Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.377/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_377/2008

Urteil vom 4. Mai 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Härri.

Parteien
X.________,
Y.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andrea Brüesch,

gegen

Kantonale Pensionskasse Graubünden,
Alexanderstrasse 24, 7000 Chur, Beschwerdegegnerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Duri Pally,
Stadt Chur, vertreten durch den Rechtskonsulent
Patrick Benz, Masanserstrasse 2, Postfach 64,
7002 Chur.

Gegenstand
Widerruf einer Baubewilligung,

Beschwerde gegen die Entscheide vom 2. und 4. Juli 2008 des Verwaltungsgerichts
des Kantons Graubünden.
Sachverhalt:

A.
Die Z.________ AG erstellt für die Kantonale Pensionskasse Graubünden (im
Folgenden: Pensionskasse) auf den Grundstücken Nr. 1783 und 3733 an der
Sägenstrasse in Chur zwei Mehrfamilien-Wohnhäuser A und B.

Am 17. September 2007 und 17. Dezember 2007 hatte der Stadtrat von Chur die
Baubewilligungen erteilt.

B.
Mit Eingabe von 17. März 2008 stellten X.________ und Y.________, Miteigentümer
der in unmittelbarer Nähe zu den Baugrundstücken befindlichen Liegenschaft Nr.
1774, beim Stadtrat folgendes Gesuch:
"1. Es sei mangels Profilierung des im beiliegenden Plan rot kolorierten
Bauvorhabens mit den Ausmassen 8,6/11,76 m x 11,59 m mit vier Geschossen und
Attika an der Sägenstrasse auf Parzelle 1783 in Chur bezüglich dieses
Bauvorhabens unverzüglich ein Baustopp zu verfügen.
2. Es sei die Pensionskasse zu verpflichten, ihre Erweiterung des
ursprünglichen Bauvorhabens zu profilieren und dementsprechend sei dem
Gesuchsteller eine Einsprachefrist anzusetzen resp. diese wiederherzustellen.
3. Eine diesbezüglich erteilte Baubewilligung sei zu widerrufen."
Zur Begründung brachten die Gesuchsteller im Wesentlichen vor, das Baugesuch
für die beiden Häuser A und B - im grau kolorierten Bereich gemäss beiliegendem
Plan - sei am 17. April 2007 eingereicht worden. Diese Gebäudekomplexe seien
mit der Gesuchseinreichung profiliert worden. Gestützt auf die Profilierung und
die Publikation hätten die Gesuchsteller die Pläne auf dem Bauamt der Stadt
Chur konsultiert und geprüft. Nach abgelaufener Auflagefrist sei jedoch ein
neues Baugesuch eingereicht worden. Dieses habe sich auf den im beigelegten
Plan rot kolorierten Gebäudeteil am Haus B bezogen. Eine diesbezügliche
Profilierung sei nie erfolgt. Inzwischen sei mit der Bauausführung begonnen
worden. Aufgrund verschiedener Indizien hätten die Gesuchsteller erstmals am
13. März 2008 festgestellt, dass das Haus B eine Verlängerung erfahre, womit
für sie eine empfindliche Einschränkung in Bezug auf Aussicht, Licht und Sonne
einhergehe.

Mit Entscheid vom 21. April 2008 wies der Stadtrat das Gesuch ab.

C.
Dagegen erhoben X.________ und Y.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht
des Kantons Graubünden.
Mit Verfügung vom 20. Juni 2008 schloss der instruierende Verwaltungsrichter
den Schriftenwechsel.

Mit Urteil vom 2. Juli 2008 wies das Verwaltungsgericht (4. Kammer) die
Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.

Ebenfalls am 2. Juli 2008 reichten X.________ und Y.________ beim
Verwaltungsgericht Prozessbeschwerde gegen die Verfügung des instruierenden
Verwaltungsrichters vom 20. Juni 2008 ein mit dem Antrag, es sei ein zweiter
Schriftenwechsel durchzuführen.

Mit Verfügung vom 4. Juli 2008 schrieb der Präsident des Verwaltungsgerichts
die Prozessbeschwerde als gegenstandslos ab.

