Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.433/2008
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_433/2008

Urteil vom 16. März 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Raselli,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

Parteien
Einwohnergemeinde Würenlos, handelnd durch den Gemeinderat, Schulstrasse 26,
5436 Würenlos, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher
Dr. Peter Gysi,

gegen

1. Eheleute A.________,
2. Eheleute B.________,
3. Eheleute C.________,
Beschwerdegegner, alle vertreten durch Rechtsanwalt Ralph van den Bergh.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 22. August 2008 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau, 3. Kammer.
Sachverhalt:

A.
Vom 5. bis 26. November 2001 legte der Gemeinderat von Würenlos ein Baugesuch
der Gemeinde für eine Sportanlage auf den Parzellen Nrn. 1630, 1629 und 3094
auf. Gegen dieses Bauvorhaben erhob eine Vielzahl von Anwohnern Einsprache.
Mit Beschluss vom 11. März 2002 erteilte der Gemeinderat der Gesuchstellerin
die Baubewilligung mit zahlreichen Nebenbestimmungen.

B.
Die zuvor erwähnten Einsprecher erhoben dagegen Beschwerde ans Baudepartement
des Kantons Aargau (heute Departement Bau, Verkehr und Umwelt) und verlangten
die Aufhebung der Baubewilligung. Eventualiter forderten sie verschiedene
Auflagen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Sportplatzes und den zu
erwartenden Lärmimmissionen. Zudem ersuchten sie um gewisse Änderungen des
Projektes und des Verkehrskonzeptes.
Das Baudepartement hiess die Beschwerde am 25. Juni 2003 teilweise gut und wies
die Angelegenheit an den Gemeinderat zurück zur Ergänzung der Baubewilligung
hinsichtlich von Grossanlässen und des Parkplatznachweises. Ausserdem verfügte
es diverse Auflagen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Sportanlage.

C.
Gegen diesen Entscheid gelangten sowohl die Einwohnergemeinde Würenlos als auch
die beschwerdeführenden Anwohner an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau.
Das Verwaltungsgericht beauftragte hierauf einen Experten der Eidgenössischen
Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) mit der Erstellung eines
Lärmgutachtens. Zudem führte es einen Augenschein vor Ort durch. Auf das nach
zwei Messkampagnen erstattete Gutachten hin reichten die beschwerdeführenden
Anwohner eine "Plausibilitätsprüfung" ein, welche in verschiedener Hinsicht
Kritik am Expertenbericht übte. Schliesslich hiess das Verwaltungsgericht mit
Urteil vom 23. Mai 2006 sowohl die Beschwerde der Gemeinde als auch diejenige
der Anwohner teilweise gut und ergänzte die Baubewilligung mit gewissen
Nebenbestimmungen.

D.
Das von der Gemeinde und den Anwohnern angerufene Bundesgericht hiess am 17.
Juli 2007 die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Gemeinde gut und hob das Urteil
des Verwaltungsgerichts auf. Die Sache wurde zu neuem Entscheid im Sinne der
Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen (BGE 133 II 292). Das
Bundesgericht führte aus, die Bundesrechtskonformität des umstrittenen Projekts
lasse sich insgesamt aufgrund der zur Diskussion stehenden Betriebszeiten und
verschiedenen vorgeschlagenen Lärmschutzmassnahmen nicht abschliessend
beurteilen. Es sei nicht seine Aufgabe, dies als erste und einzige Instanz zu
tun, weshalb dem detaillierten Antrag der Gemeinde nicht Folge gegeben werden
könne. Die Berechnungen des Bundesamts für Umwelt (BAFU) würden indes
nahelegen, dass die vom Verwaltungsgericht festgelegten Benutzungszeiten zu
restriktiv seien. Das Verwaltungsgericht habe das Projekt im Sinne der
Erwägungen nochmals zu beurteilen. Es werde aufgrund der Ausführungen des BAFU
zu prüfen haben, ob es das zweite Gutachten des Lärmkontors zu Rate ziehen oder
ein zusätzliches Gutachten einholen wolle; desgleichen habe es darzulegen, ob
und inwiefern es bei seiner Beurteilung auf die deutsche
Sportanlagenlärmschutzverordnung (Achtzehnte Verordnung zur Durchführung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 18. Juli 1991 [18. BImSchV]) abstelle. Lege
es seinen Betriebsvorschriften und den von ihm verhängten baulichen Massnahmen
die eigene Erfahrung zugrunde, habe es darzulegen, von welchen Überlegungen es
sich habe leiten lassen und inwiefern es allenfalls zusätzlich dem
Vorsorgegedanken Rechnung getragen habe.
Die Beschwerde der Anwohner wies das Bundesgericht ab, soweit es darauf
eintrat.

