Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.36/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_36/2008 /fun

Urteil vom 10. Juni 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Thönen.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. René Müller,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner, vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. Hanspeter Geissmann,
Gemeinderat Böttstein, Gemeindekanzlei, Kirchweg 16, Postfach 94, 5314
Kleindöttingen,
Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, Rechtsabteilung,
Entfelderstrasse 22, 5001 Aarau.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 29. November 2007 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau,
3. Kammer.

Sachverhalt:

A.
X.________ ist Eigentümer der Parzelle Nr. 1128 in Kleindöttingen. Er erhob
gegen das Bauvorhaben auf der Parzelle Nr. 1129 seines Nachbarn Y.________
Einsprache. Der Gemeinderat Böttstein erteilte die Baubewilligung am 14.
November 2005 und wies die Einsprache von X.________ ab.

Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) des Kantons Aargau wies die
Verwaltungsbeschwerde von X.________ mit Entscheid vom 4. August 2006 ab.

X.________ focht diesen Departementsentscheid gerichtlich an. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau wies seine Beschwerde mit Urteil vom 29.
November 2007 ab.

B.
X.________ führt mit Eingabe vom 28. Januar 2008 Beschwerde an das
Bundesgericht. Er beantragt, die Ziffern 1 bis 3 des Urteils des
Verwaltungsgerichts aufzuheben und Y.________ die Baubewilligung nicht zu
erteilen.

Y.________ und das Departement beantragen je Beschwerdeabweisung. Das
Verwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Gemeinderat
Böttstein hat sich nicht vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 109 BGG entscheiden die Abteilungen des Bundesgerichts in
Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über die Abweisung offensichtlich
unbegründeter Beschwerden (Abs. 2 lit. a). Der Entscheid wird summarisch
begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid
verwiesen werden (Abs. 3).

2.
Das Baugesuch des Beschwerdegegners hat den Abbruch eines Autounterstandes und
den Anbau einer Dreizimmerwohnung an das bestehende Einfamilienhaus auf
Parzelle Nr. 1129 zum Inhalt. Die geplante Wohnung soll auf der Nordwestseite
des bestehenden Hauses errichtet werden. Die Parzelle Nr. 1128 des
Beschwerdeführers grenzt an der Nordwestseite unmittelbar an das Baugrundstück
an.
Das Baugrundstück liegt in der Wohnzone W2 gemäss dem kommunalen Bauzonenplan.
Die kommunale Bau- und Nutzungsordnung sieht für diese Zone einen grossen
Grenzabstand von 8 m und einen kleinen Grenzabstand von 4 m vor. Streitig ist,
ob die geplante Wohnung den grossen oder den kleinen Grenzabstand zum
Grundstück des Beschwerdeführers einhalten muss. Gemäss der kantonalen
Allgemeinen Verordnung zum Baugesetz vom 23. Februar 1994 (ABauV/AG) ist der
grosse Grenzabstand senkrecht von der massgeblichen Fassade einzuhalten, welche
nach den örtlichen Verhältnissen bestimmt wird. Nach Ansicht der kantonalen
Instanzen ist die Fassade Nordwest des Neubaus keine solche massgebliche
Fassade, weshalb nur der kleine Grenzabstand einzuhalten sei. Die neue Wohnung
und das bestehende Einfamilienhaus seien als Einheit zu betrachten, da die
Wohnung direkt an das bestehende Haus anschliesse. Massgeblich für den grossen
Grenzabstand sei allein die Fassade Südwest, da sie die grössere Fensterfläche
aufweise und wegen der direkten Sonneneinstrahlung bedeutsamer sei. Aufgrund
der Raumnutzung sei die Südwestseite die Hauptwohnseite.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist die Neubauwohnung ein selbständiges
Gebäude und die Fassade Nordwest massgeblich, weshalb der grosse Grenzabstand
zur Anwendung komme.

