Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.38/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_38/2008 nip

Urteil vom 8. Oktober 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Schoder.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Armin Neiger,

gegen

Gemeinde Höri, Wehntalerstrasse 46, 8181 Höri,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch SwissInterTax AG.

Gegenstand
Forderung aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung,
4. Kammer, vom 5. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
X.________ war seit 1968 als Gemeindearbeiter in der Gemeinde Höri tätig. Per
Ende Juli 2000 ging er in Pension.

Bereits im November 1998 forderte X.________ Fr. 271'247.35 von der Gemeinde
Höri, weil diese ihre sich aus Art. 35 Abs. 2 der Verordnung über die
Entschädigungen der Behörden und Kommissionen sowie über die Amtsstellung und
Besoldung der Beamten, Angestellten, Arbeiter und übrigen Bediensteten der
politischen Gemeinde Höri vom 14. Februar 1964 (Besoldungsverordnung, BVO)
ergebenden Pflichten schlecht erfüllt haben soll und die Leistungen aus der
beruflichen Vorsorge deswegen tiefer als erwartet seien. Auf eine im März 2001
von X.________ erhobene Klage gegen die Gemeinde Höri trat das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich nicht ein.

In der Folge trat der Gemeinderat Höri auf ein Gesuch von X.________, ihm ab
dem 1. August 2000 eine lebenslängliche Altersrente von Fr. 1'451.85 und seiner
Ehefrau nach seinem Ableben eine Witwenrente auszurichten, nicht ein. Der
Bezirksrat Bülach hiess einen gegen diesen Nichteintretensbeschluss
eingereichten Rekurs gut und wies den Gemeinderat Höri an, auf das Gesuch
einzutreten und einen materiellen Entscheid zu fällen. Eine dagegen von der
Gemeinde Höri erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht ab.

Am 16. Mai 2006 beschloss der Gemeinderat Höri, auf das vorerwähnte Gesuch
infolge Verwirkung/Verjährung nicht einzutreten. Mit Beschluss vom 31. Januar
2007 hiess der Bezirksrat Bülach den von X.________ dagegen erhobenen Rekurs
teilweise gut und verpflichtete die Gemeinde Höri, diesem ab dem 1. August 2000
eine lebenslängliche Altersrente von monatlich Fr. 870.-- auszurichten. Die
Gemeinde Höri führte gegen diesen Beschluss Beschwerde, welche das
Verwaltungsgericht mit Entscheid vom 5. Dezember 2007 guthiess und den
Beschluss des Bezirksrats aufhob. Als Begründung führte das Verwaltungsgericht
Folgendes an: Die Frage, ob der geltend gemachte Anspruch von X.________
bereits verjährt bzw. verwirkt sei, könne offen bleiben, da nicht von einem
pflichtwidrigen Verhalten der Gemeinde Höri auszugehen sei. Art. 35 Abs. 2 der
kommunalen Besoldungsverordnung lege fest, dass sich die Angestellten, soweit
sie nicht der Beamtenversicherungskasse beitreten, bei einer privaten
Versicherung mindestens ebenbürtig versichern lassen müssen. X.________ sei bei
der BVG-Sammelstiftung der A.________ versichert; diese erbringe Leistungen,
die denjenigen der Beamtenversicherungskasse ebenbürtig seien, weshalb eine
Verletzung von Art. 35 Abs. 2 der Besoldungsverordnung durch die Gemeinde
auszuschliessen sei. Offen bleiben könne demzufolge die Frage, ob Art. 35 Abs.
2 BVO sich, wie der Beschwerdeführer annimmt, an den Arbeitgeber oder aber an
den Arbeitnehmer richtet und ob X.________ für die gewählte Versicherungslösung
selber verantwortlich sei.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________
beim Bundesgericht, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben, und
die Angelegenheit sei zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

C.
Das Verwaltungsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Gemeinde Höri
beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
könne.

