Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.537/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_537/2008

Urteil vom 22. Dezember 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Härri.

Parteien
X.________ Inc., Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter
Bosshard,

gegen

Republik der Philippinen, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
Sergio Salvioni,
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich,
Rechtshilfe/Geldwäschereiverfahren,
Gartenhofstrasse 17, Postfach 9680, 8036 Zürich.

Gegenstand
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen;
Herausgabe von Vermögenswerten,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 6. November 2008 des Bundesstrafgerichts,
II. Beschwerdekammer.
Sachverhalt:

A.
Die Republik der Philippinen ersuchte im April 1986 das Bundesamt für
Polizeiwesen um Rechtshilfe im Zusammenhang mit der Rückführung von
Vermögenswerten, die sich Ferdinand Marcos, seine Angehörigen und ihnen nahe
stehende Personen in Ausübung ihrer öffentlichen Funktionen unrechtmässig
angeeignet haben sollen. Als der Familie Marcos nahe stehende Personen wurden
auch A.________ und dessen damalige Ehefrau B.________ genannt.

Im Mai 1986 wurden Vermögenswerte der X.________ Inc. in der Schweiz gesperrt.
Sie befinden sich heute auf einem Konto bei der Bank Y.________. Wirtschaftlich
an diesem Konto berechtigt ist C.________, der Halbbruder von A.________.

Am 8. Juni 2005 ersuchte die X.________ Inc. um Aufhebung der Kontosperre.

Mit Verfügung vom 30. August 2005 wies die Staatsanwaltschaft I des Kantons
Zürich (im Folgenden: Staatsanwaltschaft I) das Gesuch ab.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 19.
November 2005 ab, soweit es darauf eintrat.

Hiergegen erhob die X.________ Inc. Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit
Teilurteil vom 18. August 2006 (1A.335/2005) setzte das Bundesgericht dem
Rechtsvertreter der Philippinen Frist bis zum 31. Dezember 2006, um einen
erstinstanzlichen Entscheid über die Einziehung der in der Schweiz blockierten
Vermögenswerte der X.________ Inc. einzureichen. Das Bundesgericht erwog, es
werde die Kontosperre aufheben, falls bis zum 31. Dezember 2006 kein solcher
Einziehungsentscheid vorliege.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2006 reichte der Rechtsvertreter der Philippinen
dem Bundesgericht ein gleichentags ergangenes Urteil des "Sandiganbayan" i.S.
Republik der Philippinen gegen B.________, A.________ und C.________ ein. Darin
wird die Einziehung der auf dem Konto der X.________ Inc. bei der Bank
Y.________ beschlagnahmten Vermögenswerte in Höhe von ca. 3,2 Millionen USD und
3 Millionen DM nebst Zinsen zugunsten des Philippinischen Staates angeordnet.

Mit Urteil vom 22. März 2007 (1A.335/2005) stellte das Bundesgericht fest, der
Rechtsvertreter der Philippinen habe rechtzeitig einen erstinstanzlichen
Entscheid über die Einziehung der in der Schweiz gesperrten Vermögenswerte
eingereicht. Damit sei die im Teilurteil vom 18. August 2006 festgelegte
Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Kontosperre erfüllt. Das
Bundesgericht wies die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

B.
Mit Verfügung vom 23. November 2007 wies die Staatsanwaltschaft I die Bank
Y.________ an, den Saldo des Kontos der X.________ Inc. auf ein Konto der
Presidential Commission on Good Government (PCGG) in den Philippinen zu
überweisen.

Die dagegen von der X.________ Inc., A.________ und C.________ erhobene
Beschwerde wies das Bundesstrafgericht (II. Beschwerdekammer) am 6. November
2008 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Die X.________ Inc. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
mit dem Antrag, das Urteil des Bundesstrafgerichts sei aufzuheben; die
Vermögenswerte der X.________ Inc. bei der Bank Y.________ seien zugunsten des
wirtschaftlich Berechtigten, C.________, herauszugeben; eventualiter seien die
Vermögenswerte blockiert zu halten, bis der philippinische Supreme Court über
die "motion for reconsideration with motion to refer the case to the Supreme
Court en banc" entschieden habe; der X.________ Inc. sei eine Frist zur
Ergänzung der Beschwerdebegründung nach Art. 43 BGG zu gewähren.

