abs. 2 BGG,
verletzt.
Der Einwand ist unbegründet. Die Vorinstanz brauchte sich nicht ausdrücklich
mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand der
Beschwerdeführer auseinander zu setzen. Wenn sie sich auf die für ihre
Entscheide wesentlichen Gesichtspunkte beschränkt hat, ist das nicht zu
beanstanden (vgl. BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88; 133 I 270 E. 3.1 S. 277, mit
Hinweisen). Elementare Verfahrensgrundsätze hat sie nicht verletzt.
3.2.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, das Verfahren in Slowenien leide an
schweren Mängeln. Auch deshalb sei ein besonders bedeutender Fall nach Art. 84
Abs. 2 BGG gegeben. Das slowenische Verfahren sei politisch motiviert und die
Verfahrensgarantien der EMRK und des UNO-Paktes II würden dort missachtet.

Die Vorinstanz hat dazu (je E. 8.4) Stellung genommen. Sie hat das Vorbringen
als unbegründet beurteilt. Ihre Erwägungen, auf die verwiesen werden kann,
lassen keine Bundesrechtsverletzung erkennen. Auch insoweit kann daher kein
besonders bedeutender Fall angenommen werden.
3.2.3 Die Beschwerdeführer bringen vor, die Vorinstanz gehe mit der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, bei der Herausgabe von
Beweismitteln könne sich nicht auf Art. 2 IRSG berufen, wer sich nicht im
ersuchenden Staat aufhalte oder sich dort befinde, ohne einer Gefahr ausgesetzt
zu sein. Es bestehe Anlass, diese Rechtsprechung zu überprüfen.
Die Vorinstanz hat, wie dargelegt, die Rüge der Verletzung von Art. 2 IRSG
behandelt. Sie erwägt (je E. 8.2), die Landesabwesenheit (mit Bezug auf den
ersuchenden Staat) schütze vor einer Art. 3 EMRK widersprechenden
unmenschlichen Behandlung und vor einer Verletzung der in Art. 5 EMRK
garantierten Rechte im Zusammenhang mit der persönlichen Freiheit. Das
Bundesgericht habe im Urteil 1A.212/2000 vom 19. September 2000 (E. 3a/cc)
allerdings erkannt, dass ein ersuchender Staat die Verfahrensrechte eines
Angeschuldigten gemäss Art. 6 EMRK unter Umständen auch dann verletzen könne,
wenn sich dieser im Ausland aufhalte. Eine von einem Rechtshilfeersuchen
betroffene Person, die im ersuchenden Staat angeschuldigt sei, müsse sich
gemäss dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung daher grundsätzlich trotz
ihrer Landesabwesenheit auf eine objektive und ernsthafte Gefahr einer
schwerwiegenden Verletzung ihrer individuellen Verfahrensrechte im
Abwesenheitsverfahren berufen können.
Ist die Vorinstanz auf die Rüge der Verletzung von Art. 2 IRSG eingetreten,
sind die Beschwerdeführer insoweit nicht beschwert und haben kein Interesse an
der Überprüfung der von ihnen kritisierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung.
Auch insoweit besteht daher kein Grund, die Sache an die Hand zu nehmen.
3.2.4 Die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführer - zur Bedeutung des Falles
für die Beschwerdeführer Y.________ und Z.________ selber, zur politischen
Tragweite der Sache für Slowenien und der aus ihrer Sicht bestehenden
Notwendigkeit einer zweiten gerichtlichen Instanz - rechtfertigen es ebenso
wenig, den Fall als besonders bedeutend einzustufen.

4.
Liegt danach kein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 BGG vor, sind die
Beschwerden unzulässig.
Bei diesem Ausgang der Verfahren tragen die Beschwerdeführer die Kosten (Art.
66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerdeverfahren 1C_561/2008 und 1C_569/2008 werden vereinigt.

2.
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- je Beschwerdeverfahren werden den
Beschwerdeführern, im Verfahren 1C_561/2008 je zur Hälfte, auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Staatsanwaltschaft I des Kantons
Zürich, dem Bundesstrafgericht, II. Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für
Justiz schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Februar 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Härri