Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.498/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_498/2008

Urteil vom 9. Juli 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Raselli, Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Schoder.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Oskar Müller,

gegen

Kanton Zürich, vertreten durch die Direktion der Justiz und des Innern des
Kantons Zürich, Kantonale Opferhilfestelle, Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Opferhilfe,

Beschwerde gegen das Urteil vom 3. September 2008 des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich,
II. Kammer.
Sachverhalt:

A.
X.________ reichte am 30. Juli 2008 bei der Opferhilfestelle des Kantons Zürich
zwei Gesuche um opferhilferechtliche Genugtuung ein. Zur Begründung führte er
aus, von einem Mann namens A.________ in den Jahren 1985 bis 1991 sexuell
missbraucht und sexuell genötigt (Gesuch um opferhilferechtliche Genugtuung in
der Höhe von CHF 300'000.--) sowie von einer unbekannten Person B.________,
einer Gruppe von unbekannten Personen und einer weiteren unbekannten Person
zwischen dem 26. April 1982 und dem 29. März 1985 mindestens zweimal
vergewaltigt, sexuell missbraucht und sexuell genötigt worden zu sein (Gesuch
um opferhilferechtliche Genugtuung in der Höhe von CHF 350'000.--).
Die Kantonale Opferhilfestelle lehnte es am 7. August 2008 ab, auf die Gesuche
einzutreten, da die mutmasslichen Straftaten vor dem Inkrafttreten des
Opferhilfegesetzes am 1. Januar 1993 begangen worden seien und im Übrigen der
Genugtuungsanspruch verwirkt sei.
Mit Urteil vom 3. September 2008 wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich die von X.________ gegen den Nichteintretensentscheid erhobene
Beschwerde ab. Dabei schützte es die Begründung der Opferhilfestelle, wonach
der behauptete Genugtuungsanspruch vom zeitlichen Geltungsbereich des
Opferhilfegesetzes nicht erfasst sei.

B.
X.________ hat gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts beim
Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben.
Neben der Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt er, es sei
festzustellen, dass das Opferhilfegesetz anwendbar sei. Die Opferhilfestelle
sei anzuweisen, auf das Gesuch (recte: die Gesuche) vom 30. Juli 2008
einzutreten und den geltend gemachten Genugtuungsanspruch (recte: die geltend
gemachten Genugtuungsansprüche) zu prüfen. Ferner ersucht er um unentgeltliche
Rechtspflege im Verfahren vor Bundesgericht.

C.
Das Sozialversicherungsgericht hat auf Stellungnahme verzichtet. Die Kantonale
Opferhilfestelle und das Bundesamt für Justiz als beschwerdeberechtigte
Bundesverwaltungsbehörde schliessen auf Beschwerdeabweisung. Der
Beschwerdeführer liess sich unter Aufrechterhaltung der Anträge nochmals
vernehmen.

Erwägungen:

1.
Das angefochtene Urteil des Sozialversicherungsgerichts betrifft die Abweisung
einer Beschwerde gegen einen Nichteintretensentscheid auf ein Gesuch um
Leistungen aufgrund des Opferhilfegesetzes des Bundes, d.h. eine
öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a BGG. Dagegen
steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Urteil
des Bundesgerichts 1C_45/2007 vom 30. November 2007 E. 2, nicht publ. in: BGE
134 II 33).

