Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.540/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_540/2008

Urteil vom 26. März 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Haag.

Parteien
Eheleute X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Marco
Bivetti,

gegen

Gemeinderat Walenstadt, Bahnhofstrasse 19,
8880 Walenstadt,
Ortsgemeinde Tscherlach, 8881 Tscherlach,
beide vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Hubert Bühlmann.

Gegenstand
Rechtsverweigerung,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 21. Oktober 2008 der Regierung des Kantons
St. Gallen.

Sachverhalt:

A.
Der Gemeinderat Walenstadt bewilligte der politischen Gemeinde Walenstadt am 2.
September 2004 die Errichtung eines Kinderspielplatzes auf dem Grundstück Nr.
912 und eines asphaltierten Hartplatzes auf dem angrenzenden Grundstück Nr.
930. Diese Grundstücke liegen neben einem ehemaligen Schulhaus in der Zone für
öffentliche Bauten und Anlagen.
Mit Eingabe vom 14. Juni 2006 gelangten unter anderem die Ehegatten X.________,
Eigentümer des unmittelbar an den Hartplatz angrenzenden, in der Wohnzone W2
gelegenen Grundstücks Nr. 926, an das Bausekretariat Walenstadt. Sie
beanstandeten, dass die Nutzung des Hartplatzes und des Kinderspielplatzes ohne
Bewilligung erweitert werde. Sie beantragten insbesondere die Durchführung
eines Baubewilligungsverfahrens für unbewilligte Änderungen sowie vorsorgliche
Massnahmen (Baueinstellungsverfügung und Nutzungsverbot) und die Entfernung von
rechtswidrigen Anlageteilen. Nach Durchführung eines Augenscheins teilte der
Gemeinderat Walenstadt den Ehegatten X.________ mit, für das Spielfeld sei
weder ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren noch ein Nutzungsverbot
nötig. Nach weiterer Korrespondenz zwischen der Gemeinde und den betroffenen
Nachbarn ersuchten diese am 2. November 2006 den Gemeinderat Walenstadt, bis
zum 15. November 2006 eine anfechtbare Verfügung zu erlassen. Nachdem die
Gemeinde diesem Gesuch nicht nachkam, erhoben unter anderem die Ehegatten
X.________ beim Baudepartement des Kantons St. Gallen eine
Rechtsverweigerungsbeschwerde. Sie beantragten, die Gemeinde sei anzuhalten,
über die am 14. Juni 2006 beantragten vorsorglichen Massnahmen zu entscheiden.
Weiter verlangten sie die Durchführung eines nachträglichen
Baubewilligungsverfahrens für die Umnutzung-/Nutzungserweiterung des
Hartplatzes und für die in Abweichung von der Baubewilligung vom 2. September
2004 erstellten Anlageteile und Geländeveränderungen. Mit Schreiben vom 20.
Juni 2007 rügten die Beschwerdeführer beim Gemeinderat Walenstadt, dass auf dem
Hartplatz ohne Bewilligung Basketballkörbe aufgestellt würden. Sie beantragten
die umgehende Einstellung der Bauarbeiten. Diese Beanstandung beantwortete der
Gemeinderat Walenstadt mit Hinweis auf die rechtskräftige Bewilligung des
Spielplatzes, worauf die Ehegatten X.________ am 27. Juni 2007 beim
Baudepartement eine aufsichtsrechtliche Anzeige gegen den Gemeinderat
Walenstadt einreichten.
Mit Entschied vom 17. März 2008 trat das Baudepartement auf die
Rechtsverweigerungsbeschwerde nicht ein und gab der aufsichtsrechtlichen
Anzeige gegen den Gemeinderat Walenstadt keine Folge. Dagegen erhoben unter
anderem die Ehegatten X.________ Rekurs bei der Regierung des Kantons St.
Gallen. Diese gab der aufsichtsrechtlichen Anzeige mit Beschluss vom 21.
Oktober 2008 ebenfalls keine Folge und wies den Rekurs im gleichen Beschluss
ab, soweit sie darauf eintrat.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 24. November 2008
beantragen die Ehegatten X.________, der Entscheid der Regierung vom 21.
Oktober 2008 sei aufzuheben, ihr Rekurs an die Regierung sei in Bezug auf die
nachträglich errichteten Handballtore und Basketballkörbe gutzuheissen und die
Gemeinde Walenstadt sei zu verpflichten, das ordentliche
Baubewilligungsverfahren einzuleiten. Sie rügen insbesondere, es sei zu Unrecht
kein Baubewilligungsverfahren für die umstrittenen Änderungen des Spielplatzes
durchgeführt worden.

