Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.511/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_511/2008

Urteil vom 12. Februar 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Raselli,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Heer,

gegen

Politische Gemeinde Fischingen, vertreten durch den Gemeinderat, Kurhausstrasse
31, 8374 Dussnang,
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, Rechtsdienst, Promenade,
Postfach,
8510 Frauenfeld.

Gegenstand
Bewirtschaftungsanordnung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 10. September 2008 des Verwaltungsgerichts
des Kantons Thurgau.
Sachverhalt:

A.
Die Politische Gemeinde Fischingen beschloss am 24. Mai 2006 die
NHG-Schutzplanung der Naturobjekte, bestehend aus einem Schutzplan
Naturobjekte, Schutzbestimmungen und Listen der geschützten Objekte. Die
Planungsunterlagen wurden vom 16. Juni bis 5. Juli 2006 öffentlich aufgelegt.

Das Objekt M21, wertvolle Wiese mit Reptiliensaum, berührt hauptsächlich die
Parzelle Nr. 167. Deren Eigentümer, X.________, erhob gegen die Schutzplanung
Einsprache. Am 6. November 2006 wies die Gemeinde die Einsprache ab.

B.
Dagegen gelangte X.________ mit Rekurs an das Departement für Bau und Umwelt
des Kantons Thurgau. Dieses erarbeitete im Rahmen eines Augenscheins einen
Einigungsvorschlag, wonach die strittige Fläche im Schutzplan belassen und
X.________ mittels einer Verfügung ein flexiblerer Schnittzeitpunkt ermöglicht
werde.

Am 25. Oktober 2007 erliess die Gemeinde eine Bewirtschaftungsverfügung. Danach
ist auf jegliche Düngung der Fläche zu verzichten; der Schnittzeitpunkt ist so
zu wählen, dass sich die gewünschten Arten vermehren können, richtet sich aber
nicht nach der Direktzahlungsverordnung.

Mit Entscheid vom 8. November 2007 schrieb das DBU den ersten Rekurs zufolge
Wiedererwägung als erledigt ab.

C.
Am 13. November 2007 rekurrierte X.________ gegen die
Bewirtschaftungsverfügung. Das Departement wies den Rekurs am 22. Februar 2008
ab. Am 7. März 2008 genehmigte es die NHG-Schutzplanung der Naturobjekte.
Gegen den Rekursentscheid erhob X.________ am 17. März 2008 Beschwerde an das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Dieses führte am 4. Juni 2008 einen
Augenschein durch und wies die Beschwerde am 10. September 2008 ab.

D.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat X.________ am 3. November 2008
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben.
Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Gemeinde sei zu
verpflichten, auf eine Bewirtschaftungsverfügung zu verzichten. Eventualiter
sei die Sache zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht oder an die Gemeinde
zurückzuweisen.
Das Departement und die Gemeinde Fischingen schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen,
soweit darauf einzutreten sei.

Erwägungen:

1.
Da alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde
grundsätzlich einzutreten (vgl. allerdings E. 2.3 zum Nichteintreten auf
gewisse, ausserhalb des Streitgegenstands liegende Rügen).

2.
Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie, das Naturobjekt M21 sei mangelhaft
bezeichnet worden; das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht auf seine Rügen
betreffend Schutzwürdigkeit, Umfang und Lage des Naturobjekts M21 nicht
eingetreten, sondern habe nur die Verhältnismässigkeit der
Bewirtschaftungsverfügung überprüft. Damit rügt er sinngemäss eine formelle
Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV).

2.1 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, Gegenstand des
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei einzig die Bewirtschaftungsverfügung
der Gemeinde vom 25. Oktober 2007. Die Schutzwürdigkeit des Naturobjekts M21
könne nicht mehr mit Beschwerde angefochten werden, da jenes Verfahren am 8.
November 2007 zufolge Wiedererwägung als erledigt abgeschrieben worden sei. Sei
der Beschwerdeführer mit jener Verfahrenserledigung nicht einverstanden
gewesen, insbesondere mit dem Grundsatz der Schutzwürdigkeit, so hätte er gegen
den Abschreibungsbeschluss Beschwerde erheben müssen.

2.2 Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur
Rechtsverhältnisse zu überprüfen und zu beurteilen, zu denen die zuständige
Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung
genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise
weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand (BGE 131 V 164 E. 2.1 S. 164 f. mit
Hinweisen).