2.
Am 1. Januar 2009 ist das neue Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an
Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5) in Kraft getreten. Nach
dessen Übergangsbestimmung gilt das bisherige Recht für Ansprüche auf
Entschädigung oder Genugtuung für Straftaten, die vor Inkrafttreten dieses
Gesetzes verübt worden sind, wobei für Ansprüche aus Straftaten, die weniger
als zwei Jahre vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verübt worden sind, die
Fristen nach Art. 25 gelten (Art. 48 lit. a OHG).
Im vorliegenden Fall gibt der Beschwerdeführer an, im Zeitraum von 1982 bis
1991 Opfer von sexuellen Übergriffen geworden zu sein. Er sei sich der
psychischen Spätfolgen der Delikte erst aufgrund einer Beziehung zu einer Frau
und im Zuge der psychiatrischen Betreuung in den Jahren 2007 und 2008 bewusst
geworden resp. erst im Jahr 2008 habe sich der tatbestandsmässige Erfolg der
Straftaten eingestellt. Der genannte Zeitraum, angefangen beim strafrechtlichen
Verhalten bis zur Realisierung der Folgeschäden, liegt vollumfänglich vor dem
Inkrafttreten des neuen OHG am 1. Januar 2009. Zur Beurteilung der vom
Beschwerdeführer geltend gemachten opferhilferechtlichen Genugtuungsansprüche
ist demzufolge das alte Opferhilfegesetz vom 4. Oktober 1991 in der bis zum 31.
Dezember 2008 geltenden Fassung (aOHG) heranzuziehen.
Das Opferhilfegesetz vom 4. Oktober 1991 trat am 1. Januar 1993 in Kraft. Die
Verordnung vom 18. November 1992 über die Hilfe an Opfer von Straftaten in der
bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung (aOHV) enthält dazu in Art. 12 eine
Übergangsbestimmung. Nach Abs. 3 gelten die Bestimmungen über die Entschädigung
und die Genugtuung (Art. 11-17 aOHG) für Straftaten, die nach Inkrafttreten des
Opferhilfegesetzes, d.h. nach dem 1. Januar 1993, begangen wurden.

3.
3.1 Wegen der formellen Natur des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist zunächst
die Rüge der Verletzung dieses Anspruchs zu prüfen. Der Beschwerdeführer
beanstandet, das Sozialversicherungsgericht habe sich nicht mit den
Langzeitfolgen sexueller Übergriffe und der in diesem Zusammenhang entwickelten
Bundesgerichtspraxis zum Geltungsbereich des Opferhilfegesetzes (Urteil 1C_73/
2008 vom 1. Oktober 2008, publ. in BGE 134 II 308) befasst. Dies stelle eine
Verletzung der Begründungspflicht dar.

3.2 Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die
Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich
hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt (BGE 124 I 241 E. 2 S.
242, mit Hinweisen). Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren
Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit
allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne
Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den
Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst
sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft
geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen
kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden,
von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid
stützt (BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88 mit Hinweisen).

3.3 Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet. Zum einen
behauptet der Beschwerdeführer nicht, es sei ihm nicht möglich gewesen, die
Beschwerde in materieller Hinsicht zu begründen. Zum andern hatte die
Vorinstanz in ihrem vom 3. September 2008 datierenden Urteil keine
Veranlassung, sich mit dem am 1. Oktober 2008 gefällten Bundesgerichtsurteil
1C_73/2008 (in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichts
veröffentlicht am 28. Januar 2009) auseinanderzusetzen. Das
Sozialversicherungsgericht hat sich mit der entscheidenden Rechtsfrage des
zeitlichen Geltungsbereichs des Opferhilfegesetzes, wenn auch knapp, befasst.
Sie hat die vom Beschwerdeführer thematisierten strafbaren Handlungen unter dem
Gesichtspunkt der sexuellen Nötigung, nicht aber auch der Körperverletzung
erörtert. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer die
Frage der strafrechtlichen Qualifizierung der psychischen Spätschäden der an
ihm verübten Delikte gegen die sexuelle Integrität als Körperverletzung erst in
der Replik vor Bundesgericht aufgeworfen hat. Das Recht wird zwar von Amtes
wegen angewendet, jedoch ist das Gericht nicht gehalten, nach jedem möglichen
Rechtsargument zu forschen. Es stellt im Übrigen auch keine Verletzung des
rechtlichen Gehörs dar, wenn das Gericht eine sich stellende Rechtsfrage
allenfalls übersah und sich deshalb dazu nicht äusserte.