D.
X.________ und Y.________ führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit folgendem Antrag:
"1. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom
2. Juli 2008, der angefochtene Entscheid des Stadtrates von Chur vom 21. April
2008, die Baubewilligung vom 17. Dezember 2007 betreffend Vollausbau Haus B und
Abänderung Fassaden auf Parzelle 1783 sowie die Abschreibungsverfügung des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 4. Juli 2008 seien aufzuheben
und die Streitsache sei zur Durchführung eines rechtskonformen
Baubewilligungsverfahrens bezüglich Vollausbau Haus B und Abänderung Fassaden
(Wiederholung der Baugesuchsauflage und Ansetzung einer Einsprachefrist usw.)
an die erste Instanz zurückzuweisen.
2. Eventuell sei die Streitsache in Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheide
gemäss Rechtsbegehren Ziff. 1 zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zur
rechtskonformen Durchführung des gerichtlichen Verfahrens zurückzuweisen.
3. Subeventuell sei in Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheide gemäss
Rechtsbegehren Ziff. 1 die von der Bauherrschaft anbegehrte Baubewilligung zu
verweigern, unter Anweisung an die Stadt Chur, für die Wiederherstellung des
ursprünglichen Zustandes im Bereich des Bauvorhabens besorgt zu sein."

E.
Das Verwaltungsgericht beantragt unter Hinweis auf sein Urteil vom 2. Juli 2008
die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Die Pensionskasse und der Stadtrat haben je eine Vernehmlassung eingereicht mit
dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

Die Beschwerdeführer haben zu den Vernehmlassungen Stellung genommen. Sie
halten an ihren in der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
gestellten Anträgen fest.

Die Pensionskasse und der Stadtrat haben zur Stellungnahme der Beschwerdeführer
je Bemerkungen eingereicht. Sie halten an ihren Anträgen ebenfalls fest.

Erwägungen:

1.
1.1 Da es hier um Baurecht geht, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten gegeben (BGE 133 II 249 E. 1.2 S. 251, 409 E. 1.1 S. 411).

1.2 Gegen die vorinstanzlichen Entscheide vom 2. und 4. Juli 2008 steht kein
kantonales Rechtsmittel zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit gemäss Art. 86
Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 2 BGG zulässig.

1.3 Nach der Rechtsprechung kann der Beschwerdeführer in jedem Fall die
Verletzung von Parteirechten rügen, deren Missachtung eine formelle
Rechtsverweigerung darstellt (BGE 133 II 249 E. 1.3.2 S. 253).

Die Beschwerdeführer machen eine solche formelle Rechtsverweigerung geltend.
Sie sind insoweit nach Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt.

1.4 Die vorinstanzlichen Entscheide schliessen das Verfahren ab. Es handelt
sich um Endentscheide. Dagegen ist die Beschwerde gemäss Art. 90 BGG zulässig.

2.
2.1 Die Beschwerdeführer bringen (Beschwerde, S. 14 f.) vor, sie hätten in der
Beschwerde an die Vorinstanz den förmlichen Antrag gestellt, es sei ihnen nach
Eingang sämtlicher Akten und Unterlagen eine Frist für die Einreichung einer
Replik anzusetzen. Der vorinstanzliche Instruktionsrichter habe die
Vernehmlassung des Stadtrats vom 19. Juni 2008 tags darauf zugestellt und
verfügt, ein weiterer Schriftenwechsel finde nicht statt. Eine Begründung dafür
habe er nicht gegeben. Durch die Verfügung des Instruktionsrichters sei den
Beschwerdeführern die Möglichkeit genommen worden, zur Aktenproduktion der
Beschwerdegegnerin und des Stadtrats Einwendungen in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht zu erheben. Besonders falle ins Gewicht, dass während
hängigem vorinstanzlichem Verfahren zwischen der Beschwerdegegnerin und dem
Stadtrat ein weit gehendes Näherbaurecht vereinbart worden sei. Das
entsprechende Dokument sei mit der Vernehmlassung eingereicht worden. Die
Beschwerdeführer hätten sich dazu - mangels Existenz des Dokuments bei
Beschwerdeerhebung - aufgrund der Verfügung des Instruktionsrichters nicht
äussern können. Der Stadtrat habe zudem mit der Vernehmlassung einen
"Profilierungsplan" eingereicht. Dieser sei weder unterzeichnet noch weise er
einen Eingangsvermerk oder andere Vermerke des Hochbauamtes auf. Woher der Plan
stamme, sei unklar. Jedenfalls sei er nicht Bestandteil der Auflageakten
gewesen. Er habe den Beschwerdeführern nie zur Einsicht zur Verfügung
gestanden. Indem sich die Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren weder
zur Vereinbarung über das Näherbaurecht noch zum Profilierungsplan hätten
äussern können, habe die Vorinstanz ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nach
Art. 29 Abs. 2 BV verletzt.