Der erste Rekurs des Beschwerdeführers richtete sich gegen die
"NHG-Schutzplanung der Naturobjekte"; dieses Verfahren wurde vom Departement
mit Abschreibungsbeschluss vom 8. November 2007 beendet. Gegen diesen Beschluss
hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer nicht Beschwerde erhoben.
Vielmehr hat er lediglich die Bewirtschaftungsverfügung der Gemeinde vom 25.
Oktober 2007 mit Rekurs und anschliessend mit Beschwerde angefochten. Insofern
durfte das Verwaltungsgericht ohne Verletzung von Verfassungsrecht davon
ausgehen, dass sich der Streitgegenstand auf die Bewirtschaftungsverfügung
beschränkt.

Die Bewirtschaftungsverfügung äussert sich nicht mehr zur Lage und zur
Schutzwürdigkeit des Naturobjekts M21, sondern trifft ausschliesslich
Anordnungen über die Bewirtschaftung der Fläche (Verzicht auf Düngung,
Schnittzeitpunkt). In Wiedererwägung gezogen werden somit nur die
Schutzbestimmungen der NHG-Schutzplanung, nicht aber die Bezeichnung des
Naturobjekts M21 und seine Festlegung im Schutzplan. Dieser Teil der
Schutzplanung ist daher mit der Abschreibungsverfügung bestandskräftig geworden
und konnte vom Beschwerdeführer nicht mehr angefochten werden. Das
Verwaltungsgericht ist daher zu Recht auf die diesbezüglichen Rügen des
Beschwerdeführers nicht eingetreten.

2.3 Gehörte das Planungsverfahren bzw. das erste Rekursverfahren nicht mehr zum
Streitgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, so können
diesbezügliche Rügen auch vor Bundesgericht nicht mehr erhoben werden. Auf
diese Rügen ist daher nicht einzutreten.

Soweit der Beschwerdeführer die nachträgliche Verschärfung der
Schutzbestimmungen des Schutzplans im Genehmigungsverfahren rügt
(Nichtgenehmigung der ursprünglich vorgesehenen Möglichkeit der mässigen
Düngung mit eigenem Hofdünger) ist im Übrigen nicht ersichtlich, inwiefern er
von dieser Verschärfung betroffen wird. Für den Beschwerdeführer ist die
Bewirtschaftungsverfügung vom 25. Oktober 2007 massgeblich, die von Anfang an
ein absolutes Düngeverbot enthielt.

3.
Weiter macht der Beschwerdführer geltend, die ihm im Anschluss an das zweite
Rekursverfahren auf Anweisung des Departements zugesandten Situationspläne
seien widersprüchlich; dies habe zur Folge, dass der räumliche
Anwendungsbereich der Bewirtschaftungsverfügung unklar sei.

3.1 Dem Beschwerdeführer wurden am 11. und am 19. März 2008 von der Gemeinde
bzw. vom Büro Raum- & Umweltplanung, zwei Situationspläne zugestellt. Dies
erfolgte auf Anweisung des Departements: In seinem Rekursentscheid vom 22.
Februar 2008 (E. 7) hatte das Departement die Auffassung vertreten, dass
Position und Grenzverlauf des Naturobjekts aus dem Schutzplan genügend
ersichtlich seien, weshalb die Bewirtschaftungsverfügung hinreichend bestimmt
sei; dennoch hatte es die Politische Gemeinde ersucht, dem Rekurrenten einen
Situationsplan nachzureichen. Dieser Situationsplan verdeutlicht somit den
räumlichen Anwendungsbereich der Bewirtschaftungsverfügung und ist als - im
Rekursverfahren erfolgte - Ergänzung dieser Verfügung zu betrachten. Nachdem
sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid (E. 1c) zur
Massgeblichkeit dieser Situationspläne geäussert hat, gehört diese Frage zum
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens (vgl. BGE 130 V 138 E. 4.2 S. 142
ff.).

3.2 Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass die beiden Situationspläne nicht
übereinstimmen:
Im ersten Situationsplan (vom 11. März 2008) verläuft die Objektsgrenze durch
die südöstliche Ecke der Parzelle Nr. 317 und reicht im Norden bis zum
Waldrand. Dies entspricht dem vom Beschwerdeführer eingereichten (von
Y.________ edierten) Exemplar des Schutzplans.
Im zweiten Situationsplan (vom 19. März 2008) verläuft dagegen die Grenze des
Objekts etwas weiter westlich und endet (in nördlicher Richtung) kurz vor dem
Waldrand. Dieser Verlauf stimmt mit dem vom Departement genehmigten Exemplar
des Schutzplans überein.