Erwägungen:

1.
Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts betrifft eine Forderung des
Beschwerdeführers gegen die Gemeinde Höri als dessen ehemalige Arbeitgeberin.
Sie wird mit einer Verletzung der sich angeblich aus Art. 35 Abs. 2 der
kommunalen Besoldungsverordnung ergebenden Pflicht der Arbeitgeberin begründet,
dafür zu sorgen, dass der Beschwerdeführer bei einer der
Beamtenversicherungskasse ebenbürtigen beruflichen Vorsorge-Einrichtung
versichert ist. Es handelt sich dabei um eine öffentlich-rechtliche
Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a BGG.

Der Beschwerdeführer verlangt eine monatliche Rente von Fr. 1'451.85.
Unabhängig davon, ob vorliegend Personal- oder Staatshaftungsrecht zur
Anwendung gelangt, ist die Streitwertgrenze von Art. 85 Abs. 1 BGG erreicht.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit zulässig.

2.
2.1 Umstritten ist vorliegend die Anwendung von Art. 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 der
Besoldungsverordnung der Gemeinde Höri. Die Vorschrift lautet:
"Die Angestellten haben der Alters-, Invaliditäts- und
Hinterbliebenenversicherung des Staatspersonals des Kantons Zürich
(Beamtenversicherungskasse) beizutreten und die vertraglichen
Arbeitnehmerbeiträge zu leisten oder haben sich bei einer privaten Versicherung
mindestens ebenbürtig versichern zu lassen. Die Aufstellung des
Versicherungsreglementes ist Sache des Gemeinderates."
Der Beschwerdeführer macht geltend, der Begriff "Ebenbürtigkeit" bedeute, dass
die Leistungen der gewählten privaten beruflichen Vorsorgeversicherung
mindestens gleich gut oder besser sein müssten. Es würden drei Gutachten im
Recht liegen, welche bestätigen, dass die Leistungen der privaten BVG-Stiftung
denjenigen der Beamtenversicherungskasse nicht ebenbürtig seien. Entgegen
diesen Gutachten gelange das Verwaltungsgericht zur gegenteiligen Annahme. Der
Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Willkürverbots bei der
Beweiswürdigung und bei der Anwendung des kommunalen Rechts.

2.2 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen
Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Nach ständiger Praxis des
Bundesgerichts liegt Willkür dann vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das
Bundesgericht hebt einen Entscheid aber nur auf, wenn nicht bloss die
Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung
ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender wäre, genügt nicht (BGE 132 I 13 E.
5.1 S. 17, mit Hinweisen).

2.3 In den vom Beschwerdeführer genannten drei Expertisen wird die
Vergleichbarkeit der von der Beamtenversicherungskasse angebotenen
Vorsorge-Versicherung und derjenigen der privaten BVG-Stiftung geprüft. Im
Vordergrund stehen dabei Rechtsfragen, welche das Gericht nicht durch ein
Gutachten abzuklären, sondern selber zu beantworten hat. Rechtsgutachten können
nicht als Beweismittel dienen. Die Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung
stösst damit ins Leere.

Im Übrigen wird der in den drei Gutachten vertretene Standpunkt, dass die von
der privaten BVG-Stiftung erbrachten Leistungen im Bereich der Altersvorsorge
tiefer liegen als die Leistungen der Beamtenversicherungskasse im angefochtenen
Urteil nicht in Frage gestellt.

2.4 Die Besoldungsverordnung der Gemeinde Höri verlangt, dass sich diejenigen
Arbeitnehmer, welche der Beamtenversicherungskasse nicht beigetreten sind, sich
bei einer privaten Versicherung mindestens ebenbürtig versichern lassen. Der
Begriff "ebenbürtig" ist weder ein Fachausdruck (terminus technicus) noch
besteht dafür eine Legaldefinition. Gemäss allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet
"ebenbürtig" wenn auch nicht identisch, so doch gleichwertig. Unter
Zugrundelegung dieses Begriffsverständnisses muss der bei der
Beamtenversicherungskasse nicht angeschlossene Arbeitnehmer bei einer privaten
Versicherung gleichwertig versichert sein. In der Besoldungsverordnung wird das
Erfordernis der Gleichwertigkeit der privaten Versicherung noch unterstrichen,
indem der Arbeitnehmer "mindestens ebenbürtig", d.h. "mindestens gleichwertig"
versichert sein muss.

Das Verwaltungsgericht vertritt den Standpunkt, das Erfordernis der
Ebenbürtigkeit verlange, dass die Leistungen der privaten BVG-Versicherung (mit
Beitragsprimat) und der Beamtenversicherungskasse (mit Leistungsprimat) in
ihrem Ausgangspunkt mindestens gleichwertig seien. Die Gleichwertigkeit sei im
vorliegenden Fall zu bejahen, da beide Versicherungen die massgeblichen Risiken
Alter, Tod und Invalidität abdecken. Nicht erforderlich sei, dass die
Leistungen im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls betragsmässig
gleichwertig sind.

Diese Auffassung findet im Wortlaut von Art. 35 Abs. 2 der Besoldungsverordnung
keine Stütze. Auch wäre sie mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbar.
Das Erfordernis der Gleichwertigkeit kann sich nur auf die bei Eintritt des
Versicherungsfalles ausgerichteten Leistungen beziehen, da es für den
Betroffenen letztlich nur auf diese ankommt. Entgegen dem Standpunkt des
Verwaltungsgerichts kann das Erfordernis der Ebenbürtigkeit nicht bereits
dadurch als erfüllt betrachtet werden, dass beide Versicherungen (die private
BVG-Stiftung und die Beamtenversicherungskasse) die obligatorischen
BVG-Leistungen, d.h. die Risiken Alter, Tod und Invalidität (vgl. Art. 1 und 7
des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982, BVG; SR 831.40) erbringen, sondern es muss
beim Vergleich der Versicherungen grundsätzlich auf die Höhe des
Leistungsanspruchs abgestellt werden. Dass mit dem Erfordernis der
Ebenbürtigkeit nicht lediglich die Erbringung der obligatorischen
BVG-Leistungen gemeint sein kann, ergibt sich daraus, dass die
Besoldungsordnung der Gemeinde Höri aus dem Jahr 1964 stammt, während das
Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge von 1982 datiert. Die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, dass allein schon mit der Erbringung der nach BVG
obligatorischen Versicherungsleistungen die Ebenbürtigkeit der privaten
BVG-Stiftung mit der Beamtenversicherungskasse bejaht werden muss, ist nicht
vertretbar und damit willkürlich.

Im vorliegenden Fall bestehen erhebliche Unterschiede bei der
Altersversicherung, somit bei demjenigen Versicherungsrisiko, das am
wahrscheinlichsten eintritt. Der Beschwerdeführer macht geltend, diejährliche
Altersrente der Beamtenversicherungskasse betrage Fr. 40'770.40, diejenige der
privaten BVG-Stiftung dagegen lediglich Fr. 23'348.40. Der Unterschied der
Renten von Fr. 17'422.-- (Fr. 1'451.85 monatlich) ist gross, zumal von
bescheidenen Lohnverhältnissen des als Gemeindearbeiter tätig gewesenen
Beschwerdeführers auszugehen ist. Grund dafür sind die verschiedenen
Versicherungssysteme, welche der privaten BVG-Versicherung (Beitragsprimat) und
der Beamtenversicherungskasse (Leistungsprimat) zugrunde liegen (vgl.
HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, Rz. 574 f.). Der
Beschwerdeführer erhielt keine anderweitigen Leistungen, die diese Differenz
ausgleichen würden. Bei einem summenmässig derart grossen, auf die
Versicherungssysteme rückführbaren Unterschied der Versicherungsleistungen im
Alter kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer bei der
privaten BVG-Versicherung gleichwertig resp. ebenbürtig versichert ist. Der
Entscheid des Verwaltungsgerichts ist auch im Ergebnis willkürlich.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil
aufzuheben. Das Verwaltungsgericht wird neu entscheiden und dabei auch Fragen
bezüglich der Eigenverantwortlichkeit des Beschwerdeführers und der Verjährung
des Schadenersatzanspruchs prüfen müssen.

Ausgangsgemäss sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die
Gemeinde hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu
bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 5.
Dezember 2007 aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung an das
Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Gemeinde Höri hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Gemeinde Höri und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 8. Oktober 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Schoder