3.
Der Beschwerdeführer rügt, die gesamthafte Betrachtung der Wohnung und des
Hauses gemäss § 17 ABauV/AG sei willkürlich. Praxisgemäss sei es möglich, bei
Mehrfamilienhäusern verschiedene Fassadenteile als Hauptwohnseiten zu
betrachten. Mit der Wohnung werde ein neues Gebäude angebaut, dessen
Hauptwohnseite nach Nordwesten weise. Daher sei der grosse Grenzabstand
anwendbar.

4.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bewirkt Art. 36 des Bundesgesetzes
über die Raumplanung (RPG, SR 700) nicht, dass die kantonalen Regeln über den
Grenzabstand als Bundesrecht betrachtet würden. Die Beschwerde bezieht sich
somit auf die Anwendung kantonalen Rechts, welche das Bundesgericht
grundsätzlich nur mit Blick auf ausreichend gerügte Verfassungsverletzungen
(Art. 95 und 106 Abs. 2 BGG) prüfen kann. Die Prüfung des vorliegenden Falls
bleibt auf die Frage beschränkt, ob das Verwaltungsgericht die kantonalen
Regeln über den Grenzabstand willkürlich angewandt hat. Zu prüfen ist demnach
einzig die Rüge der Verletzung des Willkürverbots gemäss Art. 9 BV bei der
Anwendung der Vorschriften über den Grenzabstand.

5.
Gemäss § 17 Abs. 2 Satz 2 ABauV/AG wird die für den grossen Grenzabstand
massgebliche Fassade nach den örtlichen Verhältnissen (Lärm, Besonnung, Nutzung
der Räume, Einpassung usw.) bestimmt. Diese Bestimmung schreibt keine fixe
Regel vor, welche und wieviele Fassaden für den grossen Grenzabstand
massgeblich sind. Vielmehr hat die Behörde die Verhältnisse des Einzelfalls zu
würdigen.

Das Verwaltungsgericht betrachtet das bestehende Einfamilienhaus und die
geplante Wohnung als Einheit, weil sie direkt zusammengebaut sind. Es
vergleicht die neue Fassade Nordwest mit der bestehenden Fassade Südwest
hinsichtlich der Besonnung und Raumnutzung und kommt zum Schluss, die Fassade
Südwest bleibe für den grossen Grenzabstand allein massgeblich. Der
Beschwerdeführer ist der Ansicht, dies reiche nicht aus, weil es zwischen Haus
und Wohnung keine Durchbrüche gebe und zwei separate Eingänge vorgesehen seien.
Mit Bezug auf die Wohnung liege der grosse Grenzabstand bei der Fassade
Nordwest.

Damit liegen zwei unterschiedliche Deutungen vor, die beide vertretbar sind.
Das Verwaltungsgericht stellt auf eine äussere Perspektive ab und lässt
gesamthaft einen grossen Grenzabstand genügen, währenddem der Beschwerdeführer
eine engere, auch innere Verbindung der Elemente fordert und daraus auf die
Notwendigkeit eines zweiten grossen Grenzabstands für die angebaute Wohnung
schliesst. Die Ansicht der Behörden ist jedoch nicht offensichtlich falsch oder
schlechthin unhaltbar. In einem solchen Fall greift das Bundesgericht im Rahmen
einer Willkürprüfung nicht ein (BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17 f.; 131 I 467 E. 3.1
S. 473 f., je mit Hinweisen). Da es um die Anwendung kantonalen Rechts geht,
obliegt die Rechtsauslegung in erster Linie den kantonalen Behörden. Diese
können sachliche Gründe für ihren Entscheid anführen. Von aussen betrachtet
bleibt das Gebäude des Beschwerdegegners auch in Zukunft eine Einheit. Dass bei
dieser gesamthaften Betrachtungsweise die Fassade Südwest die Hauptwohnseite
bildet, ist nicht bestritten. Demnach erweist sich die Willkürrüge als
unbegründet.

6.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zudem den privaten Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Böttstein, dem Departement
Bau, Verkehr und Umwelt und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Juni 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Thönen