Die Beschwerdeführer wenden weiter ein, gegen die Verfügung des
Instruktionsrichters vom 20. Juni 2008 sei gemäss Art. 42 des Gesetzes des
Kantons Graubünden vom 31. August 2006 über die Verwaltungsrechtspflege (VRG;
BR 370.100) die Prozessbeschwerde an die Vorinstanz gegeben gewesen. Eine
solche hätten sie eingereicht. Sie hätten von der Prozessbeschwerde jedoch
nicht wirksam Gebrauch machen können, da die Vorinstanz während laufender Frist
dafür bereits das Sachurteil gefällt habe. Dies verletze den Anspruch der
Beschwerdeführer auf ein gerechtes Verfahren nach Art. 29 Abs. 1 BV.

Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, mit ihrem Vorgehen hätten der
Instruktionsrichter und die Vorinstanz überdies kantonales Recht - insbesondere
Art. 42, 51, 52 Abs. 2 und 54 Abs. 3 VRG - willkürlich angewandt und damit
gegen Art. 9 BV verstossen.

2.2 Nach der Rechtsprechung zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist es grundsätzlich Sache
der Parteien zu beurteilen, ob eine Vernehmlassung neue Argumente enthält und
eine Stellungnahme erfordert. Die betroffene Partei muss sich im Verfahren zur
entsprechenden Notwendigkeit aus ihrer Sicht äussern können. Es ist ihr die
Möglichkeit zu gewähren, ihren Standpunkt zu den Vorbringen in der
Vernehmlassung vorzutragen. Art. 6 Ziff. 1 EMRK wird verletzt, wenn das Gericht
bei der Zustellung einer Vernehmlassung an die beschwerdeführende Partei zum
Ausdruck bringt, der Schriftenwechsel sei geschlossen. Damit wird dem
Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme abgeschnitten (BGE 132 I 42
E. 3.3.2 S. 46 mit Hinweisen).

Unerheblich ist, ob eine Eingabe neue Tatsachen oder Argumente enthält und ob
sie das Gericht tatsächlich zu beeinflussen vermag. Es ist Sache der Parteien
zu beurteilen, ob ein Dokument einen Kommentar erfordert (BGE 133 I 100 E. 4.3
mit Hinweisen).

Art. 29 Abs. 2 BV kommt in Hinblick auf das Replikrecht in gerichtlichen
Verfahren dieselbe Tragweite zu wie Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Art. 29 Abs. 2 BV gilt
auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (BGE 133 I 98 E.
2.1; 100 E. 4.6).

2.3 Aus den Akten ergibt sich Folgendes:

Die Beschwerdeführer erhoben gegen den Entscheid des Stadtrats vom 21. April
2008 mit Eingabe vom 28. Mai 2008 Beschwerde bei der Vorinstanz. Darin stellten
sie (S. 3) förmlich den Antrag, nach Eingang sämtlicher Akten und Unterlagen
sowie der Editionen der Stadt Chur sei ihnen eine angemessene Frist für die
Einreichung einer Replik anzusetzen. In der Begründung der Beschwerde führten
sie (S. 4) dazu aus, da verschiedene Punkte der Baulinien- und
Baubewilligungsverfahren im Dunkeln lägen, sei die Stadt Chur aufzufordern,
sämtliche diesbezüglichen Unterlagen mit der Beschwerdeantwort einzureichen.
Darauf sei den Beschwerdeführern Gelegenheit zu geben, sich im Rahmen einer
Replik dazu zu äussern.