4.
4.1 Gemäss dem angefochtenen Urteil ereignete sich der anspruchsbegründende
Sachverhalt ausserhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des Opferhilfegesetzes.
Das Sozialversicherungsgericht erwog, dass nach dem Wortlaut von Art. 12 aOHV
nur der Anspruch auf Hilfe der Beratungsstellen vom Zeitpunkt der Begehung der
Straftat unabhängig sei (Abs. 1), während die Bestimmungen über den Schutz und
die Rechte des Opfers im Strafverfahren (Art. 5-10 aOHG) sowie diejenigen über
die Entschädigung und die Genugtuung (Art. 11-17 aOHG) nur unter der
Voraussetzung zur Anwendung kämen, dass die Verfahrenshandlungen bzw. die
Straftat nach dem Inkrafttreten des OHG, also nach dem 1. Januar 1993,
erfolgten (Art. 12 Abs. 2 und 3 aOHV). Infolge der "absolut zu verstehenden
Bestimmung von Art. 12 Abs. 3 aOHV" gelte dies selbst für Opfer von Straftaten
gegen die sexuelle Integrität, deren Folgen sich meist erst Jahre später im
Erwachsenenalter zeigten.
Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Die Straftaten, auf
welche der Beschwerdeführer den opferhilferechtlichen Genugtuungsanspruch
abstütze, hätten sich im Zeitraum von 1982 bis 1991 und somit vor dem
Inkrafttreten des OHG am 1. Januar 1993 ereignet. Demzufolge stehe dem
Beschwerdeführer ein opferhilferechtlicher Genugtuungsanspruch nicht zu.

4.2 Dagegen macht der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung (BGE 134 II 308) geltend, bezüglich des zeitlichen
Geltungsbereichs des Opferhilfegesetzes könne nicht allein auf den Zeitpunkt
der Begehung der Delikte gegen die sexuelle Integrität im Sinne des StGB
abgestellt, sondern es müssten auch die Spätfolgen dieser Delikte
berücksichtigt werden. Der opferhilferechtliche Anspruch auf Genugtuung hänge
nicht allein vom Zeitpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens ab, sondern
auch vom Zeitpunkt, in dem sich allfällige psychische Folgen der vor
Inkrafttreten des Opferhilfegesetzes begangenen Straftaten gegen die sexuelle
Integrität bemerkbar machten resp. sich der tatbestandsmässige Erfolg
einstelle, zumal die sexuellen Übergriffe gegen ihn nicht nur Straftatbestände
zum Schutz der sexuellen Integrität erfüllen würden, sondern auch jene der
Körperverletzungsdelikte im Sinne von Art. 122/123 StGB, da seine psychische
Gesundheit geschädigt worden sei. Er, der Beschwerdeführer, sei sich der
psychischen Spätfolgen der an ihm verübten Übergriffe in der Kindheit erst
aufgrund einer Beziehung mit einer Frau und im Zuge der psychiatrischen
Betreuung in den Jahren 2007 und 2008 bewusst worden.

4.3 Die Kantonale Opferhilfestelle ist der Ansicht, dass die vom
Beschwerdeführer zitierte Rechtsprechung auf die vorliegende Fallkonstellation
nicht übernommen werden könne. Bei den Delikten gegen die sexuelle Integrität
handle es sich in der Regel um Tätigkeitsdelikte, bei denen der Straftatbestand
bereits mit der Vornahme der Tathandlung erfüllt sei. Anders als bei
Erfolgsdelikten, bei denen das tatbestandsmässige Verhalten und der Eintritt
des tatbestandsmässigen Erfolgs zeitlich auseinanderfallen könnten, sei bei
Tätigkeitsdelikten der Zeitpunkt der Vornahme der tatbestandsmässigen Handlung
deshalb identisch mit dem Zeitpunkt der Begehung der Straftat. Spätfolgen eines
Delikts könnten sodann - unabhängig davon, ob es sich um ein Erfolgs- oder um
ein Tätigkeitsdelikt handle - immer und auch erst lange Zeit nach Erfüllung des
Straftatbestandes auftreten. Das OHG knüpfe sowohl für den Geltungsbereich als
auch für den Beginn der Verwirkungsfrist an die Straftat und nicht an das
Auftreten von nicht zum Straftatbestand gehörenden Spätfolgen eines Delikts an.