3.3 Das Verwaltungsgericht hat im Protokoll des Augenscheins vom 4. Juni 2008
sowie in E. 1c des angefochtenen Entscheids festgestellt, dass der von der
Gemeinde am 11. März 2008 versandte Plan als massgebend zu betrachten sei. An
dieser Auffassung hält das Verwaltungsgericht auch in seiner Vernehmlassung vor
Bundesgericht fest.

3.4 Dagegen vertrat das Departement für Bau und Umwelt in seiner Replik vom 9.
Juli 2008 vor Verwaltungsgericht die Auffassung, dass der dem Beschwerdeführer
am 19. März 2008 zugestellte Plan massgeblich sei. Der Plan vom 11. März 2008
stütze sich auf einen im Rahmen der Vorprüfung erstellten Schutzplan
Naturflächen vom 21. März 2006; dieses Vorprüfungsexemplar (und nicht der
Auflageplan) sei von Y.________ ediert und vom Beschwerdeführer zu den Akten
gereicht worden. Massgeblich für die Ausmasse des Naturobjekts M21 sei der vom
16. Juni bis 5. Juli 2006 öffentlich aufgelegte und am 7. März 2008 vom
Departement genehmigte Schutzplan; dieser entspreche dem Situationsplan, der
dem Beschwerdeführer am 19. März 2008 zugestellt worden sei.

3.5 Wie oben (E. 2) dargelegt wurde, bestimmen sich Lage und Ausmass des
Naturobjekts M21 nach dem Schutzplan, wie er von der Gemeinde beschlossen,
öffentlich aufgelegt und vom Departement genehmigt worden ist. Dies spricht für
die Rechtsauffassung des Departements, allerdings unter der Voraussetzung, dass
der von diesem genehmigte Plan (hinsichtlich Lage und Umfang des Objekts M21)
mit dem von der Gemeinde beschlossenen und öffentlich aufgelegten Plan
übereinstimmt. Zu dieser Frage hat das Verwaltungsgericht keine Feststellungen
getroffen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, dies nachzuholen. In diesem
Punkt ist daher der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer
Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.

4.
Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots
(Art. 8 Abs. 1 BV; § 3 KV/TG), weil ihm ohne sachliche Rechtfertigung
Bewirtschaftungsauflagen aufgebürdet werden, während andernorts ohne
Einschränkungen bewirtschaftet werden dürfe. Der Beschwerdeführer zeigt aber
nicht auf, dass anderen Eigentümern von geschützten Magerwiesen der Gemeinde
Fischingen weniger einschneidende Bewirtschaftungsauflagen gemacht worden
seien. Dies ist auch nicht ersichtlich, bedeutet die angefochtene
Bewirtschaftungsverfügung doch ein Entgegenkommen der Gemeinde hinsichtlich des
Schnittzeitpunkts. Das absolute Düngeverbot gilt für alle geschützten
Naturobjekte, nachdem das Departement Ziff. 2 Absatz 2 der Schutzbestimmungen
(Möglichkeit der mässigen Düngung mit eigenem Hofdünger) nicht genehmigt hat.

Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Unterschutzstellung seiner Parzelle
wendet bzw. die Auffassung vertritt, andere Parzellen seien zu Unrecht nicht
unter Schutz gestellt worden, betrifft dies die Schutzplanung; hierzu kann auf
das oben (E. 2) Gesagte verwiesen werden.

5.
Der angefochtene Entscheid ist somit in einem Punkt - hinsichtlich des
massgeblichen Situationsplans - gutzuheissen und an das Verwaltungsgericht zu
neuer Beurteilung zurückzuweisen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens unterliegt der Beschwerderführer überwiegend.
Er trägt daher die - leicht reduzierten - Gerichtskosten und hat Anspruch auf
eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 66 und Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 10. September 2008 wird insoweit
aufgehoben, als darin der von der Gemeinde am 11. März 2008 versandte
Situationsplan für massgeblich erklärt wird. Diesbezüglich sowie zur
Neuverlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens wird die Sache an das
Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die reduzierten Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt.

3.
Die Gemeinde Fischingen hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Politischen Gemeinde Fischingen,
dem Departement für Bau und Umwelt sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Februar 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Gerber