C.
Der Gemeinderat Walenstadt verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde.
Das Departement des Innern des Kantons St. Gallen beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
inwieweit auf ein Rechtsmittel eingetreten werden kann (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE
133 II 249 E. 1.1 S. 251).

1.1 Angefochten ist ein kantonaler Endentscheid über die Baubewilligungspflicht
für eine Handball- und Basketballanlage auf einem Spielplatz. Es handelt sich
dabei um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a
BGG, welche grundsätzlich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten unterliegt (BGE 133 II 249 E. 1.2 S. 251). Die
aufsichtsrechtliche Anzeige ist nicht Streitgegenstand des bundesgerichtlichen
Verfahrens.

1.2 Die Beschwerde ist nach Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG zulässig gegen Entscheide
letzter kantonaler Instanzen, sofern nicht die Beschwerde an das
Bundesverwaltungsgericht zulässig ist. Die Kantone setzen als unmittelbare
Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte ein, soweit nicht nach einem
anderen Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden der Beschwerde
an das Bundesgericht unterliegen (Art. 86 Abs. 2 BGG). Für Entscheide mit
vorwiegend politischem Charakter können die Kantone anstelle eines Gerichts
eine andere Behörde als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts einsetzen
(Art. 86 Abs. 3 BGG). Nach Art. 130 Abs. 3 BGG erlassen die Kantone innert zwei
Jahren nach Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes unter anderem
Ausführungsbestimmungen über die Zuständigkeit, die Organisation und das
Verfahren der Vorinstanzen im Sinne von Art. 86 Abs. 2 und 3 BGG. Bis zum
Erlass der Ausführungsgesetzgebung können die Kantone die
Ausführungsbestimmungen nötigenfalls und vorläufig in die Form nicht
referendumspflichtiger Erlasse kleiden (Art. 130 Abs. 4 BGG).
1.2.1 Anfechtungsobjekt bildet ein Entscheid der kantonalen Regierung, welcher
nicht an das Bundesverwaltungsgericht weitergezogen werden kann. Da es sich bei
der Regierung nicht um eine richterliche Behörde handelt, ist die nach Art. 86
Abs. 2 zweiter Halbsatz BGG zulässige Ausnahme nicht zu prüfen. Auch liegt
offensichtlich kein Entscheid mit vorwiegend politischem Charakter im Sinne von
Art. 86 Abs. 3 BGG vor.
1.2.2 Das Bundesgerichtsgesetz ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (vgl. AS
2006 1069). Die Frist nach Art. 130 Abs. 3 BGG lief damit am 31. Dezember 2008
ab. Der angefochtene Beschluss wurde am 21. Oktober 2008 gefällt, weshalb sich
die Frage stellt, ob gestützt auf Art. 130 Abs. 3 BGG gegen den Beschluss der
Regierung die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig ist, obwohl es sich bei
dieser Vorinstanz nicht um ein oberes Gericht im Sinne von Art. 86 Abs. 2 BGG
handelt.
1.2.3 Die Beschwerdeführer berufen sich auf das Umweltrecht des Bundes und
beklagen sich insbesondere über die mit der Veränderung der umstrittenen Anlage
verbundenen Lärmimmissionen. Sie machen sinngemäss geltend, mit der
unterbliebenen Beurteilung der Zulässigkeit der Handballtore und
Basketballkörbe in einem ordentlichen Baubewilligungsverfahren sei auch eine
Anwendung des Umweltrechts verunmöglicht worden.
Die Auslegung und Anwendung des Umweltschutzrechts des Bundes bei unerwünschten
Lärmimmissionen von Kinderspielplätzen und Sportanlagen war vor Inkrafttreten