4.4 Das Bundesamt für Justiz vertritt den Standpunkt, dass bei sexuellen
Übergriffen - im Unterschied zu den Asbestfällen - sofort erkennbar sei, dass
möglicherweise eine Straftat in Betracht falle. Tätigkeitsdelikte wie
Vergewaltigung und sexueller Missbrauch würden sich deshalb grundlegend vom in
BGE 134 II 308 beurteilten Delikt der fahrlässigen Körperverletzung durch
Asbestexposition unterscheiden, welches dadurch gekennzeichnet sei, dass sich
erst Jahrzehnte nach einem Handeln oder Unterlassen die Frage stelle, ob ein
strafbares Verhalten vorliege. Werde dagegen das Vorliegen eines Sexualdelikts
von der Opferhilfebehörde bejaht, sei zugleich der aus der Sicht der Opferhilfe
erforderliche "Erfolg" gegeben, da die betroffene Person durch die Straftat in
ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sei. Die betroffene Person
gelte als Opfer.

Für die Frage, wann die hier behaupteten Sexualdelikte verübt bzw. begangen
worden seien, sei nicht entscheidend, wann der Beschwerdeführer erkannt habe,
welche Folgen die Straftaten auf seine körperliche, psychische und sexuelle
Gesundheit gehabt hätten. Entscheidend sei vielmehr, wann der objektive und,
soweit feststellbar, der subjektive Tatbestand der in Frage stehenden Delikte
erfüllt worden sei.

5.
5.1 Das Bundesgericht hatte in BGE 134 II 308 E. 5 zu entscheiden, in welchem
Zeitpunkt ein Erfolgsdelikt (fahrlässige Körperverletzung durch
Asbestexposition) als "begangen" im Sinne des Opferhilfegesetzes zu gelten hat,
wenn das tatbestandsmässige Verhalten vor Inkrafttreten des OHG erfolgte, der
strafrechtlich relevante Erfolg (Ausbruch der Krebskrankheit) hingegen erst
nach dessen Inkrafttreten eintrat. Unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien
und des Regelungszwecks des OHG beurteilte es diese Rechtsfrage aus
opferbezogener (im Gegensatz zur täterbezogenen) Perspektive. Das Bundesgericht
knüpfte zunächst an seine Rechtsprechung zum Begriff der Straftat im Sinne des
Opferhilfegesetzes an, welcher die Verwirklichung des objektiven und des
subjektiven Straftatbestandes voraussetzt. Zu den objektiven
Tatbestandsmerkmalen der fahrlässigen Körperverletzung (Art. 125 StGB) gehört
einerseits sorgfaltswidriges Verhalten und anderseits der Eintritt des
Taterfolgs (Körperverletzung). Fahrlässigkeit allein ohne Erfolgseintritt
stellt keine Straftat nach Art. 125 StGB dar. Daraus schloss das Bundesgericht,
dass keine Ansprüche auf opferhilferechtliche Entschädigung und Genugtuung
entstehen können, solange der strafrechtlich relevante Erfolg des fahrlässigen
Verhaltens nicht eingetreten ist.
Weiter erwog das Bundesgericht, dass unter Berücksichtigung der Zielsetzung des
OHG - die Gewährleistung der gesetzlich vorgesehenen Hilfe - Art. 12 Abs. 3
aOHV in dem Sinne ausgelegt werden muss, dass der in dieser Vorschrift
verwendete Begriff der "Begehung" einer Straftat (anders als im täterbezogenen
Strafrecht) nicht bloss auf das fahrlässige Verhalten als Ursache des
Erfolgseintritts abstellt, sondern auch der strafrechtlich relevante Erfolg des
Fahrlässigkeitsdelikts vorliegen muss, welcher in der Realisierung der
objektiven Tatbestandsmerkmale besteht. Für den zeitlichen Geltungsbereich der
Art. 11-17 aOHG ist somit nicht allein das sorgfaltswidrige Verhalten
massgeblich. Entscheidend ist vielmehr der Eintritt des strafrechtlich und aus
Opfersicht relevanten Erfolgs solchen Verhaltens.

