Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.465/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_465/2008

Urteil vom 7. April 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Raselli,
Gerichtsschreiber Kappeler.

Parteien
X.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno
Steiner,

gegen

Bausektion der Stadt Zürich,
c/o Amt für Baubewilligungen, Lindenhofstrasse 19, Postfach, 8021 Zürich.

Gegenstand
Baubewilligung, Revision und Wiedererwägungsgesuch,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 20. August 2008 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich,
1. Abteilung, 1. Kammer.
Sachverhalt:

A.
Mit Beschluss vom 8. November 2005 verweigerte die Bausektion der Stadt Zürich
die nachträgliche baurechtliche Bewilligung für die sexgewerbliche Nutzung der
Lokalitäten im Untergeschoss, Erdgeschoss sowie 1. und 4. Obergeschoss der
Liegenschaft Dienerstrasse 2 in Zürich (Grundstück Kat.-Nr. AU 4882). Der
X.________ AG als Eigentümerin der Liegenschaft und allen allfälligen
Rechtsnachfolgerinnen bzw. -nachfolgern wurde befohlen, dafür besorgt zu sein,
dass bis spätestens drei Monate ab Rechtskraft des Entscheids die
sexgewerbliche Nutzung der Lokalitäten beendet wird und die Räume der
Wohnnutzung zur Verfügung gestellt werden.
Nachdem dieser Entscheid in Rechtskraft erwachsen war, forderte das
Hochbaudepartement der Stadt Zürich die X.________ AG mit Schreiben vom 20.
April 2007 auf, sämtliche betroffenen Mietverhältnisse aufzulösen und die
fraglichen Lokalitäten zu räumen. Darauf stellte die X.________ AG am 27. Mai
2007 bei der Bausektion der Stadt Zürich ein Wiedererwägungs- und
Revisionsgesuch wegen behaupteter Entdeckung neuer erheblicher Tatsachen. Mit
Beschluss vom 10. Juli 2007 trat die Bausektion der Stadt Zürich auf dieses
Gesuch nicht ein.

B.
Gegen den Beschluss vom 10. Juli 2007 reichte die X.________ AG Rekurs bei der
Baurekurskommission des Kantons Zürich ein und verlangte die Aufhebung des
Nichteintretensentscheids. Mit Entscheid vom 4. April 2008 wies die
Baurekurskommission den Rekurs ab.
In der Folge erhob die X.________ AG Beschwerde beim Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich. Sie beantragte die Aufhebung des angefochtenen Entscheids;
eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Mit Entscheid vom 20. August 2008 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde
ab. Es erwog, das Revisionsgesuch sei unzulässig, da die X.________ AG die als
neu entdeckt vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel mit Rekurs gegen den
Beschluss vom 8. November 2005 hätte geltend machen können.

C.
Mit Eingabe vom 9. Oktober 2008 erhebt die X.________ AG beim Bundesgericht
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG). Sie
beantragt im Wesentlichen die Feststellung des Vorliegens eines
Revisionsgrundes, die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Entscheids vom 20.
August 2008 und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz.
Sie rügt eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) sowie ihres Anspruchs
auf ein gerechtes Verfahren und auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 und 2
BV).

D.
Das Verwaltungsgericht und die Bausektion der Stadt Zürich schliessen in ihren
Vernehmlassungen auf Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hat von
der Gelegenheit eine Replik einzureichen Gebrauch gemacht. Mit Eingabe vom 19.
Januar 2009 hält sie an ihren bisherigen Ausführungen und Anträgen fest.

Erwägungen:

1.
1.1 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist ein Endentscheid einer
letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Ihm liegt ein
Beschwerdeverfahren über ein Gesuch um Revision eines baurechtlichen Entscheids
und damit eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit zu Grunde. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 lit. a BGG steht auf dem
Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts zur Verfügung. Ein Ausschlussgrund nach
Art. 83 BGG liegt nicht vor (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2 S. 251, 409 E. 1.1 S.
411).

1.2 Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und
ist Eigentümerin des streitbetroffenen Grundstücks. Sie ist vom angefochtenen
Entscheid besonders berührt und beruft sich auf schutzwürdige Interessen. Ihre
Beschwerdelegitimation ist gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG zu bejahen (vgl. BGE
133 II 249 E. 1.3 S. 252 ff.).