E.
Im Anschluss an das bundesgerichtliche Urteil führte das Verwaltungsgericht
eine präsidiale Vergleichsverhandlung durch, welche jedoch ergebnislos verlief.
Nach mehreren Schriftenwechseln und der Einholung eines Berichts der kantonalen
Fachstelle hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Anwohner mit Urteil
vom 22. August 2008 teilweise gut und wies die Sache zu neuem Entscheid im
Sinne der Erwägungen an den Gemeinderat zurück. Im Übrigen wies es die
Beschwerde der Anwohner ab. Die Beschwerde der Gemeinde wurde abgewiesen,
soweit ihr in Ziff. 1 des Dispositivs nicht entsprochen wurde.

F.
Mit Eingabe vom 24. September 2008 erhebt die Einwohnergemeinde Würenlos beim
Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wegen
Rechtsverzögerung. Sie stellt einerseits das Begehren um Aufhebung des neuen
Verwaltungsgerichtsurteils und um Neuentscheid. Ihrem Antrag entsprechend soll
das Bundesgericht die Baubewilligung für die Sportanlage "Ländli 3" unter
diversen von ihr formulierten Auflagen erteilen. Andererseits beantragt die
Beschwerdeführerin, der angefochtene Entscheid vom 22. August 2008 sei
aufzuheben. Das Verwaltungsgericht sei anzuweisen, beförderlich einen neuen,
materiellen Entscheid zu fällen und von erneuten Teilrückweisungen
(insbesondere betr. Beschallung und Beleuchtung) abzusehen.
Sowohl Ehegatten A.________, Ehegatten B.________ und Ehegatten C.________ als
private Beschwerdegegner wie auch das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau
schliessen in erster Linie auf Nichteintreten. Falls auf die Beschwerde
einzutreten sei, sei sie abzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Verwaltungsgericht gelangt im angefochtenen Entscheid nach eingehender
Auseinandersetzung mit der 18. BImSchV und den schweizerischen Rechtsgrundlagen
zum Schluss, die Grundlagen für eine Lärmbeurteilung seien nach wie vor
unzureichend. Vorab hält es die Kritik des BAFU am Gutachten der EMPA für
begründet. Aber auch das deutsche Plausibilitätsgutachten der Lärmkontor GmbH
taugt nach Meinung des Verwaltungsgerichts nicht als Grundlage für eine
Lärmbeurteilung. Deshalb sei eine neuerliche Lärmbeurteilung notwendig, zumal
die Beschwerdeführerin einen Betrieb realisieren wolle, der über das vom BAFU
als maximal möglich Erachtete hinausgehe. Das Verwaltungsgericht zieht in
Erwägung, eine neue Begutachtung führe zwar zu zeitlichen Verzögerungen; es
scheint ihm jedoch unumgänglich, neue Grundlagen für eine zuverlässige
Lärmbeurteilung zu erarbeiten. Die Verzögerung falle zu einem grossen Teil auf
den Gemeinderat zurück, der es als Baubewilligungsbehörde versäumt habe, sich
die für eine Lärmbeurteilung erforderlichen Unterlagen im
Baubewilligungsverfahren zu beschaffen. Für eine Rückweisung der Angelegenheit
an die Gemeinde spricht nach Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die
Standortfrage neu aufgelebt sei, dies erst recht, nachdem die Gemeinde dem Kauf
einer Parzelle in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zugestimmt habe.
Der Gemeinderat müsse eine neue Lagebeurteilung vornehmen und sich mit den Vor-
und Nachteilen möglicher Alternativen gewissenhaft auseinandersetzen. Eine
Rückweisung erscheine aber auch deshalb geboten und sinnvoll, weil sie den
Einbezug der Beschallungs- und Beleuchtungsfrage in das weitere Verfahren
erlaube. Falls die Beschwerdeführerin an ihrem ursprünglichen Projekt
festhalten wolle, habe eine neue Beurteilung der Lärmsituation zu erfolgen.

1.2 Das angefochtene Urteil stellt einen Rückweisungsentscheid dar, der das
Verfahren nicht abschliesst. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid, der
nur angefochten werden kann, wenn die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt
sind (vgl. BGE 133 IV 121 E. 1.3 S. 125). Nach der Rechtsprechung liegt nur bei
einem Rückweisungsentscheid, welcher der Gemeinde Vorgaben für die Erteilung
einer Bewilligung macht, für diese ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im
Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG vor (BGE 133 II 409 E. 1.2 S. 412 unten).
Ansonsten führt eine Rückweisung lediglich zu einer Verlängerung des
Verfahrens. Das Verwaltungsgericht macht der Beschwerdeführerin keine
verbindlichen Vorgaben zur Beschränkung der Betriebszeiten oder zu ähnlichen
Belangen, sondern legt lediglich das weitere Vorgehen in verfahrensrechtlicher
Hinsicht fest. Sowohl in der Standortfrage wie auch bei der Lärmbeurteilung
bleibt der Gemeinde ein nicht unbeträchtlicher Entscheidungsspielraum. In
dieser Hinsicht liegt somit keine Situation vor, die einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil als gegeben erscheinen liesse (im Übrigen vgl. unten E.
1.5).