5.2 Zur Diskussion stehen vorliegend Straftaten gegen die sexuelle Integrität,
nämlich sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 StGB) und sexuelle Nötigung
(Art. 189 StGB). Der objektive Tatbestand von Art. 187 StGB ist erfüllt, wenn
der Täter mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, es zu
einer solchen Handlung verleitet oder es in eine sexuelle Handlung einbezieht
(vgl. dazu Günter Stratenwerth/Wolfgang Wohlers, Schweizerisches
Strafgesetzbuch - Handkommentar, 2. Aufl. 2009, N. 5 ff. zu Art. 187 StGB),
während Art. 189 StGB die Abnötigung einer beischlafsähnlichen oder anderen
sexuellen Handlung verlangt, namentlich indem der Täter das Opfer bedroht,
Gewalt anwendet, es unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig
macht (vgl. Stratenwerth/Wohlers, a.a.O., N. 2 ff. zu Art. 189 StGB). Die
Tatbestandsmässigkeit und damit die Strafbarkeit von Handlungen dieser Delikte
hängt nicht vom Eintreten psychischer bzw. psychosomatischer Spätfolgen beim
Opfer ab.

5.3 Nach der Darstellung des Beschwerdeführers trugen sich die sexuellen
Übergriffe auf ihn vor dem 1. Januar 1993 zu. Seinen Angaben zufolge müssen die
objektiven Straftatbestände von Art. 187 und 189 StGB demnach vor diesem
Zeitpunkt erfüllt worden sein. Der behauptete strafbare Vorgang liegt damit
ausserhalb des zeitlichen Geltungsbereichs von Art. 11-17 aOHG.

6.
6.1 Der Beschwerdeführer macht aber auch geltend, die gegen ihn verübten
Straftaten würden nicht nur Straftatbestände gegen die sexuelle Integrität
darstellen, sondern seien auch als Körperverletzungsdelikte zu qualifizieren.
In den Akten befindet sich ein vom 1. Juni 2008 datierendes psychiatrisches
Privatgutachten, das über den psychischen Zustand des Beschwerdeführers
(mittelgradige bis schwere depressive Episode, bei anamnesistisch
mittelgradiger depressiver Episode mit somatischem Syndrom; Depersonalisations-
und Derealisationserleben; selbstunsichere Persönlichkeit; Probleme in
Verbindung mit der Berufstätigkeit; vorbestehende Aufmerksamkeits- und
Hyperaktivitätsstörung [ADHS] seit der Kindheit) Auskunft gibt und bescheinigt,
dass eine Arbeitsunfähigkeit zu 100 % besteht. Der Beschwerdeführer macht
geltend, die erlebten sexuellen Übergriffe seien für die psychischen
Beschwerden ursächlich.