D.
Das Bundesstrafgericht und die Staatsanwaltschaft I haben auf Gegenbemerkungen
verzichtet.

Das Bundesamt für Justiz hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, auf die
Beschwerde sei nicht einzutreten. Es hält dafür, es fehle an der
Eintretensvoraussetzung des besonders bedeutenden Falles nach Art. 84 BGG.
Die Republik der Philippinen hat ebenfalls eine Vernehmlassung eingereicht. Sie
beantragt, auf die - ihres Erachtens mutwillige - Beschwerde sei nicht
einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Die Republik der Philippinen ist
ebenfalls der Ansicht, es liege kein besonders bedeutender Fall vor.

E.
Die X.________ Inc. hat eine Replik eingereicht. Sie ändert ihren
Eventualantrag dahin, die Vermögenswerte seien blockiert zu halten, bis der
philippinische Supreme Court die "second motion for reconsideration" vom 4.
Dezember 2008 abgewiesen oder gutgeheissen habe.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen
Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde nur zulässig, wenn er unter anderem
eine Herausgabe von Vermögenswerten betrifft und es sich um einen besonders
bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein besonders bedeutender Fall liegt
insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare
Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere
Mängel aufweist (Abs. 2).

Der Begriff des schweren Mangels des ausländischen Verfahrens ist restriktiv
auszulegen (BGE 133 IV 271 E. 2.2.2 S. 274, mit Hinweis).

Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im
Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (BGE 134 IV 156 E. 1.3.1
S. 160, mit Hinweisen).

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist,
steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (BGE 134 IV 156 E.
1.3.1 S. 160, mit Hinweis).

Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Rechtsschrift in gedrängter
Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine
Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein besonders bedeutender
Fall nach Artikel 84 vorliegt, so ist auszuführen, warum diese Voraussetzung
erfüllt ist.
Erachtet das Bundesgericht eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen
Rechtshilfe in Strafsachen als unzulässig, so fällt es gemäss Art. 107 Abs. 3
BGG den Nichteintretensentscheid innert 15 Tagen seit Abschluss eines
allfälligen Schriftenwechsels.
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über
Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall
vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder
teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3).

2.
2.1 Zwar geht es hier um die Herausgabe von Vermögenswerten und damit um ein
Sachgebiet, bei dem die Beschwerde nach Art. 84 Abs. 1 BGG insoweit möglich
ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin handelt es sich jedoch um
keinen besonders bedeutenden Fall.

2.2 Was sie (Beschwerde S. 3 ff. Ziff. 2) dazu vorbringt, ist nicht geeignet,
einen solchen Fall darzutun.
2.2.1 Gemäss Art. 74a IRSG können Vermögenswerte, die zu Sicherungszwecken
beschlagnahmt wurden, der zuständigen ausländischen Behörde auf Ersuchen am
Ende des Rechtshilfeverfahrens zur Einziehung oder Rückerstattung an den
Berechtigten herausgegeben werden (Abs. 1). Die Herausgabe kann in jedem
Stadium des ausländischen Verfahrens erfolgen, in der Regel gestützt auf einen
rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheid des ersuchenden Staates (Abs. 3).

Die Vorinstanz kommt (S. 9 E. 2.7) zum Schluss, es liege ein rechtskräftiger
philippinischer Einziehungsentscheid vor.

Die Beschwerdeführerin wendet (Beschwerde S. 3 f. Ziff. 2a) ein, das Urteil des
philippinischen Supreme Court vom 14. Juli 2008, auf das sich die Vorinstanz
stützt, sei aufgrund von "urgent motions" des Solicitor General gefällt worden
und politisch motiviert.