1.3 Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen weiteren Bemerkungen
Anlass. Vorbehältlich genügend begründeter Rügen (vgl. Art. 106 Abs. 2 i.V.m.
Art. 42 Abs. 2 BGG) ist daher auf die Beschwerde einzutreten.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, im Zeitpunkt des Empfangs des
Entscheids der Bausektion der Stadt Zürich vom 8. November 2005 habe sie vom
potenziellen Zeugen A.________ keine Kenntnis gehabt. Sie hätte ihn auch bei
Beachtung der zumutbaren Sorgfalt nicht bereits in dem Ende Dezember 2005
anstehenden Rechtsmittelverfahren bezeichnen können. Da Kenntnisse und Aussagen
A.________s die Grundlagen des Bauentscheids entscheidend verändern könnten,
stelle die nachträgliche Entdeckung dieses Zeugen einen Revisionsgrund dar. Da
die Vorinstanz dies nicht anerkenne, handle sie willkürlich. Des Weitern habe
sie den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem
sie sich nicht mit deren Vorbringen auseinandergesetzt und auch nicht begründet
habe, worin die Sorgfaltspflichtverletzung bei der Nichtwahrnehmung des Zeugen
A.________ bestehe.

2.2 Die Vorinstanz führt aus, gegen den Beschluss vom 8. November 2005 habe das
ordentliche Rechtsmittel des Rekurses offengestanden. Da die Beschwerdeführerin
den Rekurs erst nach Ablauf der Rekursfrist eingereicht habe, sei der Beschluss
in Rechtskraft erwachsen. Im Revisionsverfahren könne sich die
Beschwerdeführerin nach § 86a lit. b i.V.m. § 86b Abs. 1 des
Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 des Kantons Zürich (VRG; LS
175.2) nur auf neue Tatsachen und Beweismittel berufen, die sie nicht bereits
mit Rekurs hätte geltend machen können. Zu prüfen bleibe daher, ob sich die als
neu vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel nicht schon damals im
Wahrnehmungsbereich der Beschwerdeführerin befunden hätten.
Die Vorinstanz hält fest, im Bauentscheid vom 8. November 2005 sei der
Zeitraum, für welchen eine sexgewerbliche Nutzung des Erdgeschosses als nicht
wahrscheinlich und nicht bewiesen zu gelten habe, exakt benannt worden. Die
zentrale Frage für ein allenfalls nachfolgendes Rekursverfahren sei damit klar
gestellt worden. Demnach und aufgrund der Mitwirkungspflicht der
Beschwerdeführerin als Gesuchstellerin wäre eine Intensivierung ihrer
Beweisbemühungen dahingehend angezeigt gewesen, ob im fraglichen Zeitraum von
etwa zwei Monaten tatsächlich eine Wohnnutzung der streitbetroffenen
Lokalitäten vorlag. Unter diesen Umständen hätte das Einholen von Erkundigungen
bei der Mieterin des Massagesalons im Erdgeschoss im fraglichen Zeitpunkt auf
der Hand gelegen. Eine solche Beweisintensivierung seitens der
Beschwerdeführerin hätte im Hinblick auf das Rekursverfahren ohne Weiteres
stattfinden können, da ihr diese Mieterin bereits damals bekannt war. Zudem
hätte auch eine nochmalige Befragung dieser Auskunftsperson im Rahmen des
Rekursverfahrens beantragt werden können. Es sei kein Grund ersichtlich,
weshalb sich diese Person nicht schon damals an das von ihr im Mai 2007
anlässlich eines Treffens mit dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin
Gesagte hätte erinnern können. Im Rahmen einer solchen Befragung wäre auch die
Beziehung zu A.________ und dessen Funktion als ehemaliger "Verwalter" des
Etablissements an der Dienerstrasse 2 erkennbar gewesen, so dass sich auch er
bereits damals im Wahrnehmungsbereich der Beschwerdeführerin befunden habe.
Somit hätte die Beschwerdeführerin die von ihr als neu entdeckt vorgebrachten
Tatsachen und Beweismittel bereits mit Rekurs gegen den Beschluss vom 8.
November 2005 geltend machen können. Es liege daher kein Revisionsgrund vor,
weshalb das Revisionsgesuch unzulässig sei (§ 86a lit. b i.V.m. § 86b Abs. 1
VRG).
2.3
2.3.1 Der angefochtene Entscheid stützt sich auf kantonales Recht. Da dessen
Verletzung keinen Beschwerdegrund nach Art. 95 BGG darstellt, kann der
Entscheid nur darauf überprüft werden, ob er auf willkürlicher
Gesetzesanwendung beruht oder sonst wie gegen übergeordnetes Recht verstösst
(vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2.1 S. 251 f.).
2.3.2 Die Annahme der Vorinstanz, der Bauentscheid vom 8. November 2005 mit
seiner klaren Umschreibung des Zeitraums, für welchen eine sexgewerbliche
Nutzung des Erdgeschosses der fraglichen Liegenschaft nicht nachgewiesen werden
konnte, habe genügend Anlass geboten für eine Intensivierung der
Beweisbemühungen der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ein allfälliges
Rekursverfahren, ist nicht zu beanstanden. Die Frage, ob die sexgewerbliche
Nutzung des Erdgeschosses während dieses Zeitraums unterbrochen war oder nicht,
war in diesem Verfahren fallentscheidend. Ebenso wenig ist die Annahme der
Vorinstanz zu beanstanden, unter den gegebenen Umständen habe es auf der Hand
gelegen, bei der Person, die das Erdgeschoss im fraglichen Zeitpunkt gemietet
hatte, erneut Erkundigungen einzuholen. Dass diese Mieterin bei einer
gezielten, auf den streitbetroffenen Zeitraum ausgerichteten Befragung
lediglich ihre bereits früher gemachten generellen Äusserungen zur
sexgewerblichen Nutzung des Erdgeschosses bestätigt hätte, wie die
Beschwerdeführerin behauptet, ist nicht dargetan und nicht plausibel. Mit
welcher Wahrscheinlichkeit bei einer solchen Befragung die Rede auf den
ehemaligen Verwalter A.________ gekommen wäre, erscheint im vorliegenden
Zusammenhang nicht als ausschlaggebend, da nicht ersichtlich ist und von der
Beschwerdeführerin auch nicht dargetan wird, welche zusätzlichen
sachverhaltserheblichen Informationen von ihm zu erhalten gewesen wären, die
nicht bereits die Mieterin des Erdgeschosses hätte geben können. Soweit die
Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift hinsichtlich A.________ auf
Ausführungen vor den kantonalen Instanzen verweist, ist darauf nicht
einzutreten, weil solche Verweisungen unzulässig sind (vgl. BGE 133 II 396 E.
3.1 S. 399 f. mit Hinweisen). Im Übrigen ist auf ihre Ausführungen auch
insoweit nicht einzutreten, als damit Kritik am rechtskräftigen Bauentscheid
vom 8. November 2005 geübt wird (Beschwerde S. 12, Ziffer 14). Dieser ist nicht
Streitgegenstand.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Auffassung der Vorinstanz, die als
neu entdeckt vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel hätten von der
Beschwerdeführerin bei einer aufgrund ihrer Mitwirkungspflicht gebotenen
Intensivierung der Beweisbemühungen bereits in einem Rekursverfahren gegen den
Bauentscheid vom 8. November 2005 eingebracht werden können, nicht als
willkürlich erscheint. Somit ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
dass sie das Vorliegen eines Revisionsgrundes verneint hat.