6.2 Wer vorsätzlich einen Menschen lebensgefährlich verletzt, wer vorsätzlich
den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein
wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend
arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen
arg und bleibend entstellt, wer vorsätzlich eine andere schwere Schädigung des
Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen
verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht
unter 180 Tagessätzen bestraft (Art. 122 StGB). Wer vorsätzlich einen Menschen
in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 123 Ziff. 1
StGB). Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, und
der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er die Tat an einem Wehrlosen
oder an einer Person begeht, die unter seiner Obhut steht oder für die er zu
sorgen hat, namentlich an einem Kind (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3 StGB).
Der Begriff der schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB stellt
einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Unter
Gebrechlichkeit (Abs. 2) wird ein Zustand dauernden Krankseins oder anderer
dauernder Beeinträchtigungen der Gesundheit verstanden (Andreas A. Roth/Anne
Berkemeier, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl. 2007, N. 15 zu Art.
122 StGB; Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch - Kurzkommentar, 2.
Aufl. 2005, N. 7 zu Art. 122 StGB). Mit der Generalklausel (Abs. 3) werden
Fälle erfasst, welche den unter Abs. 2 beispielhaft aufgezählten
Beeinträchtigungen hinsichtlich ihrer Qualität und ihrer Auswirkungen ähnlich
sind (Roth/Berkemeier, a.a.O., N. 19 zu Art. 122 StGB; Trechsel, a.a.O., N. 9
zu Art. 122 StGB). Soweit schwerwiegende und andauernde krankhafte psychische
Störungen durch Handlungen gegen die sexuelle Integrität verursacht oder
gesteigert werden, ist eine Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB
gegeben.
In der Rechtslehre wird die Auffassung vertreten, der Tatbestand der sexuellen
Nötigung (Art. 189 StGB) konsumiere leichte Körperverletzungen und
Tätlichkeiten nach Art. 123, Art. 125 Abs. 1 und Art. 126 StGB. Zu einem
schweren Körperverletzungsdelikt (Art. 122, Art. 125 Abs. 2 StGB) bestehe
hingegen echte Konkurrenz (vgl. Philipp Maier, in: Basler Kommentar, Strafrecht
II, 2. Aufl. 2007, N. 55 zu Art. 189 StGB, mit zahlreichen Hinweisen). In einem
unpublizierten Urteil 6S.710/1999 vom 1. Dezember 1999 (E. 4a) übernahm das
Bundesgericht diese Rechtsauffassung. Es begründete dies mit der
Verschiedenartigkeit der geschützten Rechtsgüter. Während es beim
Straftatbestand der sexuellen Nötigung um den Schutz des sexuellen
Selbstbestimmungsrechts geht, schützen die Art. 122 und Art. 125 Abs. 2 StGB
die körperliche und geistige Unversehrtheit. Dabei ist unerheblich, ob es um
eine Verletzung der körperlichen oder der psychischen Gesundheit geht, da
beides von Art. 122 StGB gleichermassen erfasst wird.
Unter der Voraussetzung, dass im vorliegenden Fall die ärztlich
diagnostizierten psychischen Leiden des Beschwerdeführers effektiv
schwerwiegender Natur sind und durch die sexuellen Übergriffe verursacht oder
zumindest mitverursacht wurden, ist nicht auszuschliessen, dass neben den
Delikten gegen die sexuelle Integrität auch das Delikt der schweren
Körperverletzung erfüllt worden ist.

6.3 Nach den Angaben des Beschwerdeführers sollen sich die Straftaten im
Zeitraum von 1982 bis 1991 zugetragen haben. Der Beschwerdeführer war damals
zwischen 11 und 18 Jahre alt. Dem bei den Akten liegenden ärztlichen Bericht
ist einzig zu entnehmen, dass es sich beim diagnostizierten ADHS um eine
vorbestandene Gesundheitsstörung handelt. Zum Zeitpunkt des Eintritts der
anderen psychischen Störungen enthält der Bericht keine Angaben. Aufgrund der
Aktenlage kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass die psychischen resp.
die psychosomatischen Störungen, deren Beginn (im Gegensatz etwa zu einer
Infektion oder zu einer Krebskrankheit) ohnehin kaum präzise feststellbar ist,
in ihrem vollen Ausmass erst nach Inkrafttreten des OHG aufgetreten sind. Dafür
sprechen die Symptome im Sexualleben des Beschwerdeführers, die aufgetretene
Arbeitsunfähigkeit und das Bedürfnis nach psychiatrischer Betreuung. In diesem
Fall wäre der zeitliche Anwendungsbereich von Art. 11-17 aOHG, da der Taterfolg
- gleich wie in BGE 134 II 308 - erst nach 1993 eintrat, zu bejahen. Der
Zeitpunkt des Erfolgseintritts, d.h. des Auftretens der gesundheitlichen
Störungen, muss abgeklärt werden.

