Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.369/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_369/2008 /daa

Urteil vom 17. Oktober 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Pfäffli.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
vertreten durch das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung
Administrativmassnahmen, Lessingstrasse 33, 8090 Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich, vertreten durch die Staatskanzlei des Kantons
Zürich, Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Entzug des Führerausweises,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 21. Mai 2008
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,
1. Abteilung, 1. Kammer.

Sachverhalt:

A.
Die Direktion für Soziales und Sicherheit (heute Sicherheitsdirektion) des
Kantons Zürich entzog X.________ mit Verfügung vom 17. Februar 2006 den
Führerausweis für die Dauer von drei Monaten. Den dagegen von X.________
erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich mit Entscheid vom
12. Juli 2006 ab. Gegen den Rekursentscheid erhob X.________ Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Die Sicherheitsdirektion und die
Staatskanzlei beantragten am 13. September 2006 bzw. am 14. September 2006
Abweisung der Beschwerde.

Mit Rücksicht auf das hängige Strafverfahren sistierte das Verwaltungsgericht
das Verfahren vom 15. März 2007 bis 18. März 2008. Die Akten des
Strafverfahrens wurden erstmals im Januar 2007 beigezogen und den Parteien
Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geboten. Die Sicherheitsdirektion
verzichtete am 13. Februar 2007 auf eine Stellungnahme. X.________ liess sich
nicht vernehmen.

Nach Abschluss des Strafverfahrens hob das Verwaltungsgericht die Sistierung
auf. Mit Verfügung vom 18. März 2008 setzte es dem Beschwerdeführer eine Frist
von 20 Tagen, um zu erklären, ob er an der Beschwerde festhalten wolle und
gegebenenfalls zu den Vernehmlassungen der Vorinstanz sowie der
Beschwerdegegnerin noch Stellung zu nehmen. Mit Entscheid vom 21. Mai 2008 wies
das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab, wobei es u.a.
ausführte, dass der Beschwerdeführer von der ihm mit Verfügung vom 18. März
2008 eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht habe.

B.
X.________ führt mit Eingabe vom 27. August 2008 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich. Er ersucht um Aufhebung des
angefochtenen Entscheids.

C.
Die Sicherheitsdirektion hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der
Regierungsrat ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht
stellt keinen Antrag, führt jedoch aus, es treffe zu, dass die Eingabe des
Beschwerdeführers vom 17. April 2008 im Entscheid nicht berücksichtigt worden
sei. Es handle sich hierbei offensichtlich um ein Versehen.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches
Gehör. Innerhalb der ihm mit Verfügung vom 18. März 2008 gesetzten Frist habe
er mit Schreiben vom 17. April 2008 dem Verwaltungsgericht mitgeteilt, dass er
an seiner Beschwerde festhalte. Gleichzeitig habe er um Erstreckung der Frist
zur Einreichung einer Stellungnahme zu den Vernehmlassungen der Vorinstanz und
der Beschwerdegegnerin ersucht. Das Verwaltungsgericht sei auf dieses Schreiben
nicht eingegangen und habe fälschlicherweise ausgeführt, dass der
Beschwerdeführer von der ihm mit Verfügung vom 18. März 2008 eingeräumten
Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht habe.

2.
Der Anspruch einer Partei, im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu replizieren,
bildet einen Teilgehalt des verfassungsmässigen Anspruchs auf rechtliches Gehör
(Art. 29 Abs. 2 BV). Im Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist es den
Gerichten nicht gestattet, einer Partei das Äusserungsrecht zu eingegangenen
Stellungnahmen bzw. Vernehmlassungen der übrigen Verfahrensparteien, unteren
Instanzen und weiteren Stellen abzuschneiden. Die Partei ist vom Gericht nicht
nur über den Eingang dieser Eingaben zu orientieren; sie muss ausserdem die
Möglichkeit zur Replik haben (BGE 132 I 42 E. 3.3.3 S. 47 mit Hinweisen auf die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte). Art. 29 Abs.
2 BV gebietet, dass die Gerichte diesen Grundsatz auch ausserhalb von Art. 6
Ziff. 1 EMRK beachten. In diesem Sinne ist festzustellen, dass Art. 29 Abs. 2
BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK im Hinblick auf das Replikrecht in gerichtlichen
Verfahren dieselbe Tragweite zukommt (BGE 133 I 98 E. 2.1).

Im vorliegenden Fall gab das Verwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit
Verfügung vom 18. März 2008 Gelegenheit, zu den Vernehmlassungen der Vorinstanz
sowie der Beschwerdegegnerin noch Stellung zu nehmen. Innert Frist reichte der
Beschwerdeführer mit Eingabe vom 17. April 2008 ein Fristerstreckungsgesuch
ein, welches das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid aufgrund eines
Versehens nicht berücksichtigte. Indem das Verwaltungsgericht entschied, ohne
vorgängig das Fristerstreckungsgesuch behandelt zu haben, hat es dem
Beschwerdeführer sein Äusserungsrecht und damit dessen Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt.

3.
Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid
aufzuheben. Kosten sind bei diesem Ausgang des Verfahrens keine zu erheben
(Art. 66 Abs. 4 BGG). Der nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat
praxisgemäss keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. BGE 133 III 439
E. 4 S. 446).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich vom 21. Mai 2008 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen
zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Sicherheitsdirektion, dem
Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Oktober 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Pfäffli