Am 20. Juni 2008 ging bei der Vorinstanz die Vernehmlassung der Stadt Chur ein.
Gleichentags stellte der vorinstanzliche Instruktionsrichter den
Beschwerdeführern diese Vernehmlassung zur Kenntnisnahme zu. Er hob dabei
(fett) hervor, ein weiterer Schriftenwechsel finde nicht statt. Eine Begründung
dafür gab er nicht.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer mit Eingabe vom 2. Juli 2008 bei der
Vorinstanz Prozessbeschwerde mit dem Antrag, die Verfügung des
Instruktionsrichters vom 20. Juni 2008 sei aufzuheben und ein zweiter
Schriftenwechsel anzuordnen.

Die Prozessbeschwerde ging am 3. Juli 2008 bei der Vorinstanz ein.

Mit Verfügung vom 4. Juli 2008 schrieb der Präsident der Vorinstanz die
Prozessbeschwerde als gegenstandslos ab.

2.4 Nach der dargelegten Rechtsprechung verletzt es Art. 29 Abs. 2 BV, wenn der
Instruktionsrichter mit der Zustellung der Vernehmlassung am 20. Juni 2008 zum
Ausdruck brachte, der Schriftenwechsel sei geschlossen. Damit schnitt er den
Beschwerdeführern die Möglichkeit zur Stellungnahme ab. Auf eine solche hatten
sie aber Anspruch. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführer
wiegt umso schwerer, als der Stadtrat mit der Vernehmlassung vom 19. Juni 2008
unstreitig neue Dokumente eingereicht hatte. Dazu konnten sich die
Beschwerdeführer nicht äussern.

Gemäss Art. 42 VRG können prozessleitende Verfügungen innert zehn Tagen beim
Verwaltungsgericht angefochten werden. Die Verfügung des Instruktionsrichters
vom 20. Juni 2008 ging am 23. Juni 2008 bei den Beschwerdeführern ein. Ihre am
2. Juli 2008 der Post übergebene Prozessbeschwerde war somit rechtzeitig. Sie
ging bei der Vorinstanz am 3. Juli 2008 ein. Einen Tag zuvor hatte die
Vorinstanz jedoch bereits das Urteil in der Sache gefällt. Damit verunmöglichte
es die Vorinstanz den Beschwerdeführern im Ergebnis, das ihnen nach dem
kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetz zustehende Recht auf Prozessbeschwerde
wahrzunehmen. Dadurch verletzte die Vorinstanz den Anspruch der
Beschwerdeführer auf ein gerechtes Verfahren nach Art. 29 Abs. 1 BV und auf
rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV.

Die Beschwerde ist insoweit begründet. Ob die Vorinstanz überdies kantonales
Verfahrensrecht willkürlich angewandt und deshalb gegen Art. 9 BV verstossen
habe, kann offen bleiben.

2.5 Nach der Rechtsprechung kann ein Verfahrensmangel, insbesondere eine
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, auch im bundesgerichtlichen
Verfahren geheilt werden, wenn die Kognition des Bundesgerichts gegenüber
derjenigen der letzten kantonalen Instanz nicht eingeschränkt ist und dem
Beschwerdeführer kein Nachteil erwächst. Die Heilung ist ausgeschlossen, wenn
es sich um eine besonders schwerwiegende Verletzung der Parteirechte handelt,
und sie soll die Ausnahme bleiben (BGE 134 I 331 E. 3.1 S. 335 f.; 126 I 68 E.
2 S. 72 mit Hinweisen).

Die Vorinstanz hat nach dem Gesagten nicht nur den Anspruch der
Beschwerdeführer auf Äusserung zur Vernehmlassung des Stadtrats und den damit
eingereichten neuen Dokumenten verletzt, sondern überdies die Ausübung des
insoweit bestehenden Beschwerderechts verunmöglicht. Dies spricht für die
Annahme einer besonders schwerwiegenden Verletzung der Parteirechte. Wie es
sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben.