3.
Die Beschwerdeführerin führt in der Beschwerdeschrift nicht näher aus, mit
welchen ihrer Vorbringen bezüglich der Entdeckung des Zeugens A.________ sich
die Vorinstanz ungenügend auseinandergesetzt habe. Ihre diesbezügliche Rüge der
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren ist
somit nicht hinreichend begründet, weshalb darauf nicht einzutreten ist (Art.
42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Unzutreffend ist zudem die Behauptung, die
Vorinstanz habe die der Beschwerdeführerin vorgehaltene
Sorgfaltspflichtverletzung ungenügend begründet. Der zentrale Vorwurf der
Vorinstanz gegenüber der Beschwerdeführerin geht nicht dahin, dass sie
A.________ nicht als Zeugen wahrgenommen habe, sondern dass sie es im Anschluss
an den Bauentscheid vom 8. November 2005 unterlassen hat, bei der ehemaligen
Mieterin der fraglichen Räumlichkeiten im Erdgeschoss erneut gezielte
Erkundigungen einzuholen. Die entsprechende Sorgfaltsverletzung wird von der
Vorinstanz ausreichend begründet, weshalb die entsprechende Rüge der
Gehörsverletzung nicht stichhaltig ist.

4.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten
der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine
Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 und 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Bausektion der Stadt Zürich und
dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 7. April 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kappeler