Der Sandiganbayan hat am 31. Mai 2007 die gegen sein Urteil vom 28. Dezember
2006 erhobene "motion for reconsideration" abgewiesen. Am 4. August 2008
reichte der Rechtsvertreter der Philippinen der Vorinstanz das Urteil des
philippinischen Supreme Court vom 14. Juli 2008 ein mit dem Hinweis, damit sei
das Urteil des Sandiganbayan vom 28. Dezember 2006 und 31. Mai 2007 definitiv
und vollstreckbar (act. 41). Wie sich aus dem Urteil des Supreme Court vom 14.
Juli 2008 (Anhang zu act. 41) ergibt, hat dieser in der Sache A.________ und
C.________ gegen die Republik der Philippinen die "petition for review on
certiorari" gegen das Urteil des Sandiganbayan vom 28. Dezember 2006 bzw. 31.
Mai 2007 abgewiesen, da die Gesuchskläger ("petitioners") keinen Irrtum des
Sandiganbayan hinreichend dargetan hätten. Die Beschwerdeführerin nennt keine
überzeugenden Gründe dafür, weshalb dieses Urteil politisch motiviert sein
soll. Dessen knappe Begründung stellt dafür kein hinreichendes Indiz dar. Eine
derartige Begründung sieht auch das schweizerische Recht für bestimmte Fälle
vor (Art. 108 Abs. 3 und Art. 109 Abs. 3 BGG). Der Umstand, dass der Supreme
Court beförderlich entschieden hat, genügt ebenso wenig für die Annahme, sein
Urteil sei politisch motiviert. Zu einem beförderlichen Abschluss des
Einziehungsverfahrens hat das Bundesgericht - wie die Beschwerdeführerin
(Beschwerde S. 4) selber darlegt - die philippinischen Behörden angehalten. Von
einer "unbegründeten Eile" des Supreme Court kann damit entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführerin nicht gesprochen werden.
2.2.2 Die Beschwerdeführerin bringt (Beschwerde S. 4 lit. b) vor, dass die
drohende Herausgabe von rund 8 Millionen USD für sie bzw. den wirtschaftlich an
ihr Berechtigten von grösster Bedeutung sei, bedürfe keiner weiteren
Begründung,

Dem kann nicht gefolgt werden. Aus dem Umstand, dass es um einen erheblichen
Betrag geht, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass er für die
Beschwerdeführerin von grösster Bedeutung ist. Um dem Bundesgericht zu
ermöglichen, sich darüber ein Bild zum machen, hätte die Beschwerdeführerin
ihre wirtschaftlichen Verhältnisse - zumindest in groben Zügen - darlegen
müssen. Das hat sie jedoch nicht getan. Bei ihrem Vorbringen handelt es sich
somit um eine blosse Behauptung. Gestützt darauf kann kein besonders
bedeutender Fall nach Art. 84 BGG angenommen werden.
2.2.3 Soweit die Beschwerdeführerin (Beschwerde S. 5 f. lit. c) Mängel des
philippinischen Verfahrens rügt, bringt sie im Wesentlichen das Gleiche vor wie
bereits im Verfahren, das zum bundesgerichtlichen Urteil vom 22. März 2007
geführt hat. Das Bundesgericht hat sich dort (E. 2) mit den Einwänden der
Beschwerdeführerin bereits befasst. Es kam zum Schluss, die Erwägungen des
Sandiganbayan im Urteil vom 28. Dezember 2006 liessen keinen Verstoss gegen
elementare Verfahrensgrundsätze des internationalen Rechts oder des
schweizerischen ordre public erkennen (E. 2.4). Darauf zurückzukommen besteht
kein Anlass.

2.3 Inwiefern der vorliegende Fall sonst wie besonders bedeutend im Sinne von
Art. 84 BGG sein soll, legt die Beschwerdeführerin nicht dar und ist nicht
ersichtlich.

Die Beschwerde ist daher unzulässig.

3.
Die Gewährung einer Nachfrist zur Ergänzung der Beschwerdebegründung nach Art.
43 BGG fällt damit ausser Betracht (lit. a).

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Kosten (Art.
66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Sie hat der Republik der Philippinen eine Entschädigung
zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat der Republik der Philippinen für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich,
dem Bundesstrafgericht, II. Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für Justiz
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Dezember 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Härri