1.3 Die Beschwerdeführerin erachtet indessen die Verfahrensverzögerung, welche
sich aus der Rückweisung ergebe, als unzulässige Rechtsverzögerung und beruft
sich auf Art. 94 BGG. Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines
Entscheids könne Beschwerde geführt werden. Weise die letzte kantonale Instanz
wie im vorliegenden Fall das Verfahren zurück, verzögere sie - mangels
Anfechtbarkeit des Rückweisungsentscheids gemäss Art. 93 BGG - die Ausfällung
eines anfechtbaren Entscheids, weshalb Art. 94 BGG zur Anwendung gelangen
müsse.

1.4 Eine Rechtsverweigerung liegt vor, wenn es eine Behörde ausdrücklich
ablehnt, eine Entscheidung zu treffen, obwohl sie dazu verpflichtet ist (BGE
107 Ib 160 E. 3b S. 164; 124 V 130 E. 4 S. 130). Um eine Rechtsverzögerung
handelt es sich dagegen, wenn sich die zuständige Behörde zwar bereit zeigt,
einen Entscheid zu treffen, diesen aber nicht binnen der Frist fällt, welche
nach der Natur der Sache und nach der Gesamtheit der übrigen Umstände als
angemessen erscheint. Dabei ist es für die Rechtsuchenden unerheblich, auf
welche Gründe - beispielsweise auf ein Fehlverhalten der Behörde oder auf
andere Umstände - die Rechtsverzögerung zurückzuführen ist; entscheidend ist
ausschliesslich, dass die Behörde nicht fristgerecht handelt (BGE 107 Ib E. 3b
S. 164; Urteil des Bundesgerichts 2C_244/2007 vom 10. Oktober 2007 E. 4.2).
Dem Verwaltungsgericht kann weder in der einen noch in der anderen Hinsicht ein
Vorwurf gemacht werden, im Gegenteil: Es hat sich der Angelegenheit nach dem
Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts umgehend angenommen, einen
Vergleichsvorschlag gemacht, bei der kantonalen Fachstelle einen weiteren
Bericht eingeholt und die Parteien jeweils zum neusten Verfahrensstand
angehört. Danach ist es zum Schluss gelangt, dass eine Rückweisung an die
Erstinstanz angezeigt sei. Art. 94 BGG aber bezieht sich auf Fälle, in denen
die Behörde stillschweigend untätig bleibt oder es ausdrücklich ablehnt,
innerhalb einer angemessenen Frist einen Entscheid zu fällen. Wenn sich
Letzteres aus einem formellen Entscheid ergibt, liegt keine Rechtsverweigerung
oder -verzögerung im Sinne dieser Bestimmung vor, sondern ein nach Massgabe der
einschlägigen Bestimmungen anfechtbarer Entscheid (Botschaft zum BGG, BBl 2001
S. 4334 Ziff. 4.1.4.1 zu Art. 89 E-BGG). Die Beschwerde ist deshalb insoweit
abzuweisen.

1.5 Daraus folgt, dass der vom Verwaltungsgericht gefällte Zwischenentscheid
höchstens nach Massgabe von Art. 93 Abs. 1 BGG angefochten werden kann. Gegen
selbständig eröffnete Zwischenentscheide nach Art. 93 Abs. 1 BGG ist die
Beschwerde zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen
Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder
Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Zu diesen
Anforderungen äussert sich die Beschwerdeführerin nicht weiter, weshalb auf die
Beschwerde insoweit nicht eingetreten werden kann: Ist nicht offensichtlich,
dass die ausnahmsweise Anfechtung eines Vor- oder Zwischenentscheids zulässig
ist, hat die Beschwerdeführerin das Vorliegen der Eintretensvoraussetzungen
darzutun (Urteil des Bundesgerichts 5A_93/2007 vom 9. Juli 2007 E. 2.3 mit
Hinweisen auf die frühere Praxis zu Art. 50 OG).

2.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Verfahrenskosten sind keine zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Indes hat die
Beschwerdeführerin die privaten Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.
Gerichtskosten werden keine erhoben.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die privaten Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau,
3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. März 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Scherrer