6.4 Art. 16 Abs. 3 aOHG verlangt, dass das Opfer die Gesuche um Entschädigung
und Genugtuung innert zwei Jahren nach der Straftat bei der Behörde einreicht;
andernfalls verwirkt es seine Ansprüche. Nach BGE 126 II 348 E. 6 und 7 kann
dem Opfer diese Verwirkungsfrist aber nicht entgegengehalten werden, wenn die
Schadensfolgen (beispielsweise die Infizierung mit dem HI-Virus) erst einige
Zeit nach dem strafbaren Verhalten erkennbar werden und das Opfer alles
Zumutbare unternommen hat, um seine Opferrechte wahrzunehmen.
Im vorliegenden Fall behauptet der Beschwerdeführer, sich erst im Laufe der
psychiatrischen Betreuung bewusst geworden zu sein, dass die erlebten
Straftaten zu psychischen Folgeschäden führten. Ob dies zutrifft oder ob es dem
Beschwerdeführer bereits früher möglich gewesen wäre, die psychischen Störungen
wahrzunehmen und seine Opferrechte auszuüben, ist ebenfalls abzuklären.

6.5 Zusammenfassend ist Folgendes festzuhalten: Das Sozialversicherungsgericht
hat Bundesrecht verletzt, indem es den zeitlichen Anwendungsbereich von Art.
11-17 aOHG verneinte, ohne geprüft zu haben, ob infolge der psychischen
Folgeschäden der Tatbestand der schweren Körperverletzung erfüllt sein könnte
und, sofern dies zutrifft, ob die psychischen Störungen erst nach dem 1. Januar
1993 aufgetreten sind.
Die Frage der Anwendbarkeit von Art. 11-17 aOHG kann nicht beantwortet werden,
bevor nicht feststeht, ob die vom Beschwerdeführer geklagten psychischen und
psychosomatischen Leiden auf die behaupteten (und zu verifizierenden) sexuellen
Übergriffe zurückzuführen sind oder zumindest verstärkt wurden und -
bejahendenfalls - in welchem Zeitpunkt diese Leiden in Erscheinung getreten
sind und vom Beschwerdeführer erkannt werden konnten. Die Sache ist zur
Abklärung dieser Umstände an die Vorinstanz zurückzuweisen.

7.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen, das angefochtene
Urteil des Sozialversicherungsgerichts aufzuheben und die Sache zu neuem
Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Im Bereich des Verfahrensrechts gilt der Grundsatz, dass das
Rechtsmittelverfahren nach dem bisherigen Recht weitergeführt wird (Urteil des
Bundesgerichts vom 30. September 1997 E. 3c, in: Pra 1998 Nr. 20 S. 145; Alfred
Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des
Bundes, 2. Aufl. 1998, Rz. 79; Alfred Kölz, Intertemporales Verwaltungsrecht,
in: ZSR 102/1983 II S. 222 f.). Vorliegende Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde mit Eingabe vom 27. Oktober 2008
(Datum Poststempel), somit vor dem Inkrafttreten des neuen OHG am 1. Januar
2009 beim Bundesgericht hängig gemacht. Demnach kommen die
Verfahrensbestimmungen des alten OHG, d.h. Art. 16 aOHG auf das Verfahren zur
Anwendung. Nach der Rechtsprechung zu Art. 16 Abs. 1 aOHG ist das Verfahren vor
Bundesgericht kostenlos (BGE 122 II 211 E. 4b S. 218 f.).
Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege im
bundesgerichtlichen Verfahren. Diesem Antrag kann entsprochen werden (vgl. Art.
64 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das angefochtene Urteil vom 3.
September 2008 des Sozialversicherungsgerichts aufgehoben und die Sache zu
neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtsverbeiständung bewilligt,
Rechtsanwalt Oskar Müller als unentgeltlicher Rechtsbeistand ernannt und für
das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit einem Honorar
von CHF 1'500.-- entschädigt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kanton Zürich und dem
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, II. Kammer, sowie dem Bundesamt
für Justiz, Direktionsbereich Öffentliches Recht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, vom 9. Juli 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Schoder