des Bundesgerichtsgesetzes im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht (Art. 97 ff. OG) zu beurteilen (BGE 118 Ib 590; 123 II 74; 133 II
292). Bereits gestützt auf Art. 98a OG hatten die Kantone richterliche Behörden
als letzte kantonale Instanzen zu bestellen, soweit gegen deren Entscheide
unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig
war. Diese Regelung wird mit Art. 86 Abs. 2 BGG im Wesentlichen weitergeführt.
Mit der Übergangsregelung von Art. 130 Abs. 3 BGG wurde keine neue
Übergangsfrist geschaffen für Fälle, in welchen bereits nach Art. 98a OG ein
letztes kantonales Gericht zur Verfügung stehen musste (vgl. BGE 134 I 125 E.
3.5 S. 136; zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts 6B_573/2008
vom 22. Dezember 2008 E. 2.4; Botschaft zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 4227 f. und 4354; Denise Brühl-Moser,
Bundesgerichtsgesetz, Basler Kommentar, Rz. 16 zu Art. 130 BGG). Art. 86 Abs. 2
BGG verlangt lediglich zusätzlich zu Art. 98a Abs. 1 OG, dass es sich bei der
kantonalen Gerichtsinstanz um ein oberes Gericht handeln muss (zum Begriff des
oberen Gerichts vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_25/2009 vom 5. Februar 2009
E. 4).
1.2.4 Nach der kantonalen Verfahrensordnung besteht gegen Entscheide der
Regierung über Rechtsverweigerungsbeschwerden kein Rechtsmittel an das
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, da die Regierung als
Beschwerdeinstanz endgültig entscheidet (Art. 89 des kantonalen Gesetzes über
die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965). Diese Rechtsmittelordnung ist in
Bezug auf Entscheide, die sich auf Bundesverwaltungsrecht stützen oder hätten
stützen sollen, nicht mit der bisherigen Regelung gemäss Art. 98a Abs. 1 OG
vereinbar. Der Umstand, dass das kantonale Recht offenbar nicht an diese seit
dem 15. Februar 1992 bestehende Bestimmung angepasst wurde, kann nach den
Erwägungen in E. 1.2.3 hiervor nicht dazu führen, dass nach dem Inkrafttreten
des Bundesgerichtsgesetzes während der Übergangsfrist von Art. 130 Abs. 3 BGG
auf die Beurteilung durch ein kantonales Gericht im Sinne der früheren Regelung
verzichtet wird. Vielmehr ist auf die vorliegende Beschwerde mangels
Letztinstanzlichkeit des angefochtenen Entscheids gemäss Art. 86 Abs. 2 BGG
nicht einzutreten. Die Sache ist an das kantonale Verwaltungsgericht, das für
bau- und umweltrechtliche Streitigkeiten zuständig ist (Urteil des
Bundesgerichts 1C_397/2007 vom 27. Mai 2008), zur Behandlung der Beschwerde zu
überweisen (vgl. BGE 134 I 199 E. 1.3.2 S. 203 mit Hinweisen; zur Publikation
bestimmtes Urteil des Bundesgerichts 2C_25/2009 vom 5. Februar 2009 E. 6.2).

2.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66
Abs. 4 BGG). Der Kanton St. Gallen hat den Beschwerdeführern jedoch eine
angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Sache wird dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen zur Behandlung der
Beschwerde überwiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Der Kanton St. Gallen hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von
Fr. 2'000.-- zu bezahlen.

5.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Gemeinderat Walenstadt und der
Ortsgemeinde Tscherlach sowie der Regierung und dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. März 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Haag