Eine Heilung ist hier schon deshalb ausgeschlossen, weil die Prüfungsbefugnis
des Bundesgerichts gegenüber derjenigen der Vorinstanz eingeschränkt ist.
Gemäss Art. 51 Abs. 1 VRG können mit der Beschwerde an die Vorinstanz geltend
gemacht werden a) Rechtsverletzungen einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens und b) die unrichtige oder unvollständige Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts. Vor Vorinstanz kann somit jede
Rechtsverletzung gerügt werden, auch eine solche des kantonalen und kommunalen
Rechts, hier insbesondere des Raumplanungsgesetzes vom 6. Dezember 2004 für den
Kanton Graubünden (KRG; BR 801.100) und des Baugesetzes der Stadt Chur vom 26.
November 2006. Zudem kann die Vorinstanz den Sachverhalt frei prüfen. Vor
Bundesgericht können die Beschwerdeführer hier demgegenüber die Verletzung
einfachen kantonalen Gesetzesrechts und kommunalen Rechts nicht geltend machen
(Art. 95 BGG). Sie können lediglich vorbringen, dieses Recht sei willkürlich
angewandt und damit Art. 9 BV verletzt worden. Die Feststellung des
Sachverhalts können die Beschwerdeführer vor Bundesgericht überdies nur rügen,
wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne
von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs.
1 und 2 BGG).

Die ausnahmsweise Heilung des Verfahrensmangels im bundesgerichtlichen
Verfahren kommt hier danach nicht in Betracht.

2.6 Nach der Rechtsprechung ist der Anspruch auf rechtliches Gehör formeller
Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde
in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Es kommt mit
anderen Worten nicht darauf an, ob die Anhörung im konkreten Fall für den
Ausgang der materiellen Streitentscheidung von Bedeutung ist, d.h. die Behörde
zu einer Änderung ihres Entscheids veranlasst wird oder nicht (BGE 134 I 331 E.
3.1 am Schluss; 132 V 387 E. 5.1; 127 V 431 E. 3d; 125 I 113 E. 3 mit
Hinweisen).
Im Lichte dieser Rechtsprechung ist nicht zu prüfen, ob eine weitere
Stellungnahme der Beschwerdeführer im Verfahren vor Vorinstanz diese zu einem
anderen Entscheid veranlassen kann.
Die Beschwerdegegnerin ist anderer Auffassung. Sie verweist (Vernehmlassung S.
5 ff.) auf BGE 132 V 387. Danach ist von einer Rückweisung der Sache zur
Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Verwaltung im Sinne einer Heilung des
Mangels selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs dann
abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf
und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung
gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen
Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (E. 5.1, bestätigt in BGE 133
I 201 E. 2.2).

Die Beschwerdegegnerin hält dafür, die Rückweisung stellte hier einen
formalistischen Leerlauf dar, da die Vorinstanz wieder gleich entscheiden
müsste. Die Beschwerdegegnerin habe Anspruch auf Vertrauensschutz nach Art. 9
BV. Dieser stehe dem Widerruf der Bewilligung für den Erweiterungsbau entgegen.

Die Beschwerdegegnerin stellt insoweit die formelle Natur des Anspruchs auf
rechtliches Gehör in Frage. Wie es sich damit verhält, braucht hier nicht
vertieft zu werden. Selbst wenn man der Beschwerdegegnerin im Ansatz folgen
wollte, könnte von der Rückweisung nicht abgesehen werden. Ein Verzicht auf die
Rückweisung käme höchstens dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des
Vertrauensschutzes offensichtlich erfüllt wären. Dies ist aus folgenden
Erwägungen nicht der Fall.
2.7
2.7.1 Auf Vertrauensschutz kann sich nur berufen, wer von der
Vertrauensgrundlage Kenntnis hatte und ihre allfällige Fehlerhaftigkeit nicht
kannte und auch nicht hätte kennen sollen (Ulrich Häfelin und andere,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2006, S. 138 N. 655).

Die Beschwerdegegnerin bringt (Vernehmlassung S. 7) vor, ob die Baubewilligung
(gemeint: vom 17. Dezember 2007) tatsächlich fehlerhaft sei, brauche nicht
geprüft zu werden. Jedenfalls könne der Beschwerdegegnerin nicht vorgeworfen
werden, sie hätte den angeblichen Fehler im Zeitpunkt des Grundstückkaufs bzw.
bei Baubeginn erkennen können oder müssen. Die Beschwerdeführer halten dem
(Replik S. 20) entgegen, die Beschwerdegegnerin habe den Baueingabeplänen
entnehmen können, dass die Baulinie lediglich projektiert gewesen sei. Daraus
hätte sie ableiten müssen, dass die ordentlichen Grenzabstandsvorschriften
hätten eingehalten werden müssen, was bei weitem nicht der Fall gewesen sei.

Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben. Das Vorbringen der
Beschwerdeführer kann jedenfalls nicht klar von der Hand gewiesen werden. Schon
deshalb kann nicht gesagt werden, die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes
seien offensichtlich erfüllt.
2.7.2 Vertrauensschutz kann überdies in der Regel nur geltend machen, wer
gestützt auf sein Vertrauen eine Disposition getroffen hat, die ohne Nachteil
nicht wieder rückgängig gemacht werden kann (Häfelin und andere, a.a.O., S. 139
N. 660).

Die Beschwerdegegnerin macht (Vernehmlassung S. 7 f.) geltend, bei Widerruf der
Bewilligung für den Erweiterungsbau müssten gutgläubig geschaffene Werte
zerstört werden. Die Beschwerdeführer bringen (Replik S. 20 f.) dagegen vor,
sie hätten am 17. März 2008 einen Baustopp beantragt. Zu jenem Zeitpunkt sei
die Betonierung der Decke des Untergeschosses unmittelbar bevorgestanden. Diese
Decke hätte ohnehin, auch bei Dahinfallen der zweiten Bauetappe, angebracht
werden müssen. Somit sei bis zum beantragten Baustopp weder eine
Vertrauensbetätigung erfolgt noch der Beschwerdegegnerin ein Schaden
entstanden. Auch dieses Vorbringen der Beschwerdeführer kann jedenfalls nicht
zum Vornherein als offensichtlich unbegründet beurteilt werden.

Soweit die Beschwerdegegnerin geltend macht, bereits im Kauf der Baugrundstücke
und im Abschluss des Totalunternehmervertrages liege eine Vertrauensbetätigung,
stellt sich die Frage der Kausalität. Zwischen Vertrauen und Disposition muss
ein Kausalzusammenhang bestehen. Dieser fehlt, wenn anzunehmen ist, dass die
Disposition auch ohne ein Vertrauen begründendes behördliches Verhalten bzw.
bei Kenntnis der Mangelhaftigkeit der Vertrauensbasis vorgenommen worden wäre
(Häfelin und andere, a.a.O., S. 139 N. 664). Zu berücksichtigen ist, dass nicht
der Widerruf beider Baubewilligungen vom 17. September und 17. Dezember 2007
zur Diskussion steht, sondern allein jener für die letztere, welche den
Erweiterungsbau betrifft. Es müsste näher geprüft werden, ob die
Beschwerdegegnerin die Grundstücke nicht allenfalls auch dann gekauft und
überbaut hätte, wenn nur die Bewilligung vom 17. September 2007 vorgelegen
hätte.
2.7.3 Auch wenn die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes erfüllt sind, können
sich Private ausserdem nicht darauf berufen, falls ein überwiegendes
öffentliches Interesse entgegensteht (Häfelin und andere, a.a.O., S. 139 N.
665).

Die Beschwerdeführer machen geltend, die Vorschriften über den Grenzabstand
seien hier bei weitem nicht eingehalten. Es müsste deshalb untersucht werden,
ob das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Grenzabstandsvorschriften
nicht allenfalls überwiegt. Auch wie es sich damit verhält, ist nicht von
vornherein klar.
2.7.4 Sind danach die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes hier nicht
offensichtlich gegeben, kann entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin
nicht gesagt werden, die Rückweisung stelle einen formalistischen Leerlauf dar.

3.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die angefochtenen Entscheide vom 2. und 4.
Juli 2008 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Diese wird
den Beschwerdeführern das rechtliche Gehör zu gewähren und sodann in der Sache
neu zu entscheiden haben.

Den Verfahrensmangel hat die Vorinstanz zu vertreten. Dem Kanton werden keine
Kosten auferlegt (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dagegen rechtfertigt es sich, ihn in
Anwendung von Art. 68 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG zu verpflichten, den
Beschwerdeführern für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung zu
bezahlen. Die Beschwerdegegnerin und die Stadt Chur haben schon deshalb keinen
Anspruch auf Parteientschädigung, weil sie mit ihren Anträgen unterliegen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Entscheide des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden vom 2. und 4. Juli 2008 aufgehoben und die Sache an dieses
zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Graubünden hat den Beschwerdeführern eine Entschädigung von je Fr.
1'500.--, insgesamt Fr. 3'000.--, zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Stadt Chur und